In Freiheit leben

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In Freiheit leben

Liebe Gemeinde,
wer von uns möchte nicht frei sein? Wer von uns träumt nicht mit Reinhard May „Über den Wolken muss die Freiheit wohl grenzenlos sein. Alle Ängste, alle Sorgen, sagt man, blieben darunter verborgen, und dann würde das, was groß und wichtig erscheint, plötzlich nichtig und klein.“?
Und dann spüren wir in unserem eigenen Leben, wie wir doch eingebunden sind in Normen und Richtlinien, in Gesetze und Verordnungen, in Kultur und Gesellschaft, in Beruf und Arbeit, in Traditionen und Ethos. Eingebunden, manchmal sogar richtig gefesselt. Und wir kommen nicht los.
Wir empfinden das ganze als Last und Belastung?
Heute hören wir einen Bibeltext, den mancher von uns auch als Belastung empfindet In 2. Mose 20,1-17 lesen wir folgendes:
1 Und Gott redete alle diese Worte:
2 Ich bin der HERR, dein Gott, der ich dich aus Ägyptenland, aus der Knechtschaft, geführt habe.
3 Du sollst keine anderen Götter haben neben mir.
4 Du sollst dir kein Bildnis noch irgendein Gleichnis machen, weder von dem, was oben im Himmel, noch von dem, was unten auf Erden, noch von dem, was im Wasser unter der Erde ist:
5 Bete sie nicht an und diene ihnen nicht! Denn ich, der HERR, dein Gott, bin ein eifernder Gott, der die Missetat der Väter heimsucht, bis ins dritte und vierte Glied an den Kindern derer, die mich hassen,
6 aber Barmherzigkeit erweist an vielen tausenden, die mich lieben und meine Gebote halten.
7 Du sollst den Namen des HERRN, deines Gottes, nicht missbrauchen; denn der HERR wird den nicht ungestraft lassen, der seinen Namen missbraucht.
8 Gedenke des Sabbattages, dass du ihn heiligest.
9 Sechs Tage sollst du arbeiten und alle deine Werke tun.
10 Aber am siebenten Tage ist der Sabbat des HERRN, deines Gottes. Da sollst du keine Arbeit tun, auch nicht dein Sohn, deine Tochter, dein Knecht, deine Magd, dein Vieh, auch nicht dein Fremdling, der in deiner Stadt lebt.
11 Denn in sechs Tagen hat der HERR Himmel und Erde gemacht und das Meer und alles, was darinnen ist, und ruhte am siebenten Tage. Darum segnete der HERR den Sabbattag und heiligte ihn.
12 Du sollst deinen Vater und deine Mutter ehren, auf dass du lange lebest in dem Lande, das dir der HERR, dein Gott, geben wird.
13 Du sollst nicht töten.
14 Du sollst nicht ehebrechen.
15 Du sollst nicht stehlen.
16 Du sollst nicht falsch Zeugnis reden wider deinen Nächsten.
17 Du sollst nicht begehren deines Nächsten Haus. Du sollst nicht begehren deines Nächsten Frau, Knecht, Magd, Rind, Esel noch alles, was dein Nächster hat.
Liebe Gemeinde,
diese Worte sind Stoff nicht nur für die eine Predigt heute, sondern für mindestens 10 weitere Predigten.
Die Zehn Gebote, wie empfinden wir sie? Als Worte der Last oder als Worte der Freiheit? Die meisten vielleicht doch mehr als Worte der Last „Du sollst nicht“.
Mir sind sie als erstes als etwas negativ aufgestoßen, b besonders als ich sie als Konfirmand auswendig lernen musste, wo ich doch gegen das Auswendiglernen eine Abneigung habe. Auch heute müssen sie unsere Konfirmanden auswendig lernen. Und ich kann mir vorstellen., dass es manchen der Konfirmanden so geht wie mir.
Könnten Sie sich vorstellen, dass diese zehn Gebote Worte der Freiheit sind? Worte, die uns frei machen? Worte, die uns zum Leben führen?
