Wachet auf und macht euch bereit!
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Transcript
Ich bin Pastor. Ich möchte keine Geschichten erzählen. Keine Märchen und Anekdoten. Mein Wunsch ist, dass ihr hier etwas hört, das euch in eurem Leben anspricht, ermutigt und euch verändert.
Mein tiefster Wunsch ist, dass das, was wir hier im Gottesdienst singen, beten und hören nicht nur fromme Dekoration im Wochenablauf ist, sondern euch tief im Leben trägt. Dieser Gottesdienst und diese Predigt soll doch einen Unterschied machen zwischen dem Moment, an dem ihr es noch nicht erlebt habt und danach.
Es geht ums Leben. Und wenn das, was ich hier sage euch nicht verändert und zum Leben hilft, dann muss ich schweigen. Das wäre mir zu wenig.
Und so sind wir mitten drin in dem Gleichnis vom Himmel. Vom Himmelreich. Es geht um nicht weniger, als den Unterschied, auf Gott zu hoffen und mit ihm durch das Leben zu gehen oder eben nicht.
Das Gleichnis ist recht unangenehm, wenn ich es lese und höre. Es geht übertragen gesprochen darum, wie wir in der Welt unterwegs sind, worauf wir hoffen und vertrauen und darum, ob wir noch darauf vertrauen und warten, dass er kommt und eingreift.
Letzte Woche hat mir jemand gesagt, wie schwer es ist zu glauben, wenn doch all die Welt gefühlt im Krieg ist und all die bisher sicher geglaubten Errungenschaften und Sicherheiten infrage gestellt werden. Das Geld ist weniger wert, die Rente ist gar nicht so sicher, Menschen handeln ganz menschlich unmenschlich und wir sind mitten drin in dieser fragilen und unsicheren Zeit.
Wo ist Gott, wenn man ihn braucht?
Und wir hören im Gleichnis davon, dass der Bräutigam auf sich warten ließ. Herrgott Jesus, wo bist du, wenn man dich braucht?
Warten … Warten … Wann kommt er? Die Lampe geht aus … Ich erwarte nichts mehr von Gott. Das ist der Glaubenstod. Mein Vertrauen erlischt. Und dann habe ich nur noch eine Welt, die vom Fußboden bis zu den Wolken reicht.
Ich war in diesem Jahr einmal nachts um vier bei einem älteren Herrn. Es war im Rahmen der Notfallseelsorge. Er ist mitten in der Nacht neben seiner toten Frau aufgewacht und war nun ganz allein. Und er hat mir gesagt, dass die Welt doch so ist: Vom Fußboden bis zu den Wolken. Und Feierabend.
Ist das nicht traurig? Dann bist du im Alleinsein noch mehr allein. Und auf dich allein geworfen. Ist das Leben tatsächlich nur dieser kleine Abschnitt auf dem Zeitstrahl der Geschichte?
Wenn ich in der Notfallseelsorge eins gelernt habe, dann dass ein Leben schnell vorbei sein kann. Egal in welchem Alter. Ob Baby, Erwachsener mitten im Leben oder Greis. Von einem Moment auf den Anderen kann das Leben aus sein. Wie bei einem Schalter.
Und dann erlebe ich die Junge Generation, geprägt von den Krisen unserer Zeit - und ja: es gab davor schon Krisen und es wird danach welche geben. Aber vielleicht haben sie recht mit ihrer Forderung nach mehr selbst gestalteter Lebenszeit und einer anderen Gewichtung von Arbeit und Familien bzw. Freizeit.
Corona und Kriege lassen uns fragen, was im Leben wichtig ist und zählt. Welche Prioritäten wir setzen.
Was nutzt es, wenn auf deinem Grabstein mal steht: „Arbeit war sein Leben!“. Oder „Er war immer für alle da!“. Nur vielleicht nicht für seine Kinder, wenn sie ihn brauchten oder auch für sich selbst, um das eigene Leben zur Entfaltung zu bringen.
Das Leben fängt eben nicht erst mit der Rente an, sondern mit dem ersten Herzschlag und dem frischen Atemzug, der deine Lungen füllt.
Und so gehen wir alle seit der Geburt durch das Leben. Ihr habt recht: zu anfang wurden wir getragen und sind gekrabbelt, bis wir dann selbst mal mit den ersten wackeligen Schritten angefangen haben.
So ist es auch im Glauben. Es geht darum, im Glauben auf die eigenen Beine zu kommen.
An die Gemeinden in Korinth schrieb Paulus:
Ich habe euch Milch zu trinken gegeben, nicht feste Speise; denn ihr konntet sie noch nicht vertragen. Ihr könnt es aber auch jetzt noch nicht,
Je länger wir erwachsen sind, desto mehr müssen wir uns selbst mit unserem Glauben und Unglauben auseinandersetzen. Trägt das, was ich im Kirchlichen Unterricht, im Konfirmandenunterricht oder durch die Eltern, Pastoren und anderen Menschen gelernt habe?
