Ohne Judentum kein Christentum

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Ohne Judentum kein Christentum

Gnade sei mit euch und Friede von Gott unserem Vater und unserem Herrn und Heiland Jesus Christus. Amen
Liebe Gemeinde,
in Deutschland gibt es einige Großkonzerne, die befinden sich nahezu noch im Besitz von Familien oder sie haben wenigstens noch große Anteile daran, so zum Beispiel an BMW die Familie Quandt oder bei Porsche, die Familien Porsche und Piech und ganz besonders bei Bertelsmann die Familie Mohn. Die letzteren besitzt den Medienkonzern nahezu allein.
Wenn nun jemand aus der Familie aktiv im Unternehmen tätig sein will und auch entsprechende Qualitäten und Qualifizierungen hat, bekommt er normalerweise recht schnell einen verantwortungsvollen Posten in der Führungsetage des Unternehmens.
Aber nun passiert etwas Außergewöhnliches, auf einmal werden qualifizierte Leute aus der Familie nicht mehr für Führungsaufgaben berücksichtigt, sondern es werden auf einmal ganz fremde, vielleicht sogar Leute aus ganz anderen Fachbereichen ausgewählt und mit diesen Aufgaben betraut.
Könnt ihr euch das jetzt vorstellen, was da für ein Protest und für eine Revolte unter den Angehörigen laut wird: „Da stehen wir immer für die Firma ein, wir qualifizieren uns, wir bilden uns weitern, wir opfern uns auf. Und jetzt wird uns der Stuhl vor die Tür gestellt und das werden die Fremden die Anderen bevorzugt. Die Unternehmensleitung hat nicht ihr Wort gehalten. Sie hat sich unglaubwürdig gemacht.
Diese Situation ähnelt etwa der Situation der Israeliten gegenüber den Christen ganz besonders den nichtjüdischen Christen. So wenigstens beschreibt es der Apostel Paulus in unserem Predigttext heute aus Römer 9:
Römer 9,1-8.14-16
1 Was ich jetzt sage, sage ich in der Gegenwart Christi. Mein Gewissen bezeugt mir, und der Heilige Geist bestätigt mir, dass es die Wahrheit ist und dass ich nicht übertreibe:
2-3 Der Gedanke an die Angehörigen meines Volkes, an meine Brüder, mit denen mich die gemeinsame Herkunft verbindet, erfüllt mein Herz mit tiefer Traurigkeit. Ihretwegen bin ich in ständiger innerer Not; ich wäre sogar bereit, für sie ein Verfluchter zu sein, ausgestoßen aus der Gemeinschaft mit Christus.
4 Sie sind ja Israeliten; ihnen hat Gott die Sohneswürde geschenkt. Ihnen hat er sich in seiner Herrlichkeit gezeigt, mit ihnen hat er seine Bündnisse geschlossen, ihnen hat er das Gesetz und die Ordnungen des Gottesdienstes gegeben, ihnen gelten seine Zusagen.
5 Sie sind Nachkommen der Stammväter, die Gott erwählt hat, und aus ihrer Mitte ist seiner irdischen Herkunft nach der Messias hervorgegangen, Christus, der Herr über alles, der für immer und ewig zu preisende Gott. Amen.
6 Es ist nun nicht etwa so, dass Gottes Zusagen hinfällig geworden wären. Aber es gehören eben nicht alle Israeliten zum ´wahren` Israel.
7 Nicht alle, die von Abraham abstammen, sind deshalb schon seine ´wahren` Kinder. Vielmehr ´war zu Abraham gesagt worden`: »Als deine Nachkommen sollen die gelten, die von ´deinem Sohn` Isaak abstammen.«
8 Mit anderen Worten: Nicht die leibliche Abstammung macht Menschen zu Kindern Gottes; zur wahren Nachkommenschaft Abrahams werden nur die gerechnet, die aufgrund der Zusage, die Gott ihm gegeben hatte, von ihm abstammen.
14 Welchen Schluss sollen wir nun daraus ziehen? Ist Gott etwa ungerecht? Niemals!
15 Er sagt ja zu Mose: »Wenn ich jemand mein Erbarmen schenke, tue ich es, weil ich Erbarmen mit ihm habe; wenn ich jemand mein Mitleid erfahren lasse, geschieht es, weil ich Mitleid mit ihm habe.«
16 Es liegt also nicht am Menschen mit seinem Wollen und Bemühen, sondern an Gott und seinem Erbarmen.
Der Apostel Paulus beschreibt hier recht deutlich, dass viele, die von Geburt her Juden sind, keinen Anteil an den von Gott verheißenen Zusagen haben werden. Aber dass dem gegenüber dann viele Heiden dazu gehören werden. Das klingt für den ersten Moment recht hart, und man kann natürlich einerseits sagen, dass Gott unfair ist, aber, wenn wir genauer hinschauen entdecken wir, dass Gott sich am Ende selbst treu bleibt.
Eines ist uns klar ohne das Judentum, ohne die Israeliten gäbe es kein Christentum. Wir können Gott vertrauen, dass er das tut, was er zu tun verspricht.
