Bist Du es?
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Bist Du es?
Bist Du es?
Liebe Gemeinde,
vor zwei Wochen bei der Geburtstagsfeier meines Onkels zeige die Cousine meiner Mutter auf mich und fragte sie, ob ich einer der Schwiegersöhne meines Onkels sei. Sie hatte mich noch nie gesehen?
Vorige Woche hatte ich ja eine Weiterbildung und als ich die Rektorin des kirchlichen Fernunterrichtes begrüßte, schaute sie mich auch an, als wenn sie nicht wüsste, wo sie mich einordnen sollte. Dabei hatten wir uns vor zwei Jahren sehr intensiv mit der Webseite des kirchlichen Fernunterrichtes beschäftigt.
Nun sind die Veränderungen meines Aussehens durch mein radikales Abnehmen sicher etwas extrem. Aber haben sie es nicht auch schon mal erlebt, dass sie jemanden nicht erkannt haben, weil er sich verändert hat, oder weil sie ihn vielleicht schon viele Jahre nicht gesehen haben.
Dann kommt sicher die Frage: Ist sie es oder nicht? Ist er es oder nicht?
Im Evangelium haben wir vorhin ja auch so eine ähnliche Fragestellung gehört?
„Bist du es, der da kommen soll, oder sollen wir auf einen andern warten?“
Diese Frage stellte Johannes der Täufer an Jesus.
Da wir ja in diesem Kirchenjahr über die Evangelientexte predigen, habe ich mir überlegt, dass es doch ganz gut ist, wenn wir sie immer noch einmal nach einer anderen Übersetzung lesen.
Im EmmausGlaubenskurs haben wir sehr gute Erfahrungen mit der Neuen Genfer Übersetzung gemacht. Sie ist nahe am Urtext und doch recht verständlich. Sie ist eine der neusten Übersetzungen, von der noch nicht einmal alle Teile des Neuem Testamentes fertig sind und das Alte gerade erst in Angriff genommen wird. Da die Evangelien alle vier übersetzt sind, werde ich die Texte dann noch einmal nach der Neuen Genfer Übersetzung lesen, also auch heute unseren Text aus Matthäus 11,2-10:
Ist Jesus der Messias?
Die Frage des Johannes und die Antwort Jesu
2 Johannes hörte im Gefängnis vom Wirken Christi. Er schickte einige seiner Jünger zu ihm
3 und ließ ihn fragen: »Bist du der, der kommen soll, oder müssen wir auf einen anderen warten?«
4 Jesus gab ihnen zur Antwort: »Geht zu Johannes und berichtet ihm, was ihr hört und seht:
5 Blinde sehen, Lahme gehen, Aussätzige werden geheilt, Taube hören, Tote werden auferweckt, und den Armen wird ´Gottes`gute Botschaft verkündet.
6 Und glücklich zu preisen ist, wer nicht an mir Anstoß nimmt.«
Jesus und Johannes der Täufer
7 Als die Männer wieder gegangen waren, wandte sich Jesus an die Menge und fing an, zu ihnen über
Johannes zu sprechen. »Was wolltet ihr euch eigentlich ansehen, als ihr zu ihm in die Wüste hinausgingt?«, fragte er sie. »Ein Schilfrohr, das sich im Wind hin und herbewegt?
8 Nein? Was wolltet ihr denn sonst dort draußen sehen? Einen Mann in feiner Kleidung? Ihr wisst doch: Die feingekleideten Leute sind in den Palästen der Könige zu finden.
9 Was wolltet ihr also sehen, als ihr hinausgingt? Einen Propheten? Ja, ich sage euch: Ihr habt einen Propheten gesehen, und noch mehr als das.
10 Johannes ist der, über den es in der Schrift heißt: ›Ich sende meinen Boten vor dir her; er wird dir vorangehen und dein Wegbereiter sein.‹
Matthäus 11,2-10
Liebe Gemeinde,
ist das nicht spannend was wir heut hier lesen. Der Wegbereiter des Messias fragt, ob denn der für den er den Wegbereiten soll auch wirklich der Messias ist. Für mich ist das deswegen so spannend, weil da der, der es doch eigentlich wissen müsste, auf einmal zum Zweifler wird: „»Bist du der, der kommen soll, oder müssen wir auf einen anderen warten?«
Als ich diesen Text das erste Mal in der Vorbereitung gelesen habe, wurde ich an unsere diesjährigen Konfirmanden in Fraureuth erinnert, die durch ihre Aussagen über Jesus im Vorstellungsgottesdienst viel Wirbel in unserer Gemeinde erzeugt hatten. „Ist Jesus der einzige Weg zu Gott?
