Ein Prediger in der Wüste
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Ein Prediger in der Wüste
Gnade sei mit euch und Friede, von Gott unserem Vater, und unserem Herrn und Heiland Jesus Christus. Amen.
Liebe Gemeinde,
vor einigen Jahren habe ich einmal das Bild eines Predigers als Titelbild eines Gemeindebriefes in Fraureuth gedruckt. Dieses Bild hat mich immer wieder beeindruckt. Es ist ein junger Mann mit einem Hut auf dem Kopf, einem markanten Blick und einen erhobenen Zeigefinger. Dieser junge Mann zieht so unsere ganze Aufmerksamkeit auf sich. (Bild zeigen) Es ist einer der Redner in Londons berühmter Speakers Corner, also der berühmte Versammlungsplatz am nordöstlichen Ende des Hyde Parks in London, wo jeder öffentlich reden darf.
Heute geht es auch um einen Mann, der unsere Aufmerksamkeit auf sich zieht, aber nicht, weil er mal nur öffentlich reden will, sondern weil er eine Botschaft hat, die lebensverändernd ist.
Dazu hören wir Worte aus der Bibel im Lukasevangelium Kapitel 3:
Lukas 3,1–20 (LU)
1 Im fünfzehnten Jahr der Herrschaft des Kaisers Tiberius, als Pontius Pilatus Statthalter in Judäa war und Herodes Landesfürst von Galiläa und sein Bruder Philippus Landesfürst von Ituräa und der Landschaft Trachonitis und Lysanias Landesfürst von Abilene,
2 als Hannas und Kaiphas Hohepriester waren, da geschah das Wort Gottes zu Johannes, dem Sohn des Zacharias, in der Wüste.
3 Und er kam in die ganze Gegend um den Jordan und predigte die Taufe der Buße zur Vergebung der Sünden,
4 wie geschrieben steht im Buch der Worte des Propheten Jesaja : »Es ist eine Stimme eines Predigers in der Wüste: Bereitet den Weg des Herrn, macht seine Steige eben!
5 Alle Täler sollen erhöht werden, und alle Berge und Hügel sollen erniedrigt werden; und was krumm ist, soll gerade werden, und was uneben ist, soll ebener Weg werden,
6 und alles Fleisch wird das Heil Gottes sehen.«
7 Da sprach Johannes zu der Menge, die hinausging, um sich von ihm taufen zu lassen: Ihr Otterngezücht, wer hat euch gewiss gemacht, dass ihr dem künftigen Zorn entrinnen werdet?
8 Seht zu, bringt rechtschaffene Früchte der Buße; und nehmt euch nicht vor zu sagen: Wir haben Abraham zum Vater. Denn ich sage euch: Gott kann dem Abraham aus diesen Steinen Kinder erwecken.
9 Es ist schon die Axt den Bäumen an die Wurzel gelegt; jeder Baum, der nicht gute Frucht bringt, wird abgehauen und ins Feuer geworfen.
10 Und die Menge fragte ihn und sprach: Was sollen wir nun tun?
11 Er antwortete aber und sprach zu ihnen: Wer zwei Hemden hat, der gebe dem, der keines hat; und wer Speise hat, tue ebenso.
12 Es kamen aber auch Zöllner, um sich taufen zu lassen, und sprachen zu ihm: Meister, was sollen denn wir tun?
13 Er sprach zu ihnen: Fordert nicht mehr, als euch vorgeschrieben ist!
14 Da fragten ihn auch Soldaten und sprachen: Was sollen denn wir tun? Und er sprach zu ihnen: Tut niemandem Gewalt noch Unrecht und lasst euch genügen an eurem Sold!
15 Als aber das Volk voll Erwartung war und alle dachten in ihren Herzen, ob Johannes vielleicht der Christus wäre,
16 antwortete Johannes und sprach zu allen: Ich taufe euch mit Wasser; es kommt aber der, der stärker ist als ich; ich bin nicht wert, dass ich ihm die Riemen seiner Schuhe löse; der wird euch mit dem Heiligen Geist und mit Feuer taufen.
17 In seiner Hand ist die Worfschaufel, und er wird die Spreu vom Weizen trennen und den Weizen in seine Scheune sammeln, die Spreu aber wird er mit unauslöschlichem Feuer verbrennen.
