Volkstrauertag Frohnsdorf 2022
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Transcript
Volkstrauertag – Frohnsdorf 2022
Volkstrauertag – Frohnsdorf 2022
Musik
Begrüßung der Anwesenden
Einstimmung:
Daryna Gladun (*1993 in Chmelnyzkyj/Ukraine)
die botschafter des krieges
wir wickeln uns in eine decke aus krieg
wir machen kriegsdiät
wir essen ihn morgens
wir essen ihn mittags wir essen ihn abends
krieg tropft aus den augen
spült die sohlen an unseren derben stiefeln
bohrt sich als span unter die haut und beginnt zu eitern
wir tragen den krieg in unseren köpfen weiter
wir tragen den krieg in unseren mündern weiter
zu fuß in lastwagen und autos in fernbussen und vorortzügen
über die grenzen von größeren und kleineren orten über staatsgrenzen
auf den radiosendern läuft nur krieg-krieg
wir schalten den fernseher ein ---- krieg – krieg
wartesäle fremde häuser straßen telefonate füllen wir mit krieg
das gehörte gesehene die nachrichten von der front erzählen wir weiter
der krieg besetzt unsere körper
tief in den mündern reißen die wörter nicht ab
Musikstück
Verlesen des Totengedenkens
Wir denken heute an die Opfer von Gewalt und Krieg,
an Kinder, Frauen und Männer aller Völker.
Wir gedenken der Soldaten, die in den Weltkriegen starben, der Menschen, die durch Kriegshandlungen oder danach in Gefangenschaft, als Vertriebene und Flüchtlinge ihr Leben verloren.
Wir gedenken derer, die verfolgt und getötet wurden, weil sie einem anderen Volk angehörten, einer anderen Rasse zugerechnet wurden, Teil einer Minderheit waren oder deren Leben wegen einer Krankheit oder Behinderung als lebensunwert bezeichnet wurde.
Wir gedenken derer, die ums Leben kamen, weil sie
Widerstand gegen Gewaltherrschaft geleistet haben, und derer, die den Tod fanden, weil sie an ihrer Überzeugung oder an ihrem Glauben festhielten.
Wir trauern um die Opfer der Kriege und Bürgerkriege
unserer Tage, um die Opfer von Terrorismus und
politischer Verfolgung, um die Bundeswehrsoldaten
und anderen Einsatzkräfte, die im Auslandseinsatz
ihr Leben verloren. Wir gedenken heute auch derer, die bei uns durch Hass und Gewalt Opfer geworden sind.
Wir gedenken der Opfer von Terrorismus und Extremismus, Antisemitismus und Rassismus in unserem Land.
Wir trauern mit allen, die Leid tragen um die Toten
und teilen ihren Schmerz.
Aber unser Leben steht im Zeichen der Hoffnung
auf Versöhnung unter den Menschen und Völkern,
und unsere Verantwortung gilt dem Frieden unter den Menschen zu Hause und in der ganzen Welt.
Predigt
Wie kann Gott das zulassen? Diese Frage ist so alt wie die Menschheit und sie wird in jeder Generation neu gestellt. Vielleicht sogar an jedem Tag, besonders in unserer Zeit. Angesicht des Ukrainekrieges vor unserer Haustür auf jeden Fall. In der Nazidiktatur haben viele Opfer des Terrors Gott angefleht und dann angesichts ihrer Ohnmacht, der Ungerechtigkeit und des Leids ihren Glauben verloren.
Kriegsopfer haben sich danach gesehnt und sie sehnen sich heute danach, dass Gott dem Morden ein Ende bereiten würde. Damals und auch heute wieder beim Angriff auf die Ukraine wurde und wird gefragt: Wo ist Gott? Warum tut er nichts gegen das Böse? Menschen begehren auf gegen das Unrecht, und das biblische Gleichnis von der fordernden Witwe wie wir es vorhin im Gottesdienst gehört haben bestärkt sie darin.