Und da sind wir wieder beim Anfang meiner Predigt: Mein sehnlichster Wunsch ist, dass das, was ich hier erzähle euren Glauben fordert und fördert. Er soll tragfähig sein im Angesicht von Naturkatastrophen und Krieg und vor allem auch im Angesicht des eigenen Lebens.
Glaube ist nicht nur eine Sammlung von Überzeugungen oder Ritualen. Es ist auch keine Sammlung von Lebensprinzipien und Abhaklisten der Moral.
Glauben ist zutiefst eine lebendige und dynamische Beziehung zu Gott, die das gesamte Leben durchdringt und formt. Diese Beziehung bietet Trost und Führung in unsicheren Zeiten und fordert gleichzeitig jede und jeden zur Hoffnung heraus.
Glauben oder nicht Glauben ist hier die Frage. Und ja: Sein oder nicht sein. Die Seinsqualität ist eine andere, wenn der Himmel nicht an der nächsten Wolke endet.
Jan-Heiner Tück ist Professor für Systematische Theologie an der Universität Wien schrieb letzte Woche einen Text mit dem Titel: „Erwartung der Wiederkunft Christi heute beinahe erloschen“. Er schrieb darin von dem Philosophen Jean-François Lyotard.
Dieser hat für die Postmoderne das „Ende der großen Erzählungen“ verkündet. Viele kleine Narrative würden der Vielfalt heutiger Lebenswelten besser gerecht.
Vielleicht ist das eines unserer großen Probleme. Wir leben alle nebeneinander her, jede und jeder in der eigenen Lebenswelt, der eigenen abgeschlossenen Lebensbubble. Aber wo gibt es die gemeinsamen Narrative? Wer erzählt uns die gemeinsamen Geschichten, die uns zusammenhalten und uns miteinander verbinden und unsere menschlichen Lebenswelten miteinander verweben und offen halten?
Schöpfung und Vollendung bilden den Rahmen, dazwischen gibt es die Bundesgeschichte mit Israel, das Kommen Christi und die Gabe des Hl. Geistes, der die Kirche auf ihrem Weg bis zur Wiederkunft Christi begleitet.
Die Parusie - also die Erwartung des Kommens und gerechten Eingreifens Jesu - ist ein Element dieser großen Erzählung. Die Erwartung der Wiederkunft des Herrn ist heute jedoch fast ausgestorben. Sie kommt zwar in der Liturgie beim Abendmahl und auch im Glaubensbekenntnis vor. Aber im Leben vieler, die Christen sind, spielt die Erwartung kaum eine Rolle.
Wenn Gott in der Vergangenheit gerettet hat, so die große Erzählung, dann wird er es auch heute und in Zukunft tun. Die Geschichte steuert also nicht auf ein Fiasko zu. Ihr Fluchtpunkt hat einen Namen und ein Gesicht: Jesus Christus, der kommen wird, zu richten die Lebenden und die Toten. Es ist also nicht gleichgültig, wie wir leben. Wir werden erwartet, wir werden gefragt.
Um Mitternacht, als man es am wenigsten erwartete, ertönte ein Schrei: Seht, der Bräutigam! Die zehn Jungfrauen standen schnell auf und zündeten die Dochte ihrer kleinen Tonlampen an, die mit Olivenöl brannten. Die törichten Jungfrauen baten um Öl; denn ihre Lampen erloschen - eine Warnung vor der Gefahr, die eigene geistliche Erfahrung zu vernachlässigen.
Es ist Am Ende ein glaube auf Sparflamme, der in den Krisen des Lebens nicht mehr genug Öl hat, um die dunkle Nacht zu erhellen.
Und wenn ich nicht genug Glaubenssaft habe, dann fällt es schwer, bereit zu sein, in den Momenten des Lebens einzugreifen, wenn es notwendig ist.
Es ist nicht nur ein Moment pietistischer und methodistischer Frömmigkeit, das uns aus der Erfahrung der Geschichte heraus auffordert, uns zu verändern und aus dem Glauben heraus einen Weg der Heiligung zu gehen.
Es bedeutet nicht mehr und nicht weniger, als sich durch die Glaubensverbindung mit Jesus zu einem Menschen verwandeln zu lassen, der aus Liebe das Leben mit anderen Menschen gestaltet.
Es heißt, mit einer gewissen heiligen Unruhe unterwegs zu sein und sich nicht lethargisch und bequem zurückzulehnen und darauf zu vertrauen, dass die anderen mit ihren Vorräten schon eingreifen werden und zur not von ihrem Glaubens- und Liebesüberschuss was abgeben.
Ich war am 9. November bei der Gedenkveranstaltung zur Reichspogromnacht 1938 am Mahnmal in Dortmund Dorstfeld. Und auch da hat ein Zeitzeuge eindrucksvoll berichtet, dass es im Leben ein zu Spät gibt. Ein Nichteingreifen. Dann, wenn man darauf vertraut, dass die menschliche Vernunft sich doch irgendwann durchsetzen würde - auch ohne mein eigenes Zutun.
