Was taugt der Glaube?

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Was taugt der Glaube?

Liebe Gemeindeglieder,
wer von Ihnen kennt die Fernsehsendung „Hot oder Schrott“, die manchmal bei VOX läuft?
Da werden verschiedene Dinge auf ihre Alltagstauglichkeit getestet. Manchmal sind es dabei richtig skurrile Dinge. Aber dann tauchen tatsächlich manche von den Sachen wieder im Alltag auf, wo sie die Leute auch verwenden.
Interessant wird es, wenn die Dinge aus dem Ausland kommen, vielleicht aus China oder aus Japan und es keine deutsche Gebrauchsanleitung gibt oder diese irgendwie mit dem Internet übersetzt wurden. Dann kann es schon schwierig werden, dahinter zu kommen, wie man es anwenden muss.
Vor kurzen wurde eine Brille getestet, die gegen tränende Augen beim Zwiebelschneiden helfen sollte. Da hatte man richtig Probleme die englischsprachige Gebrauchsanleitung zu entziffern.
Um das richtige Verstehen geht es auch heute in unserem Predigttext. Da ist ein Fremder aus Afrika unterwegs und liest etwas aus der Bibel. Aber er kann es nicht verstehen. Doch die Hilfe ist nahe.
Wir lesen aus der Apostelgeschichte 8, 26-39: nach der Neuen Genfer Übersetzung:
26 Philippus aber bekam von einem Engel des Herrn folgenden Auftrag: »Mach dich auf den Weg in Richtung Süden! Benutze die einsame Wüstenstraße, die von Jerusalem nach Gaza hinunterführt.«
27 Philippus machte sich auf den Weg; und als er diese Straße entlangging, kam dort in seinem Reisewagen ein Äthiopier gefahren, ein Eunuch. Es handelte sich um einen hohen Würdenträger, den Finanzminister der Kandake, der äthiopischen Königin. Der Mann war in Jerusalem gewesen, um ´den Gott Israels` anzubeten,
28 und befand sich jetzt auf der Rückreise. Er saß in seinem Wagen und las im Buch des Propheten Jesaja.
29 Der ´Heilige` Geist sagte zu Philippus: »Geh zu dem Wagen dort und halte dich dicht neben ihm!«
30 Philippus lief hin, und als er neben dem Wagen herging, hörte er den Mann laut aus dem Buch des Propheten Jesaja lesen. »Verstehst du denn, was du da liest?«, fragte er ihn.
31 »Wie kann ich es verstehen, wenn niemand es mir erklärt?«, erwiderte der Mann. Und er bat Philippus, aufzusteigen und sich zu ihm zu setzen.
32 Der Abschnitt der Schrift, den er eben gelesen hatte, lautete: »Man hat ihn weggeführt wie ein Schaf, das geschlachtet werden soll. Und wie ein Lamm beim Scheren keinen Laut von sich gibt, so kam auch über seine Lippen kein Laut ´der Klage`.
33 Er wurde erniedrigt und all seiner Rechte beraubt. Niemand wird über Nachkommen von ihm berichten können, denn sein Leben auf der Erde wurde ihm genommen.«
34 Der Äthiopier wandte sich an Philippus: »Bitte sag mir, von wem ist hier die Rede? Spricht der Prophet von sich selbst, oder spricht er von jemand anders?«
35 Da ergriff Philippus die Gelegenheit und erklärte ihm, von dieser Schriftstelle ausgehend, das Evangelium von Jesus.
36 Als sie nun, ´ins Gespräch vertieft,` die Straße entlangfuhren, kamen sie an einer Wasserstelle vorbei. »Hier ist Wasser!«, rief der Äthiopier. »Spricht etwas dagegen, dass ich getauft werde?«
38 Und er befahl, den Wagen anzuhalten. Beide, Philippus und der Äthiopier, stiegen ins Wasser, und Philippus taufte den Mann.
39 Als sie wieder aus dem Wasser stiegen, wurde Philippus plötzlich vom Geist des Herrn ergriffen und an einen anderen Ort versetzt, und der Äthiopier sah ihn nicht mehr. Trotzdem erfüllte ihn eine tiefe Freude, als er nun seine Reise fortsetzte.
