Gott ist bei dir
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Gott ist bei dir
Gott ist bei dir
Jesaja 49,13-16
Liebe Gemeinde,
heute wenige Tage, nachdem wir die Geburt des Christkindes gefeiert haben und eigentlich noch feiern, muss ich meine Predigt mit etwas traurigem beginnen.
Nicht weit von uns hier in Fraureuth (Gottesgrün) entfernt in Kirchberg hat eine junge Mutti ihr zweijähriges Kind verhungern und verdursten lassen. Ursache dafür ist wahrscheinlich der Noro-Virus und die falsche Behandlung der Mutter – also wahrscheinlich keine Vernachlässigung. Und dennoch erschüttert das mich sehr in diesen Weihnachtstagen. Und nun lesen wir den Predigttext von heute, wo wir doch ansonsten so schöne Weihnachtslieder singen. Und da machen wir die Entdeckung, dass genau dieses Geschehen von dem Text aufgenommen wird. Wir lesen aus Jesaja 49,13-16:
Jauchzet, ihr Himmel; freue dich, Erde! Lobet, ihr Berge, mit Jauchzen! Denn der HERR hat sein Volk getröstet und erbarmt sich seiner Elenden.
14 Zion aber sprach: Der HERR hat mich verlassen, der Herr hat meiner vergessen.
15 Kann auch eine Frau ihr Kindlein vergessen, dass sie sich nicht erbarme über den Sohn ihres Leibes? Und ob sie seiner vergäße, so will ich doch deiner nicht vergessen.
16 Siehe, in die Hände habe ich dich gezeichnet; deine Mauern sind immerdar vor mir.
Liebe Gemeinde,
kein Tag vergeht, wo die Medien nicht von misshandelten, missbraucht, getöteten oder vernachlässigten Kindern berichten. Ob die Medien das nun in besonderer Weise hochspielen – ich weiß es nicht und ich halte es hier nicht für wichtig – denn ich denke, dass diese Meldungen trotzdem wichtig sind, dass wir es hören, dass es passiert. Denn die Kinder werden nicht in Afrika, Asien oder Südamerika misshandelt, missbraucht, getötet oder vernachlässigt, sondern mitten in dem so zivilisierten und reichen Deutschland, wo doch jedes Kind eine Chance haben könnte und müsste, ein gutes Leben leben zu können. Wo jedes Kind eine Zukunft haben müsste
Wo doch Kinder ein Schatz der Nation sein müssten, wertvoller als der Goldschatz von 3.422,54 Tonnen der Bundesbank. Ja und natürlich gehören da auch die abgetriebenen Kinder dazu, die meisten nicht wegen medizinischen Gründen, sondern wegen sozialen Gründen oder weil das Kind einfach nicht gewollt sind. Und das hat nichts mehr mit dem Selbstbestimmungsrecht oder der Selbstverwirklichung des Menschen zu tun.
Ich denke an dieser Stelle müssen wir als Christen und als Gemeinde viel sensibler werden. Wir müssen neu den Menschen neben uns entdecken? Seine Nöte, Sorgen und Probleme sehen und ganz besonders die Sorgen der Kinder – wir müssen viel mehr wieder ein Auge und ein Ohr für sie haben.
Ich muss ihnen sagen, für mich ist der Predigttext heute so aktuell, wie ich es selten erlebe, wenn ich auf die Geschehnisse der letzen Tage bzw. Monate zurückblicke.
Der Text spricht davon, dass die Menschen und in diesem konkreten Fall das Volk Israel das Gefühl haben, dass Gott sie verlassen hat.
Und nun stellt sich uns die Frage: Hätte Gott nicht wirklich allen Grund dazu das zu tun?
Im Alten Testament können wir immer wieder über die Untreue des Volkes Israel gegenüber Gott nachlesen, da laufen sie anderen Göttern nach, da übertreten sie seine Gebote, Mord und Todschlag ist sogar bei den so frommen Vorbildern auf der Tagesordnung. Israelitische Könige heiraten gegen Gottes Gebot fremdländische Frauen und noch viele andere Übertretungen.
