Gal. 1,1-10 - Das Evangelium der Gnade
Das Geschenk der Gnade - staunen, begreifen, erleben • Sermon • Submitted
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Einleitung
Einleitung
“Das Geschenk der Gnade - staunen, begreifen, erleben” - So lautet das Thema unserer neuen Predigtreihe, die wir heute beginnen. Wir wollen uns darin mit dem Galaterbrief beschäftigen. Diesem Brief des Apostels Paulus liegt - wie sonst keinem anderen seiner Briefe - das Thema “Gnade” zugrunde.
Wir haben uns ja in unserer letzten Predigtreihe mit der Bibel beschäftigt und ihrer bleibenden Bedeutung für uns heute. Die Bibel ist das lebendige Wort Gottes. Sie ist und bleibt daher der Maßstab, an dem wir uns als Gemeinde orientieren wollen und auch müssen, wenn wir unsere Aufgabe als Gemeinde des lebendigen Gottes ernstnehmen.
Dieses bleibende und gültige Wort Gottes ist aber - und das sehen wir gerade auch jetzt, bei unserer Beschäftigung mit dem Galaterbrief - immer zunächst ein Text, der nicht direkt für uns geschrieben wurde. Wenn wir nun verstehen wollen, was dieser Text für uns heute bedeutet, dann müssen wir uns mit der damaligen Situation, den damaligen Fragestellungen und Problemen, in die hinein der Text Gottes Wort spricht, beschäftigen.
Wir werden uns heute also zunächst mit dem Brief des Paulus an die Galater und der damaligen, historischen Situation beschäftigen. Im zweiten Schritt wollen wir dann untersuchen, was Paulus mit dem Begriff “Gnade” eigentlich meint, wie zentral dies für die Botschaft des ganzen Neuen Testamentes ist, und welche Probleme es in den Gemeinden Galatiens damals gab. Und dann geht es um die Frage, was das jetzt für uns heute bedeutet.
1. Der Galaterbrief
1. Der Galaterbrief
Während der letzten Predigtreihe haben wir uns ja viele Videos des “Bibelprojektes” angesehen. Das wollen wir heute auch noch einmal tun, indem wir uns das Video zum Galaterbrief miteinander anschauen. Es führt uns ziemlich gut in das Thema des ganzen Briefes und auch unserer Predigtreihe ein:
VIDEO Bibelprojekt Galaterbrief
Der Brief des Paulus an die Galater - das ist vermutlich der erste Brief des Apostels Paulus im Neuen Testament. Auf seiner ersten Missionsreise (ca. 46-47 n. Chr.) hatte Paulus das südliche Galatien besucht und hier verschiedene Gemeinden gegründet. Vermutlich handelte es sich zu dem Zeitpunkt des Briefes hauptsächlich um kleinere Gemeinden, die sich in verschiedenen Privathäusern versammelten. Bei seiner zweiten Reise (ca. 49-51 n. Chr.) hat er diese Gemeinden dann wieder besucht und sie gestärkt und unterstützt.
Der Brief wurde also vermutlich irgendwann zwischen 47 und 49 n. Chr. geschrieben. Offenbar hatten schon sehr bald nachdem Paulus zurück nach Antiochien gekommen war, einige jüdische Christen die Gemeinden aufgesucht. Sie waren nicht einverstanden damit, dass Heiden, also Nicht-Juden, ebenfalls zu Gottes Gemeinde gehören konnten, ohne dass sie vorher Juden geworden waren.
Wenn man sich die verschiedenen Briefe des NT anschaut, dann war das die große Streitfrage der ersten Gemeinde. Konnte man Christ sein, ohne vorher Jude zu werden? Musste man sich also beschneiden lassen und sich dadurch dem gesamten alttestamentlichen Gesetz, das durch Mose am Berg Sinai dem Volk Israel gegeben worden war, unterordnen?
