Mauern ziehen - Bresche treten
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Mauern ziehen - Bresche treten
Mauern ziehen - Bresche treten
Ich suchte unter ihnen, ob jemand eine Mauer ziehen und in die Bresche vor mir treten würde für das Land, damit ich’s nicht vernichten müsste; aber ich fand keinen.
Liebe Gemeinde,
waren sie schon einmal in Jena auf der Kunitzburg. Wahrscheinlich nicht? Vielleicht haben sie noch nicht einmal gehört, dass es diese Burg überhaupt im Umland von Jena gibt. Mit Tamara und meinem Bruder habe ich im Frühjahr dorthin eine kleine Wanderung unternommen. Nun für einen ungewohnten Wanderer, wie mich, war es schon etwas anstrengend, den etwas steilen Weg nach oben zu gehen. Als wir dann am Ziel ankamen, wurde dann die Frage gestellt: Wo ist denn nun die Burg? Da war von der Burg, außer ein Stück Burgmauer und einem Turmrest, nicht viel zu sehen. Wenigstens einen guten Blick nach Jena und zu den Dornburger Schlössern und ein schönes Picknick hatten wir.
Dieser Rest einer Burg ist das Überbleibsel von längst vergangenen Herrschaften in und um Jena. Die letzten waren die Viztume von Roßla um 1450, die den Herzog Wilhelm von Sachsen um Reichtümer und Besitz betrogen hatten und deshalb dann vertrieben wurden. Dann wurde die Burg dem Verfall preisgegeben.
Um Betrug und Hinterlist, die Folgen davon und wie Gott damit umgeht, geht es heute in unserem Predigttext aus dem Buch des Propheten Hesekiel 22,23-31:
23 Das Wort des Herrn kam zu mir: 24 Du Mensch , sag zum Land Israels: Du bist ein Land, das nicht rein gemacht wurde. Es fiel kein Regen mehr auf dich, als mein Zorn dich traf. 25 Die Herrscher des Landes verhalten sich wie Löwen: Sie brüllen und reißen Beute. Sie haben Menschen gefressen, Schätze und Reichtümer genommen und viele Frauen im Land zu Witwen gemacht. 26 Die Priester des Landes haben meine Weisung willkürlich ausgelegt. Sie verachteten das, was mir heilig ist. Sie machten keinen Unterschied mehr zwischen Heiligem und Alltag. Sie haben nicht mehr gelehrt, was rein ist und was unrein. Sie sorgten sich nicht um den Sabbat. So wurde ich in diesem Land in den Dreck gezogen. 27 Die Herrscher des Landes reißen Beute wie Wölfe: Sie vergießen Blut und töten Leben, um sich unrechtmäßig mit Beute vollzustopfen. 28 Die Propheten verschleiern das für sie: Ihre Visionen sind nutzlos und die Orakel für das Land sind trügerisch. Sie sagen: »So spricht Gott, der Herr!« Aber der Herr hat überhaupt nicht gesprochen. 29 Das Volk des Landes hat Erpressung und Raub begangen. Es hat Arme und Besitzlose ausgebeutet, Fremde ungerecht behandelt und mit Gewalt unterdrückt. 30 Ich habe unter ihnen jemanden gesucht, der die Schutzmauer des Landes ausbessert. Ich wollte jemanden finden, der mich aufhält, damit ich das Land nicht zerstöre. Doch ich habe niemanden gefunden. 31 Da goss ich meinen Ärger über sie aus. Im Feuer meines Zorns machte ich ihnen ein Ende. Ich ließ sie die Folgen ihres Verhaltens spüren. – So lautet der Ausspruch von Gott, dem Herrn.
Mancher würde jetzt am liebsten gleich aufschreien und sagen, dass dieser Abschnitt aus dem Buch des Propheten Hesekiel hochaktuell ist. Er beschreibt doch die Gesellschaft, in der wir heute leben. Sie ist doch so korrupt, wie es der Prophet Hesekiel hier umschreibt. Wenigstens fühlen und empfinden wir das oft so.
