Predigt Allianz-Gebetswoche 2024 - Gott lädt ein ... zu umfassender Freiheit
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Umfassende Freiheit - wow, das klingt doch gut! Und auch sehr aktuell, denn “Freiheit” ist doch etwas, was wirklich alle Menschen wollen. Dabei ist das, wovon man frei sein möchte, sehr unterschiedlich. Frei von dem Chef, der einem immer wieder neue Arbeit zuteilt … Frei von der Schule, in der man ständig zum Lernen gezwungen wird … Frei von den finanziellen Sorgen, die einen fast erdrücken … Frei von unterschiedlichsten Süchten, an die man gebunden ist … Und wenn ein Mensch im Gefängnis von Freiheit spricht, meint er wieder etwas ganz Anderes.
Freiheit wird also ganz unterschiedlich verstanden, je nach der eigenen Lebenssituation. Und doch ist der Wunsch nach “umfassender Freiheit” etwas, was eigentlich jeder Mensch ganz tief in seinem Herzen trägt.
Das große Thema der diesjährigen Allianz-Gebetswoche lautet ja “Gott lädt ein - Vision für Mission”. Und wenn der Wunsch nach Freiheit etwas ist, was alle Menschen bewegt, dann ist das Versprechen, wirklich umfassende Freiheit zu schenken, ein echt starkes missionarisches Argument. Schon der Prophet Jesaja schreibt im achten Jahrhundert vor Christus:
Luther 1984 Kapitel 61
1 Der Geist Gottes des HERRN ist auf mir, weil der HERR mich gesalbt hat. Er hat mich gesandt, den Elenden gute Botschaft zu bringen, die zerbrochenen Herzen zu verbinden, zu verkündigen den Gefangenen die Freiheit, den Gebundenen, dass sie frei und ledig sein sollen; 2 zu verkündigen ein gnädiges Jahr des HERRN
Und Jesus nimmt das auf, als er in der Synagoge in Nazareth ist. An diesem Tag ist genau dieser Text aus Jes. 61 dran. Lukas berichtet:
Da wurde ihm das Buch des Propheten Jesaja gereicht. Und als er das Buch auftat, fand er die Stelle, wo geschrieben steht: »Der Geist des Herrn ist auf mir, weil er mich gesalbt hat, zu verkündigen das Evangelium den Armen; er hat mich gesandt, zu predigen den Gefangenen, dass sie frei sein sollen, und den Blinden, dass sie sehen sollen, und den Zerschlagenen, dass sie frei und ledig sein sollen, zu verkündigen das Gnadenjahr des Herrn.«
Und dann tut Jesus etwas ganz Unerwartetes. Er gibt die Buchrolle zurück und setzt sich. Das tat man damals, wenn man einen Bibeltext auslegen und die Menschen lehren wollte, was dieser Text bedeutet. Das war also noch nicht Unerwartet. Aber das, was er dann sagt, schon. Er sagt:
Und er fing an, zu ihnen zu reden: Heute ist dieses Wort der Schrift erfüllt vor euren Ohren.
Das führt zu einer großen Unruhe. Wer ist Jesus, dass er so etwas sagen kann? Dass er diese Stelle auf sich selbst bezieht und behauptet, dass er selbst dieser “Gesalbte” ist und dass er die Freiheit der Menschen bringt? Schließlich ist Nazareth die Stadt, in der Jesus aufgewachsen war. Man kannte ihn. Er war ein Zimmermann.
Und so lehnen die Menschen aus Nazareth diesen Jesus und seinen Anspruch ab. Und damit auch seine Botschaft, das Angebot der Freiheit, das Jesus macht.
Was ist das überhaupt für eine Freiheit, die Jesus hier verspricht? Kann jetzt einfach jeder kommen und das mit seiner eigenen Bedeutung füllen? Wird ein Mensch, der im Gefängnis sitzt, deshalb freigelassen? Braucht ein Schüler nicht mehr zu lernen oder ein Arbeitnehmer nicht mehr zu arbeiten?
Es gab in der Kirchengeschichte immer wieder Bewegungen, die das so radikal verstanden haben. Aber sie alle sind letztlich gescheitert. Von niemand wollten sie sich etwas sagen lassen. Jede staatliche Autorität lehnten sie mit dem Verweis auf die Freiheit, zu der Jesus sie berufen hatte. Und gingen daran letztlich selbst zugrunde.
Wir merken schnell, dass das so nicht geht. Was ist denn mit dieser Freiheit, die Jesus bringt, eigentlich gemeint? Und was nicht? Drei kurze Gedanken möchte ich uns dazu weitergeben:
1. Die Freiheit, die Jesus bringt
1. Die Freiheit, die Jesus bringt
Jesus hat seine Zuhörer ja oft verwirrt. Einmal sagt er zu seinen Zuhörern:
Johannes 8,31–32 (LUT84)
... Wenn ihr bleiben werdet an meinem Wort, so seid ihr wahrhaftig meine Jünger und werdet die Wahrheit erkennen, und die Wahrheit wird euch frei machen.