Da war er nun dieser eine Mann. Vielleicht war er weitgereist, hatte vieles in der Welt kennen gelernt und war an vielem interessiert. Er war sehr gebildet. Und er hatte einen hohen Posten in einem afrikanischen Land. Er war der Finanzminister einer Königin.
Er hatte alles erreicht, was man im Leben erreichen konnte. Oder doch nicht?
Denn er hatte ein großes Handikap – er war zeugungsunfähig. Er konnte keine Nachkommen bekommen. Keine Kinder, keine Enkelkinder. Das war der Preis, den er zahlen musste, damit er diese Stellung bei der Königin bekam. Man hatte ihn zum Eunuchen gemacht.
Nun stellte er sich die Frage nach dem Sinn seines Lebens, trotz aller Macht, trotz allem Reichtum, den er hatte.
Er merkte auch die Grenzen, die er selbst in Jerusalem erfahren musste. Sie stehen zwar nicht im Text, aber als Ausländer und erst recht als Verschnittener hatte er keinen Zugang zum Tempel. Egal wieviel Macht er sonst auch hatte und wieviel Reichtum er besaß. Hier stieß er an seine Grenzen. Hier kam er nicht weiter. Es türmte sich eine Mauer auf.
Also das ist seine Lebenssituation: trotz Reichtum und Macht
biologisch zeugungsunfähig
aus der Sicht der Juden als Eunuch sogar religiös unwürdig
somit aus der religiösen Gemeinschaft ausgeschlossen
So blieb ihm nicht anderes übrig als ein paar Schriftrollen zu kaufen und wieder die Heimreise anzutreten.
Und da saß er nun - der Fremde, auf der Rückreise, irgendwo auf der Wüstenstraße zwischen Jerusalem und Gaza in seinen schaukelnden Wagen und versuchte die Schriften des Propheten Jesaja zu entziffern. Aber er verstand nicht, was er da las, so ähnlich wie manche Bedienungsanleitung aus China, Japan oder England.
Und dann geschieht das Besondere, das wodurch Grenzen überwunden und durchbrochen werden.
Gott schickt einen Einzelnen, einen Menschen. Bewegt durch den Heiligen Geist. Gott schickt den Philippus. Und der beginnt mit einer direkten Anrede - nicht über das Wetter von morgen oder das Essen von heute, sondern er steuert direkt drauf los: „Verstehst du, was du liest?“
Philippus spricht ihn an. Wir hören hier nichts von irgendwelchen Vorbehalten
der ist schwarz
der ist reich
der ist ein Eunuch
usw.
Nein er wird angesprochen: „Verstehst du, was du liest?“
Er nimmt sich Zeit für den Finanzminister aus dem fremden Land, weil Gott es will.
Nehmen wir uns Zeit für Menschen, die nicht in unser Bild von Christen und in unser Schema passen, weil Gott es will?
Ich war letzte Woche zu einem Gemeindefest einer Kirchengemeinde, da waren auf einmal ein paar Leute da, die voll tätowiert waren. Nehme ich mir Zeit für diese Leute, auch wenn sie mir nicht gefallen?
Vielleicht haben sie schon einmal von der amerikanischen Pastorin Nadia Bolz-Weber gehört. Sie hatte vor einigen Jahren eine Gemeinde für Alle - Sünder und Heilige - gegründet und versammelt in ihrer Gemeinde ganz schräge Leute. Sie selber ist total tätowiert. Und ihre eigene Lebensgeschichte ist ein auf und ab zwischen Glauben und Drogensucht. Und sie hat einmal gesagt: „Kirche muss seltsam sein.“ So ist sie offen für jeden Menschen, ohne Vorbehalt.
Ich sage ja nicht, dass es überall immer so sein muss. Aber offen sollten wir als Christen für das Wirken Gottes schon sein. Das ist oft anders als wir denken. Auch bei Philippus ging es ja anders weiter.
Hier war so ein Zeitpunkt, so ein Kairos – Gottes Zeit – da musste das so geschehen, dass Philippus diesen Fremden ansprach.