Der Text oben zeichnet ein lebendiges Bild einer Gesellschaft, die vom Weg abgekommen ist, die am Ende den lieben Gott einen frommen Mann sein ließ und die sich um ihn überhaupt nicht mehr scherte. Nicht nur ein bisschen waren sie abgewichen, sondern ganz und gar. Durch die Macht der Sünde ist zwischen Gott und den Menschen eine Lücke entstanden. Schuld daran sind zuerst die politischen und ganz besonders die religiösen Führer des Volkes, aber auch das Volk im Ganzen wird hier zur Rechenschaft gezogen. Niemand kann mit dem Finger auf einen anderen zeigen und sagen, der dort ist allein schuld und kann seine Hände in Unschuld waschen. Alle werden zur Rechenschaft gezogen. Man hat gemeinsam gegen Gott rebelliert und das ist sogar schlimmer als die Sünde überhaupt: 1.Samuel 15:23
23 Denn Ungehorsam ist Sünde wie Zauberei, und Widerstreben ist wie Abgötterei und Götzendienst. Weil du des Herrn Wort verworfen hast, hat er dich auch verworfen, dass du nicht mehr König seist.
Die Lücke, die die Sünde geschlagen hat, hat den Niedergang der Gesellschaft zur Folge. Das geschah, weil sich das Volk von Gott getrennt hat und vom rechten Weg abgekommen ist.
Auch wir empfinden, dass unsere Gesellschaft heute vom rechten Weg abgekommen ist. Linksextremismus, Rechtsextremismus, Islamismus, Antisemitismus machen sich in unserer Gesellschaft breit. Sie radikalisieren uns Menschen. Sie prägen das Bild der Medien, der Nachrichten. Alles radikalisiert sich. Rechte und linke Aufmärsche, in Deutschland wird ein islamisches Kalifat ausgerufen und unsere jüdischen Schwestern und Brüder fühlen sich nicht mehr sicher in unserem Land. Das nach 78 Jahren nach dem Holocaust. Die Politiker wissen nicht mehr aus noch ein. Falsche Nachrichten werden im Namen der Kirche verbreitet, wie es in der vorigen Woche im Namen der Wittenberger Pfarrer geschah, die aber nachweislich von einer AFD-Demo aus Sondershausen kam. Die Gesellschaft damals, aber auch unsere Gesellschaft heute, brauchen verzweifelt Männer und Frauen, die bereit sind, für Gottes Wahrheit einzustehen.
Die Propheten, die Priester, die Führer des Volkes, haben damals ihre Pflichten alle nicht erfüllt. Sie haben Gottes Gesetz und Gebote nicht gehalten. Sie haben nicht zwischen dem Heiligen und dem Gewöhnlichen unterschieden, und sie haben den Sabbat nicht respektiert, sondern wie den Alltag gelebt. Kurz gesagt, sie waren damit keine Männer Gottes.
Aber auch heute stehen wir als Kirche und als Christen in unserer Gesellschaft in der Kritik. Und das ist auch berechtigt. Wo sind wir denn? Warum stehen wir nicht auf und sind Leuchttürme des Glaubens und bekennen uns zu dem Gott Israels und dem Vater unseres Herrn Jesus Christus? Warum beten wir nicht gegen die Unordnung und das Chaos in unserer Gesellschaft? Warum stehen wir nicht zu Israel, das Gottes Volk ist? Wir sind vielleicht keine Propheten oder Priester, aber wir sind alle berufen, Männer und Frauen Gottes zu sein. Wir sind berufen im Kleinen und im Großen für Gott aufzutreten.
Damals musste Gott feststellen:
30 Ich suchte unter ihnen, ob jemand eine Mauer ziehen und in die Bresche vor mir treten würde für das Land, damit ich’s nicht vernichten müsste; aber ich fand keinen.
