Bildmeditation Fritz von Uhde - Heilige Nacht

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Bildmeditation Fritz von Uhde - Heilige Nacht

Heute nachmittag habe ich Ihnen ein dreigeteiltes Bild mitgebracht, welches der Künstler Fritz von Uhde um das Jahr 1889 herum gemalt hat. Es ist ein sehr stimmungsvolles Weihnachtsbild. Es ist eine fast intime Szene, die uns hier vor Augen gemalt wird. Da ist die blutjunge Mutter Maria. Sie betrachtet ihr neugeborenes Kind und sie weiß schon längst, dass es nicht nur ihr Kind ist, welches vor ihr auf dem Schoß liegt. Denn es hat etwas Besonderes auf sich mit diesem Kind, darum legt sie die Hände zum Gebet zusammen und betrachtet es anbetend und tief versunken.
Die große alte Lampe rechts neben ihr taucht die gesamte Szene in einen warmen wohligen Schein, so dass man darüber fast die ärmlichen Verhältnisse vergisst, in die das Kind hinein geboren worden ist. Der warme, wohlige Schein, so schön er auch sein mag, ist von daher nicht ohne Gefahr. Er verführt zur trügerischen Idylle.
Als Fritz von Uhde sein Weihnachtsbild gemalt hat, da dachte er, ein großartiges Werk sei geschaffen, ein Bild, das man nicht alle Tage malt, durch das man aber der Nachwelt in Erinnerung bleibt. Er hatte nicht damit gerechnet, dass er so viel Kritik erfahren würde.
Doch die Kritiker hatten ihre ganz eigenen Vorstellungen davon, wie man ein solches Bild zu malen und die Geburt des Gottessohns darzustellen hat. Anders jedenfalls als es der Künstler getan hat.
Was wir hier vor uns sehen, ist deshalb nicht mehr das ursprüngliche Bild. Denn dieses war den zeitgenössischen Kritikern ein Dorn im Auge. Sie warfen Uhde vor, einen "Kult des Hässlichen" zu betreiben, und das "Heilige in die gemeine Wirklichkeit herabzuziehen und mit dem Schmutz der Gasse zu bewerfen".
Den Kritikern war das Bild viel zu nah an der bitteren Wirklichkeit, zu nah am Elend der Welt, zu unwürdig für die Geburt eines Heilandes in unserer Welt.
Und Maria war ihnen zu hässlich für eine Frau, die Gottes Sohn zur Welt bringt. Die Kritiker wollten nicht die Wirklichkeit sehen, sie wollten den schönen Schein, der die Wirklichkeit verdeckt. Sie wollten die weihnachtlich Idylle haben.
Also hat sich der Maler dazu hinreißen ließ, eine zweite und sogar eine dritte Fassung zu malen, sein Werk der Kritik anzupassen und Maria aufzuhübschen, damit sie in die religiösen Vorstellungen der damaligen Zeit besser hineinpasste.
Vor allem aber hatte der Maler dem Bild ein Leuchten und ein Strahlen verpasst, das dem Ganzen einen überirdischen Glanz verleiht, einen schönen Schein eben, der es den Kritikern gefälliger gemacht hat.
Darum ist es für uns heute vielleicht besonders wichtig, dass wir gerade hinter diesen schönen Schein schauen. Hinter dem schönen Schein dieses Bildes liegt nämlich die raue Wirklichkeit, die Armut und das Elend des ausgehenden 19.
Jahrhunderts, dem sich unser Maler verpflichtet fühlte.
Hinter dem, was wir heute als weihnachtliche Krippenromantik empfinden, liegt die raue Wirklichkeit, die Armut und das Elend eines kleinen Landes im Vorderen Orient, das unter römischer Herrschaft stand.
Und hinter dem schönen Schein, den wir aus Weihnachten gemacht haben, liegt das unerhörte Ereignis der Menschwerdung Gottes.
Für die Kritiker an Uhdes ursprünglichem Bild sollte der schöne Schein die Wirklichkeit überdecken und zum Verschwinden bringen.
Man wollte sich der schmutzigen Wirklichkeit nicht stellen.
