Predigt (unbenannt) (2)
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Jahannes der Täufer
Jahannes der Täufer
Das Lukasevangelium (Bände I–II) (2. JESU OFFENBARUNGSREDE (7,18–35))
JESU OFFENBARUNGSREDE
Das Lukasevangelium (Bände I–II) (2. JESU OFFENBARUNGSREDE (7,18–35))
Das Wirken Jesu, von dem in 7,1–50 — rahmend in 7,1–10.11–17 einerseits, in 7,36–50 andererseits — erzählt wird, lichtet sich erst und wird zu ansprechender, sich eröffnender Offenbarung im Wort Jesu 7,18–35.
Als „Täuferrede“ ist diese Offenbarungsrede nicht sachgerecht charakterisiert, weil es in ihr letztlich um das Geheimnis Jesu geht. Deutlich gliederte sie sich in drei Teile: Auf (a) Jesu Selbstzeugnis für den Täufer 7,18–23 folgt (b) das Zeugnis Jesu über den Täufer (7,24–27.28) (das im Grunde auch ein Selbstzeugnis ist); die Redekomposition gipfelt aber deutlich (c) in dem Klageruf Jesu über die Menschen dieses Geschlechtes (7,29–30.31–35), die weder auf den Täufer noch auf ihn hörten. So wird verständlich, warum Gottes Gnadenheimsuchung (vgl. V 16) ankommt nur bei den „Kleinen“ (vgl. V 28), den „Kindern der Weisheit“ (V 35): beim einfachen Volk, bei Zöllnern (V 28) und Sündern (VV 36–50), schließlich bei Heiden (VV 1–10). Dabei ist Luk anscheinend die Feststellung wichtig, daß nicht Israel als solches — wie die Vorlage (vgl. V 9 und V 31) nahelegte —, sondern nur die offizielle Führungsschicht Israels ablehnend war (vgl. V 30), so daß das Volk Gottes in der Kirche in einer gewissen Kontinuität weiterlebt.
a) Jesu Selbstzeugnis für den Täufer
7,18–23 (= Mt 11,2–6)
Die Selbstoffenbarung Jesu 7,18–23 ist der erste große Höhepunkt des Erzählungskomplexes 7,1–50; von ihm aus bekommt Jesu Heilandswirken Licht. Das aber nicht so, als wenn Jesu Messianität mit Hilfe des Wunderbeweises abgestützt werden sollte; vielmehr so: man versteht Jesu Erbarmungstaten an Heiden, an der armen Witwe, an Zöllnern und Sündern in der Tiefe erst, wenn man weiß, wer da barmherzig ist und was in solchen Taten eigentlich geschieht. In Jesu Barmherzigkeitstaten erfüllt sich die isaianische Prophetie und geschieht die eschatologische „Heimsuchung“ Gottes (V 16). Wenn das gesehen wird, werden Jesu Erbarmungstaten transparent, zu Zeichen des eschatologischen Heiles; und so wollen sie verstanden sein. Zu solchem Verständnis aber verhilft Jesu Selbstzeugnis. Letztlich nehmen die „Kinder der Weisheit“ (V 35), nimmt der Glaube sein Wissen nicht aus Wundem, sondern — von der Weisheit Gottes erleuchtet — aus dem Selbstzeugnis Jesu (das freilich auf Wunder hinweisen kann).
Die Selbstoffenbarung Jesu geschieht nicht zufällig vor Johannes, der den „Stärkeren“ als den „Kommenden“ 3,16 verheißen hatte; hier in einer „Szene, in der sich der letzte Sinn der beiden Gestalten und ihres Werkes scheint verkörpern zu sollen“. Auf die sehr offizielle Anfrage erfolgt hier ein sehr offizielles Selbstzeugnis. Im Wirken und Verkünden Jesu kommt nicht nur die atl. Verheißung zur Erfüllung (V 22), sondern auch die Aktualisierung dieser Verheißung in letzter Stunde durch den Täufer. Niemand sonst war für die Entgegennahme dieser Selbstoffenbarung Jesu so legitimiert wie dieser Gottgesandte. Jesu Antwort an ihn aber wirbt missionarisch um alle, die im Wirken des Täufers Gottes Offenbarung sich auswirken sahen (vgl. V 30). Alle in Israel (und darüber hinaus), die den Täufer als Gottgesandten anerkennen, bekommen hier Antwort. Dabei steht der Form nach „wie besonders bei rabbinischen Streit- und Schulgesprächen üblich, … der schriftgebundenen Frage“ — nach Hab 2,3 — „die schriftgebundene Antwort gegenüber“, wobei freilich der eschatologische Jubel wie auch schon die eschatologische Frage alles Rabbinentum weit hinter sich lassen.
18 Und es berichteten dem Johannes seine Jünger von all dem. Und es rief Johannes zwei seiner Jünger heran 19 und schickte sie zum Herrn mit der Frage: Bist du der, der kommen soll, oder müssen wir auf einen anderen warten? 20 Als die Männer bei ihm angekommen waren, sagten sie: Johannes der Täufer hat uns zu dir gesandt und läßt fragen: Bist du der, der kommen soll, oder müssen wir auf einen andern warten?
