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Predigttext: 1. Mose 16
Genesis 16 LUT84
Sarai, Abrams Frau, gebar ihm kein Kind. Sie hatte aber eine ägyptische Magd, die hieß Hagar. Und Sarai sprach zu Abram: Siehe, der Herr hat mich verschlossen, dass ich nicht gebären kann. Geh doch zu meiner Magd, ob ich vielleicht durch sie zu einem Sohn komme. Und Abram gehorchte der Stimme Sarais. Da nahm Sarai, Abrams Frau, ihre ägyptische Magd Hagar und gab sie Abram, ihrem Mann, zur Frau, nachdem sie zehn Jahre im Lande Kanaan gewohnt hatten. Und er ging zu Hagar, die ward schwanger. Als sie nun sah, dass sie schwanger war, achtete sie ihre Herrin gering. Da sprach Sarai zu Abram: Das Unrecht, das mir geschieht, komme über dich! Ich habe meine Magd dir in die Arme gegeben; nun sie aber sieht, dass sie schwanger geworden ist, bin ich gering geachtet in ihren Augen. Der Herr sei Richter zwischen mir und dir. Abram aber sprach zu Sarai: Siehe, deine Magd ist unter deiner Gewalt; tu mit ihr, wie dir’s gefällt. Als nun Sarai sie demütigen wollte, floh sie von ihr. Aber der Engel des Herrn fand sie bei einer Wasserquelle in der Wüste, nämlich bei der Quelle am Wege nach Schur. Der sprach zu ihr: Hagar, Sarais Magd, wo kommst du her und wo willst du hin? Sie sprach: Ich bin von Sarai, meiner Herrin, geflohen. Und der Engel des Herrn sprach zu ihr: Kehre wieder um zu deiner Herrin und demütige dich unter ihre Hand. Und der Engel des Herrn sprach zu ihr: Ich will deine Nachkommen so mehren, dass sie der großen Menge wegen nicht gezählt werden können. Weiter sprach der Engel des Herrn zu ihr: Siehe, du bist schwanger geworden und wirst einen Sohn gebären, dessen Namen sollst du Ismael nennen; denn der Herr hat dein Elend erhört. Er wird ein wilder Mensch sein; seine Hand wider jedermann und jedermanns Hand wider ihn, und er wird wohnen all seinen Brüdern zum Trotz. Und sie nannte den Namen des Herrn, der mit ihr redete: Du bist ein Gott, der mich sieht. Denn sie sprach: Gewiss hab ich hier hinter dem hergesehen, der mich angesehen hat. Darum nannte man den Brunnen »Brunnen des Lebendigen, der mich sieht«. Er liegt zwischen Kadesch und Bered. Und Hagar gebar Abram einen Sohn, und Abram nannte den Sohn, den ihm Hagar gebar, Ismael. Und Abram war sechsundachtzig Jahre alt, als ihm Hagar den Ismael gebar.
Ihr Lieben,
wer von euch war schonmal auf dem Brocken? …
Ich hörte mal von so einem Fremdenführer, der auf dem Brocken zu den Leuten sagte: „Wenn Sie jetzt in Richtung Osten blicken, dann sehen Sie Elend und Sorge.“
Die Frage an uns: Was sehen wir gerade, wenn wir uns einmal in unserem Leben umblicken? Wahrscheinlich sehen wir unterschiedliche Dinge; hoffentlich viel Freude, hoffentlich Hoffnung und Zuversicht. Aber vielleicht sehen wir auch Elend und Sorge, Dinge mit denen wir konfrontiert sind, die wir nicht so leicht zu bewältigen wissen.
Die Geschichte, mit der wir uns heute beschäftigen — und aus der die Jahreslosung für dieses Jahr stammt, der Bibelvers, der über dieses Jahr gestellt wurde — diese Geschichte ist voller Elend.
