Woher kommt das Leid?
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Woher kommt das Leid?
Woher kommt das Leid?
Gnade sei mit Euch und Friede von Gott unserem Vater und unserem Herrn und Heiland Jesus Christus. Amen.
Liebe Gemeinde,
vor unserer Haustür hier in Europa erfahren Menschen in diesem Tagen unsägliches Leid.
Da ist erst einmal der Krieg in der Ukraine, der nun seit über einem Jahr in dem Land tobt, und wo kein Ende in Sicht ist. Menschen töten Menschen und das nur aus machtpolitischen Kalkühl heraus und die Lüge herrscht dabei. Menschen sind auf der Flucht, verlieren ihre Heimat. Familien werden auseinandergerissen. Mütter und Kinder verlieren die Männer und Väter. Das, was über Jahrhunderte schön aufgebaut wurde, wird jetzt zur hässlichen Fratze des Krieges.
Dann sein ein paar Wochen das Erdbeben in der Türkei und in Syrien. Die Erde hat gewackelt und die Häuser sind eingestürzt, wie Kartenhäuser. Über 50 000 Tote und diese Zahl ist noch nicht das Ende und starke Nachbeben gab und gibt es auch noch. Hier haben auch viele Menschen aus Deutschland Verwandte verloren.
Zwei ganz aktuelle Leiderfahrungen, die uns in diesen Tagen betroffen machen. Doch sind ihre Ursachen sehr unterschiedlich. Bei dem einen sind die Menschen selbst die Erstverursacher. Menschen fügen Menschen das Leid zu. Bei dem anderen ist die Naturkatastrophe der Erstverursacher. Aber auch hier hätte manches Leid verhindert werden können, wenn man die Bauvorschriften für Erdbebengebiete beachtet hätte. So tat man es in der Stadt Erzin, wo es fast keine Schäden gab.
Aber auch unser persönliches Leid, und manchen Schicksalsschlag haben wir im Blick und stellen dann die Fragen: Wie kann Gott das zulassen? Woher kommt das Leid?
Es gibt ein Buch in der Bibel, das sich genau mit dieser Frage auseinandersetzt. Ja in ihm geschieht geradezu ein regelrechtes Ringen um diese Frage, ohne dass da eine einfache Antwort gegeben wird. Da werden zwar diese einfachen Antworten aufgezählt, aber sie werden dann auch gleich verworfen. Es ist das Buch Hiob aus dem Alten Testament.
Als Predigttext hören wir jetzt einen Abschnitt aus Hiob 2
1 Es begab sich aber eines Tages, da die Gottessöhne kamen und vor den Herrn traten, dass auch der Satan mit ihnen kam und vor den Herrn trat. 2 Da sprach der Herr zu dem Satan: Wo kommst du her? Der Satan antwortete dem Herrn und sprach: Ich habe die Erde hin und her durchzogen. 3 Der Herr sprach zu dem Satan: Hast du acht auf meinen Knecht Hiob gehabt? Denn es ist seinesgleichen auf Erden nicht, fromm und rechtschaffen, gottesfürchtig und meidet das Böse und hält noch fest an seiner Frömmigkeit; du aber hast mich bewogen, ihn ohne Grund zu verderben. 4 Der Satan antwortete dem Herrn und sprach: Haut für Haut! Und alles, was ein Mann hat, lässt er für sein Leben. 5 Aber strecke deine Hand aus und taste sein Gebein und Fleisch an: Was gilt’s, er wird dir ins Angesicht fluchen! 6 Der Herr sprach zu dem Satan: Siehe da, er sei in deiner Hand, doch schone sein Leben! 7 Da ging der Satan hinaus vom Angesicht des Herrn und schlug Hiob mit bösen Geschwüren von der Fußsohle an bis auf seinen Scheitel. 8 Und er nahm eine Scherbe und schabte sich und saß in der Asche. 9 Und seine Frau sprach zu ihm: Hältst du noch fest an deiner Frömmigkeit? Fluche Gott und stirb! 10 Er aber sprach zu ihr: Du redest, wie die törichten Frauen reden. Haben wir Gutes empfangen von Gott und sollten das Böse nicht auch annehmen? In diesem allen versündigte sich Hiob nicht mit seinen Lippen. 11 Als aber die drei Freunde Hiobs all das Unglück hörten, das über ihn gekommen war, kamen sie, ein jeder aus seinem Ort: Elifas von Teman, Bildad von Schuach und Zofar von Naama. Denn sie wurden eins, dass sie kämen, ihn zu beklagen und zu trösten. 12 Und als sie ihre Augen aufhoben von ferne, erkannten sie ihn nicht und erhoben ihre Stimme und weinten, und ein jeder zerriss sein Kleid, und sie warfen Staub gen Himmel auf ihr Haupt 13 und saßen mit ihm auf der Erde sieben Tage und sieben Nächte und redeten nichts mit ihm; denn sie sahen, dass der Schmerz sehr groß war.