Für die die nicht im Gottesdienst dabei waren, eine kurze Zusammenfassung: Jesus erzählt eine Gleichnis von einer Wittwe, die bei einem Richter, der sie nicht anhören will, ihr Recht einfordert. Sie bedrängt ihn so lange bis er nachgibt. Jesus vergleicht das mit unserem Beten zu Gott, wobei Gott aber schon längst um unser Gebet weiß.
Wir sollen darum das Gute von Gott erwarten: Wer nie daran verzweifelt, wie Unrecht die Welt regiert, hat kein Herz und keinen Glauben. Wer sich mit Ungerechtigkeit abfindet, wer im Hinblick auf die herrschenden Verhältnisse resigniert, der unterstützt die, die das Recht beugen.
Gott wird mit einem zögerlichen Richter verglichen, dem man das Leid in die Ohren schreien muss, damit er handelt:
Wenn dieser Richter, der eigentlich nur seine Ruhe haben will, vor der Frau und vor ihren Gefühlsausbrüchen fürchtet, wenn der sich doch zur Hilfe bewegen lässt, wieviel mehr wird dann Gott, als unser himmlischer Vater, der uns als seine Kinder liebt und wert schätzt, uns hören.
Das ist das Zeugnis der Bibel. Gott lässt sich ansprechen von der Not der Menschen und er erbarmt sich darüber. Er will aller Diktatur und allem Unrecht ein Ende machen. Er steht auf der Seite der Opfer. Gott ist keiner, der unberührt von unserem Leid hinter den Wolken thront. Er lässt sich ansprechen, er hört das Schreien seiner Geschöpfe, ja, er leidet mit. Gott gedenkt des Menschen. Darauf basiert all unser menschliches Gedenken. Weil Gott keinen Menschen vergisst, sind auch wir herausgefordert, gemäß Gottes Weisung Verantwortung zu übernehmen für die Würde und das Recht des Anderen, insbesondere des Schutzlosen und Ausgegrenzten.
Witwen sind auch heute häufig die Leidtragenden von Krieg und Gewalt. In biblischen Zeiten standen sie ganz unten in der gesellschaftlichen Rangfolge. Das Gleichnis des Lukas lehrt, sich nicht von den Machtverhältnissen einschüchtern zu lassen, sondern allein auf Gott und sein Gebot zu vertrauen.
In Diktaturen – das hat uns der Widerstand von Frauen und Männern gegen die Nazidiktatur gelehrt – musste sogar gegen geltende staatliche Gesetze gehandelt werden, um anderen helfen können. Zum Beispiel bei der Beschaffung von falschen Papieren, um Verfolgte ins Ausland zu retten, der Fälschung von Ausweisen und Lebensmittelkarten, beim Verstecken jüdischer Nachbarn. Das fiel vor allem Menschen schwer, die nach bürgerlicher Moral erzogen waren. Oder mit der christlichen Zwei-Reiche-Lehre aufwuchsen, die so ausgelegt wurde, dass Christen der Obrigkeit gehorchen sollen, weil sie von Gott eingesetzt sei. Bei allem gilt zu unterscheiden, wofür wir selbst verantwortlich sind und wofür Gott.
Kriege sind keine Naturkatastrophen, auch wenn sie scheinbar überraschend kommen. Kriege besiegeln den Abbruch friedlicher Beziehungen und erfordern damals wie heute Vorbereitung, Aufrüstung, eine Zeit der Eskalation, in der aber auch noch etwas zum Guten verändert werden kann. Wenn wir auf den Krieg in der Ukraine schauen, ist – bei aller Wut auf die russische Invasion und bei aller Verzweiflung angesichts der Zerstörung und des Mordens – auch nach dem zu fragen, was wir versäumt haben.
Wie kann der Mensch das zulassen? Zulassen, dass Kriege entstehen und das damit verbundene Leid, die unbeschreiblichen Grausamkeiten in Kauf nehmen für nationale Interessen?
