Die Anziehungskraft des Mitfühlens
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Die Anziehungskraft des Mitfühlens
Die Anziehungskraft des Mitfühlens
Liebe Gemeinde,
was tun wir denn, um den Armen in unserem Umfeld zu helfen?
Gibt es bei uns Aktionen, mit denen wir den Hungrigen zu Essen verhelfen, den Bedürftigen Kleidung verschaffen oder den Obdachlosen ein Dach über den Kopf geben oder was bei uns brennend ist, dem Arbeitslosen Arbeit geben?
Diese Fragen müssen wir uns als Gemeinde, aber auch jeder von uns als einzelner Christ stellen. Sicher haben wir zur Zeit in unseren Gemeinden ein Projekt, wo wir das Unmögliche möglich machen wollen: Die Gründung unserer Evangelischen Mittelschule, aber genau dieses Projekt bezieht sich eben nicht nur auf die Bildung, sondern bindet mancher der gerade gestellten Fragen mit ein.
Ich bin froh, dass wir sie hier und auch sonst in unserer Gemeinde immer wieder stellen.
Das Lindern des menschlichen Elends in welcher Form auch immer ist untrennbar mit echtem Christsein verbunden.
Jakobus schreibt dazu: (Jak 1,27): "Ein reiner und makelloser Dienst vor Gott, dem Vater, besteht darin: für Waisen und Witwen zu sorgen, wenn sie in Not sind ..."
Überhaupt macht uns die ganze Bibel deutlich, wie wichtig es ist Notleidenden zu helfen.
Es ist in ihr von Anfang an klar: „Wo tatkräftige Hilfsbereitschaft fehlt, da stimmt auf geistlicher Ebene etwas nicht.“ Glaube und Tun gehören zusammen. Egal, ob es an der Gemeinde oder dem einzelnen liegt: Kaltherziges Christsein übt keinerlei Anziehungskraft auf Außenstehende aus. Ein klares und konsequentes Handeln, das der Liebe Christi entspricht, funktioniert dagegen wie ein starker Magnet, der Menschen zu ihm hinzieht.
Die beste Geschichte über die Bedeutung der Hilfsbereitschaft erzählt uns Jesus selber. Sie ist eine der bekanntesten Geschichten der Bibel. (Lukas 10,25-37) Ich erzähle sie etwas frei: Sie handelt von einem jüdischen Mann, der zu Fuß von Jerusalem nach Jericho unterwegs war. Plötzlich sprangen ein paar zwielichtige Typen hinter den Felsbrocken hervor und überfielen ihn.
Sie prügelten ihn bewusstlos, nahmen ihm sein Geld ab, rissen ihm die Kleidung vom Leib und ließen ihn am Straßenrand liegen.
Wenig später kam ein Priester des Wegs. Der verletzte Jude sah ihn kommen und hoffte auf Hilfe, doch der Priester machte einen Bogen um ihn und ging auf der anderen Straßenseite weiter, ohne seine Schritte auch nur zu verlangsamen. Kurze Zeit später kam ein weiterer Geistlicher, ein Levit, des Wegs. Zur unsäglichen Enttäuschung des Überfallenen ging auch er hastig an ihm vorbei.
Dann, so erzählte Jesus seinen Zuhörern, kam ein Mann aus Samarien auf der Straße näher. Obwohl das Verhältnis zwischen den Samaritern und den Juden äußerst konfliktbelastet war, verspürte dieser Samariter Mitleid mit dem Opfer des Überfalls und blieb stehen, um Erste Hilfe zu leisten. Nachdem er sich ein Bild von der Sachlage gemacht hatte, beugte er sich über den Verletzten, reinigte seine Wunden mit Öl und Wein und verband ihn.
Dann hob er den jüdischen Mann auf seinen Esel und brachte ihn zu einem Gasthaus, wo er dafür sorgte, dass der Mann ein sauberes, warmes Bett bekam.
"Ich komme für alle Kosten auf, bis der Mann wieder auf den Beinen ist", sagte er zu ihm. Ich komme später wieder und bezahle alles, was über diesen Betrag hinaus an Kosten entsteht."