21 In jener Zeit heilte er viele von Krankheiten und Gebrechen und unreinen Geistern, und vielen Blinden schenkte er das Augenlicht. 22 Und er sagte ihnen als Antwort: Geht hin und meldet dem Johannes, was ihr sähet und hörtet:
Blinde werden sehend,
Lahme gehen umher,
Aussätzige werden rein;
Taube hören,
Tote werden auferweckt,
Armen wird die Frohbotschaft verkündet.
23 Und selig ist, wer nicht Anstoß nimmt an mir.
18 Die Anknüpfung an V 17 legt die Deutung nahe, daß die Johannesjünger nicht als Augenzeugen berichten, sondern ihr Wissen aus der umgehenden Fama geschöpft haben, was mit VV 21f harmoniert (s. dort). Den Bericht der Johannesjünger denkt Luk sich aber sehr umfassend (περὶ πάντων τούτων): Er hatte nicht nur die Wunderbeispiele 7,1–10.11–17 zum Inhalt, sondern auch die „Evangelisation der Armen“ (vgl. V 22) in Lk 6,20b–49, ja ging darüber hinaus wohl auf alle Geschehnisse seit der Gefangensetzung des Johannes, also auf die seit 4,14 berichteten.
19f Daß der Täufer zwei ἄγγελοι (V 24) sendet, weckt schon die Erwartung einer wichtigen Verlautbarung Jesu, die gültig — nach Dt 19,15 „aus zweier oder dreier Zeugen Mund“ — wird bezeugt werden müssen.
Wie V 13 durch Verwendung des Kyrios-Titels in der Erzählung im voraus die unzulängliche Propheten-Prädikation des Volkes V 16 neutralisiert wurde, so hier die einem Zweifel Raum gebende Anfrage des Täufers. Erzähler und Gemeinde sind sich im vornherein so einig über Jesu Kyrios-Sein, daß von daher die missionarisch-werbende Absicht der Perikope (s.u.) nur noch bedingt gilt. Der Erzähler weiß sich und seine Hörer im Kyrios-Bekenntnis im Grunde gesichert. Das Ärgernis V 23 ist nicht für die „Kinder der Weisheit“ V 35 zu befürchten. So wird nicht missionarisch für den Außenraum erzählt.
An der Einleitung hat Luk stärker verknüpfend mitformuliert; trotzdem hat Luk nicht wie Matth gelesen: Für diesen lag es nahe, mit Rücksicht auf 8,1–9,34 von „Werken des Messias“ zu sprechen.
Die Anfrage des gefangenen (vgl. 3,19f; Mt 11,2) Täufers wünscht Auskunft, ob Jesus sich als der ἐρχόμενος auszugeben bereit ist. Das war keine geläufige jüdische oder urchristliche Messiasbezeichnung, wohl aber klingt in der Frage des Täufers Hab 2,3 an, eine Stelle, auf die sich die zeitgenössische Erwartung vielfach bezieht. Dort ist die Verheißung ἐρχόμενος ἕξει ebenfalls mit der Mahnung gekoppelt, zu „warten“. Dabei impliziert die Identitätsfrage11 in ihrer Bezugnahme auf Hab 2,3 die Erwartung, daß mit dem ἐρχόμενος auch das Ende da sei, ohne daß aber speziell das Verzögerungsproblem, ein „Ringen mit der temporalen Problematik“, aus der Frage und ihrem Kontext herauszuhören ist. Luk sieht richtig, daß die Alternative zu Jesus nicht ein ἕτερος (Mt) ist, sondern ein ἄλλος aus einer Mehrheit. „Der da kommen soll“ ist — in apokalyptisch anmutender Redeweise und in recht unbestimmter Form — der Inbegriff aller Hoffnung. Diese legt mehr Wert darauf, daß mit dem eschatologisch Zu-Kommenden — in Herrenworten ist das „Kommende“ bevorzugt die Basileia14 — eine Retter- und Richtergestalt kommen wird, als darauf, sie genauer titulieren zu können.
Im Zusammenhang mit 3,16 ist hier aber nicht so sehr gefragt, ob die allgemeine Erwartung sich mit Jesu Kommen erfüllt, sondern speziell: ob die vom Täufer machtvoll entfachte Erwartung nun in Erfüllung gehen wird. „Der da kommen soll“ ist auf jeden Fall 3,16f als eine überirdisch-eschatologische Gestalt beschrieben. Zwischen dem Bild, das die Täufersprüche 3,16a.c.16b.17 von dieser überirdisch-eschatologischen Retter- und Richtergestalt entwerfen, und der geschichtlichen Erscheinung Jesu klafft der Widerspruch von Eschatologie, die wesensmäßig alle Geschichte aufhebt, und Geschichte, die an sich nicht eschatologisch ist. So steht hinter der Anfrage des Täufers der ärgerliche Anstoß (s.u. S. 412), dem die Behauptung heilsgeschichtlicher Eingriffe Gottes und insbesondere die Christuswirklichkeit natürlicherweise von Anfang an ausgesetzt waren und immer ausgesetzt bleiben werden.