Verwirrt fragten die Menschen zurück, was er denn meint. Denn sie sind ja keine Knechte, sondern freie Menschen. Was heißt es da, dass die Wahrheit sie freimachen wird? Darauf antwortet Jesus, dass es eine Form der Knechtschaft gibt, die alle betrifft: die Knechtschaft der Sünde. “Wer Sünde tut, der ist der Sünde Knecht”, sagt Jesus (V. 34).
Sünde, das ist alles, was Gott nicht gefällt. Alles, was den Menschen von Gott wegbringt. Und weil Gott das Leben ist, weil Gott alles ist, was schön und gut ist, ist ein Leben in Sünde ein Leben in Knechtschaft. Paulus sagt es einmal so: “Das Gute, das ich will, das tue ich nicht. Das Böse, das ich nicht will, das tue ich.” (Röm. 7,19).
Es gibt unendlich viele Arten von Gefangenschaft, von Knechtschaft, unendlich viele Arten von Ketten, die uns fesseln. Manche dieser Ketten sind äußerlich leicht erkennbar - wie die Kette mancher Abhängigkeiten oder der sexuellen Maßlosigkeiten. Andere lassen sich nicht so gut sehen - wie die Kette des Geizes oder der Habsucht. Und wieder andere sind sind verborgen und nur selten zu sehen - wie die Kette der Pornografie oder der Spielsucht.
Aber sie alle sind Ketten, die Menschen zu Sklaven machen. Ketten, die uns letzten Endes zerstören.
Von all diesen Ketten will uns Jesus befreien.
Genau hier, an dieser Stelle, setzt die frohe Botschaft, das Evangelium der Freiheit an. Diese Freiheit, die Jesus anbietet, ist wirkliche Freiheit. Jesus schließt das Gespräch mit den Worten:
Wenn euch nun der Sohn frei macht, so seid ihr wirklich frei.
Heißt das nun, dass alle Ketten sofort von uns abfallen, wenn wir an Jesus glauben? Sind wir als Christen vielleicht sogar immun gegen solche Unfreiheiten?
Manche Menschen erleben das so. Sie entscheiden sich für ein Leben mit Jesus und werden schlagartig befreit von den Ketten, die sie gehalten haben. Eine Sucht ist plötzlich nicht mehr da, eine Abhängigkeit verschwindet.
Aber das ist nicht immer so. Es gibt auch Menschen, die mit der Hilfe von Jesus und der Begleitung von anderen Christen einen langsamen und schweren Weg in die Freiheit gehen müssen. Und die vielleicht sogar ein ganzes Leben lang immer wieder kämpfen müssen. Jesus sagt hier nicht, wie diese Befreiung geschieht. Spontan und plötzlich oder schrittweise und mit viel Mühe. Und allem, was so zwischen diesen beiden Extremen liegt. Aber er sagt, dass es letztlich immer um die Freiheit geht, die er schenkt. Und diese Freiheit ist wirklich echte Freiheit.
2. Die Freiheit in Verantwortung
2. Die Freiheit in Verantwortung
Paulus schreibt in Gal 5 13:
Ihr aber, liebe Brüder, seid zur Freiheit berufen. Allein seht zu, dass ihr durch die Freiheit nicht dem Fleisch Raum gebt; sondern durch die Liebe diene einer dem andern.
Manche Menschen verstehen unter “Freiheit”, dass sie tun und lassen können, was sie wollen. Niemand und nichts darf sie einschränken, denn dann wären sie ja nicht mehr frei - oder? Biblische Freiheit aber bedeutet nicht, dass ich mich keinen Regeln oder Ordnungen unterordnen müsste. Im Gegenteil: Freiheit braucht einen Rahmen, sonst wird sie zu Egoismus.
Es gab ja eine Zeit, in der die antiautoritäre Erziehung in aller Munde war. Es herrschte der Gedanke, dass der Mensch sich gut und positiv entwickeln würde, wenn man ihn möglichst wenig erziehen und beeinflussen würde. Also ließ man Kindern soviel Freiheit wir möglich.
Einmal soll in einem Kindergarten ein Kind zu einem Erzieher gekommen sein und ihn gefragt haben: “Müssen wir heute wieder spielen, was wir wollen?” - Ich weiß nicht, ob das wirklich geschehen ist. Aber ich glaube, dass hier deutlich erkennbar wird, was Freiheit nicht ist: die Abwesenheit von Regeln oder Normen. Freiheit braucht Verantwortung, braucht einen Rahmen. “Durch die Liebe diene einer dem anderen”, so formuliert Paulus das hier.
