Buß- und Bettag in Jesajas Gemeinde.

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Buß- und Bettag in Jesajas Gemeinde.

Nicht wenige sagen immer wieder: »Wir müssen mehr beten. Wir wollen einen intensiveren Gottesdienst feiern. Und: unser Glaube darf ruhig wieder etwas kosten. Darum werden wir doch die Kollekte mehr in den Mittelpunkt rücken, unser Portemonnaie großzügig öffnen und die konkreten praktischen Schritte des Glaubens betonen.«
Mehrere Gemeindemitglieder erzählen darum im Eingangsteil des Gottesdienstes sehr persönlich aus ihrem eigenen Leben, was das für sie bedeutet, was sie mit ihrem Glauben erlebt haben, wie sie selbst immer wieder so Kraft für ihren Alltag erfahren haben. Und an der Gebetszeit vor der Predigt beteiligen sich viele – eindringlich und bewegend.
Überhaupt ist der Gottesdienst gut besucht, sehr gut besucht. Viele haben sich sogar extra frei genommen, um dabei sein zu können. Die Atmosphäre ist ein wenig aufgeregt, aber doch sehr gesammelt. »Ja, dieser Gottesdienst wird uns Kraft geben und die Verbindung mit Gott fest machen.« Man ist also guter Dinge.
Doch da tritt Jesaja, der Prediger, eines Tages auf. Und er sieht gar nicht heiter aus. Sondern er ist außergewöhnlich ernst. Man ist das gar nicht von ihm gewohnt. So ernst tritt er vor die Gemeinde und beginnt zu reden:
Jesaja 1,10-17
10 Höret des HERRN Wort, ihr Herren von Sodom! Nimm zu Ohren die Weisung unseres Gottes, du Volk von Gomorra! 11
Was soll mir die Menge eurer Opfer? spricht der HERR. Ich bin satt der Brandopfer von Widdern und des Fettes von Mastkälbern und habe kein Gefallen am Blut der Stiere, der Lämmer und Böcke.
12 Wenn ihr kommt, zu erscheinen vor mir - wer fordert denn von euch, dass ihr meinen Vorhof zertretet?
13 Bringt nicht mehr dar so vergebliche Speisopfer! Das Räucherwerk ist mir ein Gräuel! Neumonde und Sabbate, wenn ihr zusammenkommt, Frevel und Festversammlung mag ich nicht!
14 Meine Seele ist Feind euren Neumonden und Jahresfesten; sie sind mir eine Last, ich bin's müde, sie zu tragen.
15 Und wenn ihr auch eure Hände ausbreitet, verberge ich doch meine Augen vor euch; und wenn ihr auch viel betet, höre ich euch doch nicht; denn eure Hände sind voll Blut.
16 Wascht euch, reinigt euch, tut eure bösen Taten aus meinen Augen, lasst ab vom Bösen!
17 Lernt Gutes tun, trachtet nach Recht, helft den Unterdrückten, schafft den Waisen Recht, führt der Witwen Sache!
Jetzt hört Jesaja auf zu reden. Doch er bleibt vor der Gemeinde stehen – wie angewurzelt.
Sein Blick ist in die Ferne gerichtet.
Gefrorene Stille.
Man glaubt, nicht richtig zu hören.
Und doch: Die Worte haben getroffen wie ein Steinschlag.
Gott sagt:
Ich höre nicht – wenn ihr auch viel betet.
Ich höre nicht hin, wenn ihr betet.
Ich ertrage eure Opfer nicht. Ich mag den Gestank eurer Opfer nicht, denn mich widert euer Verhalten im Alltag an.
Ich hasse eure Gottesdienste.
Gott platzt vor Wut. Für ihn ist jetzt Zeit zur Abrechnung. Das kann doch so nicht weiter gehen – auf keinen Fall.
Es ist allerhöchste Zeit zur Buße, zur Umkehr, zur Erneuerung Es ist Zeit, endlich zuzuhören. Es ist Zeit, reinen Tisch zu machen. Es ist Zeit, mit dem Alten aufzuhören und neu anzufangen, neu zu lernen.
Es ist höchste Zeit.
Buß- und Bettag ist höchste Zeit.
Heute ist höchste Zeit, zu hören, umzukehren und neu anzufangen.
Zu drei Schritten der Umkehr fordert Jesaja auf.
Erster Schritt: Hören
Noch redet Gott. Er redet mit euch, Er sucht euch. Er will, dass ihr umkehrt. Schließlich könnte sich ja auch schweigend zurückziehen. Doch das wäre unser Ende.
Aber: Noch redet Gott.
Noch kämpft er um uns.
Noch will er uns zurückholen.
Bei Sodom und Gomorra war es offensichtlich zu spät. Bei uns heute ist es noch nicht zu spät.
Darum ist der erste notwendige Schritt: Hören.
Hören, was Gott sagt.
Hören, was Gott will.
Endlich hören, was Gott sagt und will.