Zuerst ist da ein älteres Ehepaar, der Mann ist schon Mitte 80, die Frau wahrscheinlich ähnlich alt. Ihr Elend besteht darin, dass sie so gern ein Kind hätten, aber keines haben — und das obwohl Gott ihnen doch sogar ein Kind versprochen hatte! Verständlicherweise macht sich mit der Zeit immer mehr Unmut breit, Verzweiflung zieht auf.
Sie versuchen ihr Elend selbst zu lösen und greifen dabei zu eher fragwürdigen Mitteln. Die Sklavin der Frau soll zur Leihmutter werden — in der damaligen Zeit nicht einmal unüblich — doch war es das, was Gott gemeint hatte? Offensichtlich wollen sie Gott und Seiner Verheißung auf die Sprünge helfen.
Wie die Bibel uns diese ganze Begebenheit berichtet, erinnert mich an 1. Mose 3: Die Frau kommt mit einer Idee — hier die Sklavin als Leihmutter, dort die eigentlich verbotene Frucht —, der Mann nickt nur ab und am Ende geht es irgendwie schief. In beiden Fällen fehlt das Vertrauen in Gott, das Festhalten daran, dass Er es gut meint und gut machen wird.
Kennen wir Momente, in denen uns Vertrauen in Gott fehlt? In denen wir Ihm am liebsten auf die Sprünge helfen würden? In denen wir uns so sehr danach sehnen, Gottes Handeln erleben zu dürfen — aber nichts passiert!?
Die Krankheit, die mir das Leben schwer macht, verschwindet nicht, sondern bleibt. Gott nimmt sie nicht weg. Menschen aus meiner Familie, für die ich seit vielen Jahren bete, ändern sich nicht und finden Gott nicht. Schon mehrere Jahre gibt es keinen Pfarrer im Ort, obwohl es so gut wäre.
Sieht Gott unsere Sorgen und Nöte, unser Elend nicht? Der allmächtige Gott greift nicht ein? Da kann sich schonmal Unmut breit machen, Ratlosigkeit und Verzweiflung drohen aufzuziehen.
Die beginnende Geschichte des Volkes Israel zeigt uns, dass Gott Seine eigenen Zeitpläne hat: Während ihr knappe 6 Jahre auf einen Pfarrer warten musstet, sind es bei Abram und Sarai — wie sie hier noch heißen — sogar 14 Jahre! Noch 14 Jahre wird es dauern, bis Gott Seine Verheißung erfüllt und Isaak geboren wird, der versprochene und gesegnete Nachkomme!
Es dauert zwar aus unserer Perspektive sehr lang, aber Gott erfüllt Seine Verheißung. Die Geschichte von Abram, Sarai und Hagar, lehrt uns, an Gott festzuhalten, Ihm zu vertrauen — auch dann wenn wir ungeduldig werden und Gott nicht verstehen können.
Bei Abram und Sarai jedenfalls tut sich die Kehrseite des eigenen Vorpreschens auf, die Kehrseite dessen, dass sie Gott auf die Sprünge helfen wollten. Natürlich kommt es zum Streit. Die Sklavin, die beweist, dass die bisherige Kinderlosigkeit nicht an Abram, sondern an Sarai liegen muss, erhebt sich über ihre Herrin, gibt ihr immer wieder dezent, aber dennoch sehr deutlich zu verstehen, dass sie besser ist als ihre Herrin, besser als diese alte Schnepfe.
Doch mit der Erlaubnis ihres Mannes dreht ebendiese Schnepfe den Spieß wieder um und demütigt nun ihrerseits als Herrin ihre Sklavin zutiefst — Drama pur! Am Ende bleibt der Sklavin Hagar nur die Flucht aus dieser schrecklichen Situation, aus diesem Elend — hinein ins Ungewisse, und letztlich sogar mitten hinein in die Hoffnungslosigkeit. Man könnte sagen, sie verlässt das Elend, um sich geradewegs in die Sorge zu stürzen.
Wir lesen, dass sie sich auf den Weg nach Ägypten macht, also in die Richtung ihrer Heimat. Doch in ihrem Zustand ist dieser Weg lebensgefährlich! Allein läuft sie mitten durch die Wüste.
