Wo bist du, Gott-Held und Friede-Fürst?

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Wo bist du, Gott-Held und Friede-Fürst?

Christvesper 2015 Prößdorf
Glocken und Orgelvorspiel
Gruß und Begrüßung
L Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes.
G Amen.
L Liebe Gemeinde,
Uns ist ein Kind geboren, ein Sohn ist uns gegeben, ... und er heißt Wunder-Rat, Gott-Held, Ewig-Vater, Friede-Fürst.
Wie eine Geburtsanzeige klingen die Worte aus dem Buch des Propheten Jesaja: glücklich, stolz und voller Freude. Die Geburt eines Kindes ist ein großes Glück; es ist eine Verheißung des Lebens, eine Verheißung für die Zukunft. Was für jedes Kind gilt, gilt erst recht für das Kind dieser Heiligen Nacht: Alle sollen sich mitfreuen und dieses Glück teilen. Gott selber kommt zu uns und mit ihm Heil und Leben.
Lied: "Hört, der Engel helle Lieder" (EG 54) Strophen 1-3
Eingangsgebet
Lieber Herr Jesus Christus,
du bist in einem kleinen Stall zur Welt gekommen, um bei uns Menschen zu sein.
Wir bitten dich, sei du bei uns in unserem ganzen Leben, in unseren Häusern, in unseren Wohnungen und auch heute in dieser Kirche.
Erfülle uns mit weihnachtlicher Freude. Dir sei Lob und Dank in Ewigkeit. Amen.
Lesung: Jesaja 9,1-6
1Das Volk, das im Finstern wandelt, sieht ein großes Licht, und über denen, die da wohnen im finstern Lande, scheint es hell.
2 Du weckst lauten Jubel, du machst groß die Freude. Vor dir wird man sich freuen, wie man sich freut in der Ernte, wie man fröhlich ist, wenn man Beute austeilt.
3 Denn du hast ihr drückendes Joch, die Jochstange auf ihrer Schulter und den Stecken ihres Treibers zerbrochen wie am Tage Midians.
4 Denn jeder Stiefel, der mit Gedröhn dahergeht, und jeder Mantel, durch Blut geschleift, wird verbrannt und vom Feuer verzehrt.
5 Denn uns ist ein Kind geboren, ein Sohn ist uns gegeben, und die Herrschaft ruht auf seiner Schulter; und er heißt Wunder-Rat, Gott-Held, Ewig-Vater, Friede-Fürst;
6 auf dass seine Herrschaft groß werde und des Friedens kein Ende auf dem Thron Davids und in seinem Königreich, dass er's stärke und stütze durch Recht und Gerechtigkeit von nun an bis in Ewigkeit. Solches wird tun der Eifer des HERRN Zebaoth.
Predigt, Teil 1
Große Erwartungen (Teil 1)
Heiliger Abend. Es könnte in Prößdorf oder in Lucka sein. Ein Mehrparteienhaus aus den späten 1950er Jahren.
Im dritten Stock links wohnt eine fünfköpfige Familie. Der älteste Sohn Felix bemüht sich fieberhaft, den nächsten Level von Grand Theft Auto, einem Computerspiel, zu erreichen.
Die Tochter Emma will sich gerade über Facebook zu einer After-Christmas-Party verabreden.
Vater und Mutter streiten. Eigentlich über eine Nebensächlichkeit. Aber an dieser Nebensächlichkeit entzündet sich gerade an diesem Abend ein heftiger Streit. Wieder einmal. Es hat sich ja so viel angestaut in der letzten Zeit. Stress in der Arbeit, kaum noch Zeit, sich zu sehen und miteinander zu reden. Jetzt soll es eigentlich losgehen mit der Gemütlichkeit, der weihnachtlichen Stimmung, den Geschenken.
Aber die beiden älteren Kinder haben „keinen Bock", wie sie sagen, ausgerechnet an diesem Abend einen auf „heilige Familie" zu machen, so als ob alles in bester Ordnung wäre.
Nur der Jüngste, Peter, sitzt weinend in seinem Zimmer und bittet das Christkind, dass sich die Eltern wieder vertragen sollen und dass man wenigstens einmal so Weihnachten feiert, wie bei anderen Leuten auch.