Wenn ich da die Frage Johannes des Täufers lese, entdecke ich, dass die Konfirmanden recht nahe bei Johannes des Täufers wahren.
Nun unser Predigttext heute spricht von einem dreifachen Mut. Dabei ist es nicht der Mut der Verzweiflung. Aber er spricht vom Mut eines Zweiflers:
1. Vom Mut, zu seinen Fragen zu stehen
2. Vom Mut, dem Hörensagen zu trauen
3. Vom Mut, an Jesus Christus zu glauben
Überrascht es uns nicht eigentlich, was wir in dieser Geschichte über Johannes den Täufer hören, dass er ins Fragen und ins Zweifeln kommt.
So klar und so gewiss war sich doch Johannes der Täufer seiner Sache gewesen, dass es uns nun erstaunt, wie er jetzt im Angesicht der Art des Wirkens von Jesus ins Fragen und Zweifeln kommt. Aber er steht jetzt zu seinen Zweifeln und sendet seine Jünger zu Jesus, um ihn selbst zu fragen.
1. Vom Mut, zu seinen Fragen stehen
Es ist gar nicht so leicht zu sagen, was den Täufer ins Grübeln geraten ließ. Matthäus erzählt uns, dass er im Gefängnis von den »Werken des Christus«, also den
Taten des Messias hörte. War das nicht Bestätigung genug, dass sich seine Erwartungen im Blick auf Jesus erfüllten? Offensichtlich nicht. Es ist Matthäus, der das Wirken von Jesus unter den Kranken und Armen mit dem Stichwort »Werke des Messias« kennzeichnet.
Johannes hatte ganz andere Taten von dem erwartet, der in Gottes Auftrag kommen würde: Er erwartete einen, der Gottes Gericht mit Feuer und Vollmacht vollziehen und Gottes Herrschaft endlich zum Durchbruch bringen würde. Alles würde zurechtgebracht werden, und Gottes Sieg würde unzweideutig sein. Es war ja schön, was er da von Jesus hörte, wie er sich um die Notleidenden und an den Rand Gedrängten kümmerte; aber war das jetzt dran?
Wer sich über diese Fragen wundert, hat die Dringlichkeit des Anliegens des Täufers nicht verstanden. Es ist die Frage vieler an das Wirken von Jesus. Was hat sich denn schon geändert, seit Jesus gekommen ist? Das ist auch die Fragestellung, die es den Juden schwer macht, Jesus als den schon gekommenen Messias zu akzeptieren.
Dazu möchte ich eine kleine jüdische Geschichte erzählen:
Die Geschichte vom Rabbi von Witebsk
Dessen Schüler kam aufgeregt hereingestürmt und rief: »Der Messias ist gekommen!« Der Rabbi blieb ruhig und sagte nur: »Schau durchs Fenster hinaus! Was siehst du?« Der Schüler blickte hinaus und sagte: »Zwei Männer prügeln sich.« Und der Rabbi antwortete: »Dann ist auch der Messias nicht gekommen.
So beschleichen uns Christen doch auch Fragen und Zweifel, ob Jesus wirklich genügt., ob Jesus der einzige Weg ist.
An der Reaktion des Täufers ist ein Doppeltes bemerkenswert:
Erstens, seine Hoffnung ist und bleibt ungebrochen. Gott wird den Retter senden, das ist dem Täufer gewiss.
Zweitens spricht er seine Zweifel Jesus gegenüber offen aus. Es hätte viele Gründe gegeben, seine Fragen vor Jesus zu verbergen. Aber das tut Johannes nicht.
Manche Menschen meinen, in der Kirche sei fragen nicht erlaubt. Viele Christen denken, sie müssten ihre Zweifel verstecken.
