Der rechte Vater!

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Der rechte Vater!
Predigt Lk 2, 41-52
Einleitung
Liebe Gemeinde,
schon manchmal hat man auf dem Rummel oder dem Kaufhaus eine Durchsage gehört, dass sich die Eltern von einem Kind bitte an der Information melden sollen.
Vielleicht ist es sogar euch selber schon passiert, das euch beim Rummel eines Festes oder beim Gewühl im Kaufhaus eins ihrer Kinder verloren gegangen ist. Eines der bekanntesten Filme darüber ist ja der Film „Kevin allein daheim“.
Eben war das Kind noch da ... und nun – verschwunden!
Für verantwortungsbewusste Eltern ist das eine Katastrophe. Schweiß bricht aus, hektisch läuft man hierhin und dorthin, fragt nach, schaut sich um, ist völlig aufgelöst – bis das Kind gefunden ist.
Wer das einmal erlebt hat, solche schrecklichen
Momente, möchte so etwas nicht wieder erleben müssen.
Maria, die Mutter von Jesus, und Josef, sein irdischer Vater, haben einmal solch eine Situation durchgemacht. Jesus war zwar schon 12 Jahre alt und damit kein kleines Kind mehr. Deshalb musste er auch auf dem Rückweg von Jerusalem ins Heimatstädtchen Nazareth nicht mehr ganz dicht bei den Eltern wandern. Viele Verwandte und Freunde waren auch unterwegs, wieder heimwärts nach den PassaFesttagen.
Jesus würde irgendwo weiter vorne oder hinten Anschluss gefunden haben; abends an der verabredeten Übernachtungsstation würden sie sich treffen.
Doch abends war dort kein Jesus zu finden. Maria und Josef fragten alle Mitreisenden nach ihm, keiner hatte ihn gesehen. Jetzt wuchs die Unruhe. Wo war Jesus
abgeblieben? Als alles nichts half, mussten sie den ganzen langen Tagesmarsch wieder zurücklaufen, um ihn zu suchen. Und dort erleben sie eine große Überraschung.
Hören wir, was uns darüber der Evangelist Lukas uns berichtet. Ich lese das Evangelium noch einmal nach der Neuen Genfer Übersetzung:
Lk 2, 41-52
Der zwölfjährige Jesus im Tempel
41 Jesu Eltern zogen jedes Jahr zum Passafest nach Jerusalem hinauf.
42 Als Jesus zwölf Jahre alt war, nahmen sie den Jungen mit und gingen wieder dorthin, wie es der Sitte entsprach.
43 Doch als sie sich nach den Festtagen auf den Heimweg machten, blieb Jesus in Jerusalem, ohne dass seine Eltern etwas davon wussten.
44 Sie dachten, er sei irgendwo in der Pilgerschar. Erst nachdem sie eine Tagereise zurückgelegt hatten, fingen sie an, unter Verwandten und Bekannten nach ihm zu suchen.
45 Als sie ihn nicht fanden, kehrten sie nach Jerusalem zurück, um ihn dort zu suchen.
46 Endlich, nach drei Tagen, fanden sie ihn im Tempel; er saß mitten unter den Gesetzeslehrern, hörte ihnen zu und stellte Fragen.
47 Alle, die dabei waren, staunten über die Klugheit seiner Antworten.
48 Seine Eltern waren völlig überrascht, ihn hier zu sehen. »Kind«, sagte seine Mutter zu ihm, »wie konntest du uns das antun? Dein Vater und ich haben dich verzweifelt gesucht.«
49 Jesus erwiderte: »Warum habt ihr mich gesucht? Wusstet ihr nicht, dass ich im Haus meines Vaters sein muss?«
50 Doch sie verstanden nicht, was er damit meinte.
51 Jesus kehrte mit seinen Eltern nach Nazaret zurück und war ihnen gehorsam. Seine Mutter behielt alle diese Dinge im Gedächtnis.
52 Jesus nahm weiter zu an Weisheit und wuchs zu einem jungen Mann heran. Gottes Gnade war mit ihm, und die Menschen hatten Freude an ihm.
1. Jesus stellt klar: Ich gehöre zum Vater!
Jesus ist ganz einfach in Jerusalem geblieben. Aber nicht irgendwo. Maria und Josef müssen lange fragen und suchen, und sie finden ihn schließlich dort, wo sie ihn wahrscheinlich am allerwenigsten vermutet hätten: im Tempel. Dort sitzt er – zu ihrer großen Verwunderung – inmitten der Rabbinen, der geachteten religiösen Lehrer, ist mit ihnen ins Gespräch vertieft.
