Psalm 26 - Das Leben vor Gott ausbreiten

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Einleitung

Was ist Lauterkeit bzw. Aufrichtigkeit? Ist es möglich, in Lauterkeit bzw. Aufrichtigkeit vor Gott zu leben? Was bedeutet das? Es klingt ein bisschen nach Selbstgerechtigkeit. Lasst uns in Psalm 26 eintauchen und sehen, was er zu diesem Thema zu sagen hat.
Lesen: Psalm 26
David beginnt den Psalm mit
Psalm 26,1 (ELB CSV)
Richte mich, Herr! Denn in meiner Lauterkeit bin ich gewandelt; und auf den Herrn habe ich vertraut, ich werde nicht wanken.
und er endet mit:
Psalm 26,11–12 (ELB CSV)
Ich aber wandle in meiner Lauterkeit. Erlöse mich und sei mir gnädig! Mein Fuß steht auf ebenem Boden: Den Herrn werde ich preisen in den Versammlungen.
Manche Übersetzer wählen Lauterkeit, andere Aufrichtigkeit oder Ehrlichkeit.
Es scheint also, dass geprüfte Lauterkeit bzw. Aufrichtigkeit und die daraus resultierende Zuversicht und Stabilität das Hauptthema dieses Psalms sind. Aber was genau ist Lauterkeit bzw. Aufrichtigkeit?

Was ist Lauterkeit?

Der Grundgedanke der hebräischen Wurzel ist Vollständigkeit:
hebr. tom (תֹּם): Vollständigkeit, Ganzheit, Frömmigkeit, Einfalt
Lauterkeit bzw. Aufrichtigkeit gegenüber Gott bedeutet nicht, dass wir perfekt sind, sondern dass wir uns ihm von ganzem Herzen - so gut wir können - hingeben. Es bedeutet, dass wir in unserer Treue nicht gespalten sind, nichts fehlt, wir enthalten ihm nichts vor.
Gott sagte zu Abraham, er solle in seiner Gegenwart leben und vollkommen oder untadelig sein (dieselbe hebräische Wurzel; Gen 17,1), d. h. Gott wollte, dass Abraham sich ihm ganz hingibt. Er sollte nichts vor ihm zurückhalten, nicht einmal seinen geliebten Sohn, wie wir später in Abrahams Leben sehen.
Eines der griechischen Worte, die zur Übersetzung dieser hebräischen Wurzel verwendet wurden, ist haplous (ἁπλοῦς) bzw. haplotes (ἁπλότης), was die Bedeutung einfältig, lauter, schlicht bzw. Einfalt, Lauterkeit, Schlichtheit, Aufrichtigkeit hat. Schlichtheit bzw. Einfalt im besten Sinn, nämlich ohne Hintergedanken, ohne versteckte Agenda, mit reinen Motiven.
Das Verb, von dem diese Worte abgeleitet sind, bedeutet ausbreiten, entfalten.

