Der Berufung würdig leben
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Der Berufung würdig leben
Der Berufung würdig leben
Die Gnade unsers Herr Jesus Christus
und die Liebe Gottes
und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes
sei mit euch allen.
Liebe Gemeinde,
sie halten heute ein besonderes Reformationsbild in der Hand. Der Altar im Innenteil ist etwas Besonderes. Er steht auch heute noch in Regensburg. Aber das ganz Besondere an diesem Bild ist. Er zeigt einmal die Reformation ohne Madensack und Majestät.
Was meine ich damit?
Normalerweise gibt es ja zwei Formen von Reformationsbildern.
Auf der einen Seite gibt es die, wo z.B. auch Luther zu sehen ist. Diese Bilder wurden von Lukas Cranach geprägt. Es sind Bilder wo wir Luther in verschiedenen Posen finden:
Einmal als bulliger Bärbeißer mit schwarzem Schlapphut. Oder Luther auf der Kanzel.
Oder Luther unterm Kreuz.
Eben Luther, als Heros der Lutheraner.
Dabei ist das gar nicht so in Luthers sin gewesen. Als man ihn fragte, ob sich seine Anhänger „Lutheraner" nennen sollten, hat er geantwortet: ,,Wie käme denn ich armer stinkender Madensack dazu, dass man die Kinder Christi mit meinem heillosen Namen nennen sollte?"
Daher finden wir in diesem Altarbild ein wirklich lutherisches Bild: Die Reformation ganz ohne Madensack - dafür sieht man hier umso mehr Christus und seine „Kinder" am Werk.
Das zweite häufige Bild was wir bei der Reformation finden ist das bei dem das Augsburgische Bekenntnis 1530 an Seine Majestät Kaiser Karl V. überreicht wird.
Das sind die recht staatstragenden Konfessionsbilder meist wurden diese Bilder zum l00 jährigen Jubiläum, also 1630 gemalt, mitten im Dreißigjährigen Krieg, um zu zeigen: Wir waren und wir sind wichtig, wir sind keine Revoluzzer, sondern erkennen die Obrigkeit an. Wir gehören genauso zum Reich wie die Katholiken. - Das sind also am Ende politische Bilder.
So ganz anders ist daher der Reformations-Altar, den der Regensburger Maler Michael Ostendorfer gemalt hat:
Hier sind nicht die zu sehen, die die Reformation gemacht haben, sondern hier ist das zu sehen, worum es Luther und seinen Kollegen ging.
Was uns dabei da gleich ins Auge fällt, sind die Spruchbänder. Ich entziffere sie mal für Sie: Auf dem obersten steht:
„Dis ist Mein lieber Son - Den solt ir hören."
Das ist die Stimme Gottes, den wir ja auch leibhaftig im Himmel hier sehen. Der Spruch gehört eigentlich zu einer anderen Szene als der hier abgebildeten. Zu dieser gehört das Spruchband darunter:
„ Gehet prediget das Evangelium Allen Creaturn. Und Leret sie Halten, was ich Euch Befolhen hab usw."
Das ist aus dem Missions- und Taufbefehl, den der auferstandene Jesus kurz vor der Himmelfahrt seinen Jüngern sagt.
Was sagt uns das bis hierher? Genau das, wozu uns auch der Epheserbrief ermahnt und ermutigt.
Wir lesen aus Eph 4, 1-6:
1 So ermahne ich euch nun, [ ... ] dass ihr der Berufung würdig lebt, mit der ihr berufen seid,
2 in aller Demut und Sanftmut, in Geduld. Ertragt einer den andern in Liebe
3 und seid darauf bedacht, zu wahren die Einigkeit im Geist durch das Band des Friedens:
4 ein Leib und ein Geist, wie ihr auch berufen seid zu einer Hoffnung eurer Berufung;
5 ein Herr, ein Glaube, eine Taufe;
6 ein Gott und Vater aller, der da ist über allen und durch alle und in allen.
Liebe Gemeinde wir werden erinnert: Denkt daran: Ihr seid berufen. Gott ruft uns, zu hören - auf Christus. Und Christus ruft uns - seine Botschaft weiterzusagen, damit immer mehr Menschen von ihm hören. Eine Berufung, ein Herr, ein Glaube. Ebenso wie es im Fundament der Reformation steht; und das ist die Bibel.