Freiheit ohne Liebe ist Zügellosigkeit und Egoismus. Und eine solche falsch verstandene Freiheit ist letzlich zerstörerisch. Deshalb mein dritter Gedanke:
3. Die Freiheit zur Freiheit
3. Die Freiheit zur Freiheit
Das klingt auf den ersten Blick etwas seltstam. Was meine ich?
Die 1975 verstorbene Philosophin Hannah Arendt hat ein Büchlein geschrieben, das erst lange nach ihrem Tod im Jahr 2018 zum Spiegel Bestseller wurde. Es hat den Titel “Die Freiheit, frei zu sein.”
Nun habe ich das Büchlein nicht gelesen. Und Hannah Arendt ging es wohl auch eher um die politische Seite der Freiheit. Aber den Titel fand ich sehr interessant. Man kann “Freiheit” ja in zwei Richtungen verstehen: als Freiheit von etwas und als Freiheit zu etwas.
Paulus macht das im 1. Korintherbrief deutlich. Es gab da bei den Korinthern ein Schlagwort: “Alles ist mir erlaubt”. Mit diesem Satz begründeten manche Christen in Korinth, dass es für sie keinerlei Einschränkungen gab. Nichts, was sie nicht tun durften. Zweimal zitiert Paulus diesen Satz der Korinther und schränkt ihn beide Male ein: In 1Kor 6 12 sagt er:
Alles ist mir erlaubt, aber nicht alles dient zum Guten. Alles ist mir erlaubt, aber es soll mich nichts gefangen nehmen.
Und in 1Kor 10 23:
Alles ist erlaubt, aber nicht alles dient zum Guten. Alles ist erlaubt, aber nicht alles baut auf.
Also auf der einen Seite ja! Jesus hat uns zur Freiheit berufen. Aber diese Freiheit ist nicht grenzenlos. Sie ist nicht verantwortungslos. Denn nicht alles, was ich tun darf, dient mir auch zum Guten (in Kap. 6 und 10 sagt er das jeweils zuerst). Und nicht, was ich tue, darf mich gefangen nehmen (Kap. 6). Immer sollte ich darauf schauen, ob das, was ich tue, mich geistlich voranbringt, mich aufbaut, wie Paulus sagt (Kap. 10).
Also im Beispiel: Ja, ich darf Alkohol trinken. Aber zuviel davon dient nicht zum Guten. Und zu regelmäßig nimmt es mich gefangen. Wenn ich also meine Freiheit Alkohol zu trinken, missbrauche, dann bringt es mich geistlich nicht voran. Es baut mich nicht auf.
Ich finde es sehr interessant, dass Paulus an diesen Stellen nicht damit beginnt, neue Regeln und Gesetze aufzustellen. Er sagt vielmehr, dass unsere christliche Freiheit nicht nur die Freiheit sein kann, alles tun zu dürfen, sondern dass wir auch die Freiheit haben sollten, das zu lassen, was uns nicht gut tut, was uns gefangen nimmt und was uns geistlich nicht voran bringt.
Christliche Freiheit ist also immer auch die Freiheit, frei zu sein. Also auch die Freiheit, Dinge zu lassen, die mir letztlich schaden. Oder die anderen schaden. Auch das macht Paulus deutlich. Unsere Freiheit, sagt er in 1Kor. 8,9, darf nicht dazu führen, dass andere dadurch zu Fall kommen. Menschen, die an einer bestimmten Stelle eine Schwäche haben und vielleicht dadurch, dass ich meine Freiheit auslebe, zu Fall kommen. Im Beispiel: Kann ich auch auf Alkohol verzichten, wenn ich mit einem Menschen zusammen bin, der eine Alkoholabhängigkeit hat oder der hier eine Schwäche besitzt? Vielleicht sogar dauerhaft, wenn dieser Mensch z.B. ein Familienmitglied ist? Ist dann die Liebe da? Die Liebe zu diesem Menschen, die mich dazu frei macht, auf meine Freiheit zu verzichten? Oder, wie Paulus in Gal 5,13 sagt:
Ihr aber, liebe Brüder, seid zur Freiheit berufen. Allein seht zu, dass ihr durch die Freiheit nicht dem Fleisch Raum gebt; sondern durch die Liebe diene einer dem andern.
Oder wie Petrus es schreibt in 1Petr 2,16:
als die Freien und nicht als hättet ihr die Freiheit zum Deckmantel der Bosheit, sondern als die Knechte Gottes.
Jesus hat uns befreit von all den Zwängen der Sünde. Von all dem, was uns zerstört und kaputt macht, von all dem, was uns wegbringt von Gott und damit weg vom Leben selbst. Von allem, was zum Tod führt. Diesem Jesus will ich folgen. Ich will sein Knecht sein. Denn die Knechtschaft Gottes ist wahre Freiheit, umfassende Freiheit!
Amen