Davids Lauterkeit

David behauptet, dass er genau das getan hat - er hat sein Leben vor Gott ausgebreitet, offengelegt, er hat nichts vor ihm verborgen, seine Motive sind lauter. Er hat sich ganz Gott hingegeben.
Und er fügt hinzu, dass er auf den Herrn vertraut hat, denn er weiß, dass er nur dann ganz mit Gott leben kann, wenn er auf ihn vertraut. Das Vertrauen, der Glaube, ist ein unverzichtbares Merkmal für jeden, der Gott sucht, denn er muss glauben, dass es ihn gibt und dass er diejenigen belohnt, die ihn suchen (Heb 11,6).
Das ist die Selbsteinschätzung Davids. Aber er weiß, dass dies nicht ausreicht. Gott ist derjenige, dessen Urteil zählt. Also wendet er sich an Gott und appelliert an ihn als seinen Richter, aber er hat dabei seine Gnade bzw. Güte (hebr. chesed) und Treue vor Augen (Ps 26,3; vgl. Ex 34,6).
Franz Delitzsch: Biblischer Commentar über die Psalmen (Psalm XXVI)
Er erklärt sich nicht selbstgerechterweise für sittlich vollkommen, er beruft sich nur auf die ganz und gar Gotte zugewandte Grundrichtung seines Innersten. Auch ist v. 2 nicht ... Aufforderung, daß sich Gott von seiner Unschuld überzeuge, als vielmehr Bitte, seinen Gemütszustand zu prüfen und wenn es nicht so sei, wie es ihm bewußt ist, dies ihm klar zu machen (Ps 139, 23-24)
David hat sich von einem sündigen Lebensstil getrennt (Ps 26,4-5), aber gleichzeitig weiß er, dass er nicht perfekt ist. Er bittet, dass er nicht mit den Gottlosen weggerafft wird (Ps 26,9-10).
Er heiligt sich, um sich Gott nahen zu können, um ihm zu danken, ihn anzubeten und Zeugnis von ihm abzulegen, denn er liebt die Gegenwart Gottes (Ps 26,6-8).
Und am Ende des Psalms bekräftigt David seinen Entschluss, aufrichtig zu leben, aber im selben Atemzug bittet er um Erlösung und Gnade (Ps 26,11; auch hier wieder der Bezug zu Ex 34,6). Das ist für David kein Widerspruch sondern es drückt sein Heilsverständnis bzw. sein Heiligungsverständnis aus. Hier schließt sich der Kreis zum Anfang des Gebetes: David vertraut auf Gottes Gnade bzw. Güte und auf seine Treue.

Christi Lauterkeit

Denken wir nun an die Einleitung der Psalmen zurück: Wer ist der Gerechte in Psalm 1, der nicht nach dem Rat der Gottlosen lebt, der den Weg der Sünder nicht betritt und der nicht bei den Spöttern sitzt, sondern sich am Gesetz des Herrn erfreut und ständig darüber nachdenkt? Kein Nachkomme Adams kann diese Gerechtigkeit zu 100 % für sich beanspruchen, außer einem einzigen, dem zweiten Adam, dem Gottmenschen, Jesus Christus.
Es machte für Jesus vollkommen Sinn, diesen Psalm zu beten. Er beanspruchte die Lauterkeit für sich selbst, zu 100 %:
Johannes 5,30 (SLT)
Ich kann nichts von mir selbst aus tun. Wie ich höre, so richte ich; und mein Gericht ist gerecht, denn ich suche nicht meinen Willen, sondern den Willen des Vaters, der mich gesandt hat.
Johannes 8,29 (SLT)
Und der, welcher mich gesandt hat, ist mit mir; der Vater lässt mich nicht allein, denn ich tue allezeit, was ihm wohlgefällt.
Er ist derjenige, der die Gerechtigkeit liebte und das Böse hasste wie kein anderer (Heb 1,9).
Wie kein anderer wurde er zum Haus seines Vaters hingezogen - selbst als er noch ein Junge war (Lk 2,49).
Wie beurteilte der Vater die Lauterkeit, die ganze Hingabe seines Sohnes? "Dies ist mein geliebter Sohn, an dem ich Wohlgefallen habe." (Mt 3,17)
Und hier kommt die wunderbare Botschaft des Evangeliums: Wie Abraham war auch der himmlische Vater bereit, seinen geliebten Sohn zu opfern. Abraham musste nicht den letzten Schritt gehen, aber Gott tat es. Er opferte seinen geliebten Sohn, den einzigen Gerechten, als Lösegeld an, damit er der Erlöser, der barmherzige Hohepriester werden konnte, an den sich die Sünder wenden können, um vor Gott gerecht zu werden.

