Echt sein

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Echt sein

Liebe Gemeinde,
ich habe mir vor ein paar Tagen diese Digitalkamera gekauft. Vielleicht ist sie nicht das Modernste, was es im Bereich der Fotografie gibt.
Aber sie erfüllt meine Anforderungen, die ich habe. Sie hat einen 18-fachen optischen Zoom. Das heißt ich kann Bilder aus der Ferne recht nahe heranholen. Und sie hat ein großes Weitwinkel. Dann gibt es noch verschiedene Programme, die für recht unterschiedliche Situationen da sind, damit ich recht schnell Bilder aufnehmen kann. Also doch recht wunderbare Sachen kann ich damit machen und die meisten Bilder gelingen auch.
Ja und ich müsste eigentlich mit der Kamera recht zufrieden, wenn ich nicht mein altes Teleobjektiv gefunden, dass da in meiner alten FotoKiste lag und über 25 Jahre alt ist, aber es sieht doch noch recht gut aus. Und es kostet sogar heute noch über 33 Euro. Warum soll ich es denn nicht verwenden? Aber so passt es nicht auf meinen Fotoapparat. Der Durchmesser des Teleobjektives ist zu klein
Aber wozu gibt es Ebay und tatsächlich finde ich einige Adapter, über die ich dann das Teleobjektiv an den Fotoapparat anschrauben kann.
Gesagt getan – jetzt müsste ich doch den Nagel dahinten im Balken aufnehmen können. Aber nichts da es klappt nicht. Ich sehe nur einen weißen verschwommenen Punkt aber kein Bild. Es hat also nicht geklappt.
Es passt nicht zusammen. Zwei unterschiedliche Teil – die nicht zusammenpassen. Da helfen die besten Adapter nicht.
Das ist so als wenn unsere Mädels das Konfirmationskleid ihrer Muter an hätte
Das klappt nicht. Das wird nichts.
Auch bei uns als Christen mit unserem Glauben und mit unserem Leben in der Nachfolge von Jesus ist es so.
Ich kann von wunderbaren Glaubenserfahrungen früherer Generationen hören und lesen. Manchmal können die richtig spannend sein. Ich kann von dem Hören was Eltern und Großeltern über den Glauben an Jesus sagen und wie wichtig es ist.
Aber eigentlich nützt uns recht wenig. Da verhält es sich bei uns mit dem Glauben an Gott wie beim Teleobjektiv und der Kamera. Die Glaubenserfahrungen der anderen, helfen mir nicht weit. Ich muss meine eigenen Erfahrungen machen. Sonst sehe ich zwar ein Licht durch das Objektiv, aber es ist alles verschwommen. Doch es kommt auf mich an, dass ich es selber erlebe und erfahre.
Wenn wir heute Konfirmation feiern, ist diese eigentlich erst der Anfang des Weges, den die Konfirmandinnen gehen. Auch im Glauben – sie müssen auch hier ihre eigenen Erfahrungen machen. Ihre Eltern und Paten waren ihnen Helfer und Wegbereiter, aber jetzt müssen sie selber diesen Weg gehen, eigene Glaubenserfahrungen machen, auch durch Zweifel und Anfechtung hindurch. Sicher werden Eltern und Paten auch weiterhin Begleiter sein. Aber ihr Glaube muss eben ihr Glaube sein.
Es gab einmal eine Jeanswerbung von Calvin Klein. Bei dieser hieß der Werbeslogan „Be good, be bad, just be! (Sei gut, sei schlecht, aber sei!)
Die Werbung widerspiegelt oft die Trends unserer Zeit: „Echtheit ist gefragt.“ Die Suche des Menschen nach dem unverwechselbaren IchSein. Und dieses unverwechselbare IchSein, diese Identität ist uns Christen gegeben. Dazu hören wir 3 Bibelstellen:
„Ihr alle seid also Söhne und Töchter Gottes, weil ihr an Jesus Christus glaubt und mit ihm verbunden seid.“ Galater 3,26
Weil ihr nun also seine Söhne und Töchter seid, hat Gott den Geist seines Sohnes in eure Herzen gesandt, den Geist, der ´in uns betet und` „Abba, Vater!“ ruft. Daran zeigt sich, dass du kein Sklave mehr bist, sondern ein Sohn. Wenn du aber ein Sohn bist, bist du auch ein Erbe; Gott selbst hat dich dazu bestimmt.
