Gottes Gaben und Berufung
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Gottes Gaben und Berufung
Gottes Gaben und Berufung
25 Ich will euch, Brüder und Schwestern, dieses Geheimnis nicht verhehlen, damit ihr euch nicht selbst für klug haltet: Verstockung ist einem Teil Israels widerfahren, bis die volle Zahl der Heiden hinzugekommen ist.
26 Und so wird ganz Israel gerettet werden, wie geschrieben steht : »Es wird kommen aus Zion der Erlöser; der wird abwenden alle Gottlosigkeit von Jakob.
27 Und dies ist mein Bund mit ihnen, wenn ich ihre Sünden wegnehmen werde.«
28 Nach dem Evangelium sind sie zwar Feinde um euretwillen; aber nach der Erwählung sind sie Geliebte um der Väter willen.
29 Denn Gottes Gaben und Berufung können ihn nicht gereuen.
30 Denn wie ihr einst Gott ungehorsam gewesen seid, nun aber Barmherzigkeit erlangt habt wegen ihres Ungehorsams,
31 so sind auch jene jetzt ungehorsam geworden wegen der Barmherzigkeit, die euch widerfahren ist, damit auch sie jetzt Barmherzigkeit erlangen.
32 Denn Gott hat alle eingeschlossen in den Ungehorsam, damit er sich aller erbarme.
Liebe Gemeinde,
lieben Sie Geheimnisse oder möchten Sie diese immer gleich gelöst haben. Es gibt doch eine sehr interessante Spannung, wenn jemand Geheimnisse hat und diese nicht gleich preisgibt.
Geheimnisse vertraut man nur jemandem an, zu dem man Vertrauen hat. Sie bleiben darum anderen gegenüber geheimnisvoll und unfassbar.
Das Wort "Geheimnis" gab es ursprünglich gar nicht in der deutschen Sprache. Wie wir gerade erst in dieser Woche durch die Nachrichten erfahren, kommen in der deutschen Sprache Wörter hinzu und andere Wörter verschwinden, so kam das Wort „Geheimnis“ erst durch die Bibelübersetzung von Martin Luther in die deutsche Sprache. Das Wort "Geheimnis" entstand als Übersetzung des Wortes "Mysterium".
Der Apostel Paulus spricht nun in seinen Briefen 21-mal vom "Geheimnis". Auch im heutigen Text behandelt er ein Geheimnis.
„Wie kann das sein, dass ausgerechnet Gottes geliebtes, auserwähltes Volk Israel in seiner Mehrheit Jesus als den Messias ablehnt?“
Das ist die große Frage für ihn und er beschäftigt sich in drei langen Kapiteln das Römerbriefs (Kap. 9-11) mit dieser Frage. Jetzt am Ende dieses Abschnitts, schreibt er: Gott hat ihm ein Geheimnis anvertraut.
Was ist das für ein Geheimnis? Ein Geheimnis über Gottes Volk Israel? Und dann stellt sich uns die Frage: Was hat das mit uns zu tun?
Nun für ihn ist klar: Dass Gottes Treue bleibt, selbst wenn wir untreu werden, das kann man an Gottes Bund mit seinem Volk sehen.
Schon deshalb sollten wir uns für Gottes Plan mit Israel interessieren. Und wir sollten nicht vergessen: Wir Christen sind mit dem Volk Israel verbunden.
Wenige Verse vorher sagt Paulus: Israel, das ist der Ölbaum, und die nichtjüdischen Gläubigen - also wir -, die sind wie so ein wilder Zweig, der dann in den Ölbaum eingepfropft wurde (Röm 11,17ff.).
Darum ist es Überheblichkeit, wenn in früheren Zeiten die Kirche sich frech an die Stelle Israels gesetzt hat, sich selbst als das "neue Israel" bezeichnet und das alte Israel einfach als von Gott verworfen abgehakt hat. Eben der ganze Holocaust, der kirchlicherseits auch in unserer Region mit den Deutschen Christen seine Wurzeln hat.
Aber wie sieht das Geheimnis aus? Eigentlich müssten wir alle drei Kapitel lesen. Es erfüllt den Apostel mit Schmerz und Trauer: Warum glauben sie nicht an Jesus? Er ist aufgewühlt, verzweifelt, im Innern zerrissen, erfüllt mit unaussprechlicher Traurigkeit: Warum nur sind so viele von meinen jüdischen Stammesgenossen, von meinen Freunden, von meiner Familie gegenüber Jesus so verschlossen? Und so schreibt er: "Ich sage die Wahrheit in Christus und lüge nicht (...), dass ich große Traurigkeit und Schmerzen ohne Unterlass in meinem Herzen habe" (Röm 9,1f.).