Da lebt ein Mensch ein vorbildliches Leben vor Gott und den Menschen. Er lebt sein Leben mit dem Segen Gottes. Hat mit seiner Frau Söhne und Töchter. Er war wirtschaftlich erfolgreich, war in der Gesellschaft anerkannt, saß wahrscheinlich im Stadtrat. Viele Menschen fanden bei ihm Arbeit und Brot und er half den Notleidenden. Er war sozusagen ein Vorbild mit seinem Leben und mit seiner Frömmigkeit.
Nun hören wir im ersten Abschnitt des Hiobbuches einen ersten Dialog zwischen Gott und Satan: Alles Fassade, alles Berechnung, behauptete nun Satan.
Da gibt Gott dem Satan den Freiraum Hiob alles zu nehmen, nur ihn selbst nicht anzutasten. Und das passiert auch. Die Rinder werden gestohlen, die Knechte werden ermordet. Durch Feuer und Blitzschlag kommen Schafe und Knechte ums Leben. Räuber stehlen die Kamele. Die Kinder kommen durch einen Tornado ums Leben.
Ein Schicksalsschlag nach dem anderen trifft ihn und trotzdem sagt er dann am Ende: Hiob 1,21
21 und sprach: Ich bin nackt von meiner Mutter Leibe gekommen, nackt werde ich wieder dahinfahren. Der Herr hat’s gegeben, der Herr hat’s genommen; der Name des Herrn sei gelobt! –
Man kann fast sagen. Satan will es nicht wahrhaben und greift sich an den Kopf. Dass jetzt Gott des Lobes über Hiob voll ist, kann man verstehen: Hiob 2,3
3 Der Herr sprach zu dem Satan: Hast du acht auf meinen Knecht Hiob gehabt? Denn es ist seinesgleichen auf Erden nicht, fromm und rechtschaffen, gottesfürchtig und meidet das Böse und hält noch fest an seiner Frömmigkeit; du aber hast mich bewogen, ihn ohne Grund zu verderben.
Doch es geht es weiter. Satan gibt sich nicht zufrieden und verlangt: “Ich will “Haut für Haut” und alles, was ein Mann hat, lässt er für sein Leben?”
Damit behauptet Satan nun, dass ein Mensch bereit ist, alles zu opfern, nur um sein Leben zu retten. Er ist auch letztlich bereit seinen Glauben an Gott aufzugeben, wenn er nur genügend leidet.
Hiob hat “seine eigene Haut noch nicht zu Markte getragen”. Er hat zwar seinen Besitz für sein Leben gegeben, doch sein Leben hat es noch nicht betroffen.
Dieses Bild erinnert uns an den orientalischen Fellhandel, wo man Tierfelle miteinander tauscht.
Gott lässt sich nun auf diesen Deal mit Satan ein. Dennoch setzt ihm Gott Grenzen. Satan darf Hiob mit Krankheit schlagen, aber er darf ihm dabei nicht das Leben zerstören. Dabei ist Leben mehr als das Gegenteil von Tod, sondern umfasst auch die Seele des Menschen. Das Maß der Heimsuchung Hiobs darf also nur so groß sein, dass Hiob es noch ertragen kann.
Im Neuen Testament schreibt der Apostel Paulus dazu 1.Korinther 10,13
13 Bisher hat euch nur menschliche Versuchung getroffen. Aber Gott ist treu, der euch nicht versuchen lässt über eure Kraft, sondern macht, dass die Versuchung so ein Ende nimmt, dass ihr’s ertragen könnt.
So wird Hiob nun mit dieser Hautkrankheit geschlagen. Er wird von Schmerzen und Krankheit geplagt.
Wer schon einmal Neurodermitis gehabt hat, weiß wie schmerzhaft Hautkrankheit sein kann.
Nun eine genau Diagnose lässt sich hier nicht stellen, aber es handelt sich um eine den ganzen Körper befallende und lebensgefährdende, aber auch äußerst unangenehme und ekelerregende Krankheit. So schlimm, dass Hiob zur Müllhalde der Stadt geht und sich dort mit Asche versucht zu lindern und mit einer Tonscherbe kratzt.
Hat Satan es nun geschafft, dass Hiob sich von Gott lossagt?
Jedenfalls kommt seine Frau zu ihm und fordert es: “Hältst du noch fest an deiner Frömmigkeit? Fluche Gott und stirb.” Sie sagt diese Worte ja nicht aus Selbstgefälligkeit.
