Mit Zittern und Zagen — das Herz verstehts
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Mit Zittern und Zagen — das Herz verstehts
Liebe Gemeinde,
ich habe heute zum Beginn der Predigt einen Hammer und ein Pflock mitgebracht.
„Ihr kennt ja alle die Redewendung „Einen Pflock einschlagen“. Wer das tut, der will etwas fest machen. Der will ein Zeichen setzen, entweder für sich selbst oder für andere. Er will auf etwas hinweisen. So einen Pflock hat auch Martin Luther am 31. Oktober 1517 eingeschlagen, zwar mehr im bildlichen Sinn, aber Hammerschläge waren da zu hören. Nämlich die eines geistlichen Gelehrten, eines Theologen, der mit anderen Theologen diskutieren wollte. Also keine Reformationsabsicht. Fast so wie aus „Zufall“ die Berliner Mauer aufging, brach die Reformation durch dieses Ereignis in Wittenberg los.
Sicher die Zeit war reif. Die Reformation brauchte nur noch einen Zündfunken und so brach sie los.
Durch Paulus habt Martin Luther gelernt und auch wir „Allein aus Gnade seid ihr gerettet.“ Die eigenen frommen Werke sind es nicht, die uns das Heil bringen. Und doch schreibt Paulus im Philipperbrief Kapitel 2 folgendes:
Textlesung: Philipper 2,12-13
Also, meine Lieben, wie ihr allezeit gehorsam gewesen seid, nicht allein in meiner Gegenwart, sondern jetzt noch viel mehr in meiner Abwesenheit, schaffet, dass ihr selig werdet, mit Furcht und Zittern. Denn Gott ist's, der in euch wirkt beides, das Wollen und das Vollbringen, nach seinem Wohlgefallen.
Liebe Gemeinde!
Nun, das ist an so einem Tag, wie heute, wo wir doch besonders die Gnade sehen, sehr schwer zu verstehen:
...schaffet, dass ihr selig werdet, mit Furcht und Zittern. Und: Gott ist es, der in euch beides wirkt, das Wollen und das Vollbringen...
Also doch auch unsere Werke oder? Und wie geht denn das überhaupt zusammen? Wie soll sich das reimen?
Wie ist es denn das nun: Schaffen wir unsere Seligkeit oder wirkt sie Gott, indem er uns das Wollen und das Erreichen schenkt?
Ich denke machen von uns ist diese Frage recht schwer verständlich, auch für mich ist es nicht immer einfach zu verstehen.
Darum will ich sie einmal in die kleine Münze unseres alltäglichen Lebens umwechseln.
Darum geht es hier: Kommt am Ende aus unserem Leben mit all seinem Schuften und Schaffen, seinem Tun und Erwerben irgendetwas Bleibendes heraus?
Mit der Finanzkrise in unserer Welt heute spüren wir nur zu gut, wie schnell alles Geschaffene sich in Nichts auflösen kann.
Meine Frau hatte vorige Woche einen Termin bei der Bank, da ist sie mit dem Bankberater ins Gespräch gekommen. Da hat er ihr gesagt, so schnell wie er am Computer die Börse aufklickt, so schnell kann eine Inflation kommen und alles Geld ist weg.
Ich weiß um die Angst vieler Menschen zur Zeit um ihr Geld und ihr Vermögen, und wenn wir ehrlich sind auch wir Christen sind davon nicht frei. Doch wenn wir den Text von Paulus lesen, macht er uns nur zu gut deutlich, wo der Schwerpunkt unseres Lebens ist,
Darum sollte sich heute unsere Gedanken um die Frage drehen: Kann ich selber irgendetwas tun, was mir mein Leben ewig bewahrt oder ist das alles Gottes Geschenk, also ist alles Gnade und ganz und gar von Gott abhängig?
Diese Frage war in etwa auch die Frage, die Martin Luther vor bald 500 Jahren bewegt hat. Darauf hat er hat eine Antwort gegeben, die dann die Reformation bewirkt hat.
Seine Antwort war: "Nein, wir können selbst nichts tun, um vor Gott ewig zu bleiben und vor ihm zu bestehen.
Und das Gute ist, wir brauchen es auch nicht. Jesus Christus, der Sohn Gottes, hat unser ewiges Leben am Kreuz verdient. Kein anderer sonst.
So können wir es endlich aufgeben, uns Gottes Wohlwollen durch unsere Taten und Werke zu verdienen: Du must nicht und du brauchst nicht!
Nur eins müssen wir tun. Wir müssen ihm vertrauen, dann schenkt er uns die Ewigkeit, das ewige Leben bei ihm."
Das ist sicher mittlerweile für uns alle klar. Gott schenkt uns das ewige Leben, wenn wir ihm vertrauen.