18 Und mit vielem andern mehr ermahnte er das Volk und predigte ihm.
19 Herodes aber, der Landesfürst, der von Johannes zurechtgewiesen wurde wegen Herodias, der Frau seines Bruders, und wegen all des Bösen, das er getan hatte,
20 fügte zu dem allen noch dies hinzu: Er warf Johannes ins Gefängnis.
Ein Prediger in der Wüste, was ist da schon Besonderes dran? Da gibt es doch viele. Irgendwelche Leute, die in der Abgeschiedenheit der Wüste als religiöse Einsiedler und Eremiten leben. Eine Gruppe ist uns auch heute aus der Zeit von damals bekannt, die Essener. Deren Schriften wurden vor 70 Jahren in den Höhlen von Qumran gefunden.
Also ein Prediger in der Wüste und was ist schon besonders an ihm, dass die Leute ihm nachlaufen. Seine Kleidung ist auch nicht gerade die Beste. Und seine Worte, die er da redet, auch nicht gerade schmeichelhaft. Oder finden Sie es großartig, wenn jemand zu ihnen Otterngezücht sagt, oder von Gericht und Zorn spricht. Ich weiß nicht.
Aber irgendetwas ist es, was die Leute anspricht, und nicht nur das gemeine Volk, sondern auch die Pharisäer und Schriftgelehrten, also die Leute, die sich in der Bibel auskennen. Genau das geschah durch die Vollmacht, mit der Johannes predigte: da geschah das Wort Gottes zu Johannes (v2). Es erfüllte sich durch ihn die Verheißung des Propheten Jesaja:
»Es ist eine Stimme eines Predigers in der Wüste: Bereitet den Weg des Herrn, macht seine Steige eben! Alle Täler sollen erhöht werden, und alle Berge und Hügel sollen erniedrigt werden; und was krumm ist, soll gerade werden, und was uneben ist, soll ebener Weg werden, und alles Fleisch wird das Heil Gottes sehen.«
So geschah sein Bußruf an die Menschen damals – und sie wurden angesprochen: Kehrt um! Verändert euer Leben!
Die Taufe am Jordan war das äußere Zeichen dieser Umkehr und dieser Erneuerung. Das hatte nun auch Konsequenzen für das Leben. Das Leben, der Alltag kann also nicht mehr so weiter gehen. Die Erneuerung, die Umkehr hat Folgen für das Leben. Das galt nicht nur für die Menschen, die zur Zeit des Johannes dem Ruf der Umkehr hörten. Auch für uns als Christen heißt es, dass unser Leben in der Nachfolge Christi nicht so bleiben wird, wie es war. Zum Christsein gehört die Veränderung dazu.
Interessanterweise kommen hier bei Johannes zwei Berufsgruppen zur Sprache, wo mancher sagen würde, so ein Beruf und Christ das geht nicht. Bei einem dieser Berufe ist das auch heute noch so. Aber auch heute gibt es Berufe, die viele mit dem Christsein ausschließen. Wer kann sich einen Türsteher als Christ vorstellen? Doch bei Johannes und auch bei Jesus spielt der Beruf meistens keine Rolle. Es geht um das Leben um das Leben vor und mit Gott.
Nun schauen wir einmal auf unsere Tage heute. Da tun wir uns sicher schwer, das zusammenzureimen: Die schönste Zeit des Jahres steht vor der Tür - und solche harten Worte! Letzten Sonntag die Worte vom Weltuntergang und heute von Gericht und Buße.
Wie sollen uns solche bedrohlichen Worte auf das vor uns liegende Weihnachtsfest einstimmen?
Wir suchen da die vorweihnachtlichen Gefühle und finden da diese Worte vom Gericht: " Es ist schon die Axt den Bäumen an die Wurzel gelegt; jeder Baum, der nicht gute Frucht bringt, wird abgehauen und ins Feuer geworfen. "
Haben wir das wirklich nötig zu hören, oder?
Aber besinnen wir uns einmal: Nehmen wir uns das nicht jedes Jahr neu vor: Diese Adventszeit einmal ganz anders zu gestalten, sich nicht in den Sog der Hektik ziehen zu lassen, einmal mehr und tiefer zu bedenken, was da in der Heiligen Nacht geschieht, damit wir hernach sagen können: Es war diesmal schön und es bleibt etwas davon! Das auch schon jetzt in der Vorweihnachtszeit. Und zur Besinnung gehört auch die Buße, die Umkehr. Die violetten Vorhänge am Altar und an der Kanzel sind ihr äußeres Zeichen.
