Gott schenkt sein Erbarmen, wem er will
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Gott schenkt sein Erbarmen, wem er will
Gott schenkt sein Erbarmen, wem er will
- Römer 9,14–24
Liebe Gemeinde,
der Theologe Dietrich Bonhoeffer hat ja in seinem Gedicht aus dem Gefängnis heraus eine Frage auf geworfen, die wir uns alle sicher schon einmal gestellt haben und auch immer wieder stellen: Wer bin ich?
Warum bin ich so, wie ich bin? Bin ich ein Produkt das Zufalls, irgendwie geschaffen, weil sich da zufällig ein paar Atome zusammengefunden haben – und dass heißt es vielleicht: „Es passt schon!“
Warum lebe ich hier in Fraureuth (in Reinsdorf)? Warum bin ich in Deutschland aufgewachsen. Warum rede ich diese Sprache, warum bin ich von dieser Kultur geprägt? Warum bin ich im christlichen Glauben aufgewachsen?
Ist das alles Zufall? Bin ich ein Produkt des Zufalls?
Ist es Zufall, wann und wo ich geboren bin, in welchem Land ich aufwachse, in welcher Kultur. Es hätte doch ja Millionen, sogar Milliarden andere Möglichkeiten geben können.
Der Zufall hätte mich genauso oder sogar mit noch größerer Wahrscheinlichkeit nach Asien verschlagen können, denn dort leben ja mehr Menschen als hier. Oder ich hätte ja auch vom Islam als Religion geprägt sein können.
Aber die allergrößte Wahrscheinlichkeit, vom Zufall her gesehen, ist die, dass es mich überhaupt nicht gibt.
Doch nun gibt es mich einmal, so wie ich bin. Und ich bin kein Mädchen geworden, kein Sportler, der an der Olympiade teilnimmt und auch kein Genie, der etwas erfunden hat.
Aber ich bin der, der ich bin mit allen meinen Gaben und Fähigkeiten, mit allen Möglichkeiten und Fehlern. Und alles andere, was ich noch hätte sein sollen, wurde verworfen.
Damit wird eigentlich schon deutlich, dass es den Zufall nicht gibt.
Dieses und noch vieles andere mehr schreibt auch der Apostel Paulus an die Gemeinde in Rom. Wir lesen aus Römer 9,14-24
14 Was sollen wir dazu sagen? Etwa: »Ist Gott ungerecht?« Auf keinen Fall! 15 Er sagt ja zu Mose : »Ich werde dem mein Erbarmen schenken, mit dem ich Erbarmen habe. Und ich werde dem mein Mitleid zeigen, mit dem ich Mitleid habe.« 16 Es kommt also nicht darauf an, ob der Mensch etwas will oder ob er sich abmüht. Vielmehr kommt es allein auf Gottes Erbarmen an. 17 Entsprechend steht über den Pharao in der Heiligen Schrift : »Ich habe dich nur deshalb zum Herrscher gemacht, damit ich an dir meine Macht zeigen kann. Dadurch soll mein Name auf der ganzen Erde bekannt werden.« 18 Gott entscheidet also frei, wem er sein Erbarmen schenkt. Und ebenso entscheidet er, wer sich ihm gegenüber verschließen soll. 19 Du könntest jetzt einwenden: »Wieso zieht Gott uns dann überhaupt zur Rechenschaft? Seinem Willen kann sich doch niemand widersetzen!« 20 Du Mensch, wer bist du eigentlich, dass du mit Gott streiten willst! »Sagt etwa ein Gefäß zu dem, der es geformt hat: ›Warum hast du mich so gemacht?‹« 21 Hat nicht der Töpfer alle Macht über den Ton? Er kann doch aus ein und demselben Tonklumpen verschiedene Gefäße herstellen: eine Schale für die Festtafel genauso wie einen Nachttopf. 22 Dabei gilt: Gott will zwar seinen Zorn zeigen und seine Macht offenbaren. Aber dennoch hat er die Gefäße, die seinen Zorn erregen, mit großer Geduld ertragen – also Gefäße, die eigentlich zum Zerschlagen erschaffen wurden. 23 Und gleichzeitig will er seine ganze Herrlichkeit an den Gefäßen offenbaren, denen sein Erbarmen gilt. Denn die hat er zuvor für die Herrlichkeit bestimmt. 24 Solche Gefäße sind wir. Uns hat Gott berufen – und zwar nicht nur aus dem jüdischen Volk, sondern auch aus den anderen Völkern.
Gott schenkt sein Erbarmen, wem er will
14 Welchen Schluss sollen wir nun daraus ziehen? Ist Gott etwa ungerecht? Niemals!
15 Er sagt ja zu Mose: »Wenn ich jemand mein Erbarmen schenke, tue ich es, weil ich Erbarmen mit ihm habe; wenn ich jemand mein Mitleid erfahren lasse, geschieht es, weil ich Mitleid mit ihm habe.«
16 Es liegt also nicht am Menschen mit seinem Wollen und Bemühen, sondern an Gott und seinem Erbarmen.
17 Aus diesem Grund steht in der Schrift auch folgendes Wort, das Gott dem Pharao sagt: »Die Macht, die du hast, habe ich dir deshalb gegeben, weil ich an dir meine eigene Macht zeigen will und weil dadurch mein Name überall in der Welt bekannt werden soll.«
18 Wir sehen also, dass Gott so handelt, wie er es will: Er lässt den einen sein Erbarmen erfahren, und er bewirkt, dass ein anderer sich ihm gegenüber verschließt.