Eigentlich hatte Gott diese Frage sehr deutlich beantwortet, als er den Christen in Antiochien den Heiligen Geist gegeben hatte, genauso wie das vorher in Jerusalem bei der Pfingstpredigt des Petrus geschehen war. Und wenn sie den Heiligen Geist hatten, gehörten sie doch zu Gottes Volk, seiner Gemeinde! Das war auch die Predigt von der Gnade Gottes in Jesus Christus gewesen, die Paulus den Menschen in Galatien verkündigt hatte, und die diese angenommen hatten.
Aber jetzt stellten die Judenchristen, die die Gemeinden besuchten, dies infrage. Wer war schon Paulus? Er war ja gar kein richtiger Apostel. Und dann war er von einer heidenchristlichen Gemeinde, der in Antiochien, ausgesandt. Also welche Autorität hatte er schon? Bestenfalls konnte er sich auf Petrus berufen, den Paulus bei seinem ersten Besuch in Jerusalem getroffen hatte. Petrus hatte den Dienst des Paulus bestätigt und anerkannt, dass Gott ihn als Apostel zu den Heiden geschickt hatte.
Also: wer war dieser Paulus und wie konnte er sich mit seiner Botschaft gegen alles stellen, was seit Jahrhunderten anerkannte göttliche Lehre war: dass Gott sich das Volk Israel als sein Volk ausgesucht hatte und dass jeder, der zu Gott kommen wollte, dies nur über dieses Volk Gottes, Israel, tun konnte. Und das wiederrum bedeutete, dass man sich beschneiden lassen und das alttestamentliche Gesetz halten musste. Nur dann konnte man auch vollwertiger Christ sein.
Ich finde es sehr spannend, wie Paulus mit diesen Vorwürfen und dieser Lehrmeinung umgeht. Schauen wir uns das einmal etwas genauer an:
Galater 1,1–5 (LUT84)
Paulus, ein Apostel nicht von Menschen, auch nicht durch einen Menschen, sondern durch Jesus Christus und Gott, den Vater, der ihn auferweckt hat von den Toten, und alle Brüder, die bei mir sind, an die Gemeinden in Galatien: Gnade sei mit euch und Friede von Gott, unserm Vater, und dem Herrn Jesus Christus, der sich selbst für unsre Sünden dahingegeben hat, dass er uns errette von dieser gegenwärtigen, bösen Welt nach dem Willen Gottes, unseres Vaters; dem sei Ehre von Ewigkeit zu Ewigkeit! Amen.
Wie in antiken Briefen damals üblich beginnt Paulus damit, dass er zunächst sich selbst vorstellt: “Paulus, ein Apostel nicht von Menschen, auch nicht durch einen Menschen, sondern durch Jesus Christus und Gott, den Vater, der ihn auferweckt hat von den Toten, und alle Brüder, die bei mir sind.”
In den meisten seiner Brief ist die Selbst-Vorstellung des Paulus deutlich kürzer. Oft steht nur: “Paulus, Apostel Jesu Christi”. Schließlich kennen die Gemeinden ihn ja gut genug. In diesem Fall aber macht er deutlich, dass er nicht ein Apostel von Menschen ist, auch nicht durch einen Menschen dazu berufen wurde.
Was ist eigentlich ein “Apostel”? Das griechische Wort bedeutet eigentlich “Abgesandter” oder “Botschafter”. Paulus wurde nicht von Menschen gesandt. Wenn die Irrlehrer ihm also vorwerfen, dass er seine Autorität von der Gemeinde in Antiochien habe, dann ist das nicht richtig. Seine Autorität kommt von Jesus Christus und Gott, dem Vater. Und wenn sie ihm unterstellen, dass es nur Petrus gewesen sei, der ihn in seinem Dienst bestätigt habe, ist auch das falsch.
Schon mit diesen ersten Worten macht Paulus also deutlich, dass der Vorwurf der Irrlehrer nicht stimmt. Er ist ein Apostel, weil Jesus selbst ihn dazu beauftragt hat. Damals, als er ihm in dieser Vision auf dem Weg nach Damaskus begegnet war und ihn berufen hatte, das Heil Gottes, das Evangelium von der Gnade Gottes in Jesus Christus, bis an die Enden der Erde zu tragen.
