Drittletzeter Sonntag im Kirchenjahr
Notes
Transcript
Geduld ist die Kunst zu hoffen
Geduld ist die Kunst zu hoffen
Predigttext:
Denn ich denke, dass die Leiden dieser Zeit nicht ins Gewicht fallen gegenüber der Herrlichkeit, die an uns offenbart werden soll. Denn mit sehnsüchtiger Erwartung wartet die Schöpfung auf die Offenbarung der Kinder Gottes. Denn die Schöpfung ist nicht freiwillig der Vergänglichkeit unterworfen worden, sondern durch den, der sie unterworfen hat, auf Hoffnung hin. Denn auch die Schöpfung wird frei werden von der Knechtschaft der Vergänglichkeit zur herrlichen Freiheit der Kinder Gottes. Denn wir wissen, dass die ganze Schöpfung seufzt und bis jetzt zusammen in Wehen liegt.
Nicht allein aber sie, sondern auch wir selbst, die wir die Erstlingsgabe des Geistes haben, auch wir seufzen in uns selbst und erwarten die Kindschaft und warten auf die Erlösung unseres Leibes. Denn wir sind auf Hoffnung hin errettet worden. Hoffnung aber, die man sieht, ist keine Hoffnung; denn wer hofft auf das, was er schon sieht? Wenn wir aber auf das hoffen, was wir nicht sehen, dann warten wir darauf mit Geduld.
Aus den Augen, aus dem Sinn
Liebe Schwestern, liebe Brüder,
sehen Sie diesen Ball? Wenn ich diesen jetzt hinter meinem Rücken verstecke, wo ist er dann?
Richtig! Hinter meinem Rücken.
Vielleicht kennen Sie das beliebte Spiel: “Der Ball (oder irgendetwas anderes) ist weg.”
Wissenschaftliche Studien belegen, dass Kleinkinder bis ca. 2 Jahren tatsächlich denken: Der Ball ist weg .
“Aus den Augen, aus dem Sinn”, besagt ein Sprichwort aus dem Volksmund.
Und bekanntlich ist an Sprichwörtern ja immer etwas wahres dran.
Ich glaube, dass wir Erwachsenen oft so ticken wie die Kinder. Da ist etwas vor uns verborgen, hinterm Rücken versteckt und wir denken: Es ist weg. Das gibt es gar nicht, denn wir glauben bekanntlich nur das, was wir sehen - wir Menschen. Und auch das ist ein Sprichwort aus dem Volksmund.
2. Die Hoffnungslosigkeit der Schöpfung
Paulus schreibt in dem Predigttext über Hoffnung. Er defeniert Hoffnung als ein Warten auf etwas, das wir (noch) nicht sehen. Und das, was wir noch nicht sehen ist die Erlösung, die Errettung aus der Vergänglichkeit.
Und weil nicht nur wir unter diesem Zustand leiden, seufzt erstens: Die ganze Schöpfung und zweitens: Auch wir Christen.
2.1.: Die ganze Schöpfung seufzt
Liebe Geschwister,
ich rede in einer Zeit zu Ihnen, in der das Seufzen der Schöpfung nicht zu überhören ist. Fangen wir bei uns den Geschöpfen an.
Hören Sie das Seufzen der Menschen in Gaza?
Hören Sie das Seufzen der Menschen in Israel? Das Seufzen der Eltern, die ihr Kind in Geislhaft wissen? Lebt unsere Tochter noch oder haben sie sie ermordet? Sie, die nichts getan hat!
Hören Sie das Seufzen der Menschen in der Ukraine? Wieder Bombenalarm, wieder Raketen, die einschlagen, wieder hat es Zivilisten getrofen, wieder weinende Mütter und verzweifelte Väter.
Hören Sie das Seufzen der Ursupatoren. Das Seufzen der Autokraten nach Anerkennung, Macht und letztlich Liebe?
Die Schöpfung seufzt.
Paulus schreibt sie ist der Vergänglichkeit unterworfen. Das war nicht von Anfang an so geplant. Der Mensch, ja die sogenannte Krönung der Schöpfung, sollte die Schöpfung bewahren. Die Artenvielfalt der Tiere, der Flora und Fauna. Aber mit dem Fall des Menschen, haben wir die Zacken unserer Krone in den Leib der Schöpfung gerammt und sie blutet.