Die Bibel ist darum kein totes Buch fürs Museum, sondern ist das lebendige Wort Gottes; das eben machen uns die flatternden Spruchbänder. deutlich
Darunter ist dann Jesus mit den Jüngern auf der Wiese; dann wie ein Bühnenrand. Und davor sehen wir Menschen - aber 1500 Jahre später: Das ist die Regensburger evangelische Gemeinde zurzeit von Michael Ostendorfer; die Gemeinde, die soeben Gottes Wort aus der oberen Hälfte in ihre Jetzt-Zeit umsetzt. Das genau ist Reformation: Gottes Wort hören, weitersagen, umsetzen. Und heute würd da unsere Gemeinde aus Dobitschen (Großröda) sitzen, dieses Wort hören, weitersagen und umsetzen.
Da links sehen wir den Prediger auf der Kanzel. Eine Sanduhr steht bei ihm, damit er nicht zu kurz predigt. Heute würde sie vielleicht dastehen, damit er ja nicht zu lang predigt. So sind die Unterschiede in den 500 Jahren.
Die eine Hand hat der Prediger auf der Bibel und zitiert aus Jesu allererster Predigt:
,, Thut Busse, Und glaubt dem Evangelio. "
Buße, das war ja Luthers Zündungs-Thema. Denn im Ablass sah er eine Perversion der Buße. Auf rechte Buße kommt es an, also auf das Umkehren zu dem, was Christus selbst gesagt und befohlen hat. Oder wie es bei Paulus hier im Epheserbrief lesen:
„So ermahne ich euch ..., dass ihr der Berufung würdig lebt, mit der ihr berufen seid, in aller Demut und Sanftmut, in Geduld. Ertragt einer den andern in Liebe."
Wir können sagen, das ist „Tut Buße" ausformuliert. Um den Prediger sitzt die Gemeinde und hört aufmerksam zu - vielleicht etwas ideal geschönt aufmerksam - Alte, Junge, Frauen, Kinder, alles dabei. Durch die Kanzel nun geschieht mit dem Prediger etwas ganz Eigenes: Er ist der einzige, der in die biblische Szene mit Jesus und den Jüngern hineinragt.
Die Predigt also macht das Schrift-Wort hörbar. Die Predigt verbindet die Bibel und das Heute; Christus damals und uns jetzt hier. Das hat Ostendorfer hier sehr genial dargestellt.
Auf der rechten Seite sehen wir nun etwas, was wir nach der Reformationszeit faktisch aufgegeben haben und viel nur noch denken das ist katholisch, Dabei ist es auch immer noch tief evangelisch. Die Beichte.
Rechts der Pfarrer, der dem edlen Herrn zu seiner Rechten die Hand auflegt und die Absolution erteilt mit den Worten „Dir sind deine Sünde vergeben." Eigentlich ist das mit der Generalabsolution im Gottesdienst nicht ganz richtig, sondern die Vergebungszusage in der Einzelbeichte ist gerade etwas Wichtiges und Besonderes. Darum ermahnt uns hier der Epheserbrief, unserer Berufung treu zu bleiben, dass wir das Vergeben nicht verlernen; dass auch wir konkret und wörtlich, auch wenn es dem Stolz weh tut, sagen: Ich vergebe dir! - ,,Seid darauf bedacht, zu wahren die Einigkeit im Geist durch das Band des Friedens", schreibt der Apostel den Ephesern. Und Einigkeit und Frieden wahren, das geht nicht ohne Vergebung.
Die Seitenflügel
Reformation will eigentlich das Einfache: Das Evangelium Christi hören, Buße tun, vergeben und Vergebung erlangen. Also Christ-Sein ohne alles Schielen auf Leistung und Verdienste; ohne alles Pochen auf:
Ich bin doch ein guter Mensch!", ist etwas Gott was beleidigt, weil er genau weiß, das wir eben genau nicht so gut sind.
Gerahmt ist dieses einfache, ,,evangelische" Christ-Sein von den zwei wichtigsten Stützen unseres Glaubens, den beiden Sakramenten:
Links die Taufe, rechts das Abendmahl. Die oberen beiden Bilder zeigen jeweils die alttestamentliche Vorform und seine Neubegründung an Jesus selbst.