Fragen werden gestellt, und Antworten gegeben:
Fragen, die sich aufs Alte Testament beziehen, auf Gott und seinen Weg mit den Menschen. Und Jesus redet munter mit und gibt kluge Antworten. Die Anwesenden staunen Bauklötzer, sie sind überrascht, was der Kleine so alles weiß, als hätte er ein langes Theologiestudium hinter sich. Er spricht, als würde er Gott gut kennen.
Nach einigen Augenblicken des Staunens bricht dann der elterliche Vorwurf aus Maria heraus: ›Jesus, weißt du überhaupt, was du uns angetan hast? Wie lange wir dich gesucht haben? Was das für ein Gefühl ist, drei Tage lang nicht zu wissen, wo du steckst?‹
Doch Jesus antwortet (es ist der erste Satz überhaupt, den wir von Jesus hören):
›Warum habt ihr mich überhaupt gesucht? Hättet ihr euch nicht denken können, dass ich dort sein muss, wo es um die Sache meines Vaters geht?‹
Das ist eine ziemliche Überraschung. Die verdutzten Eltern verstehen erst mal gar nicht, was Jesus meint. Ich kann mir gut vorstellen, dass auch die Schriftgelehrten über die Antwort Jesu verwundert sind. Jesus »musste« also woanders sein als mit ihnen auf demHeimweg. Und dann nennt er Gott ganz unbefangenvertraut seinen Vater. Entscheidender als sein irdischer Vater, der vor Jesus steht, als die irdische Mutter. Jesus »muss« – so stellt er klar – dort sein, wo sein himmlischer Vater ist. Zu ihm gehört er. Bei ihm ist er zu Hause. Auch wenn er dann anschließend mit seinen irdischen Eltern wieder nach Nazareth zurückkehrt und sich ihrer Erziehung unterstellt.
An Weihnachten haben wir gefeiert, dass Gott nicht weit weg ist, kein anonymes Schicksal, kein ferner Unbekannter, sondern er ist auf unserer Erde. In Jesus ist er zu uns gekommen, hat uns den Heiland geschenkt. Der, den die Engel verkündet und die Hirten undWeisen angebetet haben, klein und noch sprachlos lag er in einer Futterkrippe. Inzwischen ist Jesus im Konfirmandenalter. Die erste Begebenheit, die wir von ihm erfahren, lässt keine Zweifel offen, wer Jesus ist und wohin er gehört.
Wenn Gott im Himmel sein Vater ist, ist er der Sohn. Das erstaunliche Wissen über Gott ist in persönlicher Erfahrung begründet. Darum ist Jesus ein sehr glaubwürdiger Zeuge, wenn er mehr von Gott erzählen wird.
Überraschend ist nicht nur diese Beziehung von Jesus zu Gott. Mindestens genauso überraschend ist auch dieses Wort »Vater«. Ein großer Theologe und Ausleger des Alten und des Neuen Testamentes im vorigen Jahrhundert (Joachim Jeremias) hat herausgearbeitet, dass im ganzen Alten Testament Gott an keiner Stelle direkt mit »mein Vater« oder »unser Vater« angeredet wird. Nicht ein einziges Mal! Natürlich wird Gott mit einem Vater verglichen.
Menschen erkennen, dass er für die Seinen ›wie ein Vater‹ ist. Aber er wird nie so angeredet. Eine solche Nähe zum lebendigen, gerechten, heiligen Gott ist unvorstellbar.
Das war auch für die Zeitgenossen von Jesus geradezu unerhört. Ja es war schockierend, dass Jesus Gott mit ›Vater‹ anredete. Aber wenn überhaupt einer – dann doch wohl er. Wer, wenn nicht er, sollte Gott so anreden dürfen?
2. Jesus lädt ein: Mein Vater ist auch euer Vater!
Das neue Jahr 2009 ist noch ganz frisch. Viele Wünsche haben wir ausgetauscht zum Jahreswechsel – in der Hoffnung, dass die unbekannte Zeit uns viel Gutes bringen möge.