[nach kurzer rhetorischer Pause:]
Wo bist du, Gott-Held und Friede-Fürst?
Gegenüber wohnt eine ältere Frau, die in diesem Jahr zum ersten Mal alleine den Heiligen Abend verbringen muss. Ihr Mann ist nach über vierzig Jahren Ehe plötzlich und unerwartet kurz vor Beginn der Adventszeit verstorben. Es schmerzt seitdem jeden Tag.
Manchmal sieht sie ihn noch da sitzen auf der Couch und spricht mit ihm. Ja, das fehlt ihr am allermeisten, das vertraute Gespräch, und, dass man ein eingespieltes Team war.
Ihre Kinder haben sie zwar zu sich nach Hause eingeladen, aber sie will einfach nicht kommen. Sie wolle niemanden zur Last fallen, sagt sie.
[nach kurzer rhetorischer Pause:]
Wo bleibst du, Trost der ganzen Welt?
Auch eine alleinerziehende Mutter wohnt dort mit ihrem Kind in einer sehr kleinen Wohnung. Mehr kann sie sich einfach nicht leisten, trotz der beiden Jobs, die sie hat, weil einer allein nicht ausreicht.
Sie würde ihrem Kind gerne einen lang ersehnten Wunsch erfüllen, aber es geht einfach nicht. Das Geld reicht hinten und vorne nicht aus. Der Wunschzettel ist zwar geschrieben, aber die große Bescherung muss in diesem Jahr wohl ausfallen.
[nach kurzer rhetorischer Pause.]
Wo bist du, Wunder-Rat?
Dazwischen lebt auch eine ganz normale Familie, wie es scheint. Man geht gemeinsam in den Gottesdienst am Heiligen Abend, weil es einfach dazu gehört. Man isst gemeinsam im großen Kreis der Familie das traditionelle Weihnachtsessen. Dann klingelt ein Glöckchen und nun darf man endlich wieder in das Wohnzimmer hinein, das den ganzen Tag verschlossen blieb, weil dort das Christkind zugange war.
Die Tür öffnet sich und man betritt den dunklen Raum, in dem nur der Christbaum hell erleuchtet strahlt. Und über allem liegt der Glanz von Weihnachten.
So könnte es sein, so könnte alles gut sein, wenn es nicht diesen Arztbrief gäbe, mit dieser schlimmen Diagnose - und der noch gar nicht so alte Vater weiß einfach nicht, wie er es seiner Familie sagen soll.
[nach kurzer rhetorischer Pause:]
Wo bist du, aller Helfer wert?
Eine Wohnung in diesem Haus habe ich noch übersehen. Sie wird von einem jungen Paar bewohnt. Eine junge Studentin und ihr Freund. Die beiden sitzen auf gepackten Koffern. Es kann jetzt jeden Moment soweit sein. Die Ärztin hat den Geburtstermin für den 25. Dezember errechnet. Ausgerechnet. Da muss die große Feier im Kreis der Familie heuer einmal ausfallen. Sie haben sich ein kleines Bäumchen gekauft, haben zusammen gegessen und machen es sich nun auf dem Sofa gemütlich. Hin und wieder hat es heute schon einmal im Bauch geziept, aber ansonsten hat der kleine Kerl noch keine Anstalten gemacht, auf die Welt zu kommen. Spät am Abend döst das Paar auf dem Sofa ein. Heute ist es wohl noch nicht soweit. Doch dann mit einem Mal. Ein schmerzverzerrter Blick genügt und ihr Freund weiß Bescheid. Schnell machen sich alle drei in gespannter, aber froher Erwartung auf den Weg ins Krankenhaus.
Heiliger Abend. Zeit der Erwartungen. W eiche Erwartungen haben Sie an diesem Abend? Welche Erwartungen haben Sie an Gott? Haben Sie Erwartungen an Gott? Oder haben Sie schon alle Erwartungen aufgegeben? „Ach, das lohnt sich ja doch nicht, der Glaube bringt mich im Leben nicht weiter!" Oder vielleicht doch! Ja, was wäre wenn, wenn das wahr wäre, wenn es diesen Tröster wirklich gäbe, der mich trösten kann, wenn es diesen Helfer wirklich gäbe, der mir helfen kann, wenn es diesen Friedensbringer wirklich gäbe, der mir Frieden geben kann?!
