Gerettet durch den Kasten

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Transcript
Ihr Lieben,
stellt euch einen Kinoabend vor: Wir gehen in einem dieser großen Kinokomplexe. Die Tickets sind gekauft, ebenso größere Vorräte an Popcorn, Nachos und Getränken. Wir suchen unsere Plätze und dann beginnt endlich der Film.
Doch schon bei den ersten Sequenzen, noch bevor der Filmtitel eingeblendet wird, stellt sich ein merkwürdiges Gefühl ein: »Wir sind, glaube ich, im falschen Film!« Statt unserer Lieblingsschauspieler bevölkern animierte Comicfiguren die Leinwand. Das ist vielleicht per se nicht schlecht, aber im Moment absolut nicht das, was wir erwartet haben.
Mir ging es ganz ähnlich, als ich zum ersten Mal den Predigttext für heute gelesen habe – und euch ja vielleicht auch, als ihr ihn vorhin gehört habt.
Wir haben natürlich einen Text und eine Predigt zu einem neugeborenen Kind erwartet – aber doch nicht zum neugeborenen Mose! Der ist doch heute nun wirklich nicht dran. Sitzen wir alle miteinander im falschen Film?
Dass uns heute gerade dieser Predigttext vorgeschlagen worden ist, kann tatsächlich überraschen. Aber ganz so abgelegen, wie es vielleicht zunächst scheinen mag, ist dieser Textvorschlag dann doch gar nicht. Es gibt durchaus Parallelen zwischen dem Kind im Weidenkörbchen im Nil und dem Kind in der Krippe in Bethlehem, Parallelen zwischen Mose und Jesus.
Zunächst einmal diese: Das Leben von beiden beginnt nicht behütet und wenig komfortabel. Es ist von Anfang an bedroht und verletzlich. Sowohl in Ägypten in Bezug auf die Juden als auch etwa 1.500 Jahre später in Betlehem ordneten die Herrscher an, dass jeder neugeborene Junge sterben muss.
Dem Pharao waren die Israeliten zu viele geworden; er bekam Angst vor ihnen. Längst vergessen waren die Verdienste Josefs, die auch die Ägypter gerettet hatten. – König Herodes seinerseits war machtbesessen und von der Angst getrieben, ein anderer könnte seinen Thron einnehmen. Da die alten Schriften sagten, dass aus Bethlehem der König kommen soll, ließ er kurzerhand alle kleinen Jungen umbringen.
Sowohl das Leben des Babys Mose als auch das Leben des Babys Jesus waren also von Anfang an bedroht. – Und in beiden Fällen beginnt gerade so Gottes Rettungsmission – einmal für das Volk Israel aus Ägypten heraus und dann das andere Mal für das Volk Israel und die ganze Welt.
Gott liebt es, sich um das Bedrohte und scheinbar Verlorene zu kümmern. – Und Er ist sich nicht zu schade, diese Erfahrung selbst zu machen: als Baby von den Mächten der Welt bedroht zu werden.
Gott ist und handelt da, wo Menschen bedroht und verletzbar sind. Gerade da, wo wir es wohl am wenigsten erwarten würden, ist Gott am Werk und beginnt Seine Rettungsmission. Damals in Ägypten. Damals in Bethlehem. Und hier und heute bei uns.
Mose wird zunächst von seiner Mutter versteckt, damit er nicht sterben muss. Der Grund dafür, so heißt es im Predigttext, war, dass das Baby schön war. – So wie jedes Baby in den Augen seiner Mutter – und auch seines Vaters – schön ist.
Als der kleine Junge drei Monate alt war, konnte seine Mutter ihn nicht mehr verstecken. Sie sah keinen anderen Ausweg, als ihn in einem kleinen Kasten auf dem Nil auszusetzen und darauf zu hoffen, dass Gott sich um ihren Sohn kümmert.
Das hebräische Wort für „Kasten“ kommt im Alten Testament noch genau einmal vor: als Bezeichnung für die Arche, die Noah baut. Gott rettet hier wie da durch einen Kasten auf dem Wasser. Er sorgt dafür, dass die Tochter des Pharaos selbst den kleinen Kasten mit dem Baby findet und dass ihr Herz beim Anblick des Kindes ergriffen ist. Gott sorgt sogar dafür, dass die tatsächliche Mutter des Babys ihr Kind zurückbekommt und den kleinen Jungen für einige Jahre groß ziehen darf, bevor Mose zum Sohn der Prinzessin wird und am Königshof die beste Ausbildung bekommt, die es damals in ganz Ägypten gab.
In der Situation großer Bedrohung sorgt Gott für das Kind Mose und geht von Anfang an Seinen Weg mit ihm.
Gott rettet – und schreibt Geschichte.