Die Ozeane seufzen.
Die Wälder seufzen.
Die Luft seufzt.
Ich rede in einer Zeit zu Ihnen, in der das Seufzen, Stöhnen und Jammern so bedrohlich laut geworden ist, dass man es kaum aushalten kann. Die Schöpfung und mit ihr die Menschheit seufzt nach Hilfe.
2.2. Die Christen seufzen
Jetzt sind wir hier in der Kirche. Wir nennen uns Kinder Gottes oder sollten es zumindest. Man sollte meinen, wir haben doch noch Hoffnung, wir könnten doch fröhlich in die Welt sehen und jeden Tag frohen Mutes sein. Wenn sie das aufgrund des Glaubens sind und sich keinerlei Sorgen machen, dann gratuliere ich ihnen recht herzlich und finde das auch gut.
Aber selbst Paulus schreibt: Wir Christen. Die, die wir den Heiligen Geist haben, wir seufzen auch.
Dieser Heilige Geist ist ja ein Pfand, den Gott uns gegeben hat. Eigentlich haben wir damit etwas in der “Hand”, das wir sehen bzw. spüren können, doch auch wir seufzen und rufen nach Hilfe und der Erlösung.
Paulus selbst schreibt das. Denn er wusste wie hart das Leben sein kann.
Er wusste, wie es sich anfühlt Rückschlag über Rückschlag zu erleben.
Er wusste, wie es sich anfühlt, wenn man alles für die Gemeinde und Gott tut und trotzdem wenden sie sich gegen einen.
Trotzdem saß er in zig Gefängnissen.
Er wurde krank.
Er wurde verfolgt.
Er musste einem gewaltsamen Tod in die Augen sehen und starb als Märtyerer. Der große Paulus.
Vielleicht kommt ihnen das ein oder andere bekannt vor.
Vielleicht sitzen Sie heute hier und seufzen ebenso. Vielleicht rufen Sie auch nach Hilfe in ihrer jeweiligen Situation, wünschen sich Erlösung.
Ja, auch wir Christen seufzen. Es scheint bei uns oft so, als ob sich keiner mehr um Gott, geschweige denn Jesus schert.
Das ganze Seufzen und Stöhnen, kann einem die Hoffnung nehmen.
Und da Draußen und Hier Drinnen sind so viele Menschen, die alle Hoffnung bereits aufgegeben haben.
Für die, der Ball hinter dem Rücken verschwunden ist.
Der Teufel ist es, der uns allen weiß macht: Der Ball ist verschwunden. Ihn gibt es nicht mehr.
Nur geht es hier um keinen Ball, sondern um unser Leben, unsere Erlösung, um das Heil werden unserer Seele.
Haben wir hier keine Hoffnung: Gibt es kein Licht. Gibt es keine Bewegung. Gibt es kein Leben.
3. Die schnelle Hoffnung
In der Regel wollen wir aber doch leben oder? Der Mensch will leben und die Schöpfung will leben - also sucht sich der Mensch etwas, worauf er hoffen kann. Denn “wir sind gerettet auf Hoffnung hin.”
In unserer modernen, materiellen Gesellschaft glaube ich aber nur an das, was ich sehe - oder?
In der Evangeliumslesung hörten wir:
Lukas 17,22–23 “Er sprach aber zu den Jüngern: „Es wird die Zeit kommen, da werdet ihr begehren, einen der Tage des Menschensohnes zu sehen, und ihr werdet ihn nicht sehen. Und sie werden zu euch sagen: ‚Sieh hier! Sieh da!‘ Geht nicht hin und folgt ihnen auch nicht.”
Sieh hier. Sieh da. Wer so schreit, der verspricht Hoffnung, die man sieht. Hoffnung zum anpacken!
Der verspricht die perfekte Lösung, ja die Erlösung schlechthin.
An welche sichtbare Hoffnungen klammern wir uns denn heute?
An die Wissenschaft? Wenn denn ja, an welche Richtung der Wissenschaft klammern wir uns denn dann, denn auch hier gibt es unterschiedliche “Glaubensrichtungen”.
Oder klammern wir uns an die Politik? An Politiker?
Wieviele Politiker haben denn alles Heil versprochen?
