Auf die Spitze getrieben
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Auf die Spitze getrieben
Auf die Spitze getrieben
1 Jesus kam nach Jericho und ging durch die Stadt. 2 Dort lebte ein Mann, der Zachäus hieß. Er war der oberste Zolleinnehmer und sehr reich. 3 Er wollte unbedingt sehen, wer dieser Jesus war. Aber er konnte es nicht, denn er war klein, und die Volksmenge versperrte ihm die Sicht. 4 Deshalb lief er voraus und kletterte auf einen Maulbeerfeigenbaum, um Jesus sehen zu können – denn dort musste er vorbeikommen. 5 Als Jesus an die Stelle kam, blickte er hoch und sagte zu ihm: »Zachäus, steig schnell herab. Ich muss heute in deinem Haus zu Gast sein.« 6 Sofort stieg Zachäus vom Baum herab. Voller Freude nahm er Jesus bei sich auf. 7 Als die Leute das sahen, ärgerten sie sich und sagten zueinander: »Bei einem Sünder ist er eingekehrt!« 8 Aber Zachäus stand auf und sagte zum Herrn: »Herr, die Hälfte von meinem Besitz werde ich den Armen geben. Und wem ich zu viel abgenommen habe, dem werde ich es vierfach zurückzahlen.« 9 Da sagte Jesus zu ihm: »Heute bist du gerettet worden – zusammen mit allen, die in deinem Haus leben. Denn auch du bist ein Nachkomme Abrahams! 10 Der Menschensohn ist gekommen, um die Verlorenen zu suchen und zu retten.«
Liebe Gemeinde,
heute feiern wir wieder Kirchweih und gedenken der Einweihung unserer Kirche.
Die Kirche ist ein Ort des Miteinander und der Gemeinschaft. Hier versammelt sich die Gemeinde Jesu Christi. In der Kirche feiern wir Gottes-dienst. Da dient Gott uns und auch wir dienen Gott und einander. Keiner muss in der Kirche allein und einsam sein. Aber ist das wirklich so, was ist wen einer so ganz anders ist als wir? Wenn er anders lebt, anders glaubt, anders aussieht? Wie gehen wir mit ihm um
von einem Menschen, der so ganz anders ist als die Masse haben wir heute schon gehört und im Video-Clip gesehen.
Einer, der anders war als die Masse des Volkes Israel – das war Zachäus. Er paktierte mit den Römern, obwohl das Volk die Römer ablehnte. Er ging auch auf grund seiner von den Römern geliehen Macht mit den Menschen nicht gerade zimperlich um. Auf seiner Zollstation, die er von den Römern gepachtet hatte erhob er kräftige Steuern, den von den Römern geforderte Betrag + x, was er halt dachte. Das machte ihn nicht gerade bei den Menschen beliebt. Im Gegenteil, er wurde gemie-den und ausgegrenzt.
Das machte ihn einsam. Ich lese den Text noch ein zweites Mal:
Ein reicher Zolleinnehmer begegnet Jesus
1 Jesus kam nach Jericho; sein Weg führte ihn mitten durch die Stadt. 2 Zachäus, der oberste Zolleinnehmer, ein reicher Mann, 3 wollte unbe-dingt sehen, wer dieser Jesus war. Aber es gelang ihm nicht, weil er klein war und die vielen Leute ihm die Sicht versperrten. 4 Da lief er voraus und kletterte auf einen Maulbeerfeigenbaum; Jesus musste dort vorbeikommen, und Zachäus hoffte, ihn dann sehen zu können. 5 Als Jesus an dem Baum vorüberkam, schaute er hinauf und rief: »Zachäus, komm schnell herunter! Ich muss heute in deinem Haus zu Gast sein.« 6 So schnell er konnte, stieg Zachäus vom Baum herab, und er nahm Jesus voller Freude bei sich auf. 7 Die Leu-te waren alle empört, als sie das sahen. »Wie kann er sich nur von solch einem Sünder einladen las-sen!«, sagten sie. 8 Zachäus aber trat vor den Herrn und sagte zu ihm: »Herr, die Hälfte meines Besitzes will ich den Armen geben, und wenn ich von jemand etwas erpresst habe, gebe ich ihm das Vierfache zurück.« 9 Da sagte Jesus zu Zachäus: »Der heutige Tag hat diesem Haus Rettung ge-bracht. Denn«, fügte er hinzu, »dieser Mann ist doch auch ein Sohn Abrahams. 10 Und der Men-chensohn ist gekommen, um zu suchen und zu retten, was verloren ist.«
Da sitzt er nun der kleine Wicht, auf einen Maul-beerbaum. Es war der letzte Ausweg für ihn um überhaupt Jesus sehen zu können. Die Abneigung der anderen Menschen hat ihn auf die Spitze ge-trieben, auf die Spitze eines Baumes. Nur von da konnte er über die Menschen Menge hinweg eine Blick auf Jesus richten. Sonst war kein durch-kommen. Die Menschen riegelten vor ihm alles ab. Sie machten ihm deutlich, mit dir wollen wir hier nichts zu tun haben, du hast hier nichts zu suchen. Für dich ist der Jesus nicht da. Wir kommen die-ses Mal vor dir dran. Hier hat deine Macht ein En-de.
