ohne steifen Hals
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ohne steifen Hals
ohne steifen Hals
Liebe Gemeinde,
ich weiß nicht, ob sie auch so gern wie ich Auto fahren. Nun meistens stelle ich mein Auto in den Pfarrhof. Wenn dann meiner Frau ihr Auto mit im Hof steht, dann muss ich rückwärts herausfahren.
Da sind für mich zwei Teile am Auto wichtig, die auch sonst beim Autofahren unverzichtbar sind: der Innen- und Außenspiegel. Ein Autofahrer, der diese Spiegel nicht benutzt, läuft Gefahr, sich und andere zu gefährden. Die Spiegel helfen, beim Straßenverkehr auf die anderen Verkehrsteilnehmer Rücksicht zu nehmen. Sie helfen uns, dass wir einen Blick nach hinten haben. Nun in modernen Autos gibt es mittlerweile sogar eingebaute Kameras mit Bildschirm. Die Sicht nach hinten ist darum wichtig, damit wir wahrnehmen, was sich um unser Auto herum abspielt. Wichtig ist es zum Beispiel beim Überholen zu wissen, ob man von hinten freie Fahrt hat. Wer eine gute Fahrt haben will, muss zurückschauen.
Aber auch das ist wichtig: Beim Blick in die Spiegel müssen wir den Kopf bewegen. Und unser Kopf muss in Bewegung bleiben, damit wir beim Autofahren richtig handeln können.
Eine Geschichte, wo es um einen starren oder besser fest gedrehten Hals geht, lesen wir im 2. Mosebuch, Kapitel 34
Textlesung: 2.Mose 34,4-10
Und Mose hieb zwei steinerne Tafeln zurecht, wie die ersten waren, und stand am morgen früh auf und stieg auf den Berg Sinai, wie ihm der HERR geboten hatte, und nahm die zwei steinernen Tafeln in seine Hand. Da kam der HERR hernieder in einer Wolke, und Mose trat daselbst zu ihm und rief den Namen des HERRN an.
Und der HERR ging vor seinem Angesicht vorüber, und er rief aus: HERR, HERR, Gott, barmherzig und gnädig und geduldig und von großer Gnade und Treue, der da Tausenden Gnade bewahrt und vergibt Missetat, Übertretung und Sünde, aber ungestraft lässt er niemand, sondern sucht die Missetat der Väter heim an Kindern und Kindeskindern bis ins dritte und vierte Glied!
Und Mose neigte sich eilends zur Erde und betete an und sprach: Hab ich, HERR, Gnade vor deinen Augen gefunden, so gehe der Herr in unserer Mitte, denn es ist ein halsstarriges Volk; und vergib uns unsere Missetat und Sünde und lass uns dein Erbbesitz sein.
Und der HERR sprach: Siehe, ich will einen Bund schließen: Vor deinem ganzen Volk will ich Wunder tun, wie sie nicht geschehen sind in allen Landen und unter allen Völkern, und das ganze Volk, in dessen Mitte du bist, soll des HERRN Werk sehen; denn wunderbar wird sein, was ich an dir tun werde.
1. Der festgedrehte Hals
Mose beklagt sich bei Gott, dass das Volk einen festgedrehten Hals hat – oder wie wir in der Lutherübersetzung lesen, dass es halsstarrig ist.
Das Volk dreht den Kopf nicht mehr. Es kann nur noch in eine Richtung blicken – nämlich von Gott weg. Darum bezeichnet Mose das Volk als halsstarrig. Wörtlich steht im Urtext: der Hals ist fest gedreht. Sie hatten sich damals entschieden, ein goldenes Kalb zu gießen und dieses als Ersatzgott anzubeten. Sie wollten einen sichtbaren Gott haben. Sie wollten einen Gott haben, den man anfassen kann. Dessen man habhaft werden kann. Sie wollten einen Gott aus Materie haben.
Sie haben sich darauf festgelegt. So war ihr Hals fest gedreht auf das, was sie geschaffen hatten. Sie bejubelten ihr eigenes Werk als Gott. Sie feierten bis zum Umfallen.
Aber auf Gott und seine Gebote wurde keine Rücksicht mehr genommen. Diese waren ganz und gar aus dem Blickfeld gewichen. Der Blick zu Gott war verschleiert.
Ist das heute so viel anders? Gewiss, die Goldenen Kälber sehen anders aus. Gleich geblieben ist die Haltung, nur in eine Richtung zu schauen ohne Rücksicht auf Gott und die Mitmenschen. In die Richtung von Gott weg zu schauen, nichts mit ihm zu tun haben zu wollen. Eigene Ersatzgötter zu machen. Am vergangenen Mittwoch im Glaubensseminar haben wir gerade über die Gottesbilder gesprochen, die Menschen haben, die auch wir haben.
Viele sehen in Gott einen Notnagel, der dann da ist, wenn man ihn sieht. Andere sehen in ihm einen Polizisten, der für Moral und Ordnung da ist. Kommt uns aber Gott persönlich in die Quere – dann wollen wir lieber nichts mit ihm zu tun haben.
Wie so ein Leben ohne Gott aussehen kann, das haben wir am vergangenen Donnerstag in der Bibelstunde in Gottesgrün gesehen als wir über Römer 1,1832 nachdachten. Es ging um den Menschen, der ohne Gott lebte.
Israel erfuhr erst einmal eine Strafe und auch Demütigung in seiner Halsstarrigkeit. Es musste das Gold des Stieres als Pulver in Wasser aufgelöst trinken.