Was wird da in diesem überfallenen und verletzten Mann vorgegangen sein, als er am nächsten Tag in einem bequemen Bett aufwachte und feststellte, dass jemand, den er nicht einmal kannte, seine Wunden verbunden und seine Unterkunft und Verpflegung bezahlt hatte? Vielleicht hat er dann gedacht: "Und warum ist er nicht einfach wie die anderen an mir vorbeigegangen?" Was bringt diesen Menschen dazu, so etwas für mich zu tun?
Sind das nicht genau dieselben Fragen, die sich manche stellen, denen irgendwo ganz konkret geholfen wird?
Der Ruf zu mehr Mitgefühl
Einer der Hauptgründe dafür, dass Gott von seinen Nachfolgern eine außergewöhnliche Bereitschaft zu helfen erwartet, besteht darin, dass nichts das Herz eines Menschen so öffnen kann wie aktive Nächstenliebe.
Jesus sagt: Ein neues Gebot gebe ich euch: Liebt einander! Wie ich euch geliebt habe, so sollt auch ihr einander lieben. Daran werden alle erkennen, dass ihr meine Jünger seid: wenn ihr einander liebt." (Johannes 13,34)
Wenn wir unsere Nächstenliebe füreinander zum Ausdruck bringen, werden Außenstehende dies als das Wahrzeichen eines authentischen Christseins erkennen. Es gibt ihnen ein besseres Verständnis davon, wie Gott ist, wer seine Kinder sind und warum auch sie ihm persönlich vertrauen können.
Wie oft haben Sie in letzter Zeit Mitleid mit einem Menschen in Not verspürt? Haben Sie jemandem geholfen, indem Sie ihm einen Dienst erwiesen, ihn ermutigt, ihn besucht oder ihm in irgendeiner Form Zuwendung gezeigt haben?
Um Ihnen zu zeigen wie wichtig das ist, möchte ich Sie einladen, sich eine Zahl zu überlegen, die Ihren gegenwärtigen Stand der Nächstenliebe darstellt nennen wir sie Ihren persönlichen "NächstenliebeQuotienten". Wählen Sie eine Zahl zwischen null und zehn, wobei null bedeutet, dass Ihr Herz Tiefkühltemperatur hat und zehn Sie als eine zweite Mutter Teresa ausweist.
Achten Sie darauf, dass Ihr Quotient Ihren gegenwärtigen Zustand anzeigt. Wobei die Zahl fünf unzulässig ist! Damit sind sie gezwungen, Ihre Punktzahl in eine bestimmte Richtung festzulegen.
Dinge, die unsere Nächstenliebe im Keim ersticken
Und nun wollen wir eine Untersuchung anstellen. Sie ist besonders dann angesagt, wenn Ihr gegenwärtiger »NächstenliebeQuotient« nicht über sechs liegt. Lassen Sie sich aber nicht entmutigen, sondern lassen Sie sich zum Tun anspornen. Wenn Ihr Quotient höher ist, werden Sie vielleicht einige Ideen finden, durch die Sie ihn auf die nächste Stufe erhöhen können.
Wir wollen jetzt ein paar Faktoren untersuchen, die Ihre Punktzahl torpedieren können, und wollen über notwendigen Veränderungsmaßnahmen nachdenken.
Wo Sie leben
Das erste Problem kann sein, dass Sie vielleicht ein unproduktives, negatives Familien oder Betriebsklima hinter sich haben oder noch darin stecken. Es ist eine einfache, jedoch häufig übersehene Tatsache, dass Nächstenliebe reproduktiv ist. Liebe ist produzierte Liebe. Manche von uns haben einen relativ hohen "NächstenliebeQuotienten", weil sie in einem liebevollen Elternhaus aufgewachsen sind. Andere unter uns haben den großen Vorteil, in einem positiven Betriebsklima zu arbeiten, wo Hilfsbereitschaft und Kollegialität gedeihen können, und dies sorgt für einen höheren Quotienten. Wenn ich Sie damit beschrieben habe, dann haben sie allen Grund, an Ort und Stelle ein inniges Dankgebet zu sprechen, denn Sie können sich wirklich glücklich schätzen.
Ihr "NächstenliebeQuotient" könnte dank Ihrer positiven Entwicklungsjahre oder Ihres positiven Betriebsklimas im Bereich sieben bis neun liegen.