20f Der „Botenspruch“ V 20 beginnt mit einer Legitimation und wiederholt dann die aufgetragene Frage18. Luk versteht das ἃ ἀκούετε καί βλέπετε (Mt 11,4) seiner Vorlage aktuell-präsentisch: die beiden Boten seien über das hinaus, was von früher schon berichtet werden konnte (vgl. V 18) nun selbst Augen- und Ohrenzeugen des machtvollen Wirkens Jesu geworden. So wird ihr Zeugnis beweiskräftiger (zumal V 18 nicht gesagt war, daß die beiden von Johannes „herangerufenen“ Jünger aus dem Kreise derer genommen waren, die ihm berichtet hatten, jedenfalls nicht, daß sie schon damals dem Johannes aufgrund eigener Augenzeugenschaft berichteten). Dabei erzählt Luk von geschehenden Heilungen und Exorzismen22 sehr summarisch und schematisch. Weil er aber auch darauf bedacht ist, daß nicht nur die beiden Boten Jesu Wort V 22 verstehen können, sondern auch seine Leser, auch darum hatte er vorsorglich schon die Totenerweckung 7,11–17 hier eingefügt, und darum trägt er nun — betont am Schluß — aktuell Blindenheilungen nach, weil er seinen Lesem von solchen bislang noch nicht berichtet hatte, das folgende Selbstzeugnis Jesu aber gerade mit diesen einsetzt.
22 Jesus läßt dem Täufer einen „Jubelruf“ übermitteln, der hier wohl nicht erstmalig formuliert wurde und dem Täufer auch nicht allein gilt. Die „Antwort“ gibt kein eindeutiges Ja auf die Frage, sondern verweist auf Zeichen: auf Jesu Machttaten und mehr noch auf sein Wort — damit aber auf die Erfüllung der Prophetie. Die fast verhörende Anfrage wird zum Sehen und Hören aufgerufen. Jesus behält sein Geheimnis, wo er es offenbart.
Nur ein Sehen und Hören, das im Lichte der Prophetie sieht, wird zum Erkennen führen. In dem Jubelruf V 22 werden in freier Weise isaianische Prophetien — rahmend Is 61,1, formiert durch Is 35,5f27 (vgl. auch 29,18ff28 und ergänzend 26,19) — aufgenommen und im Wirken Jesu als erfüllt bekannt. Dabei handelt es sich nicht um eine literarische „Zitatenkombination“30, vielmehr ist die Prophetie in ihren verstreuten Elementen gehört und zusammengeschmolzen in einem Heilsjubel, der um den Anbruch der Heilszeit weiß. In diesem Jubelruf klingt — wie schon in Lk 4,18f.21 — etwas nach von dem Jubel über die Heilserfüllung, die den dreigliedrigen Makarismus 6,20b–21 beseelt (s. dort).
Die Frohbotschaft an die Armen steht — wie 4,18f, vgl. auch zu 10,23f — betont am Ende: Offenbar kommt das Heil recht eigentlich erst an in Jesu Verkündigung — besonders gültig in dem Makarismus Jesu 6,20f, der den hungernden und trauernden Armen dieses Äons die Basileia, das endzeitliche Mahl und das sieghafte Lachen verheißt. So steht die Frohbotschaft an die Armen nur formal auf einer Ebene mit den vorgenannten Zeichen; in gewisser Weise faßt sie diese zusammen und transponiert sie ins Wort. So versteht es auch der Makarismus Lk 10,23f (s. dort). Wenn aber das Heil entscheidend im Wort ankommt, dann sind alle vorhergenannten Machttaten nun doch nicht mehr als Hinweise, daß das Heil, welches zeichenhaft schon gekommen ist, nun in endzeitlicher Fülle kommen wird.
Wenn Jesu Jubelruf den Anbruch der Heilszeit bezeugt — wie Lk 4,18f ist auch hier die Ankündigung der Rache Gottes Is 61,2 und 35,4 nicht aufgegriffen —, entsteht schon dadurch eine Diskrepanz zur Verkündigung des Täufers, der zwar auch eine Rettergestalt erwartete, aber doch mit starken Worten auf das Gericht vorbereitete (vgl. auch V 31–35). Jesu Ruf dagegen ist Einladung zur Mitfreude — womit gewiß ein charakteristischer Zug seiner Botschaft gültig ins Wort gekommen ist.
Unübersehbar ist hier aber der Anbruch des eschatologischen Heils an die Gegenwart und das Wirken und Verkünden Jesu gebunden: die Eschatologie ist „christologisiert“ und damit — paradoxerweise — „historisiert“. Mag Isaias das Heil — zwischen Bild und Wirklichkeit pendelnd — unbestimmt zum Ausdruck bringen; für die Tradition kann V 22 nur als konkreter Hinweis auf die geschehenen ἔργα τοῦ Χριστοῦ (par Mt 11,2) verstanden werden, zumal die hier behauptete Erfüllung mit λεπροὶ καθαρίζονται34 die Prophetie übersteigt. Die luk Redaktion verdeutlicht diesen Bezug auf Jesu Wunder, die das Logion — in lockerer Weise — impliziert, in V 21 ausdrücklich. Aber diese Wunder Jesu haben „messianisch“36-endzeitlichen Charakter, das wird im Lichte der isaianischen Prophetie deutlich.