So weit ist das ganz gut, aber was soll das nun, was da Paulus hier schreibt. Gibt es bei Gott doch noch ein Hintertürchen. Vielleicht so wie bei einem Sicherheitsprogramm im Computer oder bei Windows, wo die Leute vermuten, dass es irgendwo ein Hintertürchen gibt, wo Microsoft oder andere sie ausspionieren können.
Wie reimt sich denn da nun das Wort des Apostels mit der Erkenntnis: Allein aus Gnaden“, wie reimtt sich:...schaffet, dass ihr selig werdet, mit Furcht und Zittern?
Wir können doch nichts schaffen, was vor Gott gilt. Jesus Christus hat doch schon alles geschafft!
Ja, nicht einmal, auch wenn wir wollten, können wir irgendwie etwas schaffen, was Gott gefällt, geschweige denn etwas zu Ende bringen, also vollbringen! –
Ich denke wir werden heute richtig vom Apostel mit echt schwere Gedanken gefordert!
Es sind schwere Gedanken für den Kopf und nur für den Kopf!
Doch hier geht es heute wie in anderen Fragen auch um ein Verstehen mit dem Herzen. Und unser Herz kann viel mehr begreifen und verstehen als unser Verstand!
In unserem Leben gibt einen Bereich; da lässt sich das von Paulus Gesagte wunderbar verdeutlichen, an etwas was der "Verstand" unser Herzens ist: Die Liebe!
Ich habe vorige Woche schon einmal gefragt: Wie ist das, wenn man verliebt ist?
Haben wir dann unser Verliebt sein mit allen seinen Nebenwirkungen selbst "gemacht", geschaffen, wie es hier heißt?
War das unser Werk, wenn wir durch die Anziehung eines anderen Menschen entflammt werden, war das gar das Werk unseres Kopfes? Haben wir zu uns gesprochen: Ich will jetzt diesen Menschen lieben und all die innigen Gefühle für ihn empfinden, die uns mit einmal überkommen?
Nein! Wir können einfach gar nicht anders, als ihn lieben, diesen Menschen, der uns, wer weiß woher, so schön, so liebenswert, so einzig und wunderbar erscheint!
Und wenn wir nun unserer Liebe Ausdruck geben in Sprache und Berührung, wenn wir nur noch das Glück des anderen wollen und uns selbst verschenken, kommt das nicht auch aus dieser Liebe, die uns da ergriffen hat wie eine unwiderstehliche Macht?
Ist also nicht alles, das Wollen und das Vollbringen von außen gewirkt, von der Liebe selbst, wir wissen gar nicht wie...?
Und trotzdem schaffen wir doch mit an dieser Liebe! Wir suchen mit unserem Geist und unseren Sinnen, wie wir unsere Liebe noch besser ausdrücken können!
Wir wollen die Freude des geliebten Menschen noch größer machen, wir bemühen uns um jede Aufmerksamkeit, strengen die Gaben unseres Kopfes und all unsere Talente an, dass nur ja alles geschieht, was den Geliebten noch froher und noch glücklicher sein lässt!
Und ist nicht auch Furcht und Zittern beteiligt bei der Liebe? Dass ich nur ja nichts versäume, was diesen Menschen froh machen kann! Dass nur nichts seine Freude getrübt wird, dass vielmehr sein Glück vollkommen ist und wir zusammen in vollendeter Liebe und Harmonie leben können!
Wirklich, genau das alles trifft für die Liebe zu:
Von außen kommt mir das Wollen und das Vollbringen. Und doch bin ich auch beteiligt, doch schaffe ich auch selbst mit am Werden und Wachsen der Liebe.
Und selbst die Furcht und das Zittern werde ich fühlen, wenn mich die Liebe gepackt hat und ich sie nun meinerseits werden und wachsen lasse. Unser Herz begreift den vermeintlichen Widerspruch unseres Textes mit dem Gnadengeschehen. Und wir spüren nun, dass doch alles zusammen passt!
Und gerade genau so ist es im Glauben! Genauso geht es bei den Dingen Gottes, wenn ich frage, wie ich denn vor Gott ewig bleibe und selig werde! Unser Herz kann es verstehen, auch hier.
Vielleicht begreift es, dass der Glaube, den es geschenkt bekommen hat, wirklich eine reine Gottesgabe ist! Vielleicht staunt es, warum es ausgerechnet von Gott ausgewählt wurde, von der Hoffnung über den Tod hinaus zu zeugen. Vielleicht wundert es sich, wieso gerade solch ein Herz so gewiss sein kann, dass es einen guten Gott im Himmel gibt?
Denn woher kommt das, wenn ein Mensch glauben kann und hoffen kann und dann auch lieben kann? Wo rührt das her, dass einer sagt: "Mein Heiland Jesus Christus lebt!" und ein anderer spricht: "Das ist alles Humbug, eine Lüge der Pfaffen!" Haben wir das selbst gemacht?