Betrachten Sie das nicht als selbstverständlich. Es gibt viele Menschen, die verzweifelt bemüht sind, sich von den Folgen einer Umgebung zu befreien, durch die sie im Defizitbereich gelandet sind. Viele Menschen haben schon früh im Leben durch bittere Erfahrungen gelernt, dass Verachtung Verachtung hervorruft. Wenn diese Situation auf Sie zutrifft, wissen Sie vielleicht nicht, wie Sie auf das "traute Heim" reagieren sollen, in dem manche unter uns aufgewachsen sind.
Andererseits würden Sie am liebsten laut rufen: "Warum konnte ich nicht in einer solchen Familie aufwachsen? Ich habe doch immer nur Angst/Missbrauch/Verrat/Kummer gekannt. Wie soll ich da Nächstenliebe austeilen, wenn ich kaum selbst weiß, was das ist?"
Kein Wunder, dass sich solche Menschen schwertun, anderen Nächstenliebe zu erweisen!
Wie Sie leben
Noch ein Grund, weshalb mancher so einen niedrigen »NächstenliebeQuotienten« hat, besteht darin, dass wir ein ungesundes Lebenstempo vorlegen.
Denken wir einmal an das Gleichnis vom barmherzigen Samariter. Der Priester und der Levit waren vielleicht auch einmal freundliche und mitfühlende Leute. Die meisten Geistlichen sind dies, oder zumindest sind sie es zu Anfang ihrer Tätigkeit. Doch dann »entgleist« etwas bei ihnen. Das kann uns übrigens genauso ergehen. Da stürzen wir uns in unsere Karriere, wir ziehen Kinder groß, wir kämpfen mit immer größeren Lebenshaltungskosten das Leben rast immer schneller voran.
Ein ungesundes Lebenstempo wirkt sich unheimlich destruktiv aus, darum folgt automatisch: Ihr »NächstenliebeQuotient« sackt nach unten ab. Sie haben weder die Zeit noch die innere Energie, sich um Leute zu kümmern, die Hilfe brauchen. Irgendwie möchten Sie zwar etwas unternehmen, aber sie sindeinfach nicht in der Lage dazu.
Wie Sie schenken
Eine dritte Erklärung für einen niedrigen "Nächstenliebe-Quotienten" trifft zwar auf relativ wenige Menschen zu. Es ist die übertriebene Hilfsbereitschaft. Ob Sie es glauben oder nicht, es ist möglich, zu viel des Guten zu tun.
Da gibt es Leute, die als neu bekehrte Christen von einem solchen Enthusiasmus erfüllt waren, dass sie sich jedes Hilfsbedürftigen annehmen, dem sie begegnen. Sie sind so überwältigt von Gottes Gnade, dass sie seine Liebe an jeden Notleidenden weitergeben wollten, den sie auftreiben können. Und sie geben und geben; sie geben in einem solchen Übermaß, dass sie sich dabei verausgaben. Und eines Tages verspürten sie ganz kurz ein Gefühl des Grolls gegen jemanden, dem sie helfen. Dadurch lassen sie sich nicht von ihrer Helferschiene abbringen, zumindest nicht sofort. Sie ignorierten das Warnsignal und schenken weiter, wenn auch nicht mit derselben Begeisterung wie früher. Und dann stürzte das Dach über ihren Köpfen ein. Sie gelangen an einen Punkt, an dem sie sich sagten: "Das ist doch totaler Irrsinn. Ich lege mich für andere ins Zeug, aber wer hilft mir? Ich fühle mich so leer, so wütend und durcheinander. Da gebe ich mein letztes Hemd her, aber keiner denkt an mich!"
Da schlägt das Pendel der Nächstenliebe in das extreme Gegenteil aus, das dann ganz andere Töne kennt: "Andere interessieren mich nicht (mehr)!" und: "Jetzt denke ich endlich mal an mich selbst."
Leider bleibt dann das Pendel in vielen Fällen lange Jahre dort hängen. Vielleicht sind Sie von Natur aus überhaupt nicht kaltherzig, sondern Sie sind es geworden, weil Sie es mit Ihrem Helfenwollen übertrieben haben. Sie haben derartig herbe Enttäuschungen erlebt, dass das Pendel auf der Gegenseite hängengeblieben ist.
Wenn Sie jetzt Aufrufe dazu hören, notleidenden Menschen zu helfen, sagen Sie sich automatisch: "Nicht mit mir. Durch so etwas bin ich beinahe vor die Hunde gegangen!"