Und Gott — macht erstmal nichts! Gott lässt Hagar loslaufen und Abram und Sarai zurückbleiben. Er greift zunächst nicht ein. Gott hätte ja auch verhindern können, dass Hagar überhaupt losläuft. Macht Er aber nicht. Wir lesen: Als der Engel des Herrn Hagar begegnet, ist sie schon fast auf halbem Weg nach Ägypten. Sie war also schon etliche Tage, vielleicht sogar mehrere Wochen unterwegs. Gott lässt sie. Immer noch greift Gott nicht ein! Immer noch schlichtet Gott nicht. Immer noch handelt Gott nicht; zumindest wird uns nichts berichtet.
Gott lässt auch uns. Er lässt uns auch dann, wenn wir der Meinung sind, uns verrennen zu müssen, uns von einem Elend ins nächste zu stürzen, sehenden Auges dem Ungemach entgegen zu gehen. Ich glaube, oft ist es sogar gut für uns, einige Schritte in die zum Teil selbstverschuldete Not zu machen. Während dieser Schritte gibt Gott uns Zeit nachzudenken. Wir können reflektieren, was eigentlich der Auslöser für diese Situation war, wo die Schuld bei uns liegt und ob es das Ganze wert ist. Und hoffentlich begreifen wir wieder neu, wie sehr wir Gott brauchen und wie gut es ist, Ihm und Seinem Wort zu vertrauen.
Gott lässt uns ein paar Schritte gehen, so wie Er Hagar gehen ließ.
Zutiefst bemerkenswert finde ich, was wir dann in Vers 7 lesen: „Ein Engel des Herrn fand Hagar an einer Wasserquelle in der Wüste.“ — Fällt euch auf, was hier besonders ist? … Hier steht findet. Der Engel des Herrn, wahrscheinlich eine Formulierung für Gott selbst, findet Hagar! Das heißt: Gott macht sich auf die Suche! Gott macht sich auf den Weg und sucht Hagar. Gott ist sich nicht zu schade, sich selbst auf den Weg und auf die Suche zu machen.
Gott ist sich auch nicht zu schade, sich für uns auf den Weg zu machen. Gott ist sich nicht zu schade, uns zu suchen. Uns zu suchen, wenn wir von Ihm wegrennen. Uns zu suchen, wenn wir uns in der Hoffnungslosigkeit zu verlaufen drohen. Uns zu suchen, wenn wir keinen Ausweg mehr wissen. Wir sind Gott nicht egal. Er sucht uns. Und Er findet uns.
Und egal, wo wir uns gerade befinden, wohin wir uns vielleicht sogar verlaufen haben: Gott begegnet uns genau dort. — Hagar erlebt, wie Gott ihr begegnet, mitten in der Wüste! Sie spürt Seinen liebevollen Blick, erfährt plötzlich wieder, dass sie wertgeschätzt wird, dass es jemanden gibt, dem sie nicht egal, sondern dem sie wichtig ist, dass es jemanden gibt, der sie sieht.
Gott wendet sich Hagar zu und nimmt sich ihrer Sorgen an. Er rückt ihr Leben wieder zurecht, gibt ihr einen Plan an die Hand. Gott ordnet Hagars Leben wieder, gibt ihr ihren Lebenssinn zurück.
Diese Hoffnung gilt auch noch heute für uns: Gott sieht uns! Er weiß, wie es um uns steht — was gerade gut läuft, was uns herausfordert; Er weiß, wie es uns geht; Er weiß, was wir gerade zu tragen haben.
Dass Gott uns sieht, bedeutet auch, dass Er sich uns zuwendet. (Freiwilliger??) Denn wenn ich jemanden wirklich anschauen möchte, dann genügt dafür nicht ein flüchtiger Blick über die Schulter, sondern dann muss ich mich demjenigen ganz zuwenden. Wem ich mich zuwende, den kann ich auch in den Arm nehmen, wenn es nötig ist; für den bin ich ganz da. — So wendet sich Gott uns zu und ist für uns da.