Das untere Bild zeigt, wie zur Zeit Ostendorfers das Sakrament gefeiert wurde: Links oben haben wir die Beschneidung Jesu als seine Aufnahme in den Alten Bund. Und darunter seine Taufe, sozusagen als seine Einsetzung zum Sohn Gottes. Rechts oben das jüdische Passa-Fest, das Fest des Auszugs und der Befreiung aus Ägypten: Da sieht man Jesus und die Jünger mit Wanderstab gerade vom Tisch aufbrechen. Darunter dann, wie Jesus das Passa-Mahl uminterpretiert im Abendmahl und die Befreiung von Sünde an seinem Leib und Blut festmacht. - Die Taufe am Anfang und das Abendmahl als Wegzehrung des Christenmenschen, sie sind die von Christus eingesetzten Säulen, zwischen denen das christliche Leben gedeihen kann.
Das Kreuz als senkrechte Gottes- und waagrechte Menschen-Achse.
Soweit die Erklärung dieses alten Bildes. Aber wie ja dieses Bild selbstständig die Brücke schlägt aus der Bibel-Zeit in seine Jetzt-Zeit, so kommt der Sinn von Reformation bei uns erst an, wenn wir die Brücke weiter schlagen ins Jahr 2014. Und auch das geht mit diesem Bild:
Schauen Sie mal vorne den Ausschnitt an: Ostendorfer hat das Hauptbild in Kreuzform angeordnet. Gott-Vater, der Heilige Geist und Christus bilden die Senkrechte: Gott-Vater thront in himmlischer Herrlichkeit:
„Ein Gott und Vater aller, der da ist über allen und durch alle und in allen."
Sein Sohn steht als Mensch fest auf der Erde.
Dazwischen schlägt der Heilige Geist die überhaupt größte Brücke - größer als der Mensch denken, ja größer als der Mensch oft ertragen kann. Gott – ist nicht ein Prophet, nicht ein Halbgott und kein Guru, nein:
Gott in seiner letzten Gültigkeit – begegnet uns als Mensch. Und zwar ohne dass Gott oben von seinem Thron fällt.
Unerhört! Und ebenso unerhört ist die Waagrechte des Kreuzes:
Indem Jesus den Missionsbefehl erteilt „ Gehet, prediget das Evangelium allen Creaturn ", multipliziert er sich sozusagen selbst. Fast könnte man sagen: Er „klont" sich selbst in seinen Jüngern wie die waagrechte Linie der Köpfe zeigt. Denn die Jünger sollen jetzt sagen, was er gesagt hat. ,,Stellvertreter Christi auf Erden", das ist also kein Papst, das sind keine sonstigen hohen Würdenträger, sondern - wie das Bild von der Predigtgemeinde zeigt - das sind wir alle als die Fortsetzer der Jünger.
Wir sind es, die eine Menschenkette nach beiden Seiten durch die ganze Welt bilden. Und am einen Ende dieser Kette da stehen nebeneinander wir, die Christen der Kirchengemeinde Dobitschen und Großröda, und auf der anderen Seite reiht sich eine Gemeinde aus Papua-Neuguinea direkt an eine aus Latein-Amerika an. Priestertum aller Gläubigen.
Das Kreuz als Weg der Nachfolge
Aber das Kreuz hat natürlich noch eine tiefere Bedeutung als nur die zwei Richtungen senkrecht und waagrecht.
Luther hat, wie gesagt, die Buße stark gemacht: Die Wende vom Alten zum Neuen, vom Schlechten zum Guten, von gottferner Sünde zur Versöhnung mit Gott, vom Tod zum Leben. Und der Inbegriff all dessen ist für ihn das Kreuz.
„ Wer mir nachfolgen will, der verleugne sich selbst (also: der tue Buße!) und nehme sein Kreuz auf sich und folge mir nach" (Mk 8,34), hat Christus gesagt.
Auch die Auferstehung Christi macht das Kreuz nicht überflüssig. Auch der Auferstandene trägt immer das Kreuz an sich: Das sehen wir vorne auch besser: Jesus trägt die Wundmale. Und er ist nicht herrlich weiß, sondern nachtblau, fast schwarz gekleidet. Denn: Er ist durch den Tod gegangen. So hat er die Sünde mit in den Tod gerissen. So hat er Vergebung möglich gemacht und mich versöhnt mit Gott. Nur deshalb kann ich schon jetzt und hier von Ostern profitieren und das neue Leben im Glauben kosten.
Und jetzt schauen Sie mal auf Jesu Handhaltung: Seine Rechte - also für uns links - ist erhoben und segnet. Seine Linke dagegen scheint etwas nach hinten abzuwehren. So wie er hier zwischen seinen Jüngern steht, versteht man diese Geste gar nicht, - wenn man nicht wie die Zeitgenossen von Michael Ostendorfer bisherige Christus-Bilder vor Augen hat.