So einsam und allein, wie er unter den vielen Men-schen war, hatte er doch eine ganz große Sehn-sucht. Die Sehnsucht nach Gemeinschaft. Er war auf der Suche nach Kommunikation, nach Ge-spräch. Er war auf der Suche nach Heil für sein Leben. Er spürte nur zu gut, dass Geld eben nicht alles im Leben ist. Er spürte auch sein Unrecht, welches er tat.
Zachäus war auf der Suche nach Gemeinschaft. Gemeinschaft mit anderen Menschen. Gemein-schaft mit Jesus. Und wenn er sie nicht bekam, wollte er wenigstens sehen, wie das ist mit Jesus Gemeinschaft zu haben. Darum stieg er auf den Baum, darum trieb es ihn auf die Spitze.
Wir feiern heute Kirchweih. Wir freuen uns über unsere Kirche und sind dankbar, dass wir uns hier versammeln können. Dass wir diesen Ort der Gemeinschaft haben. Da stellt sich uns heute am Kirchweihfest die Frage, wie gehen wir mit Men-schen um, die anders sind als wir? Sind wir als Gemeinde bereit auf sie zuzugehen oder müssen sie sich auf uns einlassen, auf uns zugehen?
Warum fällt es uns so schwer uns auf andere Menschen einzulassen?
Ich denke es sind besonders zwei Punkte, weswe-gen es uns so schwer fällt. Zwei Punkte, die Be-standteil unseres Lebens sind, und die wir auch zum Leben brauchen. Weil sie in gewisser Weise unserem Selbstschutz dienen.
Diese beiden Punkte sind die Angst und der Schutz vor Verletzungen und hier in besonderer Weise vor inneren Verletzungen.
Mir geht es jedenfalls so. Da steht ein Bettler vor meiner Pfarrhaustür. Und wenn der davorsteht, dann will ich mich doch schützen. Darum mache ich doch nur die Tür halb auf und luge nur mit den Kopf heraus, schon mit der Haltung: Was willst Du hier – ich will nichts mit dir zu tun haben.“
Einmal habe ich es erlebt, das einer gleich die Tür aufriß und vor mir stand mit einer ganzen Reihe Forderungen:
„Ich will Duschen, ich will Kleidung, ich will essen und ich will Geld.“ Da war ich ganz perplex. Ich habe Angst davor, dass wenn man einem den klei-nen Finger reicht, dass er dann die ganze Hand nimmt.
Oder einmal standen Ausländer vor mir. Denen ha-be ich Benzin gegeben und etwas Geld und trotz-dem haben sie fast einen Wutanfall bekommen, weil es nicht genug war. Da habe ich dem Mann angeboten im Pfarrgarten eine Stunde zu arbei-ten. Da wurde das Ganze noch schlimmer und die Frau riß ihr Kind hoch und hielt es mir vor die Na-se.
Normaler Weise würde mir jetzt niemand ver-übeln, dass ich so zurückhaltend mit den Men-schen umgehe. Doch ich muss mich fragen, ist das Jesus gemäß?
Aber auch der Umgang mit Alkoholikern fällt mir manchmal schwer. Da ist es die Unsicherheit, die mich zurückhaltend sein lässt. wie gehe ich mit ihnen um?
Und natürlich sind es Verletzungen, die mir der andere zugefügt hat, welche mich gegenüber dem anderen vorsichtig sein lassen. Verletzungen viel-leicht, die der andere mir schon lange beigefügt hat. Ich kann sie nicht vergessen. Manchmal hört man den Spruch „Vergeben kann ich wohl, aber Vergessen kann ich nicht“. Dann ist es auch nicht vergeben, denn zum Vergeben gehört das Verges-sen dazu.