So ist gerade die Treue Gottes das große Thema dieses Abschnitts im Römerbrief. Auch wenn wir die Einzelheiten manchmal nicht verstehen, dennoch werden wir entdecken, dass Gott sich selbst treu ist.
Für den Apostel Paulis ist erst einmal klar, dass Jesus die Verheißungen Gottes an seinem Volk Israel erfüllt hat, dass er der Messias ist. Dennoch wird er vom Volk abgelehnt. Darunter leidet der Apostel Paulus sehr, ja er leidet regelrechte Qualen. Was würde er nicht alles opfern, sogar sein eigenes Leben und sein eigenes Seelenheil, damit die Menschen des Volkes Israel zum Glauben an den Messias Jesus Christus finden.
Aus der leider sehr unheilvollen Geschichte heraus neigen wir nach wie vor immer noch dazu vom Judentum und Christentum als zwei getrennte Religionen zu denken. Doch das ist nicht ganz richtig.
Denn wir wissen ja, Jesus selbst war Jude. Er stammte aus dem Stamm Juda. Er wurde im jüdischen Tempel beschnitten, und er wuchs in einer jüdischen Familie auf. Er ging jeden Sabbat in die Synagoge. Er lebte sozusagen erst einmal ganz und gar unter den jüdischen Gesetzmäßigkeiten. Obwohl Jesus in vielen Dingen der Art und Weise der jüdischen Religion, die seiner Generation gelehrt wurde, kritisch gegenüberstand, lebte er sein ganzes Leben von der jüdischen Torah. So feierte er die jüdischen Feste wie Pessach und den Versöhnungstag. Menschlich gesehen hat es Jesus nicht darauf angelegt eine neue Religion zu gründen. Jesus war eher Reformer und kein Revolutionär. Der Unterschied ist, dass ein Reformer versucht, innerhalb eines Systems Veränderungen zu bewirken, während eine Revolutionär, das System zu stürzen versucht und ganz neu beginnt. Jesus wollte dem jüdischen Volk helfen, zu erkennen, was und wie Gott für sie sein will. Auch die 12 Apostel waren Juden. Und auch sie leben in der Tradition ihres Volkes und waren wieder eher Reformer als Revolutionäre.
Dann sind die meisten Bücher des Neuen Testament von Judenchristen geschrieben.
Als die christliche Kirche zu Pfingsten durch das Wirken des Heiligen Geistes in Apostelgeschichte, in Kapitel 2 gegründet wurde, waren alle Christen Juden, und die Kirche bestand aus etwa in den ersten zehn Jahren ihres Bestehens nahezu nur aus Judenchristen. So sah man auch in diesen frühen Tagen ihres Bestehens die christliche Kirche eher als eine Untergruppe innerhalb des Judentums an. Auch wenn es von Anfang an schon punktuelle Verfolgungen gegeben hat, standen sie so zusagen ein paar Jahre unter dem Schutz des jüdischen Tempels.
Doch in der Zeit, als Paulus an die christliche Gemeinde in Rom schreibt, hatte sich vieles verändert. Jetzt waren nicht nur die nicht-jüdischen Christen zahlreicher als die Judenchristen. Und der christliche Glaube wurde jetzt mehr und mehr als eine eigenständige Religion unabhängig vom Judentum wahrgenommen.
Das lag jetzt daran, die überwiegende Mehrheit der jüdischen Bevölkerung es nicht akzeptieren wollten, dass Jesus die Erfüllung der Verheißungen Gottes war also der Messias war. Sie kamen auch nicht damit klar, dass Gott nicht-jüdischen Menschen in die Familie Gottes aufnahm, ohne dass sie zuerst zum Judentum konvertieren. Genau das war ja auch eine der großen Diskussionen zwischen christlichen und nichtchristlichen Juden in den Anfängen der Kirche.
Auf jeden Fall quälte es den Apostel sehr, dass sein eigenes Volk den Messias Jesus ablehnte. Er war bereit, selbst von Gott verflucht zu sein und seine eigene Gemeinschaft mit Jesus Christus aufzugeben, wenn nur die Angehörigen des jüdischen Volkes Jesus als ihren Messias erkennen würden.
Eigentlich hinterfragt damit der Apostel Paulus die Ablehnung jeglicher Judenmission in unserer Kirche und auch das differenzierte Verhältnis zu judenchristlichen Gemeinden.
Für die römischen Christen damals hatte diese Frage eine besondere Bedeutung. Auch die christliche Gemeinde in Rom begann ursprünglich als eine judenchristliche Gemeinde. Dann kamen nach und nach ein paar Heidenchristen dazu.
Wir wissen aus der römischen Geschichte, dass die Kirche in Rom ausschließlich jüdischen begann, und nur, dass nach und nach ein paar nicht-jüdischen Christen geworden und die Kirche in Rom teilnehmen.
Die Debatte darüber, ob Jesus wirklich der Messias oder nicht führte zu Streitigkeiten unter den Juden, was dazu führte, dass der römische Kaiser Claudius alle Juden aus der Stadt verbannte, egal ob sie Christen waren oder nicht.