23 Die Paradoxie der in Jesus „historisierten“ Eschatologie kommt abschließend ins Wort: Sie birgt in sich die Möglichkeit des „Anstoßes“. Näherhin kann einer — trotz der genannten Machttaten — Ärgernis nehmen, wenn er in dem den Armen die Frohbotschaft Bringenden den ἐρχόμενος sehen soll. Der den endzeitlichen Retter und den Weltenrichter erwartete: den „Stärkeren“, den großen König (Lk 3,4ff. 16a), den, der mit Geist, aber auch mit Feuer taufen wird (3,16b), der die Tenne reinigen und Gottes Ernte einbringen wird (3,17) und das kommende Zomgericht bringt (3,7.9) — und alle, deren Erwartung ähnlich apokalyptisch hochgespannt war, hatten es sicher nicht leicht, in Jesus diesen Erwarteten zu erkennen. Am Christusglauben des Täufers wird demonstriert, was für jeden Christusglauben gilt: daß er an dem sich in der Geschichte offenbarenden und zugleich verbergenden Gott nicht Ärgernis nehmen darf. So lenkt Jesu „Antwort“ am Ende verständnisvoll ein auf die Schwierigkeit des fragenden Täufers und aller Fragenden, denen dieses Apophthegma zugesprochen ist: Gottes Erfüllung der Verheißungen kommt anders, als erwartet und gewünscht; wer sich ihr aber öffnet, begegnet in einer Weise Gott, daß er „selig“ gepriesen werden kann.
Jesu Wort überschreitet so sehr die Situation, daß die Reaktion des Täufers gar nicht erzählt wird. Wichtig ist der Erzählung einzig, wie der Hörer des Wortes Jesu reagiert. So ist die Erzählung missionarisch werbend: Sie möchte für die Bedeutsamkeit des Wirkens und der Verkündigung Jesu die Augen öffnen und in den eschatologischen Jubel hineinheben. Dabei ist es charakteristisch für ihre Art, missionarisch zu werben, daß die abschließende Warnung in die Form eines Makarismus gekleidet ist.
1. Luk fand die Perikope in der Redequelle, wie aus dem mit Mt teilweise identischen griechischen Wortlaut und aus der gemeinsamen Akoluthie geschlossen werden muß. Sie nimmt teil an dem Charakter von Q als einem christologischen Glaubensdokument und zeigt die gleiche auf Titel verzichtende „Christologie“ wie etwa 4,18f.21; 6,20bf; 10,23f41 und dieselbe eigentümliche Auffassung des εὐαγγελίζεσθαι wie 4,18f und 6,20bf.41a
2. Man darf das sichere Urteil aussprechen: In einer Zeit, die das Wirken des Täufers betont auf Jesus hinordnete und die ihn gar zum Zeugen für diesen machte, wäre die Begebenheit so nicht mehr erzählt worden. Auch die Intention und Funktion der Erzählung spricht für ihr hohes Alter: Sie ist um des Selbstzeugnisses Jesu (V 22) willen erzählt, und der Makarismus V 23 ist christologisch werbend gemeint. Die „Werbung“ ergeht aber offensichtlich an Kreise, bei denen der Täufer etwas galt, die aber der Christusbotschaft noch oder schon wieder fragend gegenüberstehen. Die Formulierung von V 23 wehrt eine Möglichkeit des Ärgernisses ab und setzt eine irgendwie geartete positive Beziehung zu Jesus voraus. Man kann daher nicht speziell an einen abgeschlossenen und der Christusbotschaft verschlossenen Kreis von „Johannesjüngern“ denken, die eventuell sogar den Täufer messianisch gewertet hätten. Offenbar gab es breitere Schichten im Volk, die dem Bußruf des Täufers gegenüber sich offen verhalten hatten (vgl. 7,24–27.29f), aber noch nicht zum Christusglauben durchfanden. Solche Kreise sind hier in ihrem „Ärgernis“ missionarisch angesprochen. Wenn wir damit den „Sitz im Leben“ der Perikope richtig bestimmt haben, dann ist ihre Entstehung in der Zeit der frühen Palästinamission zu denken.
3. Verschiedentlich ist der Versuch gemacht worden, aus dem Apophthegma ein ursprünglich isoliert tradiertes Logion herauszulösen. So hält Bultmann VV 22b–23 — mit seiner unjüdischen Aussage — für ein mögliches Herrenwort: „Die Heilszeit will jetzt kommen, und alsbald wird man all die Heilswunder erleben, von denen die alten Verheißungen reden, ja man sieht — etwa in Jesu Dämonenaustreibung — die neue Zeit schon anbrechen.” Gewiß ist solche aktualisierende Prolepse der Heilserwartung jüdisch nicht denkbar. Ebenso gewiß konnte in solcher Weise aber nicht „in uralten Bildern“ der Anbruch der Erlösungszeit verkündet werden ohne Hinweis auf die geschehenen Wundertaten Jesu (auch wenn sie nicht „aufgezählt“ werden)45.
Jesu Jubelruf ist aus einem Guß, keineswegs so etwas wie ein rabbinischer Schriftbeweis. Gerade darum bedarf es für seine Entstehung eines aktuellen Anlasses. Die geforderte Aktualität war gewiß so nicht mehr in der apostolischen Zeit gegeben. Form und Inhalt des Rufes weisen passender in die Zeit Jesu, die Zeit der messianischen Heilshochzeit (Mk 2,19; vgl. Joh 3,29). Dabei liegt aller Akzent auf der ergehenden Frohbotschaft an die „Armen“; das aber verweist in eine Verkündigungssituation als „Sitz im Leben“. Wie dem auch sei: V 22 wird am Ende doch nur „reflektierter“ beschrieben, was der eschatologische Heroldsruf Jesu Lk 6,20bf verkündet hat; er kann so zumindest inhaltlich auch den vorliegenden Heilsruf für die Verkündigung Jesu sichern.