Wie geht es uns heute Morgen, am Israelsonntag? Wenn wir an Israel denken, sind wir da auch so aufgewühlt?
Wer einmal nach Yad Vashem kommt, zu jener Holocaustgedenkstätte in Jerusalem, sieht dort ein großes Schwarzweißfoto. Irgend so ein bayerisches Dorf ist darauf. Am Ortseingang ein riesiges Schild: "Juden sind hier unerwünscht" - und direkt daneben steht ein Kruzifix mit dem gekreuzigten Jesus. Aber ihr Lieben, das könnte auch ein Dorf hier aus dem Wieratal sein. Das wissen wir nur zu gut. Bei uns würden neben dem Schild unsere Kirchen strahlen.
Wie blind müssen Menschen sein, dass sie nicht merken, wie sie mit dem Hass auf die Juden auch den Juden Jesus aus ihrem Herzen ausschließen!
Die Blindheit von Menschen erleben wir gerade bei manchen Verschwörungstheoretiker in Bezug auf der Corona-Pandemie.
Wie viel Schmerz und Trauer empfinden wir, wenn auch heute noch Antisemitismus immer wieder in Worten und Taten zu spüren ist? Ja gerade wenn man hört, dass der Antisemitismus in Deutschland wieder zugenommen hat.
Der Apostel Paulus empfindet beim Gedanken an Israel einen noch größten Schmerz darüber, dass sein Volk zum größten Teil nicht gesehen hat, dass Jesus als sein König und Retter zu ihm gekommen ist.
Wie Paulus um sein Volk trauert, dass es Jesus ablehnt, so sind auch wir traurig, dass unsere Menschen aus unserer eigenen Familie noch nicht zum Glauben gefunden haben, oder dass sie sich vom Glauben entfernt haben. Da verstehen wir die Welt und Gott nicht mehr...
Da erinnert Paulus an Gottes große Liebe und Treue zu seinem Volk. Alles aus Liebe: Gott gibt uns nicht auf "Nach dem Evangelium sind sie zwar Feinde um euretwillen; aber nach der Erwählung sind sie Geliebte um der Väter willen. Denn Gottes Gaben und Berufung können ihn nicht gereuen" (Röm 11,28f.) Das sind schon merkwürdige Worte, ja, auch zunächst erschreckende Worte.
Es ist klar: Gemäß dem Evangelium sind alle Menschen ohne Jesus Christus "Feinde Gottes". Nicht etwa weil Gott uns nicht mögen würde, sondern weil die Sünde uns von Gott trennt. Der Mensch ist von Natur aus zuerst auf sich selbst fixiert und nicht auf Gott. Gefangen in Eigenliebe und in der Illusion, sich selbst erlösen zu können, sich wie Münchhausen am eigenen Schopfe aus dem Sumpf ziehen zu können. Letztlich ist es die Idee, sich selbst an die Stelle Gottes zu setzen, manchmal sogar durch Religion. Und das ist in Wahrheit Feindschaft gegen Gott.
Doch diese Feindschaft, die Rebellion des Menschen gegen Gott hebt seine Liebe nicht auf. Weder seine Liebe zu Israel noch zu uns. Und diese unermessliche Liebe Gottes kann man eben besonders gut an seiner Liebe zu Israel ablesen, dem Volk, das er sich erwählt hat.
Denn wenn man das Alte Testament liest: Wie oft hat sich dieses Volk von seinem Gott abgewandt, ist eigene Wege gegangen, von den Propheten als störrische Kuh bezeichnet (Hosea 4,16: "Ja, Israel war störrisch wie eine störrische Kuh")! Und doch, immer wieder hat Gott sich erbarmt! Gottes Liebe, die er einst Israels Erzvätern Abraham, Isaak und Jakob geschworen hatte, ist dabei niemals erstickt worden.
Wie oft sind wir widerspenstig gegenüber Gottes Geboten, wie oft sind wir lieblos gegenüber unseren Mitmenschen, störrisch wie eine Kuh? Doch auch uns gibt Gott nicht auf, so auch Israel nicht.
Es kann sich noch manches wenden , da weiß der Apostel Paulus. Darum kann er in den Lobpreis einstimmen: "O welch eine Tiefe des Reichtums, beides, der Weisheit und der Erkenntnis Gottes! Wie unbegreiflich sind seine Gerichte und unerforschlich seine Wege!"
Unbegreiflich und unerforschlich - diese beiden Worte bringen zum Ausdruck, dass wir die Geheimnisse von Gottes Heilsplan nie ganz verstehen werden. Für Israel nicht aber auch für uns nicht, aber wir können ihm vertrauen.
Amen.