Wer zweifelt, zaudert. Das ist für viele die Regel. Wir kennen das an uns selbst: Wo wir in Zweifel geraten, ob der eingeschlagene Weg der richtige ist, da kommen wir nicht mehr so richtig vorwärts, bleiben stehen, versuchen uns zu vergewissern oder suchen nach jemandem, den wir nach dem rechten Weg fragen können.
Immerhin – meist ist es besser zu fragen, als sich die Zweifel nicht einzugestehen und einfach den eingeschlagenen Weg weiterzugehen.
Und durch mein Leben als Christ und meinen Dienst als Pfarrer weiß ich, zum Glauben gehört auch der Zweifel.
Wer nicht zweifelt, kann auch nicht glauben. Echter Glaube muss durch den Zweifel geprüft werden.
Unsere Zweifel zu verstecken, ist nicht der Weg, der uns weiter hilft. Genauso wichtig ist freilich, dass wir Fragen und Zweifel nicht hegen und pflegen, sondern Antwort bei Jesus suchen.
Nun blicken wir heute auf Jesus. Auch er setzt auf eine anschauliche Gewissheit (Evidenz). Er führt den Jüngern des Johannes vor, was sie denn über Jesus hören und sehen:
„Blinde sehen, Lahme gehen, Aussätzige werden geheilt, Taube hören, Tote werden auferweckt, und den Armen wird ´Gottes`gute Botschaft verkündet.“
Zu hören, was andere von dem erzählen, was sie von Jesus gehört und gesehen haben, und so selber zu erfahren, wie Jesus handelt, ist für Menschen, die heute nach Jesus fragen, oft merkwürdig ineinander verschlungen.
Worauf kann denn heute in unserer Zeit verwiesen werden?
Sind es irgendwelche spektakuläre Heilungsversammlungen in unserer Zeit, auf die wir verweisen, ja und die man sogar Sonntags unter anderem bei CNBC Europe mit David Hattaway und anderen im Fernsehen sehen kann.
Tut denn heute Jesus noch etwas oder bleibt uns heute nur der Verweis auf das, was zur Zeit von Jesus geschah, was er damals getan hat?
Der Bericht über seine Wunder damals liefert nicht den faktischen Beweis seiner Messianität, der Johannes endlich überzeugt, sondern macht deutlich, was durch sie geschieht: Den Armen und Hoffnungslosen wird Gottes frohe Botschaft verkündigt. Daran zeigt sich, wer Jesus ist.
Das Wichtige, welches den Berichten über die Wunder folgt, ist auch heute eine Aussage, die uns auf die Messianität Jesu verweist: „den Armen wird ´Gottes`gute Botschaft verkündet“
Wird denn heute wirklich noch den Armen das Evangelium verkündigt oder begrenzt sich unser missionarisches Tun nur auf das soziale und diakonische Handeln? Wirken wir heute nur so einseitig oder wissen wir darum dass soziales Handeln und missionarische Verkündigung zusammen gehören.
Liebe Gemeinde, das ist meine Kritik an der Diakonie, dass da einerseits zwar das soziale Handeln da ist, aber anderseits, die missionarische Verkündigung fehlt.
Aber auch die Kirche selber muss wissen, dass zur missionarischen Verkündigung das soziale Handeln gehört. Sie hat es sich da viel zu leicht gemacht, dass soziale Handeln an die Diakonie zu delegieren. Und wenn wir ehrlich sind, wir als Christen stehen auch schnell in der Versuchung.
Wir sind immer wieder in der Versuchung auf eine der beiden Seiten abzurutschen. Doch die Bibel macht uns klar zu einem echten Christsein gehört beides zusammen.
Denn wenn wir auf Jesus sehen, dann wissen wir: es gehört alles zusammen.
Der Predigttext heute handelt von einem Mann, bei dem es uns überrascht, dass er ins Fragen und ins Zweifeln kommt. So klar und so gewiss scheint sich Johannes der Täufer seiner Sache zu sein, dass es erstaunt, hier zu hören, wie auch er angesichts der Art des Wirkens von Jesus ins Fragen gerät. Aber er steht zu seinen Zweifeln und sendet seine Jünger zu Jesus, um ihn selbst zu fragen.
