Wer ist mein Nächster?

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Wer ist mein Nächster?

Gnade sei mit euch und Friede von Gott, unserm Vater, und dem Herrn Jesus Christus
Liebe Gemeinde
meine Predigt heute möchte ich mit einer kleinen Geschichte beginnen.
Der Inder Sadhu Sundar Singh war ein Hindu, der zum Christentum konvertierte. Er fühlte sich von Gott berufen, in Indien zu missionieren.
Eines Nachmittages war er mit einem buddhistischen Mönch im Himalaja-Gebirge zu Fuß unterwegs. Es war bitter kalt. Der Wind schnitt wie ein scharfes Messer auf die Haut von Sadhu. Die Nacht näherte sich sehr schnell. Und der Mönch warnte Sadhu, dass sie sich beeilen müssten, um das Kloster zu erreichen, ehe es dunkel würde, sonst würden sie erfrieren.
Als sie gerade auf einem schmalen Pfad einen steilen Felsen durquerten, hörten sie einen Hilferuf. Unter der Felsklippe lag ein Mann. Er war gefallen und verletzt.
Der Mönch sah Sadhu an und sagte „Hör nicht auf das Geschrei. Gott hat den Mann in sein Schicksal geführt. Er muss da selber herauskommen.“ Beim Weitergehen fügte er hinzu: „Beeilen wir uns lieber, bevor wir selber zugrunde gehen.“
Doch Sadhu antwortete: "Gott hat mich hierher geschickt, um meinen Bruder zu helfen. Ich kann ihn nicht im Stich lassen."
Der Mönch fuhr fort weiter durch den wirbelnden Schnee zu stapfen. Der Missionar kletterte die steile Böschung hinunter. Das Bein des Mannes war gebrochen und er konnte nicht mehr gehen. Da nahm Sadhu seine Decke und machte mit ihr eine Schlinge und band den Mann auf seinem Rücken. Beugend unter seiner Last, fing er einen für seinen Körper quälen Aufstieg. Als er wieder auf dem schmalen Weg war, war total durchschwitzt. Durchnässt und verbissen bahnte er sich seinen Weg durch die Tiefen des Schnees und der Dunkelheit. Es tat alles, was er konnte, um den Weg zu folgen. Und er hat durchgehalten, obwohl er schwach vor Müdigkeit und überhitzt vor Anstrengung war.
Schließlich sah er vor sich die Lichter des Klosters.
Dann auf einmal stolperte Sadhu und fiel fast hin.
Aber nicht von Schwachheit. Sondern er war über ein Objekt, das auf der schneebedeckten Straße lag, gestolpert. Langsam beugte er sich auf sein Knie und klopfte den Schnee von dem Objekt. Es war der Körper des Mönches, erfroren.
Jahre später fragte ein Schüler von Sadhu ihn: "Was ist die schwierigste Aufgabe des Lebens?" Ohne zu zögern Sadhu antwortete: "Keine Last zu tragen!"
Liebe Gemeinde,
wir haben in unserem Land eine recht schicksalshafte Woche hinter uns und das Thema dieser Woche wird uns noch weiterhin beschäftigen. Es ist die Frage, wie gehen wir in unserem Land, in unserem Ort und auch in unserer Kirchgemeinde und letztlich auch als Einzelner mit der großen Zahl von Flüchtlingen um.
Da gibt es viele Argumente gegen die Aufnahme der Flüchtling. Es gibt Ängste von Menschen. Die Angst vor dem Fremden und Unbekannten. Und diese Angst der Menschen sollte man auch ernst nehmen. Man sollte dies nicht pauschal ablehnen und wegwischen.
Aber andererseits ist es auch wichtig zu wissen, dass es eben die ganz und gar christliche Aufgabe ist dem anderen zu helfen und ihm beizustehen, selbst unter der Gefahr des eigenen Lebens.
Das zeigt uns auch der Predigttext dieses Sonntages aus Lukas 10,25-37:
25 Ein Gesetzeslehrer wollte Jesus auf die Probe stellen. »Meister«, fragte er, »was muss ich tun, um das ewige Leben zu bekommen?«
26 Jesus entgegnete: »Was steht im Gesetz? Was liest du dort?«
27 Er antwortete: »›Du sollst den Herrn, deinen Gott, lieben von ganzem Herzen, mit ganzer Hingabe, mit aller deiner Kraft und mit deinem ganzen Verstand!‹ Und: ›Du sollst deine Mitmenschen lieben wie dich selbst!‹« –
28 »Du hast richtig geantwortet«, sagte Jesus. »Tu das, und du wirst leben.«
29 Der Gesetzeslehrer wollte sich verteidigen; deshalb fragte er: »Und wer ist mein Mitmensch?«
30 Daraufhin erzählte Jesus folgende Geschichte: »Ein Mann ging von Jerusalem nach Jericho hinab. Unterwegs wurde er von Wegelagerern überfallen. Sie plünderten ihn bis aufs Hemd aus, schlugen ihn zusammen und ließen ihn halbtot liegen; dann machten sie sich davon.
31 Zufällig kam ein Priester denselben Weg herab. Er sah den Mann liegen, machte einen Bogen um ihn und ging weiter.
32 Genauso verhielt sich ein Levit, der dort vorbeikam und den Mann liegen sah; auch er machte einen Bogen um ihn und ging weiter.