Nach dieser ausführlichen Selbstdarstellung kommt relativ kurz die Nennung der Adressaten: “an die Gemeinden in Galatien”. Das ist übrigens ziemlich knapp und kurz, fast schon ein wenig schroff.
Wie in allen Paulusbriefen folgt dann ein Gruß an die Adressaten:
Gnade sei mit euch und Friede von Gott, unserm Vater, und dem Herrn Jesus Christus, der sich selbst für unsre Sünden dahingegeben hat, dass er uns errette von dieser gegenwärtigen, bösen Welt nach dem Willen Gottes, unseres Vaters; dem sei Ehre von Ewigkeit zu Ewigkeit! Amen.
“Gnade sei mit euch und Friede von Gott” - Gnade und Friede, mit diesen beiden Segenswünschen beginnt Paulus jeden seiner Briefe. Und mit dem Wunsch der Gnade Gottes endet er auch jeden seiner Briefe. Es ist wie eine Klammer um alles, was gesagt wird: die Gnade Gottes.
2. Das Evangelium der Gnade
2. Das Evangelium der Gnade
Paulus hat nur ein Evangelium, und das ist das Evangelium der Gnade. Was das bedeutet, erläutert er jetzt hier in den Versen 4 und 5:
Jesus hat sich selbst für unsere Sünden dahingegeben, um uns zu erretten von dieser gegenwärtigen, bösen Welt.
Zwei Themen greift Paulus hier auf: 1. Die Erlösung von unseren Sünden und 2. Die Rettung aus der “gegenwärtigen, bösen Welt”. Schauen wir uns das einmal etwas genauer an:
1. Die Erlösung von unseren Sünden:
Paulus spricht davon, dass Jesus sich selbst für unsere Sünden dahingegeben hat. Er greift damit ein Thema auf, das die Bibel von den ersten Seiten her hat: wie können wir erlöst werden? Wie kann Vergebung geschehen? Seit damals Adam und Eva im Garten Eden gesündigt haben, prägt Sünde uns Menschen. Sünde jetzt nicht in dem rein moralischen Sinn. Mord, Lüge, Ehebruch, Neid und Geiz - das sind alles Folgen unserer Sünde. Sünde im eigentlichen Sinn ist etwas anderes. Sie ist das Leben ohne Gott, das Leben nach eigenen Maßstäben. Und deshalb ist auch wirklich jeder Mensch ein Sünder, selbst wenn er moralisch hochstehend wäre und sich von all diesen Folgen der Sünde fernhalten würde.
Im mosaischen Gesetz gab es dafür die Opfer. Ein Tier musste sterben, stellvertretend für den Menschen, der eigentlich den Tod verdient hatte. Aber dieses Tieropfer konnte die Sünde nicht wirklich wegnehmen. Es sorgte dafür, dass Gott die Sünde nicht mehr zurechnete. Aber es war nur eine vorübergehende Lösung.
Erst als Jesus am Kreuz starb, sorgte er für eine wirklich “Erlösung von unseren Sünden”. Jesus gab sich selbst hin für unsere Sünden, so heißt es hier. Er, der als einziger Mensch nicht gesündigt hatte, der nie losgelöst von Gott gelebt hatte, starb stellvertretend unseren Tod. Damit endete automatisch auch alle Notwendigkeit, nun noch weiter irgendwelche Tieropfer zu bringen. Er brachte damit einen neuen Bund, der wirkliche Vergebung bedeutete.
Warum also sollte man nun wieder zurückgehen zu dem alten Bund, dem Bund, den Gott mit dem Volk Israel am Sinai geschlossen hatte? Dieser Bund war vorbei! Damit meine ich nicht, dass Israel nun nicht mehr Gottes Volk war oder dass die Verheißungen Gottes für Israel aufgehoben worden wären. Das macht Paulus sehr deutlich im Römerbrief.