Das ist nicht selbstverständlich.
Wir sind so beschäftigt.
Wir sind so beschäftigt mit Arbeiten, mit Leben, mit dem Alltag.
Wir sind so beschäftigt: ja, auch mit Glauben, mit Beten, mit Gottesdienstfeiern, mit Spenden, mit dem Betrieb unseres Glaubens. Da vergessen wir ganz schnell zu hören. Da versagen wir, uns für Gott zu öffnen.
Der Glaube, die Glaubenspraxis, das alltägliche und sonntägliche Gewusel unseres Glaubens kann dazu führen, dass wir Gott vergessen, uns vor Gott verschließen, ihm ausweichen, an Gott vorbeileben.
Verrückte Welt!
Gottesdienst feiern, ohne Gott zu feiern.
Beten, ohne sich Gott zu öffnen.
Geben, spenden, sich einsetzen, mitarbeiten, ohne das Herz Gott zu öffnen und zu überlassen.
Glaube ohne Herz.
Das Herz ist woanders.
Es läuft alles.
Es läuft alles gut.
Es läuft alles geräuschvoll und einsatzwillig.
Aber: Wo ist das Herz? Wo ist unser Herz? Wo sind die Ohren unseres Herzens?
Können wir hören?
Können wir überhaupt noch hören?
Oder läuft der Glaube ganz gut ohne Gott ...
Hören!
Gott redet so deutlich.
Gott redet so klar.
Gott redet so brutal offen.
Gott redet so schmerzhaft drastisch.
Können wir hören?
Wollen wir hören?
Solche Worte.
Solche harten Worte.
Solche unerbittlichen Worte.
Hört.
Hört neu.
Hört auch und gerade die harten Worte.
Es ist Zeit.
Es ist höchste Zeit.
Und: es ist unsere einzige Chance.
Es ist unsere einzige Chance,
wieder zurückzukommen zu Gott,
wieder neu anzufangen mit ihm,
wieder bei ihm zu sein,
wieder mit ihm zusammen zu sein.
Das wünscht Gott sich so sehr.
Hören!
Zweiter Schritt: Sich waschen
In dieses Bild vom Sich-Waschen kleidet Gott den zweiten Schritt der Buße, der Umkehr. Jeden Morgen waschen wir uns, um uns frisch und fit für den Tag zu machen. Aber im Blick auf das Leben mit Gott lassen wir das oft bleiben.
Es ist bequemer.
Und: Vieles wollen wir auch nicht loslassen.
Und so sitzen wir im Gottesdienst – und haben dreckige Hände.
Schlimmer: wir sind vor Gott, wir strecken ihm unsere Hände entgegen – und unsere Hände sind blutig, voller Blut, voller Unrecht und Unbarmherzigkeit ...
Gott sagt: »Wenn ihr auch eure Hände ausbreitet, verberge ich doch meine Augen vor euch; und wenn ihr auch viel betet, höre ich euch doch nicht; denn eure Hände sind voll Blut.«
Wie bitte?!
Voll Blut?
Reichlich übertrieben, oder?
Hoffnungslos überspannt, was?
Nein, wir haben verdrängt, was der Herr sagt: »Wer mit seinem Bruder zürnt, der ist des Gerichts schuldig; wer aber zu seinem Bruder sagt: Du Nichtsnutz!, der ist des Hohen Rats schuldig;
wer aber sagt: Du Narr!, der ist des höllischen Feuers schuldig.«
Giftige Gedanken.
Böse Worte.
Schneidende Blicke.
Gerede.
Gegifte.
Gelästere.
An der Tagesordnung. Alltäglich. Gehören doch dazu. Die Welt ist eben kein Nonnenkloster.
Aber Gott hört’s.
Gott merkt’s.
Gott sieht’s.
Sieht das Blut an unseren Händen.
Sieht das Unrecht.
Sieht die Unbarmherzigkeit.
Sieht, wie wir uns verletzen, kränken, böse wollen und böse tun.
Sieht, wie wir einander vergessen.
Sieht, wie wir die Armen, die Kleinen, die Schwachen vergessen – und verlachen, ihre Schwäche benutzen, um uns stark, groß, besser zu fühlen.
Sieht, wie wir selbstgerecht und barmherzig behandelt werden möchten, aber bei anderen damit nicht zimperlich sind. Sieht, wie wir selbst Vergebung brauchen, aber bitter und verbohrt an den Schulden der Mitmenschen festhalten.
Sieht Bitterkeit.
Sieht Ungerechtigkeit.
Sieht Lieblosigkeit.
Kleine Dinge?
Kleinliche Sichtweise?
Der Weltmaßstab raubt einem erst recht die Ruhe – selbst wenn man ihn nur aus deutscher Perspektive sieht. Deutsche verursachen ein Weltmassaker im Zweiten Weltkrieg. Deutsche treiben pro Jahr über 100.000 Kinder ab.
Deutsche leben ihren Wohlstand auf Kosten der Zwei-Drittel-Welt.