Oder kam uns dieses Geschenk nicht von woanders her? Wirkt Gott nicht dieses "Vollbringen"?
Aber nicht genug damit: Das "Wollen" kommt auch schon von ihm! Und vielleicht gibt's das ja auch hier heute morgen dieses "Wollen"! Wirklich zu glauben, Gott zu vertrauen und alles in seine Hände zu legen, ist ja nicht dasselbe wie, das nur zu wollen!
Ja, vielleicht gibt es das jetzt hier: Da sitzt ein Mensch unter uns, der kann nicht glauben, der will schon, aber er kann nicht! Ein Mensch, der auf der Suche ist, also. Vielleicht bewegen diesen Menschen solche Gedanken: Wenn mir Gottes Sache doch nur einmal einleuchten würde! Wenn ich es doch nur fertig bringen könnte, sein Wort gegen meine Angst vor Krankheit und Tod zu setzen!
Wenn ich doch zu dieser Zuversicht fände, dass wirklich nach dem Tod noch etwas kommt, etwas Schönes, Herrliches, ein Leben in Gottes Nähe, ohne Ende...
So kann es aussehen, dieses GlaubenWollen, so mag es sich anhören. Und dazu wird uns nun gesagt: Auch dieses "Wollen" wirkt uns Gott! Es ist der erste Schritt, und wir dürfen gewiss sein Gott wirkt weiter. Und vielleicht spüren sie es jetzt doch schon, wie wunderbar diese Nachricht ist: Wenn ich auch nicht (noch nicht!) glauben kann, Gott hat mich schon auf den Weg gebracht! Schon an mir gehandelt, hat er, mir schon wenigstens das Wollen geschenkt, hat er!
Das ist schon viel! Und wenn sich daraus einmal der Glaube entwickelt, dann war es nicht nur viel, dann war es alles, das Ganze, dann war es der Anfang eines Lebens im Glauben an Gott und im Vertrauen auf seine Verheißungen und in der Zuversicht auf seine ewige Vollendung. Das Wollen ist schon sehr viel! Wie das Vollbringen kommt es uns von Gott her. Darum dürfen wir schon sehr dankbar sein, wenn uns das Wollen geschenkt wurde!
Und nun heißt es auch noch und das scheint wirklich ein Widerspruch zu sein: Schaffet, dass ihr selig werdet mit Furcht und Zittern.
Und unser Herz versteht auch das: Wenn mir Gott das Wollen oder das Vollbringen gegeben hat, dann will ich es festhalten, es schätzen und sehr dankbar dafür sein!
Ich will mit meinem Glauben arbeiten und Gutes schaffen, so sehr ich kann, mit allen meinen Kräften!
Wie die Liebe kann ich ja auch meinen Glauben einsetzen oder ihn brach liegen lassen. Wie bei der Liebe zu einem Menschen kann ich den Glauben pflegen und bewahren, fördern und gedeihen lassen oder ihn in meiner Seele verbergen und verschließen, dass keiner auch nur ahnt, dass ich zu Gott gehöre.
Nein, schaffen sollen wir mit unserem Glauben und an unserem Glauben, dass er immer noch weiter wächst, dass er andere Menschen neugierig macht, dass andere auch von Gott solchen Glauben erbitten.
Und selbst "Furcht und Zittern" wird manchmal dabei sein, wenn wir mit unserem Glauben arbeiten! Wie gewaltig groß kann uns manchmal dieses Glaubensgeschenk erscheinen, das wir empfangen durften! Wie unausdenkbar schrecklich, wenn wir's verlieren würden, verkommen lassen würden oder durch zu seltenen Gebrauch verkümmern ließen!
Und wer nun noch nicht glauben kann, aber schon mit dem "Wollen" beschenkt wurde, der weiß noch mehr, dass auch Fürchten und Zagen dazu gehört! Ob mir Gott wohl eines Tages noch mehr gibt als das Wollen? Ob ich immer sozusagen vor der Tür des Glaubens bleiben muss? Ob sich diese Tür nicht endlich irgendwann ganz auftut und ich eintreten darf?
Unser Kopf kann diesen Widerspruch nicht auflösen: Dass Gott alles wirkt, das Wollen und das Vollbringen und dass wir doch auch selbst an unserer Seligkeit schaffen sollen. Der Kopf kann es nicht. Unser Herz kann es.
Ich wünsche uns, dass wir sowohl das Wollen als auch das Vollbringen dankbar aus Gottes Hand empfangen. Ich wünsche uns überdies, dass wir dieses Geschenk Gottes hegen und pflegen und einsetzen, wie und wo wir nur können. So schaffen wir mit an unserer Seele Seligkeit. So begreifen wir, was sich für den Kopf nicht reimt mit unserem Herzen.
Amen.