Auch ich habe persönlich Schwierigkeiten mit Menschen umzugehen, die mich verletzt haben. Und da sind nicht nur Nichtchristen dabei, son-dern auch Christen.
In unserem normalen Leben ist das ein Stück Le-bensnotwendigkeit – Selbstschutz.
So war es auch bei den Menschen, als Zachäus zu ihnen kam. Sie ließen ihn nicht dazu gehören. Sicher war auch ein großes Stück Rache dabei.
Nun konnten sie einmal zeigen, wo sie am längeren Hebel saßen und sie stellten sich zwischen Jesus und Zachäus. Der verhasste Zöllner sollte nicht die Chance haben, mit ihrem großen Meister in Kontakt zu kommen. Die Macht des kleinen Man-nes wurde ausgespielt.
Wie hätten wir an dieser Stelle reagiert? Viel-leicht auch nicht anders als die Menschen in Je-richo?
Kennen wir ähnliche Situationen? Wo gibt es bei uns Menschen, die wir gerne mal außen vor stehen lassen?
So trieb die Sehnsucht nach Gemeinschaft den Zachäus auf die Spitze des Baumes. Wenn ich nicht dazugehören kann, dann will ich wenigsten einen Blick auf Jesus haben.
Stellt euch vor, Menschen, mit denen wir, ich drü-cke es mal, einfach aus, Probleme haben, kämen in unsere Gemeinde. Wir würden sie ablehnen. Im seltesten Fall würden sie so hartnäckig sein wie Zachäus, sondern sie würden sich zurückziehen vielleicht sogar für immer, denn sie wurden von den frommen Christen verletzt, auf die Spitze ge-trieben.
Gerade so ein Anlass, wie das Kirchweihfest sollte uns als Gemeinde Anlass geben, darüber nachzu-denken, wie wir uns anderen gegenüber verhalten?
Zum Schluss noch ein paar Verse von der Komedy-Gruppe Superzwei früher nimm zwei:
Wer singt gerne alte Lieder, doch trifft sie nicht tonal? Singt sie trotzdem immer wieder?
Gottes Bodenpersonal!
Wer feiert sogar morgens gerne ein Abendmahl? Trägt in der Sauna Badehose?
Gottes Bodenpersonal!
Wer zählt die Kollekte, gibt kein Trinkgeld im Lo-kal? Aber betet vor dem Essen?
Gottes Bodenpersonal!
Wer spricht nie über Sex und macht’s nur einmal im Quartal? Aber hat die meisten Kinder?
Gottes Bodenpersonal!
Wer hält gerne lange Reden und glänzt oft nur verbal? Und wer wird Krankenschwester?
Gottes Bodenpersonal!
Wohnst du bei deiner Freundin, wer hält das für nen Skandal? Aber hat dich furchtbar lieb?
Gottes Bodenpersonal!
Wir laden dich herzlich ein
In unsern kuschligen Verein.
Sprich mir einfach nach und lächele sakral
Und schon gehörst du zum Bodenpersonal!
Wer demonstriert für Frieden international?
Und wer segnet sogar Waffen?
Gottes Bodenpersonal!
Wem ist die Kirche meistens viel zu liberal? Wer klebt sich 'n Fisch aufs Auto?
Gottes Bodenpersonal!
Wer hält Fleisch für Sünde und wer hütet die Mo-ral? Wer ist nur heimlich schwul?
Gottes Bodenpersonal!
Wer hat keine Frau und hält das für ideal? Und braucht deshalb keine Pille?
- Der Kardinal!
Wir laden dich herzlich ein
In unsern kuschligen Verein.
Sprich mir einfach nach und lächele sakral
Und schon gehörst du zum Bodenpersonal!
Wir kommen und wir gehen, schreiten vorwärts, bleiben stehen, sind verschroben, sind sympa-thisch, sind sozial.
Sind begeistert, sind verbissen, lassen Feingefühl vermissen, doch für wen sind wir trotzdem 1. Wahl? Für’n Boss vom Bodenpersonal!
Wir laden dich herzlich ein
In unsern kuschligen Verein.
Sprich mir einfach nach und lächele sakral
Und schon gehörst du zum Bodenpersonal!
Und noch ein Zachäus kehrte um, nicht durch eine Bekehrungspredigt von Jesus, sondern dadurch, dass Jesus sein Gast wurde, ihm die Gemeinschaft anbot. Das sollte auch uns heute zu denken geben!
Amen