Wozu ist der Sonntag da?
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Wozu ist der Sonntag da?
Predigt
Liebe Gemeinde,
seit ein paar Jahren wird in unserem Land stark diskutiert, welchen Stellenwert hat der Sonntag.
Da gibt es Leute in der Wirtschaft, die auf Grund wachsender Konkurrenz besonders aus Asien gern den Sonntag als normalen Arbeitstag sehen würden.
Andere würden gern den Sonntag als Einkaufstag sehen, wo auch die Läden offen sind. Einige Versuche dazu gibt es schon.
Andere sind vehement dagegen. Sie sehen noch in dem Sonntag den christlichen Feiertag und Ruhetag. Dazu gehören auch die Kirchen. Und ich bin auch der Meinung, dass der Sonntag Gott und der Familie gehört.
Aber um diesen Tag wird halt nicht erst seit ein paar Jahren diskutiert, sondern schon seit Jesus. Nur damals war die Diskussion genau umgekehrt. Damals gab es Menschen, die das Gesetz der Sabbatruhe über das Leben der Menschen gestellt haben.
Wir wollen heute einmal der Frage nach gehen:
Wozu ist der Sonntag da?
Hören wir dazu ein Wort aus dem Markusevangelium, Kapitel 2:
Textlesung: Markus 2,23-28
Und es begab sich, dass er am Sabbat durch ein Kornfeld ging, und seine Jünger fingen an, während sie gingen, Ähren auszuraufen. Und die Pharisäer sprachen zu ihm: Sieh doch! Warum tun deine Jünger am Sabbat, was nicht erlaubt ist? Und er sprach zu ihnen: Habt ihr nie gelesen, was David tat, als er in Not war und ihn hungerte, ihn und die bei ihm waren: wie er ging in das Haus Gottes zurzeit Abjatars, des Hohenpriesters, und aß die Schaubrote, die niemand essen darf als die Priester, und gab sie auch denen, die bei ihm waren? Und er sprach zu ihnen: Der Sabbat ist um des Menschen willen gemacht und nicht der Mensch um des Sabbats willen. So ist der Menschensohn ein Herr auch über den Sabbat.
Liebe Gemeinde!
"Manchmal müssen die Menschen, die am Sonntag Gottes Wort hören, recht harte und deutliche Worte anhören!" Das hat einmal ein Gemeindeglied zu seinem Pfarrer gesagt. Mir hat das zu denken gegeben. Würden sie das wohl auch von mir sagen?
Und wenn ja, müsste ich dann etwas ändern an meinem Predigen, dass ich nicht mehr so deutlich spreche? Könnte ich das überhaupt? Und: Wäre das gut? Denn ist es nicht das Wort der Heiligen Schrift, das auch hart ist, uns einiges zumutet und manches von uns fordert? Und müssen wir Prediger nicht das weitersagen, was wir in der Schrift lesen - selbst dann, wenn es uns Hörern einmal nicht schmeckt?
Und das ist jetzt ja keine Floskel von mir, wenn ich "uns Hörer" sage. Auch ich stehe nicht über, sondern genauso unter dem Wort. Es ist immer auch an mich selbst gerichtet und ich werde ebenso wie ihr von ihm in Frage gestellt. Wenn ich am Sonntag predige, dann predige ich immer zuerst mir selbst.
Trotzdem: Die Predigt ist immer auch Auslegungssache, Interpretation und doch, so glaube ich, sie ist immer geistgewirkt.
Vielleicht war in mancher Predigt, die sie schon gehört haben, doch zu viel Forderung und Mahnung enthalten?
Vielleicht kommt hin und wieder dann das "Evangelium", d.h. die "frohe Botschaft" zu kurz.
Vielleicht erheben wir Prediger manchmal zu sehr den moralischen Zeigefinger und sprechen zu wenig Trost und Ermutigung zu und predigen weniger die Befreiung als die Strafe für die Sünde?
Ich will heute darauf achten, dass hier wirklich die gute Nachricht von Gottes Liebe laut wird, damit heute jeder von euch ein Stück davon mitnehmen kann.
Und da ist heute also die Geschichte vom Ährenraufen am Sabbat dran. Gleich wieder eine große Versuchung moralisch zu predigen.