Lied: Nun singet und seid froh (EG 35) Strophen 1-4
2. Lesung: Lukas 1,26-38
26 Und im sechsten Monat wurde der Engel Gabriel von Gott gesandt in eine Stadt in Galiläa, die heißt Nazareth,
27 zu einer Jungfrau, die vertraut war einem Mann mit Namen Josef vom Hause David; und die Jungfrau hieß Maria.
28 Und der Engel kam zu ihr hinein und sprach: Sei gegrüßt, du Begnadete! Der Herr ist mit dir!
29 Sie aber erschrak über die Rede und dachte: Welch ein Gruß ist das?
30 Und der Engel sprach zu ihr: Fürchte dich nicht, Maria, du hast Gnade bei Gott gefunden.
31 Siehe, du wirst schwanger werden und einen Sohn gebären, und du sollst ihm den Namen Jesus geben.
32 Der wird groß sein und Sohn des Höchsten genannt werden; und Gott der Herr wird ihm den Thron seines Vaters David geben,
33 und er wird König sein über das Haus Jakob in Ewigkeit, und sein Reich wird kein Ende haben.
34 Da sprach Maria zu dem Engel: Wie soll das zugehen, da ich doch von keinem Mann weiß?
35 Der Engel antwortete und sprach zu ihr: Der Heilige Geist wird über dich kommen, und die Kraft des Höchsten wird dich überschatten; darum wird auch das Heilige, das geboren wird, Gottes Sohn genannt werden.
36 Und siehe, Elisabeth, deine Verwandte, ist auch schwanger mit einem Sohn, in ihrem Alter, und ist jetzt im sechsten Monat, von der man sagt, dass sie unfruchtbar sei.
37 Denn bei Gott ist kein Ding unmöglich.
38 Maria aber sprach: Siehe, ich bin des Herrn Magd; mir geschehe, wie du gesagt hast. Und der Engel schied von ihr.
Predigt, Teil 2
Ein neues Kapitel wird aufgeschlagen (Teil 2)
Vor neun Monaten sah es noch ganz anders aus. Unsere junge Studentin hatte gerade erst mit ihrem Studium begonnen. Sie sitzt vor einem aufgeschlagenen Buch und ist so sehr in die Lektüre versunken, dass sie die Welt um sich herum völlig vergisst. Sie wollte jetzt eigentlich so richtig durchstarten im Leben. Doch dann ereilt sie die Nachricht ihrer Schwangerschaft, wie aus einer anderen Welt. Diese Botschaft bricht von oben herab in ihr Leben ein und wirbelt alles kräftig durcheinander. Nicht nur die Gewänder flattern, auch ihre Buchseiten werden vom Windstoß umgeblättert. Ein neues Kapitel wird aufgeschlagen.
Wenn wir hier beim Film wären, dann hätten sich die Bilder wohl langsam überblendet, zwischen damals und heute. Denn so hat sich der Künstler Hans Baldung Grien vorgestellt, was wir gerade eben in der Lesung gehört haben: Die Ankündigung der Geburt an Maria. Sie können es auf der Transparentkarte sehen. Es ist das linke Doppelfenster. Da sitzt Maria auf der linken Seite und von rechts rauscht der Engel Gabriel heran.
Nicht selten geht das ja im Leben so: Wir sind so versunken, so sehr beschäftigt mit den Dingen dieser Welt und mit uns selbst, dass wir weder Augen noch Ohren für etwas Anderes haben. Manches davon ist belanglos, anderes dagegen sind große Brocken, die uns auf der Seele liegen und uns nicht mehr loslassen. Und manchmal geschieht etwas, das unser Leben völlig auf den Kopf stellt.