Aber als Weg zum Heil gab es nun einen anderen Weg als die Tieropfer des Alten Bundes. Einen Weg, der wirklich Vergebung brachte. Wer an Jesus glaubte, wer ihn zum Herrn seines Lebens machte, dessen Schuld war wirklich weg. Der hatte nun Gott zum Vater.
Dreimal in den Versen 1 bis 5 nennt Paulus Gott “Vater”. Das ist das Evangelium der Gnade: Gott wird zu unserem Vater, weil Jesus unsere Schuld am Kreuz getragen und uns dadurch mit Gott versöhnt hat. Der Weg zu Gott ist frei. Der Vorhang im Tempel ist zerrissen. Gott ist mein Vater im Himmel geworden. Was brauche ich mehr??
“Gnade und Frieden” - mit diesen beiden Worten umschreibt Paulus das, was Jesus gebracht hat. Gnade - das bedeutet die unverdiente Zuwendung Gottes. Oder, wie Paulus im Römerbrief schreibt: Christus starb für uns, als wir noch Sünder waren (Röm. 5,9). Wir haben nichts zu leisten und wir können auch gar nichts leisten, um uns die Gnade zu verdienen. Dann wäre es ja keine Gnade mehr!
Und “Friede” - das beschreibt das neue Verhältnis, das jetzt zwischen Gott und uns herrscht. Ein Verhältnis, in dem alles in Ordnung ist. Alles ist so, wie es sein soll. Ich glaube, dass bei Paulus hier das alttestamentliche Verständnis des Worte “Friede” im Hintergrund steht: Schalom. Das meint einen Zustand des Heils. Alles ist so, wie es sein soll. Es steht daher für Gesundheit, Heil in den Beziehungen, Wohlstand, Frieden. Oder, um es mit anderen Worten zu sagen: Der heilige und allmächtige Gott ist mein Vater, der mich unendlich liebt!
Ein zweites umfasst dieses Evangelium der Gnade:
2. Die Rettung aus der “gegenwärtigen, bösen Welt”.
Wörtlich steht hier: “dass er uns herausreiße aus der gegenwärtigen, bösen Welt”. Dahinter steht das Bild einer Befreiung aus einer starken Macht, die mich gefangen hält. Die “gegenwärtige, böse Welt” - das ist nicht das, was wir als Christen so manchmal meinen, wenn wir von “Welt” reden. Gemeint ist diese Welt als das Reich des Teufels, das Reich der Finsternis. Als damals Adam und Eva sich entschlossen, nicht Gott zu gehorchen, sondern von der verbotenen Frucht zu essen, kamen sie und diese ganze Welt unter die Herrschaft des Teufels. Und aus dieser Herrschaft sind wir jetzt durch Jesus Christus herausgerissen!
In Kol. 1,13 schreibt Paulus es so:
Er hat uns errettet von der Macht der Finsternis und hat uns versetzt in das Reich seines lieben Sohnes,
Dieser zweite Aspekt richtet sich also weniger nach hinten, auf das, wovon wir gerettet wurden. Es geht eher darum, wozu uns das Evangelium der Gnade befreit hat: dass wir jetzt frei leben können und Gott dienen. Jesus ist eben nicht nur der Erlöser, er ist auch der Herr.
Die biblische Gnade geht immer in zwei Richtungen: Zum einen ist es eine Gnade der Erlösung von unserer Schuld. Gott wird zu unserem Vater, ohne dass wir irgendetwas dazu beitragen müssen oder können. Und dann ist es eine Gnade, die uns herausreißt aus der Gefangenschaft unter die Sünde und uns frei macht zu einem Leben, wie es Gott gefällt.