Da würde ich doch zu gern über die Art sprechen, wie so viele Menschen in unserem Dorf ihren Sonntag verbringen und - wie ich finde – auch teilweise richtig vergeuden:
Mit Schlafen bis zum Mittagessen, mit Autowaschen, während manch anderer zur Kirche geht, mit Arbeit, genau wie an den Werktagen auch... Aber das wäre keine frohe Botschaft, wenn ich den moralischen Zeigefinger erhebe.
Damit würde ich mich auch ganz in die Nähe der Pharisäer stellen, die Jesus belehren wollen: "Das tut man nicht! Das ist nach dem Gesetz Gottes am Sabbat verboten."
Nein, ich will das Evangelium herausstellen, und das heißt wohl: "Der Sabbat ist für den Menschen da, nicht der Mensch für den Sabbat."
Wenn ich das für uns in unsere Zeit übertrage, dann klingt das jetzt so:
Was auch immer ihr am Sonntag tut, wenn es euch Freude gibt und Erholung und ihr damit keinen stört und beschwert, dann ist es gut. Wie auch immer ihr euren Sonntag gestaltet, es ist eure Sache, der siebte Tag gehört allein euch.
Womit ihr am Sonntag auch immer eure Zeit verbringt, es geht niemand anderen etwas an, und ihr seid niemandem Rechenschaft schuldig, nicht einmal Gott, denn er hat den Feiertag für euch gemacht.
Das ist doch nun frohe Botschaft, oder?
Ich vermute, das ist für einige hier schon fast wieder zu froh und vor allem zu frei. Darf ich am Sonntag denn wirklich alles machen, was mir einfällt?
Und dann, der sonntäglich Gottesdienst? Wo kommt denn der jetzt vor? Wir sind schließlich zum Gottesdienst gegangen, so viele andere nicht. Wir tun das nicht aus bloßer Pflichterfüllung, aber gehört das nicht zum Sonntag, dass ich Gottes Wort höre? Ist das denn wirklich jedem Einzelnen so frisch und frei überlassen, ob er Gott die Ehre geben will oder etwa bis mittags schläft oder beim Frühschoppen im Dorfgemeinschaftshaus hockt?
Ist es nicht so: Wir möchten selbst gern, weil wir heute morgen unseren Gottesdienst feiern, doch wenigstens ein bisschen besser dastehen als die anderen, die anders ihren Sonntag gestalten. Jetzt hätten wir alle doch ein wenig mehr "Gesetz" in den Worten Jesu.
Er aber sagt nur: Der Sonntag ist für den Menschen da; und das heißt nun mal: Er gehört dir, du kannst damit machen, was du willst.
Da ist uns, wenn wir ganz ehrlich sind, die Freiheit, die Jesus predigt, gar nicht mehr so recht.
Öffnet das nicht aller Liederlichkeit Tor und Tür? Irgendeine Ordnung muss es doch für den Sonntag geben. Es kann doch nicht alles gleichgültig sein, was ich mache!
Vielleicht hilft uns da jetzt die Geschichte weiter, die Jesus dazu erzählt: Die Leute Davids aßen einmal vom Opferbrot, das Gott geweiht war und nur die Priester essen durften. Diesen Frevel heißt Jesus gut. Warum?
Ich glaube, entscheidend ist ein Wörtchen: Sie waren "hungrig", so sagt er. Das bedeutet: Das Opferbrot war für die Männern des David "lebensnotwendig". Wenn wir das jetzt in Jesu Wort über den Sabbat hinein buchstabieren, könnte das so heißen: Der Sabbat ist für den Menschen da, damit er tut, was ihm zum Leben notwendig ist.
Wie gefällt uns jetzt das? Ist das jetzt nicht doch eine gewisse Ordnung, ein klarer Maßstab, an den man sich halten kann?! - Ich finde das schon!
Auch mit diesem Maßstab bleibt jeder frei, das zu tun, was er selbst möchte: Jawohl, ich darf am Sonntag ausschlafen. Jawohl, ich darf Gott in meinem Kämmerlein oder beim Spaziergang in Wald suchen.
Ich kann in den Gottesdienst gehen. Ich darf sogar mein Bier beim Frühschoppen trinken.
Allerdings: Sollte ich mich bei schon fragen, ob es mir wirklich zum Leben nötig ist, was ich tue.