Ob Maria das erwartet hat? Sicherlich nicht. So etwas kann man nicht erwarten, nicht mal erahnen. So etwas geschieht einfach. Maria hatte ganz andere Erwartungen an ihr Leben. Ihr hätte dasselbe Schicksal geblüht wie Millionen anderer Frauen damals auch. Aber nun ist sie herausgehoben. Sie wird von Gott auf eine ganz besondere Weise geehrt.
Freilich für Maria, die junge Studentin, kam diese besondere Ehre einer Brandmarkung gleich. „Na, kein Wunder", sagen da manche hinter vorgehaltener Hand, ,,bei der sind die Männer ja auch ein- und ausgegangen." Das stimmt zwar überhaupt nicht, aber dieses Gerücht verletzt die junge Frau über alle Maßen. Wie viel Spott und Verachtung wird Maria wohl erduldet haben? Ob sie von diesem Erlebnis irgendeiner Menschenseele erzählt hat? Wer würde ihr schon Glauben schenken?
Aber Maria war auch nicht das ahnungslose Geschöpf, das willenlose Gefäß, das Gottes Sohn zur Welt gebracht hat. Maria ist eine selbstbewusste junge Frau, die sich Gott ganz zur Verfügung stellt. Sie übernimmt die ihr von Gott zugedachte Aufgabe. Sie vertraut auf Gott, auch wenn das ihr ganzes Leben in ein Zwielicht bringt. Maria hält also still und lässt es mit sich machen.
„Ach", sagen sie da, ,,das ist einfach nicht mein Ding. Das kann ich kaum aushalten, so still zu sein. Ich muss immer etwas tun. Ich kann nie abschalten. Ich stehe immer unter Strom." Wir sehen uns im Leben ja eher auf der rechten Bildhälfte angesiedelt: Wir rauschen daher, auch wenn wir keine Engel sind, regeln alles, machen und hantieren, haben alles fest im Griff. Es könnte dann aber sein, dass wir in der Gefahr stehen, das Beste zu verpassen. Und wie man dieses Beste am besten wahrnimmt, dafür gibt uns Maria das Beispiel einer Haltung, die keinem von uns angeboren ist, die wir alle immer wieder neu einüben müssen. Die Haltung der Maria ist die Haltung des Glaubens, die Haltung des Empfangens, des stillen Bedenkens, des Sich-Hinhaltens, des An-sich-Geschehenlassens.
Und so wird also ein neues Kapitel aufgeschlagen. Das wünscht sich so mancher auch: etwas abzuschließen, hinter sich zu lassen, und endlich eine Seite umblättern zu können, um noch einmal von vorne anzufangen. Nichts Anderes sagt die so merkwürdige Rede von der Jungfrauengeburt.
Sie besagt doch nur, dass hier wirklich etwas Neues geschehen ist, das nicht aus dem Menschlichen abzuleiten ist. Die Welt kann sich nämlich nach dieser Geburt nicht so weiterdrehen wie vorher, als wäre nichts geschehen. Das verhängnisvolle Ineinandergreifen aller Menschenschicksale ist in dieser Nacht durch diese eine Geburt durchbrochen worden. Es gibt ein Entrinnen. Das ist das Evangelium, die frohe Botschaft dieser Nacht. Es muss nicht so weitergehen wie bisher. Das Leben kann neu werden.
Lied: "Vom Himmel hoch, da komm ich her" (EG 24) Strophen 1-6.15
3. Lesung: Lukas 2,1-14
1 Es begab sich aber zu der Zeit, dass ein Gebot von dem Kaiser Augustus ausging, dass alle Welt geschätzt würde.
2 Und diese Schätzung war die allererste und geschah zur Zeit, da Quirinius Statthalter in Syrien war.
3 Und jedermann ging, dass er sich schätzen ließe, ein jeder in seine Stadt.
4 Da machte sich auf auch Josef aus Galiläa, aus der Stadt Nazareth, in das jüdische Land zur Stadt Davids, die da heißt Bethlehem, weil er aus dem Hause und Geschlechte Davids war,
5 damit er sich schätzen ließe mit Maria, seinem vertrauten Weibe; die war schwanger.