Eben das feiern wir ja auch in diesen Tagen: Dass Gott rettet, dass Er uns rettet. Und dass Er Geschichte schreibt: Er ist Mensch geworden, ist selbst ein kleines Baby geworden, ist mitten hineingekommen in die Bedrohung des Lebens. Er wollte bei uns sein, so können wir bei Ihm sein.
In diesen Tagen feiern wir Weihnachten. Die Weihnachtstage werden ja oft zu einem Brennglas unserer Familiensituation. Wohl denen, in deren Häusern zu Weihnachten tatsächlich die viel beschworene Harmonie herrscht. Wohl denen, in deren Familien Weihnachten tatsächlich das Fest des Friedens und der Liebe ist.
Ich befürchte, dass für viele Weihnachten auch von Schmerzen und Verletzungen geprägt sind. Die Familie ist zusammengekommen. Mit ihr aber auch all die offenen Konflikte des letzten Jahres. Eine falsche Bemerkung kann genügen und der Streit kocht wieder hoch. Unvergebenes ist immer noch unvergeben.
Oder wie es mir ein Schüler letzte Woche erzählt hat: Die Familie ist nicht mehr zusammengekommen, denn sie ist übers Jahr zerbrochen. Auch hier legt das Weihnachtsfest den Finger in die Wunde und macht schmerzlich bewusst, was kaputt gegangen ist.
Wieder andere sind von ihrem Alleinsein gequält, während alle anderen in ihren Familien beieinander sind.
Gott sei Dank, weiß auch Gott um unsere Not, um alles, was nicht gut ist bei uns. Gott sei Dank, kümmert sich Gott um uns, sogar dann, wenn die Situation eigentlich völlig aussichtslos ist. Gott sei Dank, sorgt sich Gott um uns – und rettet uns. Damals Mose in einem Kasten bis hinein in den Königspalast. Dann Seinen eigenen Sohn über den Umweg – wiederum – Ägypten vor den machtgierigen und tyrannischen Klauen des Königs. Und schließlich auch uns; eben durch diesen Sohn, der als Baby in die Welt kam, um unser Retter zu sein.
Wir wissen: In unserem Leben läuft einiges nicht gut. Für manches können wir nichts, für anderes schon. Wir brauchen Gottes Hilfe, wir brauchen Gottes Rettung! Er kommt als kleines Baby in einen Stall, lässt sich in eine Futterkrippe legen – fast wie in einen Kasten. Er erinnert uns damit, dass Er durch alle Zeiten Menschen gerettet hat und dass Er es auch heute noch tut. Gott kommt in unsere Welt und wird nun auch uns zum Retter.
Besonders gern startet Er dort Seine Rettungsmission, wo wir verletzlich und bedroht sind – auch an Weihnachten. Wo immer wir gerade in diesen Weihnachtstagen Enttäuschungen erleben, verletzt werden und uns ausgeliefert oder sogar verloren fühlen, dürfen wir gewiss sein: Gerade in diesen Situationen ist Gott uns nahe und hört nicht auf zu retten, zu heilen und wieder gutzumachen. Gerade da fängt Er an und lässt Menschen, die in solchen Situationen stecken, eben nicht einfach links liegen, sondern ist uns ganz nahe. Gerade die Verletzten, die Enttäuschten, die Zurückgewiesenen, die Einsamen liegen Gott am Herzen.
Wir müssen Ihn nur in unser Leben lassen, uns von Ihm retten lassen. Wenn wir unser Herz für Gott aufmachen, dann wird Er Seinen Frieden, Seine Liebe, Seine Freude hineinsprechen. Dann werden wir neu von Hoffnung erfüllt. Dann wird Er Zerbrochenes wieder heilen. Dann wird Er in unserem Leben Wunder wirken, die wir niemals für möglich gehalten hätten.
Wir können Ihm die Dinge hinlegen, mit denen wir zu kämpfen haben, sie bei Ihm abgeben und wissen: Jesus selbst kümmert sich darum.
Oder, um das Bild vom Anfang noch einmal aufzugreifen: Wenn wir im Leben mal wieder das Gefühl haben, im falschen Film zu sitzen, dann können wir einfach den Raum wechseln: Die Tür zu Gott steht offen, weit offen seit Jesus in unsere Welt gekommen ist. Jesus sagt, dass Er selbst diese Tür ist, durch die wir den Weg zu Gott finden. Bei Ihm können wir sein. Bei Ihm können wir lachen und weinen, unsere Wunden zeigen, geheilt werden, neue Hoffnung bekommen. Gott rettet uns, wie Er es schon mit unzähligen Menschen vor uns getan hat.
Amen.
(In Teilen nach einer Vorlage von Prof. Dr. Christoph Barnbrock – in: Zuversicht und Stärke VI,1)
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