4. Aber wie steht es mit der Geschichtlichkeit des im Rahmen Erzählten? Der Blick hinter die ganz kerygmatisch interessierte und formulierte Perikope in die Geschichte hinein muß sich im Dunkeln zurechtfinden: Man sagt, die frühen Gemeinden hätten die Verkündigung mit dem Zweifel des Täufers nicht belastet, wenn ein solcher nicht bekannt gewesen wäre. War aber ein solcher bekannt? Man darf urteilen: Eine skeptische oder gar negative Einstellung des Täufers zu Jesus hätte es der Tradition unmöglich gemacht, den Täufer in einer derartigen Weise für die Christusbotschaft zu beanspruchen, wie das schon in frühen Logien wie auch bereits in der Redequelle geschehen ist. Andererseits wird aber auch ein Abseitsbleiben von Johannesjüngern (das vielleicht schon hinter Mk 2,18 und Lk 11,1 erkennbar wird) schwer vorstellbar bei eindeutiger öffentlicher Stellungnahme des Täufers für Jesus. (Freilich: den Täufer „messianisch“ wertende Johannesjünger gehören nicht der frühen Zeit an.) Vermutlich ist das die Lösung: Eine frühzeitige Gefangensetzung und Enthauptung des Täufers verhinderte eine stärkere Konfrontation mit dem Wirken und der Verkündigung Jesu, und eine gewisse geschichtliche Unklarheit in der Beziehung des Täufers zu Jesus macht beide Fakten verständlich, auch die Tradition von der Täuferanfrage47.
b) Jesu Zeugnis über den Täufer
Lk 7,24–27 (= Mt 11,7–10).28 (= Mt 11,11)
Auf das Selbstzeugnis Jesu folgt das Zeugnis Jesu über Johannes in zwei Worten, von denen das zweite das erste abschirmt und ergänzt. Freüich: auch hier redet Jesus letztlich von sich und dem Heil, das mit ihm kommt, wenn er vom Täufer redet. Nach 7,24–27 war Johannes „mehr als ein Prophet“, nämlich der Mal 3,1 verheißene Vorläufer. Auch nach dem zweiten Logion 7,28 kulminiert in ihm die Verheißungszeit. In dieser positiven Aussage sind beide Logien sich einig. Während aber das erste nur die Hinordnung des Täufers auf Jesus behauptet (und die Unterordnung implizit läßt), kommt im zweiten die Hintansetzung desselben thematischer ins Wort. Letzteres ist ein angehängtes „Kommentar-Wort“, das im Zusammenhang die Funktion hat, die Aussage des ersten Herrenwortes weiterzuführen und auch gegen Mißdeutung abzusichern: Niemand darf bei Johannes stehenbleiben; mit Jesus kommt das Heil.
24 Als aber die Boten des Johannes gegangen waren, begann er zu den
Scharen über Johannes zu reden:
Was seid ihr hinausgegangen in die Wüste zu schauen?
Rohr, vom Winde bewegt?
25 Oder was seid ihr hinausgegangen zu sehen?
Einen Mann in weichliche Gewänder gehüllt?
— Seht, die in prächtiger Gewandung und in Üppigkeit ihr Leben verbringen,
sind in den Königspalästen. —
26 Oder was seid ihr hinausgegangen zu sehen?
Einen Propheten?
Ja ich sage euch: mehr noch als ein Prophet!
27 Dieser ist es, über den geschrieben steht:
„Siehe, ich sende meinen Boten vor dir her, der dir bahnen soll den Weg — vor dir her.“
28 Ich sage euch:
Ein größerer als Johannes ist nicht unter den Weibgeborenen; aber der
Kleinste im Gottesreich ist größer als er.
24–27 Das künstlerisch aufgebaute strophische Gebilde 7,24–27 beginnt mit drei Fragen, die Zustimmung hervorlocken wollen: Johannes war wirklich ein Prophet! (VV 24–26a) Das aber nur, um von diesem Bekenntnis aus weiterführen zu können: Er war mehr als das! — Er war als „Vorläufer“ auf Jesus hingeordnet (VV 26b–27). Wer ihn als solchen anerkennt, leistet ein Christusbekenntnis.
Die drei Fragen schauen zurück auf die Zeit der Massenwallfahrten in das Ödland am Jordan (vgl. 3,7.21; 7,29). Der gemeinte Sachverhalt, der in der zweiten Frage schon deutlicher ist und in der dritten ausgesprochen wird, muß schon in das Bild der ersten51 hineingeschaut werden: Johannes war — wie alle wissen — kein „schwankendes Rohr“53 und ließ sich nicht von jedem Windhauch bewegen. Er war auch kein weichlich gekleideter und wohllebender (vgl. Mk 1,6) Höfling — wohl Anspielung an die Prophetenart, die er Herodes Antipas gegenüber an den Tag legte (vgl. 3,19f)54. Beide Fragen erwarten die Antwort: selbstverständlich nicht! Sie argumentieren: Ihr habt den Mann der Wüste doch für einen Propheten von echter Prophetenart gehalten? In der dritten Frage kommt dieses Urteil dann ins Wort, und die Übereinstimmung zwischen Fragendem und Befragten wird ausdrücklich konstatiert. Solche Übereinstimmung ist Notwendigkeit, wenn die Befragten im weiteren gut mitgehen sollen.