Hören wir noch einmal den ersten Satz:
„Ich bin der HERR, dein Gott, der ich dich aus Ägyptenland, aus der Knechtschaft, geführt habe.“
Oder wir würden heute übersetzen: „Ich bin der Herr, dein Gott, dein Befreier.“
Das Volk Israel als Sklaven geknechtet in der Gefangenschaft in Ägypten, total unfrei. Die Menschen hatten keinen eigenen Willen. Sie mussten das tun, was die Herrschenden von ihnen verlangten. Sie waren auf Gedeih und Verderben den Ägyptern ausgeliefert. Billige Arbeitskräfte – für den Bau ägyptischer Prunkbauten.
Und nun begegnet ihnen Gott als Befreier, als Befreier aus dieser Sklaverei. Mose wurde von Gott bevollmächtigt, das Volk aus der Gefangenschaft in Ägypten herauszuführen. Gott begegnet dem Volk als sein Befreier.
Sie erfahren Freiheit und dann spüren sie doch, dass diese absolute Freiheit auch nicht das Wahre ist. Sie sehnen sich nach Gesetz und Ordnung, nach Maßstab und Norm. Sie jammern: „Wollte Gott, wir wären in Ägypten gestorben durch des HERRN Hand, als wir bei den Fleischtöpfen saßen und hatten Brot die Fülle zu essen. Denn ihr habt uns dazu herausgeführt in diese Wüste, dass ihr diese ganze Gemeinde an Hunger sterben lasst.“ 2. Mose 16,3
Veränderung birg immer Gefahren und Unsicherheit in sich. Hier wird deutlich, dass die absolute Freiheit auch nicht das Maß aller Dinge ist und das Risiko des Scheiterns in sich birgt. Darum fängt das Volk hier an gegen Gott zu murren. Es wird deutlich, dass wir Menschen trotz aller Freiheit auf gewisse Normen, Richtlinien und Regeln angewiesen sind. Wir brauchen sie wie ein Geländer, wenn wir die Treppe hochsteigen.
Das gilt auch für uns Christen und für unser Leben als Christen. Darum schreibt gerade Martin Luther in seiner Schrift „Von der Freiheit eines Christenmenschen“ dieses Paradoxon:
"Ein Christenmensch ist ein freier Herr über alle Dinge und niemand untertan. Ein Christenmensch ist ein dienstbarer Knecht aller Dinge und jedermann untertan."
Genau in diesem Spannungsfeld leben wir als Christen. Dazu hat jemand geschrieben: „Wir sind frei, um zu dienen.“ Oder wie es Friedrich von Bodelschwingh ausdrückt: „Die Freiheit eines Christenmenschen besteht in der freiwilligen Beugung unter Gott und Gottes Wort.“
Für das Volk Israel waren diese 10 Gebote etwas absolut Revolutionäres, etwas, was ihr Leben radikal verändert. Denn in ihrem Freisein gab es Regeln, die ihr Verhalten zu Gott und ihr Verhalten untereinander ordneten. Sie haben in ihrem Freisein Ordnungen, nach denen sie sich jetzt richten konnten und nach denen sie lebten. Und bezeichnend ist das diese Regeln auch heute nach fast 3500 Jahren noch funktionieren.
Auch wir spüren in unserem Leben nur zu gut, dass das absolute Freisein nicht funktioniert. Jede Gemeinschaft, an der wir teilhaben, hat seine Regeln. Denken Sie nur einmal an ihre eigene Familie. Gibt es da nicht auch Ordnungen und Regeln, sonst würde das Ganze nicht funktionieren? Denken sie einmal an das Miteinander im Betrieb oder in der Schule. Und natürlich auch in unserer Kirchgemeinde. Sie sind selten aufgeschrieben, aber sie sind da. In der Familie kann es schon vorkommen, dass es dann Spannungen zwischen der älteren oder jüngeren Generation gibt.