Würden wir das nicht vielleicht auch so sagen, wenn wir an der Stelle von Hiobs Frau wären? Ich kann mich in ihre Situation gut hineinversetzen.
Sie ist auf jeden Fall hier an dieser Stelle kein Werkzeug Satans, sondern sie ist ein Mensch, wie Du und ich, die schwere Schicksalsschläge gemeinsam mit ihrem Mann erlitten hatte: Große Materielle Verluste, den Tod ihrer Kinder. Und sie ist bis hier diese Schritte mit ihrem Mann mitgegangen. Sie leidet ja auch mit ihrem Mann mit. Doch irgendwann ist es ein zuviel. Darum ist sie nun ein an Gott verzweifelnder Mensch. Sie sieht die Unausweichlichkeit und Unabänderlichkeit der Lage. Sie verbittert und hadert mit Gott. In ihrer hoffnungslosen Verzweiflung sieht sie keinen anderen Ausweg mehr als die Abkehr von Gott. Sie fordert ihren Mann dazu auf: Gib Gott den Abschied (hebräisch: brk), verabschiede dich von Gott!
Diese Verzweiflung kann ihren Grund durchaus in der Liebe zu ihrem Mann haben. Dass die Worte von Hiobs Frau am Anfang der menschlichen Versuchungen Hiobs stehen, ist naheliegend:
Seine Frau stand ihm am nächsten; seiner Frau konnte Hiob nichts vormachen; sie wusste um die Echtheit seiner Frömmigkeit; sie allein konnte sich die tiefe Zerrissenheit ihres Mannes vorstellen.
Doch Hiob weist seine Frau mit seinem Bekenntnis zu Gott zurück. Er tut es fast verletzend. Aber solche Situationen sind dann keine Orte des Feingefühls, wenn Menschen die Schmerzen plagen. Wenn wir ehrlich sind, haben wir solche Situationen auch schon selbst erlebt. Wie sind wir damit umgegangen?
Das Einzige, das Hiob in all seiner Not geblieben ist, war seine Beziehung zu Gott, die sogenannte Ich-Du-Beziehung. Es ist dieser “Und-dennoch-bleibe-ich-bei-Dir-Herr-Glaube.” Seine gesamte Existenz gründet auf seiner noch intakten Beziehung zu Gott.
Ganz anders jetzt das Anfangsverhalten der Freunde Hiobs. Das wird erst einmal recht positiv dargestellt. Dass deren Verhalten später anders ist, steht auf einem anderen Blatt.
Sie kamen erst einmal von weit her, aus den verschiedensten Gegenden, Sie hatten Mitleid mit einem nahestehenden Freund, der viele vielleicht tausend Kilometer weit weg wohnte, und sie machten sich gemeinsam auf dem Weg, ihm durch Kopfschütteln ihr Mitleid zu bezeugen und ihm zu trösten.
Der Schock über die Krankheit von Hiob war dann sehr groß, so groß, dass sie ihn nicht nur trösteten, sondern schon eine Totenklage anstimmten. Sie trauerten mit Hiob. Die Freunde schweigen mit Hiob sieben Tage und sieben Nächte.
Die Bedeutung des Schweigens beim Mitleiden und Begleiten eines Menschen in Not kann nicht hoch genug eingeschätzt werden. »Die Achtung vor dem Menschen drückt sich weniger in Worten aus als im Schweigen, weniger durch das Reden als durch das Zuhören.« Das wortlose Dabeisein ist zunächst hilfreicher als das wortreiche Trösten-Wollen. Das können uns auch die Notfallseelsorger bezeugen, die oft mit ausrücken, wenn Unfälle geschehen und Menschen in Not geraten, und Beistand und Hilfe brauchen.
Hiob jedenfalls ringt trotz aller Schicksalsschläge und aller Not weiter um seinen Glauben an Gott. Er richtet seine Klage immer wieder neu an den einen Gott. Diese Klagen helfen ihm, sich von seinem inneren Druck zu befreien. Wie ein Kläger vor Gericht um sein Recht kämpft, so ringt Hiob mit Gott.
Wir können die Fragen: Wie kann Gott das zulassen? Woher kommt das Leid? nicht letztgültig beantworten. Aber wir dürfen glauben: Gott setzt eine Grenze für unser Leid und er ist dabei, auch wenn wir nichts fühlen.
Und da wir auch jetzt in der Passionszeit sind, dürfen und sollen wir unseren Blick auf Karfreitag richten, wo Jesus am Kreuz starb. Da heißt es: “Das tat ich für dich!”
Amen