26bf Denn nun kommt eine Beurteilung, in der der Fragende offensichtlich mit seinen Zuhörern nicht mehr einig ist56: Johannes war viel mehr als ein Prophet; er war58 der Mal 3,1 verheißene „Bote“.
Mal 3,1 ist es der Bote Jahwes, der dem am Ende in seiner Herrlichkeit kommenden Jahwe vorhergeht: ἰδοὺ ἐγὼ ἐξαποστέλλω τὸν ἄγγελόν μου, καὶ ἐπιβλέψεται ὁδόν πρὸ προσώπου μου. Aber schon die zeitgenössische Exegese wußte, daß es am Ende sein würde, wie es beim Auszug aus Ägypten war, und so goß man die Aussage in die Form des verwandten Logions Ex 23,20: καὶ ἰδοὺ ἐγὼ ἀποστέλλω τὸν ἄγγελόν μου πρό προσώπου σου, ἵνα φυλάξη σε …; dort sandte Jahwe seinen Engel beschützend vor Israel her. So sind „Zitat und Auslegung … miteinander verschlungen“. Aber was jüdisch auf Israel ausgelegt wurde, sahen die Christen mit viel mehr Recht in Jesus realisiert, in dessen Kommen die Mal 3,1 gemeinte Ankunft Gottes Ereignis wird: Das Mischzitat, das fast ebenso auch Mk 1,2 (aus einer traditionsgeschichtlichen Frühform unseres Logions?) übernahm, ist nun eine Anrede Gottes an Christus, und es ist nun die Rede von der Sendung eines Boten vor dessen Antlitz her.
Die „Wegbereitung“ wird sich Luk wie 1,17 vorstellen: dem Herrn ein „zugerüstetes Volk“ zu bereiten. Nach zeitgenössischem Verständnis — aber nicht für Luk — ist Johannes damit als wiederkehrender Elias verstanden64. 9,8.19 finden wir dann auch diese Volksmeinung bezeugt. So ist nun, der „mehr als ein Prophet“ war, im Lichte einer ausgelegten Prophetie als der „Vorläufer“ Jesu erkannt, in dessen Kommen sich die Ankunft Gottes ereignet. Niemand darf bei Johannes stehenbleiben; das Bekenntnis zu ihm weist über ihn hinaus auf Jesus, und was dem Wortlaut nach ein „Zeugnis über Johannes“ ist, ist in Wirklichkeit ein Selbstzeugnis Jesu.
1. Es geht nicht an, V 27 als „störende christliche Kommentierung“ auszumerzen67 und in V 28a oder V 28a.b den ursprünglichen Abschluß der Einheit zu finden, da V 28 eine einheitlich konzipierte eigenständige Tradition ist (s.u.). V 26b verlangt nach einer eigenen Kommentierung; V 28 aber stützt ab und ergänzt mehr V 27 als V 26b. Zudem wird das Logion schon dem Mark vorgelegen haben, der es fast wörtlich übereinstimmend Mk 1,2 verwertete. Wenn man das Mischzitat in der vorliegenden Form nicht für ursprünglich halten will, muß man als vormalige Grundlage ein Äquivalent (s.u. unter 3) postulieren. Die Übernahme der Taufe durch Jesus macht es jedenfalls glaubwürdig, daß Jesus in Johannes den letzten Propheten vor dem Ende gesehen hat.
2. Das Täuferwort Lk 7,24–27 stammt aus Q. „Sitz im Leben“ eines derartigen Logions ist die werbende Christusverkündigung der frühesten Palästinamission und der Zeitgenossen, die Johannes positiv als Prophet gewertet haben; sie sollen auf den hingewiesen werden, dessen „Vorläufer“ Johannes war. Auch V 27 kann seine Gestalt in palästinensischen Kreisen erhalten haben, die aus der rabbinischen Tradition schöpfen konnten.
3. Es steht an sich nichts im Wege, nach der Hinrichtung des Täufers eine derartige Werbetätigkeit auch schon für die Verkündigung Jesu und die vorösterliche Apostelaussendung zu postulieren, so daß das Logion zumindest sachlich in die vorösterliche Verkündigungssituation weisen würde: Johannes ist „mehr als ein Prophet“, weil er der letzte vor dem hereinbrechenden Ende ist, dem Kommen Gottes. Im Munde Jesu wäre so eine Täuferanerkennung eine Aufforderung wie Mk 1,14f gewesen, auf den Bußruf des Täufers in letzter Stunde zu hören.
28 Beteuernd neu einsetzend, knüpft V 28a mit anderen Worten deutlich an VV 26b (27) an, um die Aussage in V 28b dann ergänzend abzusichern: Die dort ausgesprochene Wertung gilt nur relativ, nicht mehr für die Christuszeit.
