Gott fängt neu an

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Gott fängt neu an

Liebe Gemeinde,
wer von uns isst denn nicht gern Weintrauben, besonders wenn sie so richtig süß und saftig sind? Weit oben in der Gunst liegen die Kernlosen. Und wer trinkt, denn von uns nicht gern auch einen guten Wein, vielleicht einen blauen Zweigel oder einen Grauburgunder, oder die es besonders süß mögen und etwas mehr Geld ausgeben – eine Edelbeerenlese oder einen Eiswein.
Irgendwie wissen wir ja alle, wie Wein angebaut wird. Mancher ist vielleicht sogar in Südtirol oder in Baden schon durch die Weinberge gewandert.
Also ist das Bild vom Weinberg uns kein unbekanntes Bild. Und die meisten von uns haben sich das auch schon mehr oder weniger angeschaut.
Der Weinberg gehört zu den Urbildern des menschlichen Lebens. Er ist auch in unserer technisierten Welt präsent, ähnlich wie das Bild vom Lamm oder Schaf.
Ich möchte heute, bevor ich den Predigttext nach der Neuen Genfer Übersetzung noch einmal lese, einen Text aus dem Alten Testament, genauer gesagt aus dem Buch des Propheten Jesaja Kapitel 5 vorlesen. Er ist sozusagen die alttestamentliche Wurzel zu unserem Predigttext und kann uns helfen ihn zu erschließen:
Jesaja 5,1-7
1 Wohlan, ich will meinem lieben Freunde singen, ein Lied von meinem Freund und seinem Weinberg. Mein Freund hatte einen Weinberg auf einer fetten Höhe.
2 Und er grub ihn um und entsteinte ihn und pflanzte darin edle Reben. Er baute auch einen Turm darin und grub eine Kelter und wartete darauf, dass er gute Trauben brächte; aber er brachte schlechte.
3 Nun richtet, ihr Bürger zu Jerusalem und ihr Männer Judas, zwischen mir und meinem Weinberg!
4 Was sollte man noch mehr tun an meinem Weinberg, das ich nicht getan habe an ihm? Warum hat er denn schlechte Trauben gebracht, während ich darauf wartete, dass er gute brächte?
5 Wohlan, ich will euch zeigen, was ich mit meinem Weinberg tun will! Sein Zaun soll weggenommen werden, dass er verwüstet werde, und seine Mauer soll eingerissen werden, dass er zertreten werde.
6 Ich will ihn wüst liegen lassen, dass er nicht beschnitten noch gehackt werde, sondern Disteln und Dornen darauf wachsen, und will den Wolken gebieten, dass sie nicht darauf regnen.
7 Des HERRN Zebaoth Weinberg aber ist das Haus Israel und die Männer Judas seine Pflanzung, an der sein Herz hing. Er wartete auf Rechtsspruch, siehe, da war Rechtsbruch, auf Gerechtigkeit, siehe, da war Geschrei über Schlechtigkeit.
Wenn Jesus jetzt sein Gleichnis vom Weinbergbesitzern und den Pächtern erzählt, dann haben die Menschen von damals genau diesen Text im Ohr. Sie können damit schnell zuordnen, was Jesus mit den genannten Personen meint. Jesus nimmt sozusagen ein Bild des Alten Testamentes und setzt es auf seine Person um. Wir lesen noch einmal Markus 12, 1-12:
Das Gleichnis von den Weinbergpächtern
1 Nun begann Jesus in Gleichnissen zu ihnen zu reden. Er sagte: »Ein Mann legte einen Weinberg an, umgab ihn mit einem Zaun, hob eine Grube zum Keltern des Weins aus und baute einen Wachtturm. Dann verpachtete er den Weinberg und verreiste.
2 Zur gegebenen Zeit schickte er einen Diener zu den Pächtern, um sich von ihnen seinen Anteil am Ertrag des Weinbergs geben zu lassen.
3 Doch die Pächter packten den Diener, verprügelten ihn und jagten ihn mit leeren Händen fort.
4 Da schickte der Mann einen anderen Diener zu ihnen; dem ging es nicht besser: Sie schlugen ihm den Kopf blutig und trieben ihren Spott mit ihm.
5 Danach schickte er einen dritten; den töteten sie. So ging es noch vielen anderen: Die einen wurden verprügelt, die anderen umgebracht.
6 Schließlich blieb ihm noch einer: sein geliebter Sohn. Den schickte er zuletzt auch noch zu ihnen, weil er sich sagte: ›Er ist mein Sohn, vor ihm werden sie Achtung haben.‹
7 Aber die Pächter sagten zueinander: ›Das ist der Erbe. Kommt, wir bringen ihn um, dann gehört das Erbe uns!‹
8 Und sie packten ihn, brachten ihn um und warfen ihn zum Weinberg hinaus.
9 Was wird nun der Besitzer des Weinbergs tun? Er wird kommen und die Pächter umbringen, und den Weinberg wird er anderen anvertrauen.