19 Man wird mir jetzt entgegenhalten: »Warum zieht er uns dann noch zur Rechenschaft? Dem, was er beschlossen hat, kann sich ja doch niemand widersetzen!«
20 So? Was bildest du dir ein? Du bist ein Mensch und willst anfangen, mit Gott zu streiten? Sagt etwa ein Gefäß zu dem, der es geformt hat: »Warum hast du mich so gemacht, ´wie ich bin`?«
21 Hat der Töpfer nicht das Recht, über den Ton zu verfügen und aus ein und derselben Masse zwei verschiedene Gefäße zu machen – eines für einen ehrenvollen Zweck und eines für einen weniger ehrenvollen Zweck?
22 Und ´was sagst du dazu,` dass Gott die, die ´gewissermaßen` als Gefäße seines Zorns für das Verderben bereitgestellt sind, bisher mit so großer Geduld getragen hat? Er will zwar, dass man ´an ihnen die Auswirkungen` seines Zorns sieht und seine Macht erkennt.
23 Andererseits will er aber auch, dass man erkennt, in welch reichem Maß er seine Herrlichkeit den Gefäßen seines Erbarmens schenkt – uns, für die er diese Herrlichkeit vorbereitet hat. Er hat uns dazu bestimmt, an ihr teilzuhaben,
24 und hat uns auch berufen, nicht nur aus dem jüdischen Volk, sondern auch aus den anderen Völkern.
Liebe Gemeinde, ich glaube, dass Gott mich so gewollt hat, wie ich bin. Das besingt auch Jürgen Werth in einem seiner Lieder:
„Vergiss es nie: Dass du lebst, war keine eigene Idee,
und dass du atmest, kein Entschluss von dir.
Vergiss es nie: Dass du lebst, war eines anderen Idee,
und dass du atmest, sein Geschenk an dich.
Du bist gewollt, kein Kind des Zufalls,
keine Laune der Natur, ganz egal,
ob du dein Lebenslied in Moll singst oder Dur.
Du bist ein Gedanke Gottes, ein genialer noch dazu.
Du bist du.“
Das zu wissen, ist mich sehr wichtig, und zwar aus zwei verschiedenen Gründen.
Der eine Grund ist, weil ich glaube, dass ich aus Gottes Willen heraus mein Leben bekommen habe.
Ich darf glauben, dass ich ein Geschöpf Gottes bin, und kann darum zum mir selber Ja sagen.
Wenn Gott sagt, dass ich richtig auf dieser Welt bin, dann darf ich mich selber annehmen und sagen: Danke, Gott, dass es mich gibt.
Das zu wissen und zu glauben, wünsche ich jeden von Euch.
Der andere Grund, warum mir der Gedanke wichtig ist, dass ich Gott mein Leben verdanke und dass Gott mich so gewollt hat, ist noch ein gänzlich anderer.
Dabei geht es um die Tatsache, dass Gott zu einem ganz bestimmten Volk eine besondere Beziehung aufnimmt.
Israel hat als Volk mit Gott seine ganz besondere Geschichte.
Und darum hat es auch vor Gott eine ganz besondere weltgeschichtlichen Bedeutung durch die Jahrtausende hindurch.
Dabei macht diese Erwählung manchen zu schaffen, vielleicht auch uns. Sie macht uns zu schaffen, diese Erwählung, denn automatisch kommen Gedanken, wie diese: Hat nicht Gott eigentlich alle Menschen gleich lieb? Warum kann er da nicht auch alle Völker gleich lieb haben? Warum ist da ein Volk besonders ausgewählt?
Unsere Fragen in dieser Richtung sind immer sehr logisch und überzeugend, jedenfalls aus unserer Sicht. Aber es sind doch eigentlich sehr lebensfremde Fragen. Im wirklichen Leben wird doch erwählt und verworfen. Dass es mich so gibt, dass es jeden von uns gibt, wie er ist, ist eine Auswahl.
Es beginnt schon mit unserer Geburt. Dass es mich so gibt, dass es jeden von uns gibt, wie er ist, ist eine Auswahl. Ein einziges Elternpaar und so verschiedene Kinder. Dabei ist nur ein winziger Bruchteil der Möglichkeiten verwirklicht.
Oder die Partnerwahl. Sicher sagt das Sprichwort:,,Jeder Topf hat einen Deckel!" Aber weil ich mich für meine Frau entschieden habe, habe ich mich gegen alle anderen Möglichkeiten entschieden. Mir jedenfalls sind nicht alle Menschen gleich lieb. Und ich denke, dass es bei Euch auch Unterschiede gibt. Indem ich mich einem Menschen zuwende, wende ich mich von einem anderen ab.
