Die bronzene Schlange
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Die bronzene Schlange
Die bronzene Schlange
Sonntag Judika - Predigt zu 4. Mose 21, 4-9 - Zschorgula
Liebe Gemeinde nicht mehr ganz zwei Wochen sind es bis Karfreitag, nicht mehr ganz zwei Wochen bis wir in ganz besonderer Weise dem gedenken, dass Jesus am Kreuz stirbt.
Heute hören wir auch von einer Kreuzigungsgeschichte. Es ist eine Kreuzigungsgeschichte der besonderen Art.
Da wird ein Tier aus Bronze gekreuzigt, eine Schlange.
Wir finden diese Geschichte im Alten Testament im 4. Mose 21, 4-9:
Die bronzene Schlange
4 Vom Berg Hor aus zogen die Israeliten weiter und schlugen den Weg zum Roten Meer ein, um Edom zu umgehen. Doch unterwegs wurden die Israeliten ungeduldig
5 und klagten Gott und Mose an: »Warum habt ihr uns aus Ägypten geführt? Etwa, damit wir hier in der Wüste sterben? Hier gibt es weder Brot noch Wasser und dieses Manna können wir nicht mehr sehen!«
6 Da schickte der Herr Giftschlangen. Viele der Israeliten wurden gebissen und starben.
7 Daraufhin liefen die Leute zu Mose und riefen: »Wir haben Schuld auf uns geladen, als wir dem Herrn und dir Vorwürfe machten. Bete zum Herrn, dass er uns von den Schlangen befreit!« Und Mose betete für das Volk.
8 Da sprach der Herr zu ihm: »Fertige eine Schlange an und befestige sie oben an einer Stange. Jeder, der sie anschaut, nachdem er gebissen wurde, wird am Leben bleiben.«
9 Mose fertigte eine Schlange aus Bronze an und befestigte sie an der Spitze einer Stange. Jeder, der von einer Schlange gebissen wurde und dann die bronzene Schlange anschaute, blieb am Leben.
Liebe Gemeinde,
noch ist immer das Zischen der Schlangen zu hören. Vor allem nachts, wenn die Sonne längst untergegangen ist. Und mit den Schlangen bleibt die Angst. Viele sind in den letzten Tagen an ihren Bissen gestorben. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis es die Nächsten erwischt.
Dabei hatten sie die Hoffnung gehabt, dass Mose Gott umstimmen könnte.
Sie hatten ja ihre Schuld bekannt. Und Mose hatte Gott gebeten, diese Plage zu beenden. So, wie er damals in Ägypten auf die Bitte des Pharaos vor Gott getreten war, um um die Beendigung der Plagen zu bitten - und so war es dann auch geschehen.
Aber hier und heute war dennoch nichts davon zu sehen. Tagsüber sahen sie die Schlangenspuren im Sand, das Zucken ihrer Körper, das aus dem Augenwinkel zu sehen ist, und nachts dieses zischende Geräusch, das einem den Schlaf raubt und sie erschüttern lies.
Als Hoffnung blieb da nur noch diese metallene Schlange, die Mose aufgestellt hatte. Würde dieses Zeichen wirklich die Schlangen helfen und vertreiben? Offensichtlich nicht!
Hat sie wenigstens eine Kraft, die das Gift der Schlangen in den Griff bekommt? Oder war diese Aufforderung, auf Gottes Geheiß nach einem Schlangenbiss dieses Bild anzuschauen, nur Hohn? Schaut euch nur an, was euch den Tod bringt - die Schlangen!
Schaut dem Tod ins Gesicht! Macht euch nichts vor! Es gibt keine Rettung.
Es gibt kein Entrinnen.
Selber Schuld.
So scheint es jedenfalls. Überall Schlangen, jetzt sogar noch hoch aufgerichtet, für jeden sichtbar, unverwüstlich aus Metall.
Auch wenn diese Erzählung schon Jahrtausende alt ist, ist vielen von uns vielleicht vertraut, was hier berichtet wird.
Wir stecken doch fest in einem Problem, stecken im Schlamassel, haben vielleicht auch schon eingesehen, dass wir uns selbst in diese verfahrene Lage gebracht haben, und wir bereuen auch, was wir gesagt und getan haben.
Wir haben Gott gebeten, ja vielleicht sogar angefleht, er möge wieder gut machen, was wir angerichtet haben. Und was ist passiert?
Nichts ist passiert. Alles bleibt, wie es ist.
Die Probleme werden nicht weniger. Es ist, als hätte sich gar nichts verändert, als hätte Gott seine Ohren auf Durchzug gestellt.
Die Probleme werden vielleicht sogar mehr.
Es hilft nichts: Die Nöte und Sorgen sind nicht zu übersehen. Es scheint hoffnungslos zu sein. Wohin man auch schaut: Kein Ausweg ist zu sehen. Ganz im Gegenteil.
In dieser biblischen Geschichte greift Gott helfend und heilend ein, indem er die Menschen in Not auf das Bild von der Schlange schauen lässt.
Das ist schon eine Zumutung. Jetzt auch noch im Fieber das anschauen zu müssen, was die Krankheit erst hervorgerufen hat.
Aber so bringt Gott seinen Leuten seine Hilfe.
Nicht vorbei an den Problemen, nicht vorbei an ihren Problemen, sondern mitten durch sie hindurch.
Er verspricht, dass er die rettet, die seinem Wort glauben und dieses Bild anschauen.
Dieser Glaube an Gottes Wort ist es, der die Not überwindet, nicht die eherne Schlange als solche.
Und doch ist es auch eine Konfrontation mit der eigenen Schuld.