10 Habt ihr jenes Schriftwort nie gelesen: ›Der Stein, den die Bauleute für unbrauchbar erklärten, ist zum Eckstein geworden.
11 Das hat der Herr getan, und es ist etwas Wunderbares in unseren Augen‹?«
12 Daraufhin hätten sie Jesus am liebsten festgenommen, denn es war ihnen klar, dass sie mit diesem Gleichnis gemeint waren. Aber weil sie vor dem Volk Angst hatten, ließen sie ihn unbehelligt und gingen weg.
Machen wir uns noch einmal bewusst, was für welche Personen in dem Gleichnis handeln.
Der Weinberg ist Gottes Volk – ist Israel. Heute vielleicht sogar die ganze Welt. Der Weinbergbesitzer ist Gott selber. Die Pächter sind die Könige, die Richter, die Priester – alle die in Israel Verantwortung tragen, dass das Volk nach dem Willen Gottes lebt. Und der Sohn ist Jesus Christus. Das haben die Menschen und besonders die religiösen Führer schnell verstanden, schließlich war ihnen das Bild vom Weinberg aus dem Propheten Jesaja recht vertraut.
»Sie schlugen ihn, schickten ihn fort sie schlugen ihn auf den Kopf, schmähten ihn den ändern töteten sie viele andere: die einen schlugen sie, die ändern töteten sie töteten ihn, warfen ihn hinaus.« Eine brutale Geschichte! Welche Arroganz gegenüber dem Eigentümer des Weinbergs, welche kriminelle Energie! Die Unsäglichkeit der Rebellion Israels gegen Jahwe, seinen Herrn, wird in wenigen Sätzen anschaulich. Mehr noch: die Unsäglichkeit der Menschheitsrebellion gegen Gott.
In der Kurzgeschichte »Einzugsermächtigung« von Manfred Siebald klingelt der Hauseigentümer beim Mieter, der mit schlechtem Gewissen öffnet (M. Siebald, Pitti lächelt, Gießen 2008, 1417). Die Miete wollte er nicht per Einzugsermächtigung begleichen, vergaß die Überweisungen und ließ schließlich alles liegen, weil es ihm zu peinlich war.
Auf die Mahnbriefe antwortete er nicht, auch nicht auf die Schreiben, die ihn auf die Beschwerden der Nachbarn hinwiesen. Anlass: der verwahrloste Garten, der nicht vom Schnee geräumte Bürgersteig. Der Hauseigentümer betritt unaufgefordert die Wohnung und entdeckt Schimmel an der Decke, eine herausgerissene tragende Mauer und gesundheitsschädliche Wandfarben. Eine fristlose Kündigung wäre zweifellos angebracht, erklärt der Eigentümer, aber er habe sich entschlossen, zusammen mit seinem Vater und einem Mitarbeiter, dem »guten Geist« der Firma, einzuziehen und die Wohnung gründlich zu renovieren. Der Mieter protestiert: er trete hier auf wie der Allmächtige persönlich!
»Ach ja?«, lächelt der andere. Eine moderne Variante des Gleichnisses, die den fahrlässigen Umgang mit dem Geliehenen aufzeigt und die überraschende Lösung des Hausherrn. Allerdings fehlt dieser modernen Version die Dramatik und die Schroffheit des biblischen Gleichnisses.
Warum setzte der Weinbergbesitzer überhaupt die Pächter in den Weinberg? Nun beide, der Besitzer und auch die Pächter, sorgten sich gut um den Weinberg, sie machten ihn fruchtbar. Der Weinbergbesitzer schuf die Grundlage, dass der Weinberg überhaupt bestehen konnte, die Pächter pflegten ihn, dass er Frucht brachte. Und beide wollten einen Gewinn aus dem Weinberg haben. Beide bemühten sich darum, dass der Ertrag des Weinberges wuchs. An und für sich ist das ja alles in Ordnung und jeder von beiden hatte etwas davon. Darum ist es nun auch rechtens dass der Weinbergbesitzer, nach der Ernte seinen Teil als Pacht bekommt. Sie wurde damals als Pachtzins oder als Naturalzins abgeliefert, in Münzen oder in Form von Früchten.