6 Und als sie dort waren, kam die Zeit, dass sie gebären sollte.
7 Und sie gebar ihren ersten Sohn und wickelte ihn in Windeln und legte ihn in eine Krippe; denn sie hatten sonst keinen Raum in der Herberge.
8 Und es waren Hirten in derselben Gegend auf dem Felde bei den Hürden, die hüteten des Nachts ihre Herde.
9 Und der Engel des Herrn trat zu ihnen, und die Klarheit des Herrn leuchtete um sie; und sie fürchteten sich sehr.
10 Und der Engel sprach zu ihnen: Fürchtet euch nicht! Siehe, ich verkündige euch große Freude, die allem Volk widerfahren wird;
11 denn euch ist heute der Heiland geboren, welcher ist Christus, der Herr, in der Stadt Davids.
12 Und das habt zum Zeichen: Ihr werdet finden das Kind in Windeln gewickelt und in einer Krippe liegen.
13 Und alsbald war da bei dem Engel die Menge der himmlischen Heerscharen, die lobten Gott und sprachen:
14 Ehre sei Gott in der Höhe und Friede auf Erden bei den Menschen seines Wohlgefallens.1
Predigt, Teil 3
Alles, was ich geben kann (Teil 3)
Neun Monate vor dem Weihnachtstag, am 25. März, feiert die Kirche das Fest der Ankündigung der Geburt. Neun Monate hat Maria gewartet, so lange eine Schwangerschaft eben dauert. Bald konnte sie ihr Bäuchlein nicht mehr verheimlichen. Es ist eine lange Zeit, wenn man von den anderen gemieden wird, wenn hinter dem Rücken über einen gesprochen wird. Aber nun hat die Zeit des Wartens ein Ende: „Euch ist heute der Heiland geboren!"
Wir sind in der Mitte angekommen. In der Mitte der Nacht liegt der Anfang des neuen Tages. In der Nacht aller Nächte, in die Dunkelheiten eines Menschenlebens kommt Gott hinein und lässt es licht werden. Das lichte Wunder der Geburt des Gottessohnes zeigt das mittlere Fenster. Anders als sonst auf den vielen Darstellungen dieser Szene hat der Künstler die beteiligten Personen nicht in einem dunklen Stall angesiedelt, sondern in einer Burgruine. Auf den Trümmern des Alten entsteht das Neue, will das besagen. Maria auf der linken Seite kniet nun anbetend vor dem Kind, das auf Stroh und auf Stein als seiner Krippe liegt. Ochs und Esel dürfen natürlich nicht fehlen. Joseph steht rechts daneben mit Stock und Lampe.
Aber wo sind eigentlich die Hirten? Ach ja, sie sind etwas in den Hintergrund gerückt. Kein Wunder, denn die Hirten, das waren ja keine vertrauenswürdigen Gesellen, das war der Abschaum der Gesellschaft. Nicht so, wie wir das aus Hollywood-Filmen gewohnt sind: wo jeder, egal in welcher Situation, immer noch eine Föhnfrisur trägt und perfekt geschminkt aussieht. Nein, so sind die nicht. Die sind schmutzig und stinken und sind angetrunken, da läuft der Rotz aus der Nase, und interessieren tun die sich weder für Politik noch für Kunst oder Kultur. Aber genau zu denen kommt Gott.
Das ist für mich immer wieder aufs Neue eine staunenswerte und mich nachdenklich machende Angelegenheit. Gott stellt sich nicht zuerst bei Kaisern und Königen vor. Gott kommt nicht zuallererst in den Deutschen Bundestag oder hier in unsere Kirche. Und auch nicht zuerst zu mir als Pfarrer/in. Gott kommt zuerst zu den Hirten auf dem Feld.
Was haben die Hirten, was ich nicht habe?
Aber vielleicht ist das genau der Punkt. Die Heiligen Drei Könige, die kommen wenigstens noch mit Weihrauch, Myrrhe und Gold. Wenn sie einen Blick nach rechts auf ihrer Transparentkarte werfen, das wird auf dem dritten Fenster gezeigt. Aber die Hirten kommen mit nichts, mit rein gar nichts - außer dem einen, was sie haben, nämlich sich selbst. Und vielleicht ist genau das der Grund, warum Gott die Hirten so liebhat, weil sie ihm nichts bringen können außer sich selbst und ihr Leben mit allen Nöten und Sorgen und Ängsten. Denn mehr haben sie nicht zu bieten. Aber genau das alles bringen sie dem Kind in der Krippe in dieser Nacht.