Die beiden Hälften des Logions stellen die Ordnung des Gottesreiches (ἐν τῇ βασιλείᾳ τοῦ θεοῦ) einer andem gegenüber, aber nicht der „natürlichen“ (ἐν γεννητοῖς γυναικῶν), sondern der, welche vor der Verkündigung (vgl. 16,16) der Basileia galt, in der es Propheten und den Vorläufer gab (VV 24–27). Nach dem Verständnis der Redequelle und des Luk werden wir uns das Gottesreich hier als angebrochene neue heilsgeschichtliche Periode denken müssen79: Die Jünger Jesu sind schon im Gottesreich bzw. drängen zumindest in dasselbe hinein (wie 16,16). Der „Kleinste“ unter ihnen aber ist — ob dieser Anteilnahme am Gottesreich — als „größer“ zu werten denn selbst Johannes der Täufer, der der Größte81 war in der Zeit der Verheißung, weil er nämlich von Gott her den wichtigsten Auftrag hatte; nämlich den, auf das nahende Neue hinzuweisen.
1. Das Logion 7,28 fand Luk hier schon in Q. Es ist nicht möglich, V 28b als christliche Zutat auszumerzen und V 28a als ursprünglich isoliertes Logion zu fassen, da es eine derartige kommentarlose Preisung des Täufers in der christlichen Verkündigung wohl nie gegeben hat und die Form der „prägnanten Zweiteilung“84 das Logion als einheitliche Konzeption wahrscheinlich macht. Hier ist auch nicht der ursprüngliche Abschluß von 7,24–26 zu finden.
2. Es ist nicht nötig, aus dem Logion Polemik gegen eine Überschätzung des Täufers durch Johannesjünger herauszuhören. Hier wird missionarisch-werbend argumentiert von Zeitgenossen, mit denen man sich einig ist über die heilsgeschichtliche Bedeutung des Täufers; aufgrund dieser gemeinsamen Basis versucht das Wort die Angesprochenen hinüberzuheben in den Raum, der von der Basileia-Verkündigung bestimmt ist87. So hat es als „Kommentar-Wort“ zu 7,24–27 die gleiche Funktion wie dieses Logion, und es ist ein „Sitz im Leben“ der frühen Palästina-Mission auszumachen. Aber auch eine ursprünglich isolierte Tradition in solchem Zusammenhang ist denkbar und kann nicht gänzlich ausgeschlossen werden.
3. Im Munde Jesu müßte man freilich — in Harmonie mit seiner sonstigen Basileia-Verkündigung — das ἐστί V 28 futurisch als ἔσται verstehen. Aber dann ergibt sich die Schwierigkeit, daß Jesus dem Täufer den Eingang in die kommende Basileia versagt hätte, die er nach Lk 13,28 doch sogar den Patriarchen zusprach. Denn es ist keine Lösung: Von Johannes sei nur insofern die Rede, als er bloßer Mensch „von Fleisch und Blut, vom Weibe geboren“ war, der als solcher „die Gottesherrschaft nicht erben“ kann (1 Kor 15,50; vgl. Joh 3,3ff)90. Und nur vom „Schauen“ des Anbruches der Gottesherrschaft, das Johannes wie den „Propheten und Königen“ versagt war (vgl. 10,24), ist im vorliegenden Wortlaut eben nicht die Rede. So werden wir damit rechnen sollen, daß die nachösterliche Gemeinde am Nachsatz in seiner vorliegenden Fassung mitformuliert hat.
c) Jesu Klageruf über die Menschen dieses Geschlechts
7,29–30 (= Mt 21,32).31–35 (= Mt 11,16–19)
7,29f gibt zunächst einen „Lagebericht“ über die geteilte Aufnahme der Wirksamkeit des Johannes, oder besser: über Erfolg und Mißerfolg, den Gottes Heilsratschluß in Israel hatte. Dabei schützt dieser „Vorbau“ das folgende Gleichnis und seine Anwendung vor einem Mißverständnis, so daß mit ihm eine vorgegebene Interpretationshilfe angeboten ist: Es war zunächst und eigentlich nur das „offizielle“, das durch die Pharisäer (vgl. auch 7,36–50) und Gesetzeslehrer repräsentierte Israel, das Jesus verwarf — im Volke bis hinab zu den Zöllnern gab es viele „Kinder der Weisheit“ (vgl. V 35), so daß Gottes Heilswille an Israel durchgerettet wird in die Kirche hinein.
Das angefügte Gleichnis 7,31f mit seiner beigegebenen Anwendung 7,33ff übersteigt in seiner Aussage den „Lagebericht“ von 7,29f; denn hier wird die Situation nicht nur nach dem Wirken des Täufers überschaut, sondern damit zusammen und mehr noch die nach dem Wirken Jesu. In 7,31–35 liegt also die eigentlich gemeinte Aussage, und 7,29f ist als „Vorbau“ und vorangestellte Interpretationshilfe richtig charakterisiert. Dabei wird in chiastischer Anordnung V 30 in VV 31–34 aufgenommen und weiter ausgemalt, während V 35 zu V 29 zurücklenkt.