Diese Handhaltung ist nämlich typisch für die Darstellungen Christi als Richter im Letzten Gericht. Hinten auf der Karte ist klein ein Beispiel von Pieter Bruegel abgedruckt: Christus thront auf Welt und Regenbogen und segnet die Gerechten zu seiner Rechten, während er die Linken fortschickt in den Höllenschlund. Das ist die Bedeutung dieser Geste, tausendfach dargestellt im Mittelalter.
An Christus scheiden sich nicht nur die Geister, sondern eben die ganze Menschheit auf ewig.
Und diese Bedeutung verpflanzt nun Michael Ostendorfer vom Jüngsten Tag in den Augenblick der Predigt: ,,Das ist mein lieber Sohn, den sollt ihr hören!", sagt Gott. Und was der Sohn sagt, das sagt die Predigt weiter und darum scheiden sich Glaube und Unglaube nicht erst einst in einer himmlischen Gerichts-Veranstaltung, sondern hier und jetzt. - Hier und jetzt beim Hören entscheidet sich, ob ich zu Christus gehöre oder nicht, ob ich ihm vertraue oder nicht, ob ich mit ihm gehe oder nicht, ob ich mein Kreuz auf mich nehme wie er oder nicht. Christus spricht - jetzt! - und ich bin gemeint.
Und zwischen Christus, der zu mir spricht, oder auch: Zwischen seinem Jünger, der in seinem Namen zu mir spricht, und mir steht wiederum keine Priester-Kirche als Vermittlungsmacht. Wir Pfarrer und Pfarrerinnen sind keine Priester, die zu Höherem geweiht sind, sondern wir sind die öffentlichen Ausrichter von Gottes Wort wie der Prediger auf dem Bild. Seit der Reformation gilt das Priestertum aller Gläubigen.
Priester, also Vermittler Gottes, das sind Wir alle: Du bist ein Mensch, der Gottes Wort und auch Gottes Vergebung auf du und du weitergeben darf und soll.
Reformation heißt: Du bist gemeint! Priester, das bist du! Weil Gott dich in Dienst nimmt. Du bist es, den Gott berufen hat, mitten im Alltag zu einem anderen zu sagen: ,,Tu Buße! Denn was du tust, scheint mir deutlich Gottes Willen zu widersprechen. Mach's anders! Mach's, wie Gott es will."
Als Priester können wir so etwas sagen. Aber nicht als entrüstete Moral-Apostel, die sich von vornherein auf der richtigen Seite wissen.
So ein Priester, wie wir es sind, weiß, dass er aus der Taufe lebt und selbst Gottes Gnade bedarf - genauso wie der, den wir mahnen.
Trotzdem finden wir es meist peinlich, so etwas zu sagen. Aber dazu sind wir beauftragt. Und ebenso dazu, jemandem zu sagen: „Mensch, dir ist vergeben! Ich lege dich nicht fest auf das, was war, - und Gott tut es auch nicht. Es ist in Jesu Namen wieder gut zwischen uns, und zwischen dir und Gott auch."
Und so tragen auch wir die Geste Christi [an dieser Stelle die Geste vormachen] weiter, weil sich auch an dem, was wir von Gott sagen, Glaube und Unglaube scheiden. Das ist die Vollmacht, die Jesus Christus uns gegeben hat - und „uns" meint nicht irgendeine Institution wie „die Kirche" oder eine fromme Gruppe wie „die Gemeinde", sondern dich!
Der Lohn
Das ist sicher erst einmal schwierig, das setzt uns aufs Spiel es verunsichert auch erst einmal. Da wird sein Kreuz zu deinem Kreuz. Denn wer sagt und tut, was Jesus tat, macht sich irgendwann unbeliebt wie er. Der Lohn, der das aufwiegt, ist der Tauf-Glaube, dass wir als Nachfolger des Kreuzes auch Nachfolger der Auferstehung sein werden. Der Lohn ist die Abendmahls-Liebe, dass wir durch die Versöhnung in Christus zur Gemeinschaft des einen Leibes Christi gehören. Und der Lohn ist die feste Hoffnung, dass letzten Endes nichts, aber auch gar nichts mächtiger ist als Gott im höchsten Thron. Amen.
Der Friede Gottes,
welcher höher ist als alle Vernunft,
bewahre eure Herzen und Sinne
in Christus Jesus.