Violett ist ja die Farbe der Buße.- Aber trotzdem: Muss uns Johannes das so ins Gesicht schleudern? Und dann: Wer wird denn auf so etwas hören? Könnten wir's nicht einmal so sehen: Da ist ein Mann, besessen von dem einen Gedanken, dem Stärkeren, der ihm folgt, den Weg zu bereiten. Und er will seine Aufgabe erfüllen: Das Krumme soll gerade werden, das Rauhe glatt, der Sünder soll sich bekehren ...
Und der, den er erwartet, der steht schon vor der Tür. Der "Stärkere" ist schon auf dem Weg. Bekehrt euch, ehe es zu spät ist!
Fast kann ich des Täufers Liebe zu mir spüren, wie er um mich ringt, wie er an mein Ohr dringen will - gerade mit solch harten Worten: Es ist wirklich so dringend, dass du ein anderer wirst!
Aber was tun wir in diesen Tagen der Weihnachtsvorbereitung? Wir hetzen von einem Kaufhaus ins andere. Wo gibt es den Schal, der ihr gefällt? Was war's doch gleich, was er sich so lange schon gewünscht hat? Und da ist ja nicht nur sie und er.
Da gibt's noch die Mutter, die Tante, die Schwiegerleute und und und ...
Für jeden etwas besorgen, nicht zu klein, soll Freude machen, nicht zu groß, nicht aufdringlich und jedes Jahr etwas anderes.
Wenn wir schließlich alles beisammenhaben, sind wir dann bereit für Weihnachten? Ach, und der ganze Rummel zu Hause!
Und wenn das alles getan ist und wir auch nicht das Geringste vergessen haben ... sind wir dann bereit, für das Geschehen der Heiligen Nacht?
Wenn uns doch da hinein einer einmal ein Wort sagen würde, eines, das uns zurechtbringt - und sei's ein hartes Wort!
Denn bereitet uns all der Kram wirklich auf Weihnachten vor?
Ausgepumpt kommen wir am Fest an, mit hängender Zunge. Bepackt mit Geschenken für andere und überhäuft mit Gaben hocken wir dann im Schimmer der Kerzen - innerlich aber sind wir ausgebrannt und leer.
Dann wird uns in den Kirchen die Geschichte der Weihnacht erzählt und sie will uns froh machen; wir hören von Gottes Geschenk an uns Menschen, von seiner Liebe und von der Freude - und nichts davon will dann in uns aufkommen.
Kaum gestehen wir's uns ein: Aber wir sind dann oft froh, wenn der ganze Betrieb am 2. Weihnachtstag zu ende ist. Dann nehmen wir uns vor: Im nächsten Jahr wird alles ganz anders! Und dann kam das nächste Jahr - und alles ging von vorne los!
" Seht zu, bringt rechtschaffene Früchte der Buße!"
So bereiten wir dem Herrn nicht den Weg. So, wie es immer war, wird uns seine Geburt nicht froh machen können. Die Umkehr wird uns schwer werden, aber wir müssen uns in diesem Jahr mit allen Kräften wehren, vom Strudel der Hektik und Betriebsamkeit fortgerissen zu werden.
Weil Johannes uns das zuruft: Kehrt um! Da ist der Herr, der da kommt: Er hat Zeit für mich, wird einer wie ich. In ihm kommt Gott mir ganz nah und nimmt teil an allem, was menschlich ist: An meinen Sorgen, meinen Ängsten und Nöten ... Er steht für mich ein und ist für mich da. Nichts ist ihm fremd, was einen wie mich bewegt; er ist ja Mensch geworden wie ich. Wenn das kein Grund zur Freude ist! Nur muss er mich halt bereitfinden. Darum lässt er mich heute mit aller Härte zurechtweisen: Tu Buße!
Frag' dich, wie es in dir aussieht, wem und was du in diesen Tagen nachläufst. Räume alles aus, was meine Freude in dir erstickt. Nimm dir Zeit für dich - und für mich. Und komm auch einem Mitmenschen einmal nah, hab' Interesse für ihn, wie ich für dich! Ich will bei dir einziehen - und mit mir die Freude.
Amen.