Mein Gott, mein Gott, warum hast Du mich verlassen?
Sermon • Submitted
0 ratings
· 13 viewsNotes
Transcript
Mein Gott, mein Gott, warum hast Du mich verlassen?
Mein Gott, mein Gott, warum hast Du mich verlassen?
Karfreitag 2017 Mumsdorf
Nur eine Glocke läutet. Der Altar ist schmucklos mit schwarzem Parament. Altarkerzen brennen. Falls keine Andacht zur Todesstunde vorgesehen ist, werden die Kerzen nach dem Evangelium gelöscht und Orgel und Glocken schweigen dann bis zum Ostermorgen.
Musik zum Eingang
Begrüßung
L Karfreitag. Wir erinnern uns an den Tod von Jesus Christus. Er ist am Kreuz gestorben. Gott leidet - am Kreuz.
Das Kreuz ist „stachelig". Die Rede vom Jesu Tod am Kreuz irritiert. Wie bringen wir das zusammen: das Leid in der Welt und Gottes Liebe?
Vielleicht nur so, wie Jesus es tut, wenn er ruft: ,,Mein Gott, warum hast du mich verlassen?" Gott herrufen, Gott anrufen - das tun wir in diesem Gottesdienst an Karfreitag.
Also hat Gott die Welt geliebt, dass er seinen eingeborenen Sohn gab, damit alle, die an ihn glauben, nicht verloren werden, sondern das ewige Leben haben. (Joh 3, 16)
Mein Gott, des Tages rufe ich, doch du gibst keine Antwort, und des Nachts, doch finde ich keine Ruhe. Sei nicht ferne von mir, denn Angst ist nahe, denn es ist hier kein Helfer.
Lied: O Haupt voll Blut und Wunden (EG 85, 1. 6-7. 9)
Psalm 22 (EG 737)
Kyrie-Lied: Kyrie eleison EG 178.9 (2x)
Musik - Cello
Tagesgebet
,,Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?", so schrie dein Sohn am Kreuz zu dir, dem Vater, so schreien auch wir in unseren Nöten. Du hast deinen Sohn nicht im Tod gelassen. So hole auch uns heraus aus der Tiefe:
Rette und richte uns auf. Hilf heraus aus der Not.
Durch Jesus Christus, unseren Herrn, der mit dir und dem Heiligen Geist lebt und Leben schenkt in Ewigkeit. Amen.
Lied: Wir danken dir, Herr Jesu Christ (EG 79, 1-4)
Epistel: 2. Kor 5, 19-21
Lied: Das Kreuz ist aufgerichtet (EG 94, 1-5)
Evangelium: Joh 9, 16-30 (danach werden die Kerzen gelöscht)
Stille
Predigt zu „Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?"
Anregungen für die Verkündigung
Unter Verwendung der Bildkarte Christus im Strahlenkranz (Art Nr. 1713). Die Predigt wirkt vor allem durch die Pausen, die angegeben sind.
,, Mein Gott, mein Gott, warum hast Du mich verlassen?"
(Mk 15,34; Mt 27,46 nach Ps 22,2)
Liebe Gemeinde,
ein vertrautes Kreuz steht vor einem außergewöhnlichen Hintergrund: ein Strahlenkranz in Himmelsfarben.
Friedensreich Hunderwasser hat diese Kirche in Bärnbach in Österreich gestaltet. ,,Eine Kirche muss schön sein", sagte er. ,,[ ... ] man muss sich in ihr geborgen fühlen und es soll in ihr eine Atmosphäre herrschen, in der man eine Brücke [ ... ] zur Schöpfung und zu Gott findet. Gott soll gerne in ein Gotteshaus gehen, das die Menschen gebaut haben, um ihm dort zu begegnen."
[Kurze Pause ]
Und dann steht da das Kreuz. Wie wir es kennen. Nicht in Hundertwasser-Art. Aber umgeben von seiner Kunst. Mitten in dem Strahlenkranz.
[Kurze Pause]
Ist das die Art, wie Gott in der Kirche anwesend ist? Und in unserem Leben?
[Kurze Pause]
I.
Der Hintergrund drängt sich fast in den Vordergrund. Durch seine kräftigen Farben.
Weiß gehört dazu. Leuchtendes Weiß. Auch Silber. Und Gold. Kleine Kacheln und größere Flächen.
[Kurze Pause]
Fugen durchziehen die Strahlen. Auffällig abgesetzt. Die Fließenformen kommen gut zur Geltung. Als ob sich die Vielfalt des Lebens darin spiegelt: Glattes und Kantiges, Großes und Kleines, Strahlendes und Anderes. Auch das Dunkle hat Platz. Neben dem Himmelsweiß, dem Gold und dem Silber. Auch das Dunkle gehört dazu.