Wenn ich also etwas von dem Geheimnis von Weihnachten erfahren möchte, dann muss ich bei diesen Hirten in die Schule gehen, dann muss ich nachmachen, was sie mir vorgemacht haben.
Die Hirten zeigen uns, wie Weihnachten geht. Wenn nämlich Weihnachten passiert, dann muss man alles andere liegen und stehen lassen. Dann gibt es auch kein Halten und kein Zögern mehr, dann ist nur noch das Kind in der Krippe wichtig. Dann muss man sagen: „Jetzt bin ich ganz für dich da, Gott".
Ob Ihnen so etwas heute Nacht auch passiert? Es ist heute ungleich schwieriger als damals. Wir haben ja inzwischen so viel aufgehäuft in unserem Leben, dass Gott es nicht leicht hat, zu uns überhaupt vorzudringen. Aber wenn, dann wünsche ich es Ihnen von Herzen, dass Ihnen das passiert. Denn das würde Ihr Leben auf jeden Fall umkrempeln. Weihnachten, das ist unsere Chance. Die Hirten haben sie ergriffen.
Lied: "Ich steh an deiner Krippen hier" (EG 37) Strophen 1-2.4.9
4. Lesung: Lukas 2, 15-20
15 Und als die Engel von ihnen gen Himmel fuhren, sprachen die Hirten untereinander: Lasst uns nun gehen nach Bethlehem und die Geschichte sehen, die da geschehen ist, die uns der Herr kundgetan hat.
16 Und sie kamen eilend und fanden beide, Maria und Josef, dazu das Kind in der Krippe liegen.
17 Als sie es aber gesehen hatten, breiteten sie das Wort aus, das zu ihnen von diesem Kinde gesagt war.
18 Und alle, vor die es kam, wunderten sich über das, was ihnen die Hirten gesagt hatten.
19 Maria aber behielt alle diese Worte und bewegte sie in ihrem Herzen.
20 Und die Hirten kehrten wieder um, priesen und lobten Gott für alles, was sie gehört und gesehen hatten, wie denn zu ihnen gesagt war.
Predigt, Teil 4
Das Liebeswerben Gottes (Teil 4)
Wir sind in der Mitte angekommen - und die Mitte dieser Nacht ist ein neugeborenes Kind. Und in diesem Kind wird Gott ein Mensch.
Ist das nicht verrückt? Was soll das? Warum macht Gott so etwas? Gott muss doch wissen, dass sich zweitausend Jahre später viele Menschen gar nicht mehr für ihn interessieren. Jede vernünftige Unternehmensberatung hätte Gott wahrscheinlich davon abgeraten: „Das bringt doch nichts, lieber Gott. Die Menschen interessieren sich nicht mehr für dich, alles andere ist wichtiger geworden."
Warum macht Gott das trotzdem, gegen jede Vernunft, und warum ausgerechnet als kleines Kind? Das muss doch schiefgehen, so etwas. Jede Werbeagentur hätte sich heute ein besseres Konzept ausgedacht. Da muss man doch die Stärken Gottes präsentieren, seine Allgegenwart, seine Allwissenheit, seine Allmacht, aber doch nicht seine Schwachheit, seine Verletzlichkeit, seine Menschlichkeit. Das kauft ihm doch keiner ab. Aber Gott riskiert es trotzdem. Gott ist eben unverbesserlich und pfeift auf die Ratschläge der Werbeagentur und wirbt trotzdem.