Mit 7,29f. 31–35 bekommt aber die ganze „Täuferrede“ — sie ist mehr als das! — ihre Höhe, von der aus sie interpretiert sein will: Es handelt sich um eine Offenbarungsrede Jesu, die recht eigentlich das Wirken Jesu deutet (V 22) und als ein solches „zu Fall und Auferstehung vieler in Israel und zu einem Zeichen des Widerspruchs“ (vgl. 2,34) herausstellt (VV 31–35), wobei das Wirken des Täufers als vorbereitender Teil in diese Christusoffenbarung einbezogen ist. So werden das Selbstzeugnis Jesu 7,18–23 wie das Zeugnis über den Täufer 7,24–27.28 vom Ende her vorbereitender Teil, der die Anklage in 7,29f.31–35 nur noch stärkere Resonanz gibt und die Schuld des offiziellen Israel ans Licht stellen hilft. Freilich ist das am Ende nicht die letzte Aussage, vgl. V 35: In allem Dunkel soll das Morgenrot gesehen werden, das die Zukunft in sich hat: Im Volke bis hinab zu den Zöllnern (vgl. V 29; und Sündern: 7,36–50, wie Heiden: 7,1–10) gab es auch „Kinder der Weisheit“, die auf Gottes Heilsratschluß (V 30) eingingen und mit Hilfe der Weisheit Gottes Gottes „Weisheit“ im Wirken des Täufers und Jesu erkannten.
29 Und das ganze Volk, das (Johannes) hörte, und (selbst) die Zöllner gaben Gott Recht, indem sie sich taufen ließen mit der Taufe des Johannes. 30 Die Pharisäer und Gesetzeslehrer aber machten den ihnen geltenden Ratschluß Gottes zunichte, indem sie sich nicht taufen ließen von ihm.
31 Mit wem nun soll ich vergleichen die Menschen dieses Geschlechts und wem gleichen sie?
32 Sie gleichen Kindern, die auf dem Markte herumsitzen,
und sie rufen einander die Worte zu:
Wir spielten euch auf der Flöte —
und ihr tanztet nicht;
wir stimmten das Klagelied an —
und ihr heultet nicht.
33 Denn gekommen ist Johannes der Täufer.
Er aß nicht Brot und trank nicht Wein, und ihr sagt:
Er hat einen Dämon.
34 Gekommen ist der Sohn des Menschen,
er ißt und trinkt, und ihr sagt:
Seht, ein Fresser und Säufer, ein Freund von Zöllnern und Sündern!
35 Und (doch): recht gegeben ward der Weisheit von all ihren Kindern.
29f 7,24f war eine positive Einstellung des Volkes zu Johannes behauptet worden. Das Logion 7,31–35 konnte mit seiner gegenteiligen Behauptung an jene Einheit nicht angehängt werden ohne eine distinguierende Überleitung. Somit hat der Spruch 7,29–30 eine überleitende Funktion; er bereitet auf 7,31–35 vor. Es handelt sich um einen der in Lk und seiner Vorlage beliebten einführenden „Vorbauten“92, die vorweg Interpretationshilfe geben wollen.
29 Schon in der Form setzt sich Jesu Rede in VV 29f.31f vom Vorhergehenden ab: Er redet die Volksscharen nicht mehr direkt an, vielmehr bekommt seine Rede etwas von der Art eines abgesetzten Selbstgespräches, bevor sie dann VV 33f zu anredender93 Anklage wird.
πᾶς ὁ λαός klingt an 3,21 an und nimmt zusammen mit καὶ οἱ τελῶναι 3,10–14 auf. Es wird an früher Erzähltes erinnert: Damals waren die „Scharen“ (3,7: οἱ ὄχλοι; vgl. 3,15: ὁ λαός wie 3,21), unter ihnen auch „Zöllner“ (3,12f), zu Johannes hinausgewandert und hatten seine Ansprache 3,7b–17 gehört. Sie gaben damals „Gott recht“ und willigten ein in die angebotene Bußtaufe, um Sündenvergebung garantiert zu bekommen (3,3) — was freilich keineswegs schon die christliche Taufe war, wie leicht angedeutet wird (τὸ βάπτισμα Ἰωάνου), was Luk wichtig war. Indem sie so „Gott recht“ gaben, erwiesen sie sich als „Kinder der Weisheit“, wie V 35 deutlich werden wird.
30 Im Unterschied zum „Volk“ einschließlich der „Zöllner“ in ihm blieb die Führungsgruppe der Pharisäer und Gesetzeslehrer abseits. Sie verwarfen den ihnen zugedachten97 (Heils-)Ratschluß Gottes, indem sie das Taufangebot verweigerten99. Ihr Begriff von Sündenreinheit erlaubte es nicht, sich mit „Sündern und Zöllnern“ als Taufbedürftige in eine Gruppe zusammenzuschließen. So ist es nur die Führungsschicht Israels, die aus dem Ratschluß Gottes herausfällt, endgültig dann 22,67. Die Kirche ist nun die legitime Erbin der Israel-Tradition.
1. Lk 7,29f las Luk in der Redequelle schon an dieser Stelle101. Daß in Lk und Mt jeweilig am gleichen Ort ein verschiedenes Logion eingefügt ist, legt schon den Verdacht nahe, daß einer der beiden Evangelisten das vom andem bewahrte ausgetauscht hat. Alles, was wir über das Redaktionsverfahren von Luk und Matth wissen, spricht aber dafür, daß der systematisierende Matth der Ändernde gewesen ist. Denn daß es sich in beiden Fällen um eine mit Rücksicht auf den Kontext unterschiedlich abgeänderte identische Einheit handelt, dürfte nicht zu bezweifeln sein. Also hätte schon die Vorlage