Leider wissen viele Menschen nicht, dass das Sorgen für andere in einem gesunden Verhältnis zum Wahrnehmen der eigenen Belange stehen muss. Auf diese Weise schützt man sich vor der totalen Verausgabung, und diesen Grundsatz hatte auch Jesus.
Er verschenkte Unmengen an Hilfsleistungen, doch dann sagte er regelmäßig: "Genug für heute. Ich gehe jetzt auf den Berg, um zu beten und allein zu sein, damit ich mich ausruhen und erholen kann."
Es gibt eine bestimmte Zeit zum Geben und eine Zeit für das Gegenteil: das Beachten der eigenen Bedürfnisse. Das bedeutet: ausruhen, die Füße hochlegen, lachen, das Leben genießen und durch Gottes "gesunden" Zeitplan wieder neue Reserven für den liebevollen Dienst am Nächsten auftanken.
Womit Sie beschenkt wurden
Und nun noch eine letzte Erklärung für einen niedrigen "NächstenliebeQuotienten".
Wie wir schon gesehen haben, erzeugt Liebe in ihrem Empfänger mehr Liebe, und Mitgefühl lässt weiteres Mitgefühl aufkeimen.
Daraus folgt, dass Menschen, die regelmäßig immer neu mit Gottes Liebe in Berührung kommen und versorgt werden, ihrerseits mit einer ähnlichen Liebe und Freundlichkeit auf andere Menschen zugehen.
Wir sind Kanäle der Liebe Gottes, keine Stauseen.
Ab und zu empfangen Menschen wie Sie und ich die Gnade und Liebe Gottes, vergessen dabei jedoch die Aufforderung aus dem Epheserbrief (5,1): "Ahmt Gott nach als seine geliebten Kinder."
Wir versagen in unserer Funktion als Kanal. Wir empfangen seine guten Gaben, darunter die Erlösung, seine Führung, die Freundschaft mit ihm, die Vergebung unserer Sünden, Gebetserhörungen und manchmal auch ein Wunder. Doch wir saugen all diese Dinge auf, ohne sie an andere weiterzugeben, und die Folge ist, dass unser "NächstenliebeQuotient" absackt.
Dabei sollte doch das Erbarmen Gottes ein Echo des Erbarmens bei uns hervorrufen. Und als Christen sind wir das gehört zu unserem Wesen die Empfänger einer unbegreiflich großen Gnade. Wir können niemals unsere Schuld und unser versagen vor Gott rechtfertigen. Unsere einzige Hoffnung besteht in der Güte Gottes. Und unser Herr erwies uns seine Liebe am Karfreitag, als er den Preis für unsere Sünden bezahlte.
An dem Tag, an dem Sie sein Geschenk für sich in Anspruch nahmen, ließ er die Liste aller Übertretungen, die Sie sich zuschulden kommen ließen, in Flammen aufgehen.
Erhöhung des Quotienten
Jeder Mensch steckt in einer besonderen Situation. Dem einen täte vielleicht nichts so gut wie ein Gang in den Wald, um zu beten und Gott zu loben. Jemand anders braucht vielleicht dringender den Austausch mit einem anderen entschiedenen Christen, der ihn ermutigt und ihm hilft, eine innigere Beziehung zu Gott zu entwickeln. Bei manchen ist es notwendig, sündige Ansichten und Verhaltensmuster abzulegen. Bei anderen ist es erforderlich, mehr Zeit mit der Bibel zu verbringen und sich darauf zu besinnen, wer Gott ist und wie sehr er sie liebt. Tun Sie das, was Ihnen hilft, seine Gegenwart und seine Liebe deutlicher zu spüren.
Wenn Sie nun aber diese Erfahrung mit Gott machen, denken Sie daran, sie nicht für sich selbst zu horten. Gott möchte, dass Sie seine Gnade annehmen und sich derartig von ihr prägen lassen, dass sie sein Erbarmen an andere Menschen weitergeben können. Lassen Sie seine Liebe und Gnade durch Sie zu anderen weiterströmen!
Alles, was wir tun, um unseren »NächstenliebeQuotienten« zu erhöhen, ist entschieden der Mühe wert. Je mehr wir Christus ähnlich werden, desto ansteckender wird unser Glaube sein.
Amen.