[Kurze Pause]
In dem mittleren Rund: Himmelblau. Davon gehen die Strahlen aus. Hundertwasser hat lange gebraucht, bis er dieses Blau gefunden hat, wird berichtet. Kein Wunder: Es geht schließlich um die himmlische Mitte. Um den himmlischen Hintergrund des Gekreuzigten.
[Kurze Pause]
Im Strahlenkranz ist ein goldener Ring zu sehen. Nicht durchgehend und doch klar. Aus kleineren und größeren Mosaiksteinen. Unterbrochen und mit eigenem Glanz. Der Goldkranz lenkt den Blick auf den Christuskörper und strahlt zugleich nach außen.
Dort nehmen Mosaiksteine das goldene Licht auf und tragen es weiter. Der Himmel versprüht seinen Glanz. Er bleibt nicht für sich.
Vor dem Strahlenkranz steht ein Kruzifix, wie wir es häufig sehen können. In vielen Kirchen. Oder an Wegkreuzen. Das Kruzifix verbindet das Himmlische mit dem Irdischen. Diesem Christus kann keiner seine Stärke nehmen. Auch durch das Leiden nicht, das Menschen ihm zufügen. Und durch grausame Qualen nicht. Er hat im Sterben seine eigene Würde. Göttliche Würde.
Kreuze wie diese zeigen etwas von der Lebenskraft, die sich in der Auferstehung Bahn brechen wird. Sie zeigen etwas von Gottes Gegenwart mitten in der Sterblichkeit der Welt.
Nicht zufällig spiegelt der Christuskörper das Licht wider, das von links und rechts durch die Fenster fällt. Himmelslicht.
[Kurze Pause]
Man könnte sagen: Letztlich ist es das Kreuz, von dem die himmlischen Farben ausgehen. Und zugleich sind es diese weißen und blauen, silbernen und goldenen Spiegelungen des Himmels, die das Kreuz in ein besonderes Licht tauchen. In das Licht der Gegenwart Gottes.
Das ist ja das Geheimnis dieses Todes: dass Jesus als Mensch unseren Tod stirbt.
Ja: Er ist tatsächlich tot. Das ist die eine Wirklichkeit. Die vordergründige und sichtbare Wirklichkeit. Der Tod kann offiziell festgestellt werden.
Dahinter gibt es noch eine andere Wirklichkeit, die mit bloßem Auge nicht zu sehen ist. Und die doch ihre eigene Wirksamkeit hat. Für die wir ein Gespür ausbilden können. Hinter dem Sichtbaren ist eine Gotteskraft der besonderen Art verborgen. Sie kann durch einen schweren Grabstein nicht eingeschlossen werden. Sie entfaltet gerade im Sterben ihre Stärke. Das ist Gottes Lebenskraft, die sich in der Auferstehung durchsetzen wird. Die dem Tod seine Endgültigkeit nimmt. Es ist die Kraft des Samenkorns, das in der Erde abstirbt und dabei neues Leben aufkeimen lässt.
II.
Die Botschaft der Kreuzesgeschichte ist:
Nicht nur unser Leben, sondern auch unser Sterben und unser Tod sind durchdrungen von Gott. Er ist in unserem Leben und Sterben gegenwärtig. Gottes Gegenwart verdichtet sich dort, wo das Leben und Sterben ihr hässliches Gesicht zeigen. Wo die Not am größten ist. Und die Schmerzen bald nicht mehr zu ertragen sind. Genau dort ist Gott gegenwärtig - und nimmt die Abgründe dieser Welt in sich auf.
Natürlich ist er auch dort, wo das Leben schön und leicht ist. Das ist ein anderes Mal wieder Thema. Heute an Karfreitag haben Schmerz und Leid ihren besonderen Raum. Nicht nur in uns, sondern in Gott!
Die Einladung des Karfreitags ist, Schmerz, Not und Leid einmal so anzuschauen, wie wir es sonst selten tun. Die Einladung ist, mit all dem, was uns drückt und schmerzt - in unserem Leben oder um mich herum - uns auf Gott auszurichten. Und zu sagen:
„Hier bin ich, Gott. Mit meinen Verletzungen, mit meinen Schmerzen, mit meiner Not."
Die Einladung des Karfreitags ist, die Himmelsfarben nicht zu vergessen.
Dafür ist jetzt Zeit: einen Moment innehalten. Sich auf Gott ausrichten. Ihm die eigene Not hinhalten:
,,Hier bin ich, Gott. Mit meinen Wunden, mit meinen Narben, mit meinem hart gewordenen Herzen. . .. Hier bin ich, Gott. Mit meiner Not. ... "
[3 Minuten Stille - bitte nicht zu kurz halten, damit sich auch Tieferes aus dem Herzen melden kann.]