Hat Hitler uns nicht Deutschen nicht Heil versprochen und hat er die Welt und das Volk Gottes in unheilbares Leid geführt?
Letzten Donnerstag haben wir der Opfer der Reichsprogromnacht gedacht, in der unschuldige Menschen verprügelt und getötet worden sind.
Worauf setzen wir unsere Hoffnung?
Jeder von Ihnen hier klammert sich an irgendetwas sichtbares, von dem man sich Hoffnung verspricht. Und da muss doch eins noch klar sein: Es muss schnell gehen. Hoffnung auf sofortige Erlösung. In unserer Welt geht ja jetzt alles schnell und sofort. Es gibt da nur einen Haken und damit eine schlechte Nachricht:
Luther 2017 Kapitel 8
Die Hoffnung aber, die man sieht, ist nicht Hoffnung; denn wie kann man auf das hoffen, was man sieht?
Es gibt keine Hoffnung, die man sehen könnte.
4. Hoffnung heißt: Geduldig zu warten
In der Zeit, in der Paulus diesen Brief schreibt, da gibt es gleichhzeitig Menschen, die schnelle Erlösung versprechen. Und es gibt nicht Wenige, die dieser schnellen Erlösung hinterherhechten und die dann ein böses Erwachen hatten.
Paulus weiß:
Luther 2017 Kapitel 8
Wenn wir aber auf das hoffen, was wir nicht sehen, so warten wir darauf in Geduld.
Unter allem Seufzen, Stöhnen und Jammern, das mich und die Welt betrifft, gibt es Hoffnung. Die Hoffnung weist uns auf die Erlösung hin. Sie verweist uns darauf, dass wir Heil werden und nicht mehr unter unserer Vergänglichkeit leiden müssen.
Für uns Christen ist der Ball da, wir sehen ihn nur nicht, aber wir wissen: Er ist da.
Paulus versucht in dem ganzen Kapitel zu erklären, dass der Heilige Geist uns dieses Wissen vermittelt und uns die Gewissheit schenkt: Der Ball ist da, er ist nicht verschwunden.
Er nimmt aber auch unsere Gefühle war und redet sie nicht klein.
Manchmal gibt es Zweifel. Manchmal scheint es - als ob alles verloren ist - dann scheint der Ball verschwunden.
Wir wünschen uns sofortige Klärung. Sofortige Gewissheit. Sofortige Lösung all meiner Probleme, das Sofortige Heil werden aller meiner Wunden, wer wie auch immer ich mir diese zugezogen habe.
Und da kommt ein Begriff auf den Tisch mit dem unsere Zeit scheinbar immer weniger anzufangen weiß:
Geduld.
Geduld. Die christliche Tugend schlechthin. Und auch schon Shakespeare bemerkte:
Wie arm sind die, die nicht Geduld besitzen! / Wie heilten Wunden als nur nach und nach?
Ich selbst bin ein ziemlich ungeduldiger Mensch. Ich bin Kind meiner Zeit. Ich möchte alles möglichst sofort, eher gestern als heute getan habe.
Warten war für mich immer reine Zeitverschwendung.
Müsste ich mich zwischen Arbeit und Warten entscheiden, ich würde die Arbeit nehmen.
Doch immer mehr wird mir bewusst, dass das Warten eine königsdisziplin im Glauben ist, die wir wiederum besser heute als morgen einüben sollten.
Und einmal eingeübt, merkt man mit der Zeit, dass man den Moment genießen kann, damit beginnt vllt. sogar schon ein Prozess der Heilung.
5. Abspann
Paulus gibt den seufzenden Christen in Rom und andernorts mit seinem Brief Hoffnung.
Hoffnung heißt: Auf das zu vertrauen, was ich jetzt noch nicht sehe.
Hoffnung heißt: Das Heil geduldig zu erwarten bis man es sieht.
Der Ball ist nicht weg, er ist nur hinter dem Rücken.
Und ja: Wir sollen werden wie die Kinder. Denn wenn den Kindern sagt:
Der Ball ist hinter meinem Rücken, dann wiederum glauben sie das. Und im Glauben ist der Ball dann doch da und nicht verschwunden - so wie es ja auch ist.
Und der Friede Gottes, der höher ist als all unsere menschliche Vernunft,
bewahre unsere Herzen in Jesus Christus unseren HERRN.
Amen.