Ich habe Euch dazu mittels einer künstlichen Intelligenz über Adobe Express ein Bild erstellen lassen. Eine Burgmauer mit einer Bresche drin und ein Mensch ist durchgegangen. Gott hat damals niemand gefunden, der durch diese Bresche der Schuld und Sünde gehen konnte und einen Neuanfang bewirkte.
Doch er war es selbst, der dann später einen Neuanfang bewirkte, der dann jemand durch diese Bresche gehen ließ. Mit Jesus Christus, seinem Sohn, der eben für die Sünde und die Schuld der Menschen am Kreuz gestorben ist. Er, Jesus, ist in diese Bresche getreten, damit ein Neuanfang geschieht, mit Gottes Volk, mit Israel, das ja immer noch auf den Messias wartet, obwohl in Jesus dieser schon da ist. Gott hat auch einen Neuanfang mit uns durch Jesus gemacht. Damals hat Gott keinen gefunden, der dazu würdig war. Eigentlich endet unser Bibeltext traurig - und die Geschichte geht ja traurig weiter. Gottes Gericht kam mit der Babylonischen Gefangenschaft über das Volk. Doch Gott gibt sein Volk Israel trotz aller Gerichte und Schläge bis heute nicht auf.
Wir als Christen sind durch Jesus Christus in die Nachfolge gerufen. Ihm, der der Einzige ist, der durch seinen Tod am Kreuz und seine Auferstehung in diese Bresche zu treten und Heilung und Heil und Versöhnung mit Gott zu bewirken. Er hat uns berufen, in unserem eigenen Einflussbereich Verantwortung zu übernehmen, dass Gottes Heilsplan auch heute verkündet und erfüllt wird, sei es in unseren Familien, an unseren Arbeitsplätzen oder in unseren Gemeinden. Und genau wie zur Zeit Hesekiels braucht unsere Gesellschaft Menschen, die bereit sind, diesem Ruf zu folgen. Gerade auch und besonders in dieser schweren und umstrittenen Zeit.
Man muss sich fragen, ob heute in Kirche und Staat genügend Menschen da sind, die in diesem Sinne und im Vertrauen auf den Beistand und die Hilfe Gottes »in die Bresche treten«. Dass darauf eine Verheißung liegt, ja, dass Gott selbst solche Leute sucht, ergibt sich deutlich gerade aus der Frage Gottes, dass er nach Menschen sucht, die das tun auch heute. Auch wir sind gefragt.
Bei der Kunitzburg gab es ein paar Versuche dort wieder um die Burg herum Leben einzuhauchen. So lebte um 1809 für sechs Jahre in einer dort errichteten Blockhütte eine Schwedin mit ihren Kindern. Dann gibt es eine Burgklause, in der zu DDR-Zeit ein Jugendclub war. Aber alles hatte kein Bestand.
Für uns heute heißt es, uns daran zu erinnern, was der Apostel Paulus an die Gemeinde in Rom schrieb:
3 Denkst du aber, o Mensch, der du die richtest, die solches tun, und tust auch dasselbe, dass du dem Urteil Gottes entrinnen wirst? 4 Oder verachtest du den Reichtum seiner Güte, Geduld und Langmut? Weißt du nicht, dass dich Gottes Güte zur Buße leitet?
Vielleicht habe ich am Anfang etwas zu stark aufgezeichnet, wie schlecht es in unserer Gesellschaft ist, oder auch nicht. Es ist auf jeden Fall kein Grund, für uns Christen zuallererst zu Stöhnen und zu Jammern, sondern um beim Bild des Bibeltextes zu bleiben: Es ist ein Grund um in die Bresche zu treten. Wir können das mit dem tun, wozu uns der Prophet Jeremia auffordert:
7 Suchet der Stadt Bestes, dahin ich euch habe wegführen lassen, und betet für sie zum Herrn; denn wenn’s ihr wohlgeht, so geht’s euch auch wohl.
Das sollten wir tun.
Amen