Das ist die Botschaft vom Kreuz:
Gottes Gegenwart durchdringt auch meine Not und meinen Schmerz hier und heute. Gerade dort, wo das Leben besonders dunkel erscheint, ist Gottes Keimkraft neuen Lebens verborgen. Das Schwere, der Schmerz, die Not sind voller verborgener Gotteskraft, auch wenn wir am Karfreitag noch nicht sehen, was sich an Ostern seinen Weg bahnen wird. Das tröstet und mutet uns etwas zu.
Die Gottesgegenwart im Kreuz hilft mir, meine eigene Not und meinen Schmerz erst richtig anzuschauen.
Ich weiß: Ich habe meinen Platz in Gott, mit allem, was zu mir gehört und was ich mitbringe. Mit den Nöten, die mich bedrücken. Und den Schmerzen, unter denen ich leide.
Mit diesem Rückhalt kann ich mich meiner Not und meinem Schmerz besser zuwenden. Einschließlich der Angst, den Boden unter den Füßen zu verlieren. Auch die hat Raum in Gott. Und die Angst, auf Abgründe zu stoßen, bei mir oder bei anderen. Oder Angst, dass die Narben wieder zu schmerzen anfangen.
Das Kreuz zeigt mir: Das alles ist in Gott aufgehoben.
Mit dem Kreuzestod nimmt Gott das Leiden in sich selbst hinein. Es gibt in Gott nichts Menschliches, das keinen Platz finden würde. Und nicht nur das. In Gott sind Lebenskräfte verborgen, die stärker sind als der Tod. Und die dem Tod nicht das letzte Wort lassen werden.
Das Bild aus der Kirche in Bärnbach ist eine Einladung, mit allem in diesen Kreuz-Himmel zu treten. Und die Not nicht für sich zu behalten, sondern vor Gott auszusprechen. In dem Wissen: Der Himmel umgibt mich schon, auch wenn ich ihn vielleicht im Moment nicht sehen kann. Weil mein Blick gerade an den Schmerz geheftet ist. Ganz gleich, ob ich das sehe oder nicht: Die Himmelfarben umgeben das Kreuz und tauchen es in ihr eigenes Licht. Gott ist gegenwärtig und durchdringt das Kreuz damals - und mein Kreuz. Das ist Trost und Zumutung zugleich.
Ein Seufzer, eine Klage, ein Hilfeschrei können lösende Wirkung haben. Weil sich Luft verschafft, was tief in uns ist. Und weil es zu Gott hin gesprochen wird, der unsere Lebenskraft ist. Jesus selber macht es uns vor:
„Mein Gott, mein Gott, warum hast Du mich verlassen?" (Mk 15,34; Mt 27,46 nach Ps 22,2)
Er schreit es hinaus.
Er hat noch nicht einmal eigene Worte dafür. Wahrscheinlich ist er dem Tod schon viel zu nah. Mit dem Hauch der letzten Energie greift er nach Worten, die schon viele gebraucht haben. Er tut, was Menschen tun, wenn sie keinen Ausweg mehr sehen. Wenn die letzten Hoffnungsfunken verglühen. Er schreit zu dem Gott, der so unendlich weit weg scheint. Und der doch „sein" Gott ist.
Ein Seufzer, eine Klage, ein Hilfeschrei können lösende Wirkung haben .. Gleichzeitig mutet uns Gott einiges zu. Vor allem, dass er den Schmerz nicht einfach wegmacht. Gott mutet uns zu, dass Jesus auf Gewalt verzichtet und sich nicht gegen seine Ankläger und Vollstrecker wehrt. Er mutet uns zu, dass Jesus seine Stärke nicht demonstriert und nicht einfach vom Kreuz steigt und seine Gegner bloßstellt. Und dass er all die unsäglichen Schmerzen dieser Welt nicht einfach beseitigt.
Wir können nach Gründen suchen, warum Gott auf verborgene Weise wirkt. Wir finden auch welche.
Zum Beispiel: Gott will in seiner Liebe Menschen gewinnen und nicht zwingen. Er ringt um die Herzen der Menschen. Deshalb kommt er in den Schmerz, statt ihn einfach zu beseitigen.
Aber das alles hat nur eine begrenzte Kraft. Es gibt Situationen, in denen solche Überlegungen nicht helfen:
Wenn die Ohnmacht noch unerträglicher wird, als sie ohnehin schon ist. Wenn die Schmerzen bald nicht mehr auszuhalten sind.