Unser Problem heute ist ein anderes, ein im Grunde viel tiefergehendes: Für die Kritiker von damals gab es nicht genug Schein und viel zu viel Wirklichkeit.
Heute ist es genau umgekehrt: Heute haben wir zu viel schönen Schein - und es ist die Frage, ob es hinter dem ganzen schönen Schein von Weihnachten überhaupt noch eine Wirklichkeit gibt.
Und da geht es nicht um die historische Frage, wie es damals vor über 2000 Jahren tatsächlich gewesen ist.
Es geht viel mehr darum, was überhaupt dran ist an Weihnachten, was hat es mit diesem Jesus überhaupt auf sich, wer war und ist er eigentlich wirklich? Was passiert, wenn wir den schönen Schein von Weihnachten entfernen?
Bleibt da noch etwas übrig, eine Wirklichkeit, die hinter dem Schein liegt? Oder ist am Ende alles an Weihnachten nur Schein?
Das ist sicher eine unangenehme Frage. Aber Jesus lässt sich das fragen.
"Ihr kennt mich und wisst, woher ich bin" sagt er zu uns.
Und die Antworten darauf:
"Du bist Jesus, aus Nazareth, Sohn von Maria und Joseph, ein Zimmermann."
"Ein Fresser und Weinsäufer bist du, ein Freund der Zöllner und Sünder."
Wenn man so will: Jesus hat seinen Ruf längst weg. Er ist längst bekannt als dieser oder jener.
Er ist längst in eine Schublade einsortiert, aus der er so schnell nicht mehr herauskommt.
Das geht Jesus nicht anders als allen anderen Menschen auch. Bis heute gibt es unterschiedliche Vorstellungen darüber, wer Jesus war und noch heute für uns ist.
Wir tragen gewissermaßen alle ganz unterschiedliche Bilder von Jesus mit uns herum.
Für die einen gehört Jesus in eine Reihe mit den großen Weisheitslehrern der Menschheit.
Er beginnt deine Lehren nicht mit Geboten und Verboten sondern mit den Seligpreisungen: "Selig sind, die da Leid tragen; denn sie sollen getröstet werden." Seine Worte richten die Menschen nicht hin, sondern richten sie auf. Er spricht direkt in ihr Herz hinein und sie merken: Gott ist nicht zuerst einer, der fordert, sondern einer, der schenkt. Das bedeutet aber nicht, dass seine Lehre ohne Konsequenzen für unser Leben ist.
Für die anderen ist Jesus ein wundertätiger Arzt.
In den Evangelien lesen wir immer wieder von Krankenheilungen. Als Auslöser für Krankheiten wurde zur Zeit Jesu oftmals eine dämonische Besessenheit angenommen oder sie wurden als eine Strafe Gottes interpretiert.
Krankheiten konnten unrein machen und die Betroffenen aus der Gemeinschaft ausschließen.
Über all menschliche Barrieren setzte sich Jesus dabei hinweg.
Für dritte ist Jesus ein Sozialrevolutionär, der die bestehenden gesellschaftlichen Verhältnisse umkrempeln will. Vor allem aber hat Jesus in für die damaligen Verhältnisse unvorstellbarer Weise den Frauen Wertschätzung entgegengebracht.
Und für vierte schließlich ist Jesus der verheißene Messias, der von Gott gesandt worden ist, um die römische Besatzungsmacht aus dem Land zu vertreiben.
Die entscheidende Frage — damals wie heute — lautet also: Kennen wir Jesus und wie stehen wir zu ihm?
Vielleicht kann uns dabei ausgerechnet der schöne Schein auf unseres Künstlers Bild helfen, den ich vorhin in ein so schlechtes Licht gerückt habe.
Der Schein soll uns die Ahnung einer anderen Wirklichkeit vermitteln, gleichsam wie eine leuchtende Spur in einer dunklen Nacht, die extra für uns ausgelegt ist.
Die Ahnung ist aber nur der Anfang. Zur Gewissheit kann sie nur werden, wenn wir der Spur folgen und uns wie die Hirten damals auf Entdeckungsreise begeben. Amen.
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