Es gibt ein zu spät sein im konkreten Ansprechen, das einen rechtzeitigen und deutlicheren Einspruch gefordert hätte. Dieses „zu Spät sein“ das anderen Strömungen kritiklos Raum gegeben hat.
In der Woche nach der Reichspogromnacht schrieb Pastor Hermann Schöpwinkel, mein erster Vorgänger in der Stadtmission Offenbach in einem Brief
„... es ist unbeschreiblich, was ich mit meinen eigenen Augen sehen musste an Greuel [sic!] und Wahnsinn. Ich bin bis in das innerste Herz zerschlagen und muss immer wieder stammeln: Herr, ist denn Deine Gemeinde in unserm Volk so wenig Salz und Licht gewesen, dass solcher Hunnengeist offenbar werden konnte?“ (Pastor Hermann Schöpwinkel Woche vom 9. Nov. 1938)
Zuweilen braucht es gerade den lauten Einspruch von Personen, die sich rechtzeitig öffentlich äußern. Gesellschaftlich braucht es auch die lauten Einsprüche, denen sich einzelne kritisch anhängen können. Es braucht den Mut Einzelner, die die Individuen zur kritischen Auseinandersetzung aufrufen und ihnen zeigen, dass sie nicht alleine sind - und einem lauten Populismus nicht machtlos ergeben sind.
Eine veränderte Gesellschaft geht von veränderten Menschen aus, die selbst aus ihrem Glauben heraus, aus der Begegnung mit dem Heiligen, Einspruch erheben.
Die wichtigste Lektion wird von Jesus erteilt: Darum wacht, denn ihr wisst weder den Tag noch die Stunde. Dieses anschauliche Gleichnis ist eine Warnung, dass es so etwas wie „zu spät“ gibt, auch im eigenen Glauben.
Das Gleichnis ist eine Ermahnung, stets vorbereitet und wachsam zu sein – nicht nur in Bezug auf die Endzeiterwartung, sondern auch in der täglichen Praxis des Glaubens. Die Betonung liegt auf einer aktiven und bewussten Glaubenshaltung, die über das Warten hinausgeht.
Was für ein Öl sollen wir denn nun dabei haben, um vorbereitet zu sein und in den Momenten des Lebens Licht zu haben?
Als erstes die persönliche Beziehung zu Gott. Die törichten Jungfrauen hatten äußerlich alles, was nötig war, ihnen fehlte aber das Wesentliche – eine tiefe Beziehung zu Gott. Es geht darum, ihn im Gebet ins eigene Leben einzuladen und ihn nach seiner Weisheit zu befragen. Ich suche Trost in seiner Gegenwart und lasse mich von ihm mit der Glaubensmilch versorgen, die ich mir selbst nicht geben kann.
Der Heilige Geist. Mir sagte mal jemand: „Der Heilige Geist ist schon seltsam. Man sieht ihn nicht, man hört ihn nicht … und den meisten merkt man ihn auch nicht an“.
Dabei ist der Heilige Geist nicht wie ein luftleerer Raum. Der Heilige Geist ist eher wie Atomkraft. Man sieht sie nicht und doch hat sie, wenn man mit ihr in Kontakt kommt eine enorme Wirkung.
Lade Gott, den Heiligen Geist ein, in deinem Leben und deiner Kirche wirksam zu sein.
Glaube und gute Werke: Glaube braucht auch das Tun. Es bringt nichts, die einmal entzündete Flamme auf Sparflamme zu halten. Gott ist ein Herr der Fülle, der im Tun segnet. Auch, wenn ich nicht der Meinung bin, dass mein Weniges ausreicht. Er tut das Seine hinzu: Wir Christen nennen das Segen! Er segnet.
Bei der Speisung der 5000 waren es die Schüler von Jesus, die Wunder über Wunder erlebt hatten und dann doch ratlos vor ihm standen. Sie sahen nur 5 Brote und zwei Fische. Sie hätten diese am liebsten für sich behalten.
Jesus sah stattdessen die vielen Menschen, die Sehnsucht hatten. Und er tat seins dazu - er segnet das Wenige!
Vorbereitung und Weisheit: Das Öl kann als Symbol für Vorbereitung und Weisheit gesehen werden. Die klugen Jungfrauen, die zusätzliches Öl mitbringen, sind auf die Ankunft des Bräutigams vorbereitet. Drum sei weise und klug: Schreibe Gott nicht ab.
Ich wünsche euch von Herzen diesen Glauben, der nicht auf Sparflamme unterwegs ist, sondern mit der Macht des Heiligen Gottes rechnet. Lasst euch von ihm verändern, beauftragen und erfrischen. Und werdet nicht müde, eure Glaubensflamme voll brennen zu lassen und im Reden und Tun Licht in dieser Welt zu sein.
Und ihr werdet sehen: Diese Welt ist nur ein kurzer Moment hin zur Ewigkeit. Die dauert länger und kann uns trösten. Sie entbindet uns allerdings nicht vom tun dessen, was wir Glauben.
Amen