Diese Frage soll und muss sich jeder selbst beantworten, denn keiner weiß, was dem anderen nötig ist.
Ich darf am Sonntag ausschlafen. - Vielleicht wird sich einer, der am Sonntag gern die Ruhe sucht, dann fragen: Ist der Schlaf für mich nicht vielleicht ein Mittel, die Zeit totzuschlagen an einem Tag, an dem ich sonst mit mir nichts anzufangen weiß. Und dann: Wäre anderes für mich nicht wichtiger als Schlafen, und vor allem: zum Leben nötiger? Könnte ich aus dem Sonntag nicht mehr machen, als einen Tag, um versäumten Schlaf nachzuholen?
Ich darf Gott in meinen Kämmerlein oder beim Spaziergang im Wald suchen. - Einer, dem dieser Satz entspricht, könnte sich einmal Gedanken darüber machen, ob er in Kammer oder Wald Gott je wirklich gefunden hat? Die Ruhe in meinem Zimmer ist noch nicht Gottes Stimme. Das Säuseln der Blätter spricht noch lange nicht seine Worte! Und Leben ist für den Menschen ja wohl auch mehr als die Stille eines Kämmerleins oder die Schönheit einer lauschigen Waldlichtung. Ein armes Leben, das sich nur aus Schweigen und Blätterrauschen ernährt. Meine Seele braucht nahrhaftere Kost und deutlichere Weisung.
(Aber, halt, ich hebe wieder den Finger!)
Ich kann in den Gottesdienst gehen. - Wem das zum Sonntag gehört, der mag sich fragen, warum er geht. Aber er frage sich ehrlich. Denn es könnte dann auch herauskommen: Es ist auch viel Zwang dabei, viel "Muss" und der Gedanke an Pflicht. "Was mir lebensnotwendig ist", das war der Maßstab. Dieser Maßstab ist erfüllt, wenn ich aus freien Stücken komme, nicht weil "vielleicht aus unserem Haus jeden Sonntag einer geht, und ich heute dran war", und nicht, "weil mein Kind zurzeit im Konfirmandenunterricht ist", auch wenn ich mir bei einigen Konfirmandeneltern hin und wieder wenigstens diesen Gedanken wünschte.
Nein, ich soll gern kommen. Denn nur dann wird mir Gott auch etwas sagen können.
Wer hier gezwungenermaßen sitzt, den kann sein Wort nicht erreichen. Allerdings kann ich auch etwas dafür tun, dass mir der Gottesdienst am Sonntag etwas gibt:
Ich muss nur eine Woche lang einmal bewusst zu versuchen aus dem Glauben heraus zu leben, bei meinen Entscheidungen im Alltag fragen, was hätte Jesus getan, wie hätte er jetzt geantwortet, wie ginge seine Liebe jetzt vor, und schon wird mir nach kurzer Zeit deutlich, wie wichtig das Angebot des Gottesdienstes für mich wird. Denn genau hier gibt es in unserer Zeit Denkanstöße für Menschen, die Jesus Christus nachfolgen wollen, hier gibt es Anregung, wie wir im Glauben und im Leben wachsen und uns entwickeln. Hier hören wir eine Antwort auf unsere Fragen?
Liebe Gemeinde, der Sonntag ist für den Menschen da, damit er tue, was ihm zum Leben notwendig ist. Ich möchte das Evangelium dieses Sonntags so hören:
Jede Woche neu, schenkt dir dein Gott einen Feiertag. Dieser Tag soll dir zum Leben helfen, dir Freude, Ruhe, Erholung und Kraft geben. Darum hole aus diesem Tag heraus, was nur immer für dich an Kraft und Schönem darin liegt. Vergeude ihn nicht, denn du musst wieder sechs Tage davon leben, und zwar dein ganzer Mensch, Leib und Seele!
Meine Predigt heute, wie schon dem Wort Gottes, das sie auslegt, geht es nicht darum, jemanden zu ärgern oder klein zu machen, sondern darum, uns zum Kern dieser Geschichte vom Ährenraufen zu führen, und der will uns befreien, verändern und froh machen:
Der Sonntag ist für den Menschen da, damit er tue, was ihm zum Leben notwendig ist.
Amen.