Natürlich wird das hier nur angedeutet. Paulus wird später im Brief auch das noch weiter ausführen. Aber es gehört schon hier, am Anfang, dazu. Wir sind erlöst und befreit, um jetzt als Erlöste und Befreite zu leben. Und das bedeutet auch, dass wir uns nicht wieder einfangen lassen sollen von Menschen, die unsere Erlösung oder Befreiung infrage stellen, oder die noch etwas dazufügen, was wir eben auch noch benötigen, damit unser Heil vollkommen ist.
3. Kein anderes Evangelium
3. Kein anderes Evangelium
Paulus hat sich in den ersten fünf Versen an die Grundregel gehalten, die damals für Briefe galt, auch wenn er sie inhaltlich etwas speziell gestaltet hat. Er hat begonnen, indem er sich selbst vorstellt und dann die Empfänger nennt. Und dann hat er einen einleitenden Segenswunsch für die Empfänger angefügt.
An dieser Stelle folgt nun bei allen anderen Briefen des Apostels eine Vorrede, in der er für die Gemeinde und die Gemeindeglieder dankt, an die der Brief gerichtet ist. Hier finden wir die stärkste Abweichung von dem, was normalerweise üblich ist. Die Vorrede des Briefes besteht nicht aus einem Dank oder Lob der Gemeinde, sondern einem massiven Tadel. Paulus beginnt mit den Worten:
“Mich wundert …” Heute würden wir vielleicht sagen: “Ich muss mich doch sehr wundern ...”. Und statt darüber zu sprechen, wie sehr die Christen in der Gemeinde in Galatien für ihren Glauben bekannt geworden sind oder welche großartigen Gaben Gott ihnen geschenkt hat, wie das in vielen anderen Briefen der Fall ist, bringt Paulus sein Entsetzen zum Ausdruck darüber, wie schnell die Gemeinden in Galatien das Evangelium der Gnade verlassen haben:
Galater 1,6–9 (LUT84)
Mich wundert, dass ihr euch so bald abwenden lasst von dem, der euch berufen hat in die Gnade Christi, zu einem andern Evangelium, obwohl es doch kein andres gibt; nur dass einige da sind, die euch verwirren und wollen das Evangelium Christi verkehren. Aber auch wenn wir oder ein Engel vom Himmel euch ein Evangelium predigen würden, das anders ist, als wir es euch gepredigt haben, der sei verflucht. Wie wir eben gesagt haben, so sage ich abermals: Wenn jemand euch ein Evangelium predigt, anders als ihr es empfangen habt, der sei verflucht.
Paulus wundert sich darüber, wie schnell die Christen in Galatien sich haben abwenden lassen von dem Evangelium der Gnade Christi. Und damit wenden sie sich auch ab von Gott, der sie in diese Gnade hinein gerufen hat. Das Wort, das im griechischen Text für “berufen” steht ist das gleiche Wort, das auch in dem Wort “Gemeinde” steckt: Ekklesia - die herausgerufenen.
Dahinter steht auf der einen Seite die aus dem AT bekannte Versammlung des Volkes Gottes und auf der anderen Seite die im römischen Reiche übliche Volksversammlung der stimmberechtigten römischen Bürger. Sie bildeten die “Ekklesia”, also die aus ihren Häusern heraus zusammengerufenen Bürger. Und genauso hatte Gott auch die Gemeinden in Galation gerufen, sie waren Bürger des himmlischen Königreiches geworden.
Davon hatten sie sich jetzt abgewandt, als sie den Lehren der judenchristlichen Irrlehrer gefolgt waren. Sie hatten damit das Evangelium selbst verlassen. Das Wort “Evangelium” wird in diesen Versen zweimal als Substantiv und dreimal als Verb benutzt. Es ist das eigentliche Thema dieses Abschnittes. Wörtlich übersetzt bedeutet "Evangelium” : “gute Botschaft” und “evangelisieren” bedeutet “gute Botschaft verkündigen”. Dahinter stehen sicher Texte aus dem AT wie der aus Jes 52,7:
Wie lieblich sind auf den Bergen die Füße der Freudenboten, die da Frieden verkündigen, Gutes predigen, Heil verkündigen, die da sagen zu Zion: Dein Gott ist König!