Gott mutet uns zu, dass er nicht schneller, unmittelbarer, offensichtlicher Not beseitigt.
Gott mutet uns zu, dass er seine verborgene Keimkraft neuen Lebens in diesen Schmerz und in dieses Leid und in diese Not legt. Und dass nach Karfreitag erst noch Karsamstag kommt, bevor es Ostern wird.
III.
Gott kommt uns damit ziemlich nah. Man könnte sagen: Er rückt uns auf die Pelle. Und darin - in seiner Gegenwart - gewinnt der Trost erst an Kraft.
In Zu-mut-ung steckt auch: Da wächst Mut zu. Dieses Ineinander von Zumutung, Mut und Trostkraft gehört zu Gottes Geheimnis. Eines ist nicht ohne das andere zu haben. Und alles zusammen liegt darin verborgen, dass Gott mitten in unserer Not anwesend, gegenwärtig, hintergründig wirksam ist. Das gehört zu der Art, wie er kraftvoll ist. Es gehört zum Wesen Gottes.
Darauf richten wir uns aus. Schreien unsere Not hin zu Gott. Und spüren: uns wächst Kraft zu, Kraft von Gott.
[Kurze Pause ]
Für sein Wesen können wir ein Gespür entwickeln. Und dabei entdecken, wie er uns belebt mit seiner kraftvollen Gegenwart. Und wie heilvolle Energie von ihm ausgeht.
[Kurze Pause]
Wir können Orte und Gemeinschaften aufsuchen, die eme besondere Gottesausstrahlung haben.
[Kurze Pause]
Wir können uns gegenseitig helfen, seine besonderen Kraftquellen zu entdecken.
[Kurze Pause]
Wir können hören, was uns von Gott her entgegenkommt [Kurze Pause}
Jesus ruft mit letzter Kraft:
„Mein Gott, mein Gott, warum hast Du mich verlassen?"
Er ruft, als ob er spürt, dass seine Verbindung zu Gott, zu seiner Lebenskraft jetzt abreißen könnte.
Und gleichzeitig ist es diese göttliche Lebenskraft, die aus ihm herausschreit. Und die ihn verbindet mit der Lebensenergie Gottes.
Gott ist in ihm und um ihn herum, auch wenn er das fast nicht mehr glauben kann. Die Auferweckung wird zeigen, dass Gottes Kraft stärker ist als der Tod.
Ob wir Gottes lebensschaffende Worte gerade hören oder nicht. Ob wir seine Gegenwart gerade glauben können oder nicht. Ob wir den Strahlenkranz aus Himmelsfarben - mit dem Blau und dem Weiß und dem Gold - sehen können oder nicht. ... Die Botschaft von Karfreitag ist:
Gottes heilvolle Himmelskraft wirkt schon.
Sie wirkt: verborgen in unserer Not und in unserem Leiden. Und um uns herum.
Und sie wird sich entfalten.
So gewiss, wie Jesus auferstanden ist.
Amen.
Lied: Korn, das in die Erde (EG 98, 1-3) (ohne Orgel)
Abkündigung
Fürbitten
Gemeinde singt jeweils nur den ersten Satz aus „ Christe, du Lamm Gottes" (EG 190.2) Das gesamte Lied wird erst nach der letzten Bitte komplett gesungen.
Christe du Lamm Gottes, der du trägst die Sünd der Welt, erbarm dich unser.
Christe du Lamm Gottes, der du trägst die Sünd der Welt, gib uns deinen Frieden. Amen.
L: Lasst uns beten zu Christus, dem Lamm Gottes!
G: Christe, du Lamm Gottes, der du trägst die Sünd der Welt, erbarm dich unser.
L: Christus, erbarme dich über uns, wenn unser Herz schwer ist, wenn wir leiden an Leib und Seele.
G: Christe, du Lamm Gottes, der du trägst die Sünd der Welt, erbarm dich unser.
L: Christus, erbarme dich über uns, wenn Wut und Hass wüten, wenn wir einander nicht mehr annehmen können.
G: Christe, du Lamm Gottes, der du trägst die Sünd der Welt, erbarm dich unser.
L: Christus, erbarme dich über uns, wenn die Angst uns auffrisst, wenn wir nicht wissen, wohin der nächste Schritt uns führt.
G: Christe, du Lamm Gottes, der du trägst die Sünd der Welt, erbarm dich unser.
L: Christus erbarme dich über uns und die ganze Welt, dass Frieden wird in deinem Namen.
G: Christe, du Lamm Gottes, der du trägst die Sünd der Welt, erbarm dich unser.
Vaterunser
Sendung und Segen
Stiller Auszug