Deutsche wollen preiswerten Kaffee trinken und leckere Schokolade essen – und fragen nicht danach, dass dafür geschätzte 200 Millionen Kinder arbeiten müssen (oft unter unmenschlichen Bedingungen) und arme Landarbeiter ausgebeutet werden.
Deutsche erben pro Jahr bis zu 200 Milliarden Euro– und verheizen das Geld für das eigene Leben.
Deutsche pochen auf ihr Recht (und wie!) – und kümmern sich wenig um die Menschenrechte in der Welt und im eigenen Land.
Deutsche essen sich satt, jeden Tag – und vergessen, dass schätzungsweise 800 Millionen Menschen noch nicht einen Tag im Leben satt wurden.
Gott sagt: »Wenn ihr auch eure Hände ausbreitet, verberge ich doch meine Augen vor euch; und wenn ihr auch viel betet, höre ich euch doch nicht; denn eure Hände sind voll Blut.«
Darum:
»Wascht euch, reinigt euch, tut eure bösen Taten aus meinen Augen, lasst ab vom
Bösen!«
Ja, aber wie?
Blut bekommt man nicht so leicht ab.
Unrecht hängt uns nicht in den Kleidern.
Unbarmherzigkeit ist in unserm Herzen eingewachsen – und wir bekommen sie nicht heraus.
Taten hängen uns nach, und wir können sie nicht ungeschehen machen.
Aus Schuld können wir nicht Nicht-Schuld machen.
Wir können es nicht.
Nein, das können wir nicht.
Das kann Gott allein.
Aber das will er auch.
Die Sätze, die Gott nach unserm Abschnitt sagt:
»So kommt denn und lasst uns miteinander rechten, spricht der HERR. Wenn eure Sünde auch blutrot ist, soll sie doch schneeweiß werden, und wenn sie rot ist wie Scharlach, soll sie doch wie Wolle werden.«
Gott allein kann Blut abwaschen.
Gott allein kann vergeben.
Gott allein kann ein Leben verändern.
Gott allein kann einen neuen Anfang machen.
Aber: Wir sollen es wollen.
Wir sollen bereit sein.
Wir sollen es erbitten.
Wir sollen dabei sein: mit dem Herzen.
Gott will, dass wir ein neues Herz bekommen.
Er allein kann es schaffen.
Und wir allein können es wollen, zulassen, erbitten und erwarten.
Darauf wartet Gott.
Darum sagt er: »Wascht euch, reinigt euch, tut eure bösen Taten aus meinen Augen, lasst ab vom Bösen!«
Dritter Schritt: Lernen
Das neue Herz, das neue Leben fängt heute an – und es geht noch lange weiter.
Buße, Umkehr ist ein Punkt.
Heute soll ich umkehren.
Heute soll ich hören, was Gott mir sagt.
Heute soll ich mein Herz neu Gott überlassen.
Heute soll ich die Entscheidung treffen, mit dem Bösen in meinem Leben aufzuhören.
Heute soll ich mich reinigen lassen von Gott.
Und: Buße, Umkehr ist ein Weg.
Jeden Tag muss ich neu mein Herz Gott öffnen.
Jeden Tag muss ich wieder hören, was Gott sagt.
Jeden Tag muss ich lernen, einüben, trainieren, zu tun, was Gott will.
Jeden Tag muss ich lernen, als Gottes Kind zu leben.
Jeden Tag muss ich wieder umkehren zu Gott.
Darum sagt Gott:
»Lernt Gutes tun, trachtet nach Recht, helft den Unterdrückten, schafft den Waisen Recht, führt der Witwen Sache!«
Gegen die Übermacht der Sünde hilft nur die Vergebung Gottes.
Gegen die Großmacht des Unrechts und der Unbarmherzigkeit in meinem alltäglichen Leben hilft nur das Lernen, das Einüben, das Trainieren in der Spur Gottes.
Das Gute sehen – und lernen, es zu tun. Schritt für Schritt.
Das Recht erkennen – und einüben, es ernst zu nehmen und umzusetzen.
Die Schwachen ansehen – und damit beginnen, nicht wegzusehen, sondern zu helfen.
Die Benachteiligten wahrnehmen – und das Herz für sie zu öffnen.
Verhalten zu ändern, dauert lange. Aber es geht.
Leben zu erneuern, ist ein langer und oft mühsamer Weg. Aber es geht.
Heute ist der Startpunkt für das neue Leben, für das neue Herz.
Heute ist der Startpunkt, neues Verhalten, neues Sehen, neues Tun zu lernen.
Heute ist der Startpunkt für den Weg mit Gott, in seiner Kraft, nach seinem Willen.
Heute ist der Startpunkt für den Weg Gott hinterher.
Drei Schritte der Umkehr, der Buße:
Hören – sich waschen – lernen.
»Hört des Herrn Wort!
Nehmt zu Ohren die Weisung unseres Gottes!«
Amen.
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