Aber der griechische Begriff “Evangelium” wurde auch im römischen Kaiserkult verwendet. Wenn ein Sohn eines Kaisers geboren wurde oder ein neuer Kaiser gekrönt wurde, dann wurde diese gute Botschaft im ganzen römischen Reich verkündet. In allen diesen Fällen benutzte man dabei das Wort “Evangelium”.
Paulus und mit ihm die Gemeinde des ersten Jahrhunderts stellte also den vielen guten Botschaften, die im römischen Reich im Zusammenhang mit dem Kaiserkult verkündet wurden, die eine gute Botschaft des Königs gegenüber, der wirklich und dauerhaft König ist und bleibt: Jesus Christus, der Kyrius (Herr) - ein Wort, das ebenfalls sonst nur für den Kaiser verwendet wurde.
“Das Evangelium der Gnade”, so habe ich diese Predigt überschrieben. Das ist die eine gute Nachricht, die alle anderen guten Nachrichten weit überstrahlt. Die gute Nachricht von dem König aller Könige und Herrn aller Herren, der in seiner Barmherzigkeit Mensch wurde und für unsere Schuld am Kreuz starb, der dann auferstand und durch seine Himmelfahrt zum König über alles gekrönt wurde.
Um nichts weniger geht es hier. Das sind die Galater im Begriff zu verlieren. Sie haben sich zu einem anderen Evangelium hingewandt, schreibt Paulus, schränkt dann aber gleich ein, dass es gegenüber diesem Evangelium von der Gnade in Jesus Christus eigentlich gar kein anderes Evangelium, keine wirkliche “gute Nachricht” geben kann. Alles andere ist eben nicht “die” gute Nachricht der Gnade und Erlösung.
Im weiteren Brief wird Paulus dieses Thema immer wieder aufgreifen und auch deutlich machen, was das eigentlich Gefährliche an dieser Irrlehre ist. An dieser Stelle will er nur zunächst absolut klarstellen, dass es bei diesem Thema keine zwei Meinungen geben kann.
Es gibt durchaus viele Themen, bei denen man unterschiedliche Meinungen haben kann. So schreibt Paulus in Röm. 14,5:
Der eine hält einen Tag für höher als den andern; der andere aber hält alle Tage für gleich. Ein jeder sei in seiner Meinung gewiss.
Aber wenn es um das Evangelium der Gnade gibt, kann es keine Kompromisse geben. Wer meint, dass man neben Jesus noch etwas Anderes braucht, um gerettet zu werden, der verliert das Evangelium. Zweimal spricht Paulus in diesem Zusammenhang davon, dass derjenige verflucht ist.
Selbst wenn, so Paulus, wir selbst oder gar ein Engel vom Himmel eine solche Botschaft verkündigen würden - “der sei verflucht”. Und wenn das sogar für Paulus oder einen Engel gelten würde, dann gilt es auch für jeden anderen: Wer ein anderes Evangelium verkündigt, der sei verflucht.
Vielleicht denkst du jetzt: Das ist aber starker Tobak. Das ist ziemlich intolerant. Hätte Paulus das nicht weniger scharf sagen können?
Nein, das kann er wirklich nicht. Denn hier geht es darum, dass da jemand meint, das Opfer von Jesus sei nicht ausreichend gewesen. Dabei ist dieses Opfer doch das höchste Opfer, das je gebracht wurde! Und wenn man darüber nachdenkt, was dieses Opfer am Kreuz Gott selbst gekostet hat, dann wird klar: Wer dieses Opfer nicht als ausreichend ansieht, wer da etwas hinzufügt, der verliert alles. Und wer das dann anderen auferlegt und sie damit wegführt von dem Evangelium der Gnade, der macht sich selbst der größten Sünde schuldig, die es überhaupt gibt.