Dass da Gott eines Tages die Nase voll hat und das Volk verlässt bzw. verstößt, wen würde es wundern.
Und wie sieht es mit uns heute aus, wie oft fühlen wir oft von Gott verlassen?
Mancher wird fragen, wo war Gott als in Auschwitz und anderswo Millionen von Menschen getötet wurden und die meisten waren Menschen seines geliebten Volkes der Juden?
Wo war Gott als vor drei Jahren 240.000 Menschen vom Tsunami getötet wurde?
Wo war Gott als eine Mutter in Darry aus religiösem Wahn ihre 5 Kinder tötete?
Wo war Gott, bei der Ermordung der pakistanischen Opositionsführerin Buttho?
Wo war Gott als mein Nachbar an Krebs starb?
Fragen über Fragen, die wir stellen – aber meistens lassen wir sie doch gar nicht an uns heran. Meistens verdrängen wir sie oder schieben wir auf die lange Bank.
Ich habe zum 50sten das Buch von Hape Kerkeling „Ich bin dann mal weg“ geschenkt bekommen und lese es gerade. Da bin ich erstaunt über, die Lebenserkenntnisse und Glaubenserfahrungen, die er bei der Wanderung besser Pilgerung nach Santiago de Compostela macht. Da lässt er gerade diese so schweren Fragen an sich heran und macht dabei überraschende Entdeckungen.
Morgen in der Silvesterpredigt werde ich am Anfang ein kleines Stück aus dem Buch vorlesen.
Nun stellt sich uns auch uns heute und hier die Frage: Hat Gott uns verlassen?
Als gute Christen würden wir jetzt so gleich mit nein antworten. Wir würden sagen, dass er bei uns ist, dass er uns begleitet und uns trägt auch in den schweren Zeiten. Wir würden uns die Geschichte von den „Spuren im Sand“ erzählen. Und im Prinzip haben wir recht damit. Aber sind wir vielleicht nicht doch zu schnell mit unserer Antwort beim Nein.
Wo bleiben denn da unsere Zweifel? Wo bleiben denn unsere Frage, unsere Sorgen unsere Ängste und Nöte alles das, was sich in unserem Inneren herumbewegt und uns wie ein schwerer Stein im Bauch liegt. Wo bleibt das?
Da hören wir aus 1. Petrus 5,7:
Alle eure Sorge werft auf ihn; denn er sorgt für euch.
Aber machen wir das wirklich, oder sind wir nicht doch Weltmeister im Verdrängen alles dessen, was uns zu bestimmten Zeiten wie ein schwerer Kloß im Bauch liegt.
Darum ist es wichtig, dass wir auch die Zweifel in uns zulassen., dass wir unsere Zweifel und Fragen hören. Es klingt zwar fast ein wenig platt, aber ist wahr: Nur der der zweifelt, kann richtig glauben.
Nun stehen aber die Fragen von vorhin und noch viele mehr immer noch im Raum – und ich muss ihnen sagen, sie werden auch weiterhin als unbequeme Fragen im Raum stehen bleiben. Sie werden auch weiter als Fragen in uns bohren. Denn auf viele von ihnen werden wir hier und heute und vielleicht sogar unser ganzes Leben lang keine Antwort finden.
Die einzige Antwort, die wir heute hören, lautet: Gott ist da.
Gott war in den Vergasungslagern von Auschwitz dabei.
Gott war bei dem Tsunami vor 3 Jahren dabei.
Gott war bei der Ermordung der 5 Jungs dabei.
Gott war bei der Ermordung von Frau Buttho dabei
Gott war bei dem Tod des Zweijährigen dabei.
Gott war beim Leid und Tod des krebskranken Nachbarn dabei.
Gott ist auch bei dir in deinem Leid, in deinen Schicksalsschlägen, in deinen Nöten und Ängsten, in deinen Zweifeln und Fragen.
Gott ist bei dir.