Das zweite:
2. Vom Mut, dem Hörensagen zu trauen
Jesus antwortet dem Täufer nicht mit einer direkten Aussage: Ich bin der, auf den du wartest. Johannes soll sich ein eigenes Urteil bilden. Allerdings ist er dabei auf den Bericht seiner Jünger angewiesen. Sie hören die Botschaft von Jesus, sie sehen, wie er mit den Menschen umgeht. Johannes selbst sitzt im Gefängnis.
Was ihn dann die Johannesjünger berichten konnten, sind eben nicht nur irgendwelche spektakulären Wunder, die Jesu übernatürliche Kraft beweisen. Dass Blinde sehen, Lahme gehen, Aussätzige rein werden, Taube hören und Tote zu neuem Leben erweckt werden, das sind die Zeichen des Wirkens Gottes, die nach dem Wort der Propheten das Anbrechen der Herrschaft Gottes sichtbar machen. Sie sind die »Werke des Messias«, gerade weil sie Jesus nicht zur Demonstration seiner Vollmacht gebraucht oder missbraucht, sondern weil er damit den Armen, den Leidenden, den Verzweifelten die frohe Botschaft nahe bringt, dass Gott sie nicht vergessen hat.
Und weil sie mit dieser Botschaft verbunden sind, darum bleiben die Erzählung der Jünger des Johannes und die Berichte der Evangelien von Jesu Wirken nicht in der Distanz für die, die nicht dabei waren. Was damals geschah, bleibt nicht fern von uns, getrennt durch den garstigen Graben der Vergangenheit, sondern spricht auch heute zu den Herzen derer, die es nur vom Hörensagen kennen.
Wenn wir solche Heilungsgottesdienste im Fernsehen ansehen, wo solche die Wunder passieren, von denen der Predigttext redet. Wenn dies aber eine Show zur Ehre des Heilers bleibt, sagt es uns nichts darüber, wer Jesus wirklich war und ist. Wenn wir aber Menschen begegnen, deren Leben durch die Begegnung mit Jesus wirklich heil geworden ist, dann spricht das auch zu uns und lädt uns ein, uns diesem Jesus mit all unseren Fragen und Zweifel anzuvertrauen.
Und nun das dritte:
3. Vom Mut, an Jesus Christus zu glauben
Die Antwort von Jesus an den Täufer endet mit einem ganz merkwürdigen Satz:
» Glücklich zu preisen ist, wer nicht an mir Anstoß nimmt.«
Fast scheint es so, als sage Jesus das nicht nur dem angefochtenen Johannes in der Einsamkeit seiner Gefängniszelle, sondern all den Fragern und Zweiflern bis heute, die einerseits ihre Hoffnung auf den Mann aus Nazareth setzen möchten und doch in Gefahr sind, an ihm irrezuwerden, weil das, was er tut, nicht ihren Vorstellungen entspricht. Was Jesus hier sagt, ist auf der einen Seite eine Warnung an solche Menschen:
•Setzt eure Vorstellungen von dem, wie Gott zum Heil der Menschen handelt, nicht absolut.
•Lasst euch dadurch nicht davon abhalten, Gottes Handeln in Jesus zu erkennen.
Auf der anderen Seite aber ist dieser Satz eine herzliche und dringende Einladung, sich Jesus und dem, was Gott durch ihn tut, zu öffnen.
Menschen werden heil, und diejenigen, die meinen, ihr Leben sei nichts wert, erfahren, wie kostbar ihr Leben für Gott ist.
Ist Jesus der Retter der Welt, müssen wir auf einen anderen warten oder – das wäre die ganz skeptische Variante – hoffen wir vergeblich darauf, dass Gott für die Menschen wirklich Heil schafft? Das sind Fragen, die Menschen auch heute haben.
Die Antwort, die Jesus dem zweifelnden Täufer gibt, lädt auch uns ein, ihm unsere Fragen zu stellen. Und auch uns wird er sagen:
•Höre genau auf das, was von mir berichtet wird.
•Lass dir etwas mitteilen von dem, wie ich Menschen begegne und ihnen helfe.
•Und lass dich nicht gefangen halten von deinen Vorstellungen, wie Gott handeln und helfen muss.
•Sei offen für das, was Gott durch mich tat und tut.
•Und du wirst es erleben: Das ist der Weg zum Leben. So kommt das Heil, das Gott schafft.
Amen