Galater 4,6-7
Seht doch, wie groß die Liebe ist, die uns der Vater erwiesen hat: Kinder Gottes dürfen wir uns nennen1, und wir sind es tatsächlich! Doch davon weiß die Welt nichts; sie kennt uns nicht, weil sie ihn nicht erkannt hat.
1.Johannes 3,1
Nun stellt sich für uns die Frage, wie echt leben wir unser Christsein als Kinder Gottes. Nur so dass das Licht irgendwie hereinscheint in unser Leben wie das nicht passende Teleobjektiv oder wie die Kamera, die man für sich richtig einstellen kann, so dass man einen richtigen klaren Blick hat?
2. Gründe für das "Nicht echt Sein"
Warum ist das so, dass wir als Christen oft nicht den Mut aufbringen, echt zu sein? Warum klafft oftmals so eine große Lücke zwischen dem, was wir denken und empfinden und dem, was wir nach Außen tragen? Warum kommen wir mehr oder weniger häufig mit unserem Leben nicht hinter dem her, was wir sagen?
Ich meine, dass Angst dabei eine große Rolle spielt.
2.1. Angst in der Leistungsgesellschaft nicht bestehen zu können. Also streiten wir einen gemachten Fehler lieber ab, obwohl wir genau wissen, dass es einer war.
2.2. Angst, nicht die Anerkennung zu bekommen, die wir brauchen. Also spielen wir den allroundbegabten Typen, obwohl wir um unsere eigenen Grenzen wissen.
2.3. Angst, aus einer Gruppe ausgestoßen zu werden. Also passen wir uns den Normen der Gruppe an, obwohl unser Gewissen etwas anderes sagt.
2.4. Angst, andere Menschen zu enttäuschen. Also spielen wir den easy Typen, obwohl wir schon längst in einer Lebenskrise stecken.
2.5. Angst, angreifbar zu werden. Also bauen wir lieber Fassaden um uns auf, damit keiner unsere schwachen Seiten entdeckt.
Ein anderer Punkt ist die Abhängigkeit vom Urteil anderer. Wenn man die genannten Ängste unter einen Sammelbegriff stellen will, dann passt am besten der Begriff, "soziale Ängste". Das sind die Ängste, die im Zusammenhang mit dem Mitmenschen entstehen. Es gibt Menschen, die verbringen viel Zeit damit, sich zu fragen, wie andere über sie denken. Ihr Reden und Handeln wird nur noch von dem einen Gedanken bestimmt: "Werde ich auch gemocht, verstanden, respektiert, bewundert du was weiß ich nicht alles?" Diese Frage kann zum zentralen Lebensthema werden. Man wird abhängig vom Urteil anderer: Was man über uns denkt, bestimmt uns. Wir wollen ein möglichst positives Bild abgeben und dazu sind wir dann auch bereit und selbst zu verraten. Dann sind wir nicht mehr wir selbst. Wir sind nicht mehr echt. Die Gründe für das "Nicht echt Sein" haben ihre Wurzeln immer in der Angst. Die Angst treibt einen dazu, das wahre Ich zu verstecken. Doch auch die Angst hat ihre Ursprünge: Es könnte ja sein, dass andere einen ablehnen, wenn man so ist, wie man ist. Darum verstecken wir uns hinter einer Fassade oder wir reden über das, von dem wir meinen, dass andere es hören wollen – sind aber selbst nicht davon überzeugt. Es ist denkbar, dass bestimmte Bestrebungen in uns sind, die besser nicht nach Außen getragen werden: Neid, Habgier, Hass usw. In diesem Fall scheint die Angst vor dem Sich Zeigen und somit der Aufbau der Fassade notwendig. Im ersten Fall bekommen die Mitmenschen eine solche Bedeutung, dass sie das Reden und Handeln bestimmen und nicht, wie es bei Christen eigentlich sein sollte, Jesus Christus. Im zweiten Fall scheint der lebensverändernde Glaube noch gar nicht da zu sein.