Und Gott gibt Hagar eine neue Perspektive. Ihr erinnert euch, dass sie auf dem Weg in die Ausweglosigkeit war. Gott gibt Hagar wieder eine Perspektive. Und Er gibt ihr eine Perspektive — eine Verheißung — für ihr ungeborenes Kind.
Wenn wir vorhin an 1. Mose 3 erinnert waren, dann sind jetzt die Worte zum Teil dieselben, die über 1.500 Jahre später der Jungfrau in Nazareth zugesprochen werden: „Du bist schwanger und wirst einen Sohn gebären“, sagt Gott zu Hagar. — Wie großartig Gott doch Geschichte schreibt!
Eine letzte Sache möchte ich mit euch noch anschauen, nämlich wie es für Hagar weitergeht. Man könnte ja denken, jetzt ist alles super! Gott greift endlich ein, alles wird gut, das Leben ist jetzt ganz einfach.
Doch das, was der Engel des Herrn da noch zu Hagar sagt, hat es ja in sich. Denn zu allererst, noch vor jeder Verheißung, heißt es: Geh zurück und ordne dich unter! Ehrlich gesagt klingt das nicht so dolle. Gott hätte ja auch sagen können: „Geh wieder nach Hause. Ich habe dafür gesorgt, dass Sarai, die blöde Ziege, aus dem Rennen ist und Abram nur noch mit dir zusammen sein will.“ — Hätte doch schöner geklungen, oder? Stattdessen: „Kehre zu deiner Herrin zurück und ordne dich ihr unter!“
Es hätte für Hagar also auch Grund zum Lamentieren gegeben, Grund zum Verzweifeln. Sie soll zurück in das Elend, vor dem sie doch gerade auf der Flucht ist. Und dem Kind, das sie erwartet, soll es — nebenbei bemerkt — nicht viel besser ergehen; heimatlos und im Streit. — Doch das scheint Hagar in diesem Moment nicht wichtig zu sein, bzw. erachtet sie anderes als wichtiger und viel bedeutender, nämlich dass sie Gott nicht egal ist, sondern dass Gott sie sieht, dass sie für Gott wichtig ist.
Für Hagar ist es viel wichtiger zu erleben, dass Gott ihre Situation sieht, dass Er sieht und weiß, wie es ihr geht. Dass Er also nicht nur mal eben einen flüchtigen Blick über die Schulter für sie übrig hat, sondern dass Er sich ihr zuwendet und sie anschaut, voller Liebe und voller Hoffnung für die Zukunft. — Sogar da, wo die Zukunft nach menschlichem Ermessen nicht gut aussieht, wo die äußeren Umstände sich nicht ändern werden, wo wir vergeblich auf eine Veränderung zum Positiven warten.
Wir wissen: Gott nimmt uns nicht alles weg, was uns zusetzt. Manche Krankheit begleitet uns lange, vielleicht sogar unser ganzes Leben. Manch schwierige Familiensituation begleitet uns lange, ohne dass wir daran etwas ändern können. Manche Herausforderung auf Arbeit begleitet uns lange. — Und Gott mutet uns zu, dass wir sie aushalten, weil Er sie mit uns aushält.
Er könnte all das ändern — und manchmal tut Er es vielleicht sogar, aber manchmal eben auch nicht. Er möchte so viel lieber mit uns in und durch diese herausfordernden Situationen gehen, an unserer Seite sein, möchte gemeinsam mit uns alle Schwierigkeiten meistern, möchte uns lehren, Ihm zu vertrauen, dieses Vertrauen in Ihn immer mehr zur Grundhaltung unseres Herzens zu machen — nicht dass Er alle Unwägbarkeiten aus dem Weg räumt, sondern dass Er immer bei uns ist und uns hilft, in allen Situationen zu bestehen.
Er möchte, dass wir tief im Herzen wissen, dass Er uns immer genau die Kraft gibt, die wir gerade brauchen, dass Er um uns weiß, an jedem Tag. Dass Er uns sieht, — damit wir aus tiefstem Herzen bekennen und beten können: „Du bist ein Gott, der mich sieht!“
Amen.
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