Wir stehen heute normalerweise nicht in der Gefahr, die jüdische Beschneidung oder die Einhaltung der alttestamentlichen Speisegebote oder der Feste Israels als Voraussetzung für das Christwerden zu verkündigen. Aber vielleicht gibt es andere Dinge, die an diese Stelle treten können. Immer, wenn es “Jesus und ...” heißt, wird es problematisch.
Dabei geht es nicht darum, dass unser Glaube an Jesus Folgen haben muss in unserem Leben. Darüber haben wir z.B. nachgedacht, als wir uns den Jakobusbrief angeschaut haben. Und auch Paulus würde das keineswegs anders sagen.
Das Problem entsteht immer dann, wenn man der Meinung ist, sich das Heil oder die Liebe Gottes irgendwie verdienen zu müssen. Wenn man denkt, dass die Gnade nicht ausreicht. “Um Christ zu werden und als Christ zu leben, musst du aber ....”. Oder: “Wenn du wirklich Christ sein willst, dann ...” Oder: “Gott liebt dich nur, wenn ...” Oder auch nur “Gott liebt dich noch viel mehr, wenn ...”
Alles das sind moderne Wege, den Irrweg der Galater einzuschlagen. Ob es eine bestimmte Art der Kleidung ist, die du tragen musst, um Christ zu sein, oder einen bestimmten Lebensstil oder eine bestimmte theologische Überzeugung - immer dann, wenn diese Dinge als notwendig angesehen werden, um “richtig” Christ zu sein, verkündigen wir ein anderes Evangelium.
Natürlich hat unser Christsein durchaus Folgen für alle diese Bereiche: für die Kleidung, die wir tragen, den Lebensstil, den wir haben und die theologischen Überzeugungen, die wir pflegen. Aber es sind eben die Folgen, weil wir Christ geworden sind. Weil Gott uns bedingungslos angenommen hat und mit unendlicher Liebe liebt. Sie sind nicht Voraussetzungen dafür, nicht einmal dafür, dass Gott uns noch ein klein wenig mehr liebt als bisher. Denn Gott liebt uns schon zu 100%. Mehr Liebe, als die Liebe, die er damals am Kreuz erwiesen hat, gibt es nicht! Mehr Gnade ist nicht möglich. Mehr Evangelium ist nicht denkbar, ein anderes Evangelium ist keines!
Wir werden uns in den nächsten Wochen noch ausführlich mit dem beschäftigen, was dieses “Evangelium der Gnade” bedeutet. Heute Morgen war es mir wichtig, dass wir zum einen verstehen, in welchen historischen Kontext hinein der Galaterbrief geschrieben ist. Und dass wir erkennen, wie ungeheuer groß und außergewöhnlich die frohe Botschaft ist, die wir zu verkündigen haben:
Gott liebt Dich, und war völlig unverdient, aus lauter Gnade. Er sucht dich und will dein Vater werden und sein. Alles, was du dafür tun musst, ist, dass du dich beschenken lässt. Als Jesus damals am Kreuz gestorben ist, hat er alle Schuld der Welt, auch deine, ein für allemal bezahlt. Das ist Gnade, rein und unverdient.
Wenn du dieses Geschenk der Vergebung noch nicht angenommen hast, dann lade ich dich heute Morgen ein. Wir werden gleich miteinander Abendmahl feiern und dabei in ganz besonderer Weise an diese Evangelium der Gnade denken. Die Vergebung, die das Blut Jesu uns schenkt und die Gemeinschaft der Gemeinde, die im Brot zum Ausdruck kommt. Mach es doch für dich fest. Lass dich beschenken von Gott. Er will dein Vater im Himmel werden.
Wenn du dazu noch Fragen hast oder gerne mit jemand darüber reden möchtest, dann komm doch hinterher auf mich oder jemand anders aus der Gemeinde zu. Gerne reden wir mit dir und beten mit und für dich. Auch in unserer Gebetszone wird es nachher dafür eine Möglichkeit geben. Lass dich beschenken von Gottes Liebe!
Amen