33 Schließlich kam ein Reisender aus Samarien dort vorbei. Als er den Mann sah, hatte er Mitleid mit ihm.
34 Er ging zu ihm hin, goss Öl und Wein auf seine Wunden und verband sie. Dann setzte er ihn auf sein eigenes Reittier, brachte ihn in ein Gasthaus und versorgte ihn mit allem Nötigen.
35 Am nächsten Morgen nahm er zwei Denare aus seinem Beutel und gab sie dem Wirt. ›Sorge für ihn!‹, sagte er. ›Und sollte das Geld nicht ausreichen, werde ich dir den Rest bezahlen, wenn ich auf der Rückreise hier vorbeikomme.‹«
36 »Was meinst du?«, fragte Jesus den Gesetzeslehrer. »Wer von den dreien hat an dem, der den Wegelagerern in die Hände fiel, als Mitmensch gehandelt?«
37 Er antwortete: »Der, der Erbarmen mit ihm hatte und ihm geholfen hat.« Da sagte Jesus zu ihm: »Dann geh und mach es ebenso!«
Wer ist mein Nächster?
Das ist die Frage, die immer wieder gestellt wird. Sehr oft ganz ernsthaft. Sehr oft aber auch um sich ein Alibi zu suchen, um sich herauszureden.
Nun stellt sich für uns heute die Frage, ist der Fremde - ist der Flüchtling mein Nächster? Oder bin ich dem Flüchtling, bin ich dem Fremden ein Nächster?
In dem Gleichnis, welches Jesus erzählt, wird erst einmal deutlich, dass Menschen, die eigentlich von Haus aus dazu verpflichtet sind, dem Menschen zu helfen, mit den fadenscheinigsten Gründen diese Hilfe ablehnen. Teilweise sind diese Gründe sogar richtig gut religiös untermauert. Erst der Fremde, der nicht einmal religiös oder ethisch verpflichtet ist wird zum Helfer. Er wird zum Helfer unter Einsatz seines Lebens. Die Räuber können ja immer noch in der Nähe sein. Und mit dem Anhalten bringt er sich daher selber in Gefahr. Und er lässt sich auch die Hilfe etwas kosten. – Er übernimmt die Heilkosten im Gasthaus.
Und wenn ich einmal den Blick aus der Sicht des Verletzten und Geschädigten sehe, dann stellt sich die Frage: „Wer wird mir zum Nächsten?“
Vielleicht haben Sie auch schon die Erfahrung gemacht, dass in schweren Lebenssituationen Menschen, von denen Sie es erwartet haben, dass diese ihnen beistehen, total versagt haben und sie verlassen haben. Während andere, von denen sie es nie erwartet haben, vielleicht mit denen sie vorher nicht gekonnt haben, ihnen auf einmal zur Hilfe wurden.
Jesus stellt hier die Frage: „Wer wurde dem unter die Räuber gefallenen zum Nächsten?“ Natürlich war es eine Spitze gegen die theologische Rechtgläubigkeit der jüdischen Obrigkeit. Aber es stellt auch Fragen an uns.
Wer wird mir in schweren Situationen meines Lebens zur Hilfe?
Letztlich ist es der, der sich mir zuwendet und oft ist es der, andere von dem ich es nicht erwartet habe.
Und manchmal ist es der Fremde, der mir hilft, der Fremde, vor dem ich eigentlich Vorurteile habe, mit dem ich eigentlich nichts zu tun haben will. Der, der so anders ist, bringt die unerwartete Hilfe.
Und Jesus fragt mich: „Wem wirst Du zum Nächsten? Wem stehst Du in seinem Leben und in seinen Nöten bei? Was ist meine ehrliche Antwort darauf?
Sind mir die Menschen gleichgültig und lebe ich nur ich-zentriert?
Geht es nur um meine Familie und Freunde?
Sehe ich wenigsten über den Tellerrand und habe einen Blick für das Gemeinwesen?
Oder bin ich auch bereit, etwas für den Fremden zu tun?
Wem werde ich zum Nächsten?
Nicht nur in diesem Gleichnis erinnert uns Jesus daran, dass beides zusammen gehört, das Gebot der Gottesliebe und das Gebot der Nächstenliebe. Darum ist es immer wieder seine Ermahnung und Ermutigung, dass wir uns für das und für den Geringen einsetzen, ihm helfen und beistehen sollen. Für Jesus ist es etwas Selbstverständliches. Wie er auch an einem Sabbat einen Kranken gesund macht.
Denn wer den Anderen im Blick hat, erfährt eine Horizonterweiterung, sonst könnte es uns ergehen wie dem buddhistischen Mönch im Eingangsbericht der Predigt, dass wir kurz vor dem Ziel auf der Strecke bleiben.
Wie ich im Anfang der Predigt schon gesagt habe, erleben wir zurzeit ein Flüchtlingsdrama in Europa und in Deutschland. Auch wir hier in Zipsendorf werden davon betroffen sein. Und wenn wir das Gebot Jesu ernst nehmen, dürfen wir nicht wegsehen.
Die Bilder der vergangenen Woche mit den vielen Toten, und auch mit den Auseinandersetzungen zwischen den Menschen um die Flüchtlinge dürfen uns nicht kalt lassen.
Sicher können wir nicht global und überall helfen. Das verlangt auch keiner. Aber wir können und sollen dem Einzelnen gegenüber zum Nächsten werden. Das ist auch in dieser Situation das Gebot Jesu an uns.
Amen.
„Der Friede Gottes, welcher höher ist als alle Vernunft, bewahre eure Herzen und Sinne in Christus Jesus.“
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