Die Israeliten müssen das Bild von Gottes Strafe anschauen, um in demselben Moment von ihr befreit zu werden.
Vom Evangelisten Johannes wird die Erhöhung der Schlange mit dem Kreuz Jesu verglichen. Und tatsächlich lässt sich bei genauem Hinsehen eine ganze Reihe von Parallelen entdecken. Wer auf das Kreuz Jesu schaut, wird auch mit seinem eigenen Versagen und seiner eigenen Sünde und Schuld konfrontiert. Gott gegenüber und auch dem Nächsten.
Dass Jesus Christus am Kreuz gestorben ist, ist ja nicht ein peinlicher Justizirrtum gewesen. Es war kein Versehen.
Sondern Jesus musste sterben, um die Sünde der Welt und damit auch deine und meine Sünde auszuräumen. Und so konfrontiert mich der Blick aufs Kreuz immer wieder auch mit meinem eigenen Versagen, so wie die eherne Schlange die Israeliten an die Folgen ihres Murrens erinnert hatte.
Zugleich ist das Kreuz wie die Schlange ein scheinbar schwaches Gegenmittel gegen all das, was uns beschwert: Schuld, Krankheit, Probleme, Hoffnungslosigkeit - ja, selbst den Tod.
Es gibt religiöse Angebote, die weit Spektakuläreres versprechen: sofortige Heilung, Reichtum und Erfolg, Glück und Zufriedenheit. Dagegen sieht das Kreuz Christi und der Glauben daran, dass Gott gerade dadurch Heil und Leben schafft, ziemlich blass aus. Und scheint es nicht manchmal sogar so zu sein, dass es denjenigen, die nicht glauben, besser geht als denjenigen, die glauben?
So mag es uns vielleicht erscheinen.
Wie auch damals die Israeliten wahrscheinlich enttäuscht waren, dass die Schlangenplage nicht von jetzt auf gleich vorbei war.
Aber Gott rettet eben nicht an den Problemen dieser Welt und unseres Lebens vorbei - sondern durch sie hindurch. Er lässt uns am Kreuz und auch vielfach in unserem Leben dem Tod ins Auge sehen. Aber dabei belässt er's nicht.
Die Israeliten hat er gerade so vor dem tödlichen Gift der Schlangen gerettet.
Und uns rettet er auf ähnliche Weise durch alle Probleme und Hoffnungslosigkeit, ja durch den Tod hindurch ins Leben. Wer auf das Todeszeichen des Kreuzes schaut und glaubt, dass Gott damit Heil und ewiges Leben in die Welt gebracht hat, der wird es erfahren. Vielleicht nicht jetzt sofort, dafür aber umso dauerhafter - um nicht zu sagen »ewig«!
Die Israeliten hatten, so scheint es, dennoch einen großen Vorteil. Sie konnten die eherne Schlange sehen. Und sie hatten einen Mose an ihrer Seite, der für sie einstand und auch dann noch gebetet hat, als ihnen Mut und Hoffnung zum Beten verloren gegangen waren. Und wir?
Das mit Gottes Heilszeichen hat ja nicht aufgehört. Wann immer wir das Abendmahl feiern, wie wir es heute feiern, begegnen wir einem solchen Bild. Auch da ist das Besondere nicht das Brot und der Wein.
Sondern dass Gott auch an diese Gaben sein Versprechen geknüpft hat:
Wann immer ihr das in Jesu Namen esst und trinkt, esst und trinkt ihr Christi Leib und Blut. So werdet ihr im Glauben verbunden mit dem, der den Tod längst schon hinter sich hat. Und wer so im Glauben an Gottes Versprechen mit Christus vereint ist, den wird er ebenfalls durch alle Angst, durch alle Not, durch alle Krankheit und auch durch den Tod hindurch zu sich ins Leben ziehen.
Deswegen hat der Kirchenvater Irenäus das Abendmahl einmal »ein Heilmittel zur Unsterblichkeit genannt. Und auch die Gelegenheiten, bei denen uns Sündenvergebung in Gottes Namen zugesprochen wird, sind solche Heilsmomente.
Und dann sind da noch die anderen in der Gemeinde. Die können und sollen für dich zu einem Mose werden - und du umgekehrt für sie. Es ist eine wichtige Aufgabe, für die zu beten, denen selbst die Worte fehlen, weil sie nicht oder nicht mehr glauben können. Und dass auf solchem Gebet eine Verheißung liegt, zeigt nicht zuletzt diese Erzählung.
Vor uns liegt eine neue Woche. Giftige Schlangen werden uns wahrscheinlich nicht begegnen, aber vieles von dem, was den Alltag mühsam macht, und vielleicht auch manches, was das Herz schwer macht und uns Lebenskraft raubt. Was uns vielleicht auch wie eine giftige Schlange, wenigstens bildlich sein kann.
Aber in dem allem sind wir begleitet, getragen und gehalten von Gott, bei dem nicht die Strafandrohung das letzte Wort ist, sondern seine Liebe.
Er begleitet uns durch die neue Woche und lässt uns mit dem, was uns umtreibt, nicht allein. Und wenn wir auch glauben mögen, dass sich sein Handeln nicht greifen lässt, so ist er doch verlässlich. Durch alle Probleme, alle Angst und durch den Tod führt er uns hindurch. Denn wer das Kreuz Jesu ansieht, hat Leben - selbst dann, wenn er einmal stirbt.
Bei ProChrist haben wir in der vergangenen Woche immer ein Gebet gebetet, das finde ich bringt genau unsere Situation hier zum Ausdruck. Darum möchte ich es jetzt hier auch beten:
Amen.