Das gilt nun auch für alle Bereiche unseres Lebens: Bei der Berufswahl entscheide ich mich für einen Beruf und damit gegen alle anderen. Natürlich gibt es immer die Möglichkeit der Revision, und oft wird es notwendig sein, eine Wahl neu zu treffen. Aber zunächst ist jede Entscheidung für etwas auch eine Entscheidung gegen alles andere.
Paulus sagt das in einem Bild: Ich bin wie ein Tongefäß, wie ein Kunstgegenstand. Der Töpfer hat mich geformt, hat mir ein Äußeres gegeben. Er hat sich Mühe mit mir gemacht, hat vielleicht sogar Verschiedenes überlegt, um dann zu sagen.
Es ist wichtig, dass wir das nicht vergessen, wer hier der Töpfer ist und wer der Ton.
Wir sind nicht der Töpfer, der Form und Gestalt gibt, sondern wir sind der Ton und Gott ist der Töpfer. Und dieser Gott hat nun in der Tat den einen so, den anderen anders gestaltet. Wir sind nicht Produkt eines blinden Schicksals, das Gut und Böse nach dem Würfelprinzip verteilt.
Für uns heißt das: So, wie wir sind, sind wir von Gott gewollt. Das ist für mich das Mut machende.
Ich sage das nicht, weil es mir besonders gut geht oder weil ich mich für besonders gut gelungen halte. Doch es ist gut, mich in der Hand eines Gottes zu wissen, der mich will, der mich geschaffen hat und der mir mein Leben erhält -- oder mich dann auch eines Tages wieder zu sich nimmt.
Ich weiß auch um Menschen, denen es wirklich nicht gut geht, die viel Leid in ihrem Leben verkraften müssen und dabei an die Grenzen ihres Gottvertrauens kamen. Aber ich weiß, auch von solchen Menschen, dass sie sich nicht allein gelassen fühlten, sondern sagen können: Befiehl dem Herrn deine Wege und hoffe auf ihn, er wird's wohl machen; so wie der Liederdichter Paul Gerhardt.
Ich will nicht verschweigen, dass man sich manchmal als verloren vorkommen kann aufgrund eigener Schuld, aufgrund dessen, was man selber gemacht hat. Gerade wenn man so glaubt und denkt, kommt unweigerlich die Frage: Ist denn Gott nicht an allem schuld?
An Unrecht und Elend, an Glaube und Unglaube?
Eine direkte Antwort gibt es nicht, weder hier im Römerbrief noch an anderer Stelle.
Die eine: Wer bist du eigentlich, Mensch, dass du dich zum Richter über Gott aufspielen willst? Meinst du etwa, du könntest es besser?
Meinst du, du wärst der Töpfer, der alles bildet?
Es ist notwendig, sich das gelegentlich von der Bibel oder von Menschen sagen zu lassen.
Aber Paulus deutet noch eine zweite Antwort an.
Gott sagt: Wem ich gnädig bin, dem bin ich gnädig.
Nach menschlicher Logik würde der Satz fortfahren: Und wem ich ungnädig bin, dem bin ich ungnädig.
Die Fortsetzung Gottes lautet aber: Und wessen ich mich erbarme, dessen erbarme ich mich.
Darum darf ich daraus schlussfolgern, dass Gottes Herz barmherzig ist.
Dass Gottes Wille Gnade ist, die Errettung und nicht die Verwerfung.
Und dass der Lohn, den Gott gibt, so hoch ist, dass er zum Leben reicht.
Das will uns hier Paulus sagen: Gott erwählt durch seine Gnade.
Es liegt nicht an jemandes Wollen oder Laufen, sondern an Gottes Erbarmen.
Es kommt nicht auf unsere Anstrengungen an, sondern auf Gottes Barmherzigkeit. Das ist der Stand, auf dem wir stehen.
Und ich glaube, das ist ein sicherer Grund.
Ein gutes und schönes Lebensgefühl, wenn ich weiß, jemand will mich. So wie es auch bei Freundschaften ein schönes Gefühl ist, zu wissen, der andere mag mich um meiner selbst willen und nicht, weil er mich für irgendetwas braucht und mich nur benutzen will.
Es tut gut, zu wissen, dass Gott uns erwählt hat und dass er bei uns bleiben will, nicht, weil wir so wertvolle Menschen sind, sondern weil Gott uns so haben will.
Aber wenn ich das für mich annehmen kann, dass Gott mich will, dass er mich kennt und annimmt, wenn ich das anerkennen kann, dass er mein Schöpfer ist -- dann kann ich auch den Willen Gottes anerkennen. Dann kann die Erwählung eigentlich keine Last mehr sein, auch wenn es manchmal so aussieht. Dann werden wir vielleicht noch öfter erkennen, dass er es wirklich barmherzig und gnädig mit uns meint.
Amen.