Da war ein Ehepaar, das 25 Ehejahre zusammen verbracht hatte und also Silberhochzeit feierte. Plötzlich erschien eine Fee und teilte den beiden mit, dass jeder von ihnen einen Wunsch frei hätte. Die Frau wünschte sich eine Weltreise – die Fee schwang den Zauberstab und die Reisetickets lagen auf dem Tisch. Danach war der Gatte an der Reihe. »Ich hätte gerne eine 30 Jahre jüngere Frau.« Die Fee beschrieb einen Kreis mit ihrem Zauberstab, und schon war er plötzlich 85 Jahre alt.
So kann es auch nach hinten losgehen mit unseren Wünschen. ›Genauer wünschen‹ hilft auch nicht immer, denn oft werden wir ja gar nicht gefragt nach unseren Wünschen.
Niemand von uns kann heute schon wissen, welche unserer Wünsche sich in 2009 erfüllen und welche nicht und in welche Schwierigkeiten wir vielleicht auch geraten, die wir uns genau nicht gewünscht haben.
Doch eins steht fest, auch im Jahr 2009: Jesus reserviert diese Anrede ›Vater‹ nicht exklusiv für sich. Er achtet nicht krampfhaft darauf, dass nur er in den Genuss dieses Vaters kommt. Sondern das ist geradezu sein Hauptanliegen, uns mit diesem Vater bekannt zu machen. Darum hat er seine Jünger beten gelehrt zum ›Vater unser im Himmel‹. Schon in der Anrede war das eine Revolution.
Nun wird heute oft gesagt, das mit dem »Vater« sei ja problematisch. So viele Väter seien gar keine ordentlichen Väter. Sie vernachlässigten ihre Kinder. Immer wieder berichtet die Presse, dass Väter ihre eigenen Kinder sogar missbrauchen. Wie könne man da noch Gott »Vater« nennen, wenn dieser Begriff für viele doch so negativ besetzt sei? – Da ist sicher was dran. Jeder Vater weiß, wie oft er versagt und kein gutes Beispiel abgibt.
Da muss ich euch aber von einem Mädchen erzählen. Sie lebte in einem Kinderheim. Und das nicht, weil ihre Eltern nicht mehr lebten. Sondern weil ihre Eltern so waren, dass man ihnen das Sorgerecht entzogen und das Kind im Heim untergebracht hatte. Ein Mädchen also, das – wenn diese Überlegung stimmt – mit dem Begriff »Vater« nicht viel Positives würde verbinden können. Aber als das ›Vaterunser‹ im Konfirmandenunterricht besprochen wurde, da meldete sie sich und sagte strahlend: »So wie Gott sollten alle Väter sein. Ich finde das toll, dass Gott mein Vater ist.« Also warum nicht gerade umgekehrt. Nicht so, wie sie ihren eigenen Vater erfahren hatte, stellte sie sich nun Gott den Vater vor. Sondern so, wie sie Gott kennen lernte, so sollte jeder Vater sein.
Gott ist kein Vater, der dauernd keine Zeit hat, wenn seine Kinder ihn brauchen.
Ihm geht nicht die Geduld aus, wenn wir mit unseren kindlichen Fragen zu ihm kommen. Er enttäuscht uns nicht, wenn wir auf seine Hilfe hoffen.
Paulus schreibt einmal: »Ich beuge meine Knie vor dem Vater, der der rechte Vater ist über alles, was da Kinder heißt im Himmel und auf Erden ...« (Eph 3,14).
Der rechte Vater!
Die Bibel sagt also nicht: Schaut eure Väter an, dann wisst ihr, wie ihr euch Gott vorzustellen habt. Sondern umgekehrt: Schaut auf Gott, wie ihn Jesus Christus euch zeigt, dann erkennt ihr den rechten Vater und seht, wie irdische Väter nach dem Willen Gottes sein sollten.
Einen Vater haben – das meint Treue und Fürsorge, Schutz bei drohender Gefahr und Geborgenheit, wenn die Wogen der Angst hoch hergehen. Der Vater spricht ein festes Nein, wenn es nötig ist. Aber immer aus einer starken, unverbrüchlichen Liebe heraus, die mich ganz persönlich meint. Wenn ich meinen Vater im Himmel kenne, wenn ich mit ihm »per Du« bin, wenn ich bei ihm bin, wie Jesus bei ihm war – dann weiß ich, wo ich hingehöre.
Jesus sei Dank – es gibt für uns einen Vater im Himmel! Und das gilt und steht fest auch in allen Veränderungen des Jahres 2009!
Amen
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