Erst durch die Fürbitte des Moses erbarmte sich Gott wieder über das Volk und wendet sich ihm wieder zu.
2. Gott gewährt seine heilsame Gnade
Es geschieht dann doch das ganz und gar unerwartete. Gott wagt mit seinem halsstarrigen Volk einen Neuanfang. Eigentlich müsste man ihm ganz und gar davon abraten. Und mittlerweile resigniert auch der Fürbitter. Selbst Mose sieht keine grundlegende Änderung der inneren Haltung des Volkes. Es bleibt nach wie vor halsstarrig. Es bleibt von Gott abgewendet. Warum soll sich denn nun Gott über dem Volk erbarmen? Gibt es dafür einen plausiblen Grund?
Eigentlich nicht und doch wagt es Gott aufs Neue mit Israel. Er ist bewegt von der Liebe zu seinen Geschöpfen, bewegt von der Liebe zu seinem Volk. Sie ist der Grund, dass sich Gott über den Israeliten erbarmt. Die Liebe gibt nicht auf, sie resigniert nicht, auch wenn es keinen Grund für Hoffnung gibt. So sagt es uns auch Paulus in 1. Korinther 13. Die Liebe Gottes bewegt ihn zur Barmherzigkeit, zur Gnade und zur Geduld.
Diese Liebe ist der Grund, dass sich Gott auch über uns heute erbarmt.
Gott ging damals immer wieder auf Israel zu. Das ganze Alte Testament erzählt uns von dem immer wieder mit Israel neuanfangenden Gott. Von dem Gott, der Heil machen und heilen will. Von dem Gott der immer wieder zur Umkehr einlädt, auch uns.
Wie steht es mit uns heute– lassen wir uns von diesem Gott einladen? Sein Sohn Jesus Christus hat uns die Liebe Gottes nahegebracht. Wir sind von Gott eingeladen nicht mehr halsstarrig zu sein, sondern sich zu ihm umzukehren.
Diese Umkehr nennen wir auch Buße. Buße tun bedeutet auch, auf sein vermeintliches Recht vor Gott zu verzichten und die Gnade Gottes anzunehmen. Es bedeutet nicht mehr mit seinen Leistungen zu brillieren, sondern zu wissen, so wie ich bin kann ich vor Gott nicht bestehen, aber Gott nimmt mich an.
Der Pfarrer Axel Kühner schreibt dazu: Das ist das Wunder der Gnade, dass Gott uns nicht gibt, was wir verdienen, sondern das, was wir brauchen, nämlich seine Liebe und Barmherzigkeit. Seine Gnade ist heilsam. Sie heilt die Wunden, die die Sünde geschlagen hat.
Herr dein Erbarmen ist groß.
Und der Theologe Gottfried Voigt schreibt dazu: »Durch Sündenschuld wird ein personales Verhältnis gestört, ein Mensch enttäuscht, entehrt, verletzt, ihm wehgetan, Vertrauen zerstört, Bindungen gelöst, Liebe verweigert, ja letztlich nicht nur die zwischenmenschliche Relation kaputt gemacht, sondern auch die zwischen Gott und uns.«
Ihr lieben,
die Gnade Gottes heilt und macht Heil. Diese heilende Wirkung Gottes kann unter Umständen ein langer Prozess sein. Es kann auch sein, dass nicht alle Wunden heilen, besonders die nicht, die uns andere Menschen zugefügt haben, aber auch die wir anderen zugefügt haben. Auf unserer zwischenmenschlichen Ebene können Verletzungen bleiben.
Aber die Gnade Gottes wendet sich uns 100%ig zu. Und auf jeden Fall ist die Gnade eine große Hilfe für uns und unser Leben. Wir dürfen bitten, wie der Prophet Jeremia es tat: »Heile du mich, Herr, so werde ich geheilt; hilf du mir, so ist mir geholfen.«
Diese heilsame Gnade kann hineinwirken bis ins ganz und gar Körperliche. Im Evangelium haben wir die Geschichte gehört, wie vier Männer ihren gelähmten Freund zu Jesus bringen, damit er ihn heile.
Die ersten Worte, die sie aus dem Mund von Jesus hören, sind nicht: „Sei gesund!“, sondern: „Deine Sünden sind dir vergeben.“ Erst danach heilt Jesus die Lähmung des Menschen.
Darum nehmen wir doch die Gnade, die Gott uns in Jesus anbietet, mit offenem Herzen an. Sie ist auf jeden Fall heilsam für das Leben in seiner Vielfalt, für unser Leben.
3. Gott geht mit
Mose bittet nun Gott: „So gehe der Herr in unserer Mitte.“ Und Gott sagt es zu, dass er mit dem Volk Israel ist Gott verspricht erneut, mit ihnen zu gehen. Diese Verheißung gilt auch für uns der Gemeinde Jesu Christi. Sie gilt für jeden von uns auf Gott vertraut.
Wir sind eingeladen mit diesem Gott zu gehen, der uns Heil machen will, weil er die Beziehung zu ihm wieder heilmacht und erneuert. Wir sind eingeladen mit diesem Gott zu gehen und unseren Hals zu drehen auf Gott hin.
Damit wir etwas von Gottes Herrlichkeit erleben können, müssen wir beweglich bleiben. Drehen wir unseren Hals immer wieder zu Gott und zu seinen Weisungen.
Lassen wir uns von ihm etwas sagen, auch wenn das unbequem sein sollte. Drehen wir uns auch hin zum Kreuz von Jesus. Dort empfangen wir Gnade. Und die ist allemal heilsam.
Amen