Das führte jetzt zur radikalen Veränderung der christlichen Gemeinde. Die wenigen Heidenchristen waren jetzt verantwortlich für die Gemeinde in Rom. Auf einmal veränderte sich die Gemeinde in Rom. Sie begann im Wachstum regelrecht zu explodieren. So fanden in Rom Hunderte von nicht-jüdischen Menschen zum Glauben an Jesus und kamen verbindlich zur Gemeinde.
Als dann einige Jahre später der Kaiser Claudius starb, wurde Nero sein Nachfolger und die Vertreibung der Juden aus Rom wurde aufgehoben. Nach und nach kamen auch die jüdischen Christen wieder in die Stadt. Doch sie fanden jetzt eine total veränderte Gemeinde wieder. Sie hatten eine relativ kleine judenchristlich geprägte Gemeinde verlassen, und sie fanden eine heidenchristliche Gemeinde wieder, die mit dem Wachstum explodierte. So fühlten sie sich fehl am Platz, weil ihre Gemeinde sich so radikal verändert hatte.
Und das Verhalten der Heidenchristen war auch nicht gerade das Beste, sondern verschlimmerte noch die ganze Sache, denn sie waren hochmütig und arrogant gegen über den Judenchristen. Vielleicht haben sie schon damals genau das gesagt, was man ja über die Jahrtausende zu den Juden gesagt hat: „Ich88 kann nicht es glauben, dass sie Ihren eigenen Messias gekreuzigt haben." Ja dann wurde darauf herabgesehen, Dass die Judenchristen noch den jüdischen Sabbat gehalten haben, zu Gott in Aramäisch gebetet haben, und auch die jüdischen Speisegesetze befolgten. So ist diese Spannung zwischen den Judenchristen, die eine langes religiöses Erbe hatten, und den Heidenchristen, die aus ganz nichtkirchlichen, unreligiösen Verhältnissen kamen, gewachsen. Genau in diese Spannung hinein schreibt der Apostel Paulus diesen Abschnitt um sie zu lösen.
Dabei geht es ihm genau um die Gerechtigkeit und die Treu Gottes, die er seinem Volk Israel gegenüber zeigt aber auch der christlichen Gemeinde, denen die dem Messias Jesus nachfolgen.
Im Vers 14 des heutigen Predigttextes wird gefragt: "Ist Gott etwa ungerecht?" Die Antwort lautet "Niemals!"
Und die Bibel selbst bezeugt uns, dass Gott seine Gnade an jedem austeilen kann, er ist es der wählt und er schuldet auch niemand seinen Segen. So hat niemand das Recht, sich zu beschweren, dass er oder sie nicht genug Gnade oder dass eine andere Person zu viel Gnade erhalten haben.
Wenn ich in meiner Güte entscheiden 1000 € völlig fremden Leuten zu schenken, dann kann niemand beschweren, wenn ich einige Leute 20 € gebe, während andere 200 € bekommen. Warum nicht? Da ist niemand dem ich etwas schulde, alles, was sie bekommen, ist ein unverdientes Geschenk.
Gott zeigt nun seine Barmherzigkeit allen Menschen gegenüber (Römer 11,32). Doch es ist seine Freiheit zu tun, wann und wie er will. Gottes Wahl, wen er segnen wird, ob Israel oder Heiden, "hängt nicht von dem Wunsch des Menschen oder der Leistung ab, sondern von der Barmherzigkeit Gottes." (V. 16)
Gott ist immer treu und gerecht.
Dass Gott sich für alle Ewigkeit mit Israel verbunden hat, sollte uns als Christen nicht kaltlassen. Wenn wir Gott lieben, können wir diesem Volk, das Gott liebt, an dem Gott so sehr hängt, nicht gleichgültig gegenüberstehen.
Auch wir sind als Christen heute gefordert tiefer zusehen. Nicht nur dieses Volk im Zusammenhang mit tagespolitischen Ereignissen sehen. Sondern dass wir gerade und besonders Israel im Zusammenhang mit seiner über 3.000jährigen Geschichte sehen, seiner Geschichte mit Gott, mit demselben Gott, an den auch wir glauben.
So wie der Apostel Paulus das jüdische Volk mit den Augen Gottes sehen. Und Gott sieht sein Volk an mit Augen voller Liebe. Und das verbindet uns für immer mit unseren jüdischen Geschwistern.
Wie können wir diese Verbundenheit heute zum Ausdruck bringen? Durch Begegnungen mit jüdischen Menschen, durch Reisen nach Israel, auch durch die Unterstützung derer, die eine besondere Brücke bilden zwischen Christen und Juden: die messianischen Juden, die an Christus als ihren Messias glauben.
Es wird für uns und Israel ein Segen sein, wenn wir einander begegnen, uns aneinander freuen, uns als Brüder und Schwestern wahrnehmen und gemeinsam dem Gott danken, der uns gleichermaßen mit seinem Erbarmen begegnet.
Wir dürfen wissen: Gott ist immer treu und gerecht.
Amen.
Und der Friede Gottes welcher höher ist als alle Vernunft, bewahre eure Herzen und Sinne in Christus Jesus unserem Herrn.
Amen.
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