An dem Negativbeispiel, dass eine Frau ihr Kind verlässt, zeigt uns Gott wie treu und zuverlässig sein will. Es ist nicht das Normale, dass eine Frau ihr Kind verlässt, oder tötet oder vernachlässigt. Die Natur zeigt uns genau das Gegenteil auf. Eher stirbt eine Mutter, als dass sie ihr Kind verlässt oder ihm etwas zu leide tut. Es ist also nicht nur ein persönliches oder menschliches Problem, wenn Eltern (ich schließe auch den Vater mit ein) ihre Kinder misshandeln, missbrauchen, vernachlässigen und töten. Nein das ist auch und besonders ein Problem unserer missratenen Wohlstandsgesellschaft.
Gott nun bezieht das ganze als ein fast unmögliches Negativbeispiel ein. Sollte eine Frau entgegen ihrer natürlichen Bestimmung doch ihr Kind verlassen, er wird es nicht tun – Gott ist da – Gott ist bei dir. Du kannst ihm trotz aller Zweifel und Fragen, Ängste und Sorgen vertrauen.
Wer von uns einmal das alles richtig durchbuchstabiert hat, der wird sicher dann auch zu der Antwort kommen, dass uns Gott nicht verlassen hat.
Aber die Antwort hat jetzt einen ganz anderen Sitz. Das erste „Gott hat uns nicht verlassen“, dass viele Christen spontan und schnell geben, hat seinen Sitz irgendwo im Kopf – es ist das, was wir auswendig gelernt haben und jeden Sonntag im Gottesdienst oder in der Bibelstunde hören. Als guter Christ muss man das wissen.
Doch das zweite „Gott hat uns nicht verlassen“ kommt aus der Tiefe aus unserem Herzen. Wir haben es durchbuchstabiert, vielleicht sogar mit dem eigenen Leben und Erleben, mit dem eigenem Schicksal, mit dem eigenen Glauben und Zweifeln – dieses „Gott hat uns nicht verlassen“ ist elementar – ist das Vertrauen, dass uns trägt auch in der Krisis unseres Lebens.
Weihnachten – Gott ist da – das große Fest des Daseins Gottes in unserer menschlichen und vergänglichen Welt haben wir gerade gefeiert.
Und wir machen dieses „Gott ist da“ gerade auch heute mit dem Singen der Weihnachtslieder uns wieder neu bewusst.
Und wenn es da heißt „Gott ist da“, dann ist er eben nicht in einem Palast oder Schloss, sondern wenn es heißt „Gott ist da“ – dann finden wir ihn am Rande der Gesellschaft, der Zivilisation – da wo man ihn nicht erwartet – in einem Stall liegend in eine Futterkrippe. Wir finden ihn bei den Elenden und Ausgestoßenen. Wir finden ihn in der Armut der Menschen. Ein Bild dafür sind die Hirten.
Und wenn die Reichen, die Erfolgreichen, die Schönen zu Gott wollen, dann müssen sie sich aufmachen, wie die Weisen aus dem Morgenland. Sie müssen ihre Schlösser und Villen, ihre Schönheitssalons, ihre Superpartys, ihre Banken und Büros und auch ihre Prunktempel und Prunkkirchen verlassen. Sie müssen sich aufmachen, um Gott zu finden – Gott, der da ist und der sich erbarmt.
Das Kind in der Krippe ist das große Zeichen Gottes, dass er da ist – aber das Ganze ist noch nicht das Ende, sondern es geht weiter. Daraufhin weisen die Worte: „Siehe, in die Hände habe ich dich gezeichnet; deine Mauern sind immerdar vor mir.“
Sind das nicht Hinweise darauf, dass das Kind in der Krippe eines Tages der Mann am Kreuz sein wird. Und das mit dem Tod des Mannes am Kreuz auch Gott sterben wird. Doch Gott stirbt eben nicht einen sinnlosen Tod, sondern damit wir Menschen leben können. Denn Gott gibt uns mit der Auferstehung das Zeichen des Lebens. Und das Kreuz wird für uns das große Zeichen der Nähe Gottes.
Gott ist - da Gott ist bei dir – das ist die frohmachende und große Botschaft des Tages heute. Sie kommt von Weihnachten her und lässt uns auf das vergangene Jahr zurückblicken und auf das kommende in fester Zuversicht zu schauen
Gott ist da – Gott ist bei dir.
Amen