In unserem Gleichnis fragt am Ende Gott nach den Menschen: Wird er bei ihnen Glauben finden? Glaube ist mehr als ein Fürwahr-halten. Es ist eine Tätigkeit für den Anderen. Wir sollen dafür eintreten, dass anderen ihr Recht verschafft wird. Mit langem Atem und Durchsetzungsvermögen, wie die fordernde Witwe, die sich nicht beschwichtigen oder abweisen lässt.
Und es sind Gebete, die den Opfern der Gewalt, indem sie ihnen den Schrei nach Gerechtigkeit und nach dem Gott der Ahndung in den Mund geben, helfen können, an ihrer Menschenwürde festzuhalten und im betenden Protest gegen die gottwidrige Gewalt die Angst vor den Feinden und den Feindbildern gewaltlos auszuhalten.
Erich Zenger
Dazu macht uns das Gebet stark: Gott bestärkt uns darin, nach seinem Recht zu fragen. Beten heißt, dem Unrecht trotzen. Deshalb sind Friedensgebete keine weltfremde Spinnerei, sondern haben die Kraft, Verhältnisse zu ändern.
Fürbittgebet
Gott, du hörst unsere Gebete. So bitten wir dich:
Für die Opfer der Nazipogrome an den vielen Orten der grausamen Verbrechen.
Für die, die gefangen waren, gefoltert und missbraucht wurden, denen die Würde genommen wurde, denen man das Leben genommen hat, die ermordet wurden. Schuldlos.
Gott, du hast ihre Namen nicht vergessen. Sie sind aufgeschrieben im Buch des Lebens. Nimm sie auf in dein gelobtes Land und in deinen großen Frieden.
Für die Menschen in der Ukraine, und in allen Ländern, die getroffen sind von den Folgen des Krieges, der für so viele unfassbares Leid mit sich bringt.
Gott, höre unser Gebet für den Frieden, damit die Hoffnung in allen wieder keimen kann: in den zerstörten Seelen, den Verwundeten und Entrechteten, den Verzweifelten und Geschundenen, alle ganz nahe an deinem Herzen.
Für die Menschen auf der Flucht vor dem Krieg. Deren Leben bedroht ist, weil sie in unserem Land Sicherheit suchen. Für die jüdischen Glaubensgeschwister, die in Deutschland wieder gefährdet sind. Für die, die auf den Straßen unserer Städte angegriffen werden, weil sie „anders“ aussehen.
Gott, sei du ihnen Zuflucht und Sicherheit, schütze sie im Schatten deiner Flügel und wende alles Unheil von ihnen ab. Begegne du ihnen liebend in Menschen, die deinen Namen ehren und deiner Gerechtigkeit dienen.
Für die Menschen, die uns gezeigt und gelehrt haben, dass jeder und jede etwas tun kann gegen Diktatur und Gewalt. Die den Mut hatten, gegen die Mehrheit zu stehen und nach ihren Überzeugungen zu handeln. Die – obwohl sie auch Zweifel hatten und Fehler machten – uns zum Vorbild wurden.
Gott, wir bitten dich, schenke uns Aufmerksamkeit und Zivilcourage.
Dass wir laut protestieren, wo wir Unrecht wahrnehmen. Dass wir helfen, wo andere missachtet und misshandelt werden. Dass wir in allen Menschen deine Kinder sehen.
Für die Menschen, die sich heute mit der Geschichte der Naziverbrechen auseinandersetzen und keinen „Schlussstrich“ ziehen wollen. Die der Ansicht „Nun ist doch mal genug“ nicht folgen. Die vielmehr nach genauen Umständen fragen und nach den Namen der Täter. Die die Erkenntnisse der Geschichte als Warnung und Mahnung für die Gegenwart formulieren.
Gott, sei du die Kraft aller, die klagen und mahnen und erinnern, die dein Wort und dein Gesetz in dieser Zeit lebendig halten. Gib ihnen Mut, Geduld und Weisheit.
Vaterunser
Kranzniederlegung
Schweigeminute
Musikstück
Dank an Unterstützer
Verabschiedung
Segen