Ja, mit dem Kind in der Krippe wirbt Gott um sie. Aber Gott betreibt eine ganz besondere Werbung. Keine Werbung, bei der Gott irgendein Produkt verkaufen will. Aber eine Werbung, bei der Gott sich selbst verkaufen will. Liebeswerben nennt man so etwas. Und vielleicht haben sie das ja auch gemacht, sich die Frage gestellt, wie schaffe ich es, dass sich ein anderer für mich interessiert, dass er oder sie sich am Ende gar in mich verliebt. Und vielleicht haben sie ja Liebesgedichte geschrieben oder sich andere romantische Dinge ausgedacht. Bis es· dann soweit war und sie mit Herzklopfen bis zum Hals, mit Übelkeit in der Magengegend und mit weichen Knien dem anderen ihre Liebe offenbart haben, als sie dann gesagt haben: „Ich liebe dich! Und ich will, dass daraus mehr wird!" Da sind sie auf volles Risiko gegangen und haben sich völlig entblößt, immer in der Gefahr, dass der andere „Nein" sagt.
Weihnachten ist so ähnlich. Da entblößt sich Gott auch vor ihnen, er kommt nämlich in Windeln gewickelt, und schüttet ihnen sein Herz aus, und sagt: „Ich liebe dich, Mensch!"
Weihnachten nennen wir das Fest der Liebe. Das stimmt. Es ist das Fest der Liebe! Aber zuallererst nicht das Fest des Liebens, sondern des Geliebt Werdens von Gott. Diese Liebe wird verändern. Auch wenn sie nicht von heute auf morgen plötzlich alle Probleme löst. Aber in dieser Liebe wird nun möglich, was vorher unmöglich schien:
Gott spricht sein Ja zu uns. Gott ist dort, wo wir Menschen sind. Vielleicht gar nicht einmal so gerne an den gedeckten Festtafeln dieses Abends, sondern wohl eher noch in den Trümmern und Ruinen unseres Lebens. Gott ist dort, wo wir uns streiten, uns gegenseitig verletzen und das Leben zur Hölle machen. Da ist er - und will es heil machen. Gott ist dort, wo wir uns verlassen vorkommen und schrecklich einsam sind. Da will er sein - und er will uns Nähe und Trost spenden. Dort, wo nach menschlichem Ermessen nicht mehr viel geht, wo man sich halt mit dem Schicksal abfinden muss. Da ist Gott - und er will uns Hoffnung geben, dass doch noch etwas geht. Dafür ist Gott Mensch geworden: Der WunderRat, GottHeld, EwigVater, Friedefürst.
Amen.
Lied Stille Nacht, heilige Nacht! (EG 46,1-3)
Fürbitten
Ewiger Gott und Vater,
wir danken dir für das Wunder der Weihnacht, dass wir dich finden im Kind in der Krippe. Vor dich bringen wir in dieser Heiligen Nacht die Gefangenen und Hungernden,
die Einsamen und Verzagten,
alle, die keine Arbeit haben,
alle, die keine Wohnung haben und unsere Kranken. Wir bitten für sie alle:
Sieh auf ihre Not und steh ihnen bei.
Wir bitten dich für unsere Partnergemeinden und –kirchen.
Lass uns verbunden bleiben in dir. Wir bitten dich für alle, die wir lieben:
Bewahre sie durch deine heiligen Engel.
Wir bitten dich für alle, mit denen wir uns schwertun:
Hilf uns zu einem guten Umgang miteinander.
In der Stille bringen wir vor dich, was uns besonders am Herzen liegt.
Stille
Ewiger Gott, durch die Geburt deines Sohnes erstrahlt dein Licht in der Welt. Es leuchtet in jeder Dunkelheit. Dich loben wir, dich preisen wir, dich rufen wir an:
Vaterunser
Vaterunser
Vater unser im Himmel.
Geheiligt werde dein Name.
Dein Reich komme.
Dein Wille geschehe,
wie im Himmel, so auf Erden.
Unser tägliches Brot gib uns heute.
Und vergib uns unsere Schuld,
wie auch wir vergeben unsern Schuldigern.
Und führe uns nicht in Versuchung,
sondern erlöse uns von dem Bösen.
Denn dein ist das Reich
und die Kraft
und die Herrlichkeit in Ewigkeit. Amen.
Segen
Lied:: O du fröhliche (EG 44,1-3)
Orgelnachspiel
Glocken
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