So setzte Gott nun die religiösen Anführer verantwortlich für Israel ein, um es als sein Gut zu bewahren und zu pflegen und ihn so zu verherrlichen. Doch dann haben sie ihn abgewiesen, und haben nach ihren egoistischen Zielen und Interessen gehandelt. Ironischerweise haben sie durch ihr selbstsüchtiges Bemühen und weil sie ihre „eigenen Interessen" in den Vordergrund gestellt haben, die größte Freude von allen verpasst, die eine Liebesbeziehung mit König des Universum. Deshalb Gott wird die gegenwärtigen Pächter entfernen – die jüdischen religiösen Anführer – und wird anderen die Aufgabe der Führung und Leitung seiner Leute übergeben.
Man hörte es wohl, wenn da und dort ein Prophet aufsteht, der daran erinnert, dass das Bekenntnis zu dem Gott Israels mehr sein muss als ein Lippenbekenntnis. Trotz aller Frömmigkeit, die die Menschen damals auch lebten, wird Gottes Anrecht auf Respekt, Liebe und Gehorsam jedoch nicht wirklich anerkannt. Das stellt Jesus hier fest.
Aber Gott hat ein Recht darauf, als Herr über das Leben anerkannt zu werden, damals schon im alten Israel. Aber er hat dieses Recht auch heute und hier bei uns. Unser Leben gehört doch uns ganz allein, oder nicht? Wir besitzen es, wir gestalten es, wir genießen es was hat denn Gott da hineinzureden und gar zu bestimmen. Treten wir nicht auch immer wieder so auf, so selbstherrlich, so bestimmend. Dabei hat uns Gott doch unser Leben geschenkt.
Der Sohn wird von den Pächtern getötet, doch sein Tod ist nicht das Ende für Gottes Beziehung zu seinem Volk, sondern er ist ein Anfang – es ist der Neuanfang Gottes mit seinem Volk Israel, ja es ist der Neuanfang Gottes mit der ganzen Welt. Die Beziehung, die wir heute zu Gott, als dem Vater haben hat der getötete Sohn bewirkt.
Der getötete Sohn wird hier zur Grundlage der neuen Beziehung Gottes, er ist die Grundlage des neuen Bundes Gottes mit den Menschen. Darum spricht Jesus hier auch die Worte aus Psalm 118 aus: „Der Stein, den die Bauleute verworfen haben, ist zum Eckstein geworden. Das ist vom HERRN geschehen und ist ein Wunder vor unsern Augen.“
Im gleichen Gleichnis bei Matthäus macht Jesus deutlich, was mit den Leuten passiert, die nicht in der Verantwortung vor Gott leben und das ihnen anvertraute Gut nicht verantwortungsvoll vor Gott verwalten: „Deshalb sage ich euch: Das Reich Gottes wird euch weggenommen und einem Volk gegeben werden, das die rechten Früchte hervorbringt. (Mt 21,43f).
Die Pächter erhielten zahlreiche Nachrichten vom Weibergbesitzer. Doch sie ignorierten diese Nachrichten verletzten und töteten die Boten. Zu letzt verfolgten und töteten sie den Sohn des Weinbergbesitzers. Nun dachten sie gehört der Weinberg ihnen.
Doch da haben sie sich mächtig geirrt. Der Weinbergbesitzer fordert von Ihnen Rechenschaft. Rechenschaft, wie sie mit dem Ihnen anvertrauten Gut umgegangen sind. Rechenschaft, was sie mit den Boten des Weinbergbesitzers umgegangen sind. Rechenschaft, wie sie mit dem Sohn des Weinbergbesitzers umgegangen sind.
Nun stellt sich für uns heute die Frage, wie gehen wir mit dem verantwortungsvoll um, das uns als Gut in unserem Leben anvertraut hat, mit unserer Familie, mit unseren Nachbarn, mit unseren Mitmenschen, mit den Menschen in unserer Gemeinde, aber auch mit unserem Hab und Gut. Wie gehen wir damit verantwortungsvoll um, dass so Gottes Reich in dieser Welt gebaut wird.
Wie gehen wir aber auch mit dem Wort Gottes um? Wie wichtig ist es für unser Leben? Lassen wir uns überhaupt vom Wort Gott in unserem Alltag leiten und führen? Ist das Wort Gottes für uns zur Lebenshilfe geworden oder ignorieren wir es?
Wir können auf die Leiter und Hirten des Volkes Israel blicken und über ihnen unsere Nase rümpfen. Aber damit sind wir schon auf dem besten Wege genauso zu werden, wie diese. Schauen wir lieber auf uns und bauen wir unser Leben auf dem Fundament auf dem Eckstein, der Jesus Christus heißt. Dazu möchte ich euch heute Mut machen. Seid die rechten Arbeiter in Gottes Weinberg, baut in seiner Gemeinde auf dem Fundament, welches Jesus Christus heißt.
Amen.
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