Unsere Lauterkeit

Wie können wir nun all dies in unserem Leben anwenden?
Wir haben alttestamentliche Vorgänger wie Abraham und David, die sich Gott im Wesentlichen ganz hingaben, auch wenn sie nicht vollkommen waren. Sie vertrauten auf Gottes seine liebende Güte, seine Treue und seine Gnade.
Wir haben auch im NT negative und positive Vorbilder:
2. Korinther 11,3 (SLT)
3 Ich fürchte aber, es könnte womöglich, so wie die Schlange Eva verführte mit ihrer List, auch eure Gesinnung verdorben und abgewandt werden von der Einfalt gegenüber Christus.
2. Korinther 11,3 (NeÜ)
3 Ich fürchte nur, dass es euch wie Eva geht, die damals durch die Falschheit der Schlange verführt wurde. Genauso könnten eure Gedanken von der aufrichtigen Hingabe an Christus abkommen.
Im 2. Korintherbrief vergleicht sich Paulus mit den falschen Aposteln, den Verführern, die die Korinther vom schlichten Evangelium wegbringen wollen, indem sie menschliche, weltliche, fleischliche Weisheit und Kraft dazumischen. Paulus zeigt, dass er nichts mit dieser Art von Vermischung zu tun hat und ermahnt die Korinther, sich nicht vom schlichten Evangelium und von der aufrichtigen Hingabe an Christus, wie er sie vorgelebt hat, abbringen zu lassen.
Am Ende des Briefes ermahnt er sie dann zur Selbstprüfung:
2. Korinther 13,5 (SLT)
5 Prüft euch selbst, ob ihr im Glauben seid; stellt euch selbst auf die Probe! Oder erkennt ihr euch selbst nicht, daß Jesus Christus in euch ist? Es sei denn, daß ihr unecht wärt!
Aber noch besser als all diese Vorbilder haben wir Christus
als unseren Wegbereiter, der den Weg gebahnt hat, indem er uns durch sein Blut mit Gott versöhnt hat. Er ist die fleischgewordene Güte, Treue und Gnade Gottes (Heb 10,19-20).
als unser Vorgänger, der vor uns gegangen ist und versucht wurde wie wir, aber ohne Sünde. Wir folgen Ihm nach, der den Lauf des Glaubens angefangen und vollendet hat (Heb 12,2).
als unseren Hohepriester, der für immer lebt, um für diejenigen einzutreten und sie zu retten, die durch ihn zu Gott kommen (Heb 7,25).
Deshalb lasst uns zu Christus kommen, unser Leben vor ihm ausbreiten und ihn bitten, es zu beurteilen. Wir dürfen dies im Vertrauen auf seine Güte tun, die er bewiesen hat, indem er für uns Rebellen gestorben ist. Wir neigen dazu, unsere Fehler zu verbergen, das Licht zu meiden. Ans Licht zu kommen wird weh tun. Aber Gott hat versprochen, zu vergeben und wiederherzustellen, wenn wir ans Licht kommen.
In diesem Verständnis können wir uns ihm mit Vertrauen nähern: Weil Christus den Zorn Gottes über unsere Sünde an unserer Stelle erlitten hat, wird Gottes Licht uns nicht verbrennen, sondern erleuchten und heilen.
1. Johannes 1,7 (SLT)
7 wenn wir aber im Licht wandeln, wie er im Licht ist, so haben wir Gemeinschaft miteinander, und das Blut Jesu Christi, seines Sohnes, reinigt uns von aller Sünde.
1. Johannes 1,9 (SLT)
9 Wenn wir aber unsere Sünden bekennen, so ist er treu und gerecht, daß er uns die Sünden vergibt und uns reinigt von aller Ungerechtigkeit.
Machen wir es uns zur Gewohnheit, uns vor dem Herrn zu prüfen und ihn zu bitten, uns zu prüfen, um alle Unwahrhaftigkeit, alle Heuchelei, alle Halbherzigkeit, alle versteckten fleischlichen Motive, alle Selbsttäuschung zu beseitigen. Das wird in uns große Freimütigkeit vor Gott, große Stabilität und herzliches Gotteslob bewirken.
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