Jetzt kommen die zwei ins Gespräch – „Verstehst du was du liest?“
Wie oft begegnen uns Dinge im Leben, die wir nicht verstehen. Was machen wir damit? Wie gehen wir damit um?
Schütteln wir nur mit dem Kopf und lassen es stehen?
Oder bohren und forschen wir, bis wir es finden? Lassen es uns von denen, die es wissen, erklären. Vorausgesetzt es ist jemand da!
Der Finanzminister lädt Philippus ein, ihm das zu erklären: „Erkläre es mir!“ Es kommt zum Gespräch über das Gottesknechtlied aus Jesaja 53. Und es wird ein ganz persönliches Glaubensgespräch. Hier in der Wüste in seinem wackligen Wagen erfährt der Finanzminister die Glaubensworte, die er eigentlich im Tempel in Jerusalem gesucht hat. Er hat die Worte in einem heiligen Ort gesucht und findet sie in einem Ort des Alltags, in einem Ort der Einöde, mitten im Leben. Wir müssen also nicht an heilige Orte pilgern um Gott zu begegnen, sondern Gott kommt zu uns in unseren Alltag.
Die Botschaft, die der Finanzminister hört, ist für ihn existenziell. Er spürt, da ist etwas, was sein Leben verändert. Das geht ihn ganz persönlich an.
Das Evangelium, welches er durch Philippus hört, saugt er auf wie ein Schwamm. Er hat Hunger nach dem Wort Gottes. Vorher war das gleiche Wort, wie ein schwerer Stein im Magen - unverdaulich. Jetzt bringt es ihm das Leben. Er spürt der lebendige Gott begegnet ihn in seiner ganzen Liebe. Er merkt, Gott sagt nicht nur zu ihm: „Habe einen schönen Tag!“, sondern wie sagt es Jesus: "Ich bin gekommen, damit sie das Leben und volle Genüge haben sollen." (Joh 10,10)
Aber er merkt auch, dass sich in seinem Leben etwas ändern muss. Das hat für ihn nun eine Konsequenz und er trifft eine Entscheidung.
Ja er ergreift selbst die Initiative: „Spricht etwas dagegen, dass ich getauft werde?“
Was könnte denn dagegensprechen?
Ausländer
Eunuch
Reichtum
Hautfarbe
usw.
Noch kein Taufunterricht - sollte man doch haben oder nicht?
Kann er wenigstens das Apostolische Glaubensbekenntnis?
Nichts von all dem!
Was spricht dagegen, dass er getauft wird?
Hier wird eine Entscheidung zur Nachfolge getroffen und die Taufe wird zum Bekenntnis. Es ist die erste Taufe eines Heiden. Philippus tauft - er tut es ganz pragmatisch. Und der äthiopische Finanzminister für ihn gilt: „Fürchte dich nicht, denn ich habe dich erlöst; ich habe dich bei deinem Namen gerufen; du bist mein! (Jesaja 43,1)
Mit Glauben erfüllt und in tiefer Freude zieht er jetzt seine Straße weiter. Er hat das gefunden, was er gesucht hat.
Wir wissen nicht, wie es mit dem Finanzminister weiterging. Kinder konnte er keine zeugen, aber vielleicht wurde er zum geistlichen Vater mancher äthiopischen Gemeinde. Auf jeden Fall konnte er jetzt fröhlich seinen Glauben aus der Taufe heraus leben.
Vielleicht sollten auch wir uns heute einmal die Frage stellen: Wie leben wir unsere Taufe? Wie wichtig ist sie für unseren Glauben? Auch wenn viele von uns als Baby getauft wurden?
Ist es uns bewusst, dass wir bei Gott bekannt sind und zu ihm gehören?
Für Martin Luther war es etwas, das ihn in Zeiten der Anfechtung gestärkt hat: „Ich bin getauft.“
So hatte er es mit Kreide auf den Tisch geschrieben, der vor ihm stand, wenn er Angst hatte, wenn er sich bedroht fühlte vom Teufel, vom Satan, der für ihn wirklich, real war.
Ich möchte Mut machen, offen und fröhlich den Glauben aus der Taufe heraus zu leben und auch offen zu sein für die Momente Gottes, die manchmal so ganz anders sind als wir denken.
Amen.
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