3. Faszinierend sind Christen, die deswegen echt sind
Damit wir uns nicht falsch verstehen, ein gewisses Auseinanderklaffen von Anspruch und Wirklichkeit, von Reden und Handeln, ist bei Christen immer gegeben. Es gab nur eine Person in der Weltgeschichte, die völlig echt war und das war Jesus Christus selbst. Doch es ist ein himmelweiter Unterschied, ob mir das Auseinanderklaffen als Christ gelegentlich "passiert" und ich damit nicht glücklich bin oder ob ich es bewusst in mein Leben einbaue. Christen, die den Mut haben, echt zu sein, die sich trauen, für ihre innersten Überzeugungen einzutreten und diese zu leben, die den Mut haben, nach Außen zu tragen, was sie innen bewegt, sind recht selten. Entsprechen faszinierend wirken sie auf die Mitmenschen, die diese Echtheit bei ihnen feststellen. Es fasziniert einfach, wenn man einem Christen begegnet, der nicht nur von Nächstenliebe spricht, sondern sie auch praktiziert. Solche Menschen sind mir persönlich zu echten Vorbildern geworden und wahrscheinlich wissen sie das noch nicht einmal. Sie leben einfach das, wovon sie überzeugt sind.
4. Wege zum Echtsein.
Tatsächlich wäre es wohl keine Hilfe, wenn ich zu jemanden sagen würde: "Nun streng dich mal an und sei echt!" Solche Apelle nützen in der Regel herzlich wenig und wie schon erwähnt ist es für Menschen mit bestimmten "Strebungen" auch besser, wenn sie nicht "echt" sind. Sie würden ihren Mitmenschen durch ihre Echtheit evtl. nur schaden. Diese Aufforderung überwindet nicht die Ängste, die uns zum Theaterspielen verleiten. Diese Ängste werden nur aus Erfahrung des Angenommenseins überwunden. Wenn wir wissen, dass wir so angenommen werden, wie wir sind, dann brauchen wir uns nicht mehr zu verstellen. Diese Erfahrung allein kann einen Prozess bei uns in Gang setzen, der uns dahin bringt, dass wir lernen, mehr und mehr echt zu sein. Als Jesus zu dem Zöllner Zachäus ins Haus ging und mit ihm am Tisch saß, machte dieser die Erfahrung des Angenommenseins. Mit keinem Wort hatte Jesus ihn dazu ermahnt, die Menschen nicht zu verarschen. Nein, nur diese Erfahrung machte aus Zachäus einen Mann, der plötzlich nach Gerechtigkeit fragte. Wenn vorher Betrug sein Lebensthema war, so war es nun Liebe und die daraus wachsende Ehrlichkeit. Er war im Kern ein von Gott veränderter Mensch und hatte auch den Mut, diese Veränderung nach außen zu tragen. Ein Mensch, dessen Lebensthema von Neid, Habgier und Hass bestimmt worden war, bekommt durch diese Erfahrung ein neues Lebensthema – die Kraft zum Lieben. Doch die Erfahrung des Angenommenseins durch Christus bewirkt auch ein Zweites: Wir wissen uns so geliebt, wie wir in unserem Inneren sind. Darin liegt für uns Christen die Kraft, die Masken fallen zu lassen und echt zu sein. Wir brauchen uns nicht zu verstellen, weder in unserem Reden noch in unserem Handeln. Oder anders gesagt: "DU bist ein von Gott geliebter Mensch. Lass ihn ans Dirigentenpult deines Lebens und dann sei der, der du bist."
Amen
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