Auch in einer Gemeinde kann es vorkommen, dass Teile der Gemeinde mit Ordnungen und Regeln nicht einverstanden sind.
Manchmal bedarf solche Ordnung auch einer Reformation eine Veränderung, weil sich unser Zusammenleben und unsere Kultur geändert haben. Doch wir machen die Entdeckung, dass dennoch gerade diese 10 Gebote bleiben, trotz aller Veränderung in unserer Gesellschaft bleiben. Sie begegnen uns als Leitlinien für unser Leben. Leitlinien, die uns vom Abgrund fernhalten.
Sie sind Gottes Richtlinien, damit wir nach seinem Willen leben können. Richtlinien, die uns helfen, auch in unserem Glauben an Jesus Christus zu wachsen. Richtlinien, die uns helfen, dass unser Leben gelingt. Und es sind Richtlinien, die uns auch klar machen, dass beides ganz eng zusammengehört: - die Liebe zu Gott und die Liebe zu unserem Mitmenschen.
Der Theologe Ernst Lange hat die zehn Gebote als „Die zehn großen Freiheiten" bezeichnet. Und er hat recht: Die zehn Gebote sind eben nicht Gesetze und Einengungen, sondern sie ermöglichen uns unsere Freiheit, um die es heute geht.:
Die zehn großen Freiheiten (Ernst Lange)
Du brauchst keine Angst zu haben!
Ich, der allmächtige Gott, will dein Helfer sein.
Du brauchst dir nichts einreden zu lassen!
Ich, der allmächtige Gott, will dein Lehrer sein.
Du brauchst mich nicht zu zwingen, dir zu helfen!
Ich, der allmächtige Gott, bin ganz freiwillig dein Freund.
Du brauchst dich nicht zu Tode hetzen!
Ich, der allmächtige Gott, will dein Meister sein.
Du brauchst nicht in ständiger Auflehnung zu leben!
Ich, der allmächtige Gott, will dein Vater im Himmel sein.
Du brauchst die anderen nicht als Konkurrenten zu behandeln!
Ich, der allmächtige Gott, will dein Beschützer sein.
Du brauchst dich nicht „auszutoben“!
Ich, der allmächtige Gott, will der Stifter deines Glücks sein.
Du brauchst dich nicht unehrlich zu bereichern!
Ich, der allmächtige Gott, will dein Versorger sein.
Du brauchst nicht von der Wahrheit abzuweichen!
Ich, der allmächtige Gott, habe Vertrauen zu dir.
Du brauchst nicht neidisch zu sein!
Ich, der allmächtige Gott bin der Geber guter Gaben für dich.
Genauso wie das Volk Israel leben wir als Christen heute von der Zusage Gottes in den zehn Geboten: „Ich bin euer Befreier. Ich bin euer Gott - ihr seid mein Volk.“
Durch Jesus Christus hat uns Gott befreit, von der Macht dieser Welt, in der wir leben, von der Macht der Sünde, die uns gefangen hält, und von der Macht des Teufels, der darauf aus ist, die Absichten und Pläne Gottes für unser Leben zu zerstören. Wenn wir in der Freiheit der Kinder Gottes leben, dann müssen wir nicht mehr irgendwelchen Mächten, Halbgöttern und Autoritäten hinterherlaufen. Sondern wir können Gott ganz und gar vertrauen und unser Leben bei ihm geborgen wissen und ihm vertrauen.
„Ich bin euer Gott - ihr seid mein Volk.“ Diesen Antrag macht Gott damals Mose und den Israeliten. Er gilt für das Volk Israel bis heute. Er gilt dem neuen Gottesvolk, das sich auf Jesus Christus beruft. Er gilt jedem von uns. Lassen wir uns darauf ein und vertrauen wir ihm, dann werden wir trotz oder gerade wegen der Regeln und Ordnungen die Freiheit erleben - Gottes Freiheit.
Dann gilt für uns auch die Zusage Gottes, die er Abraham gemacht hat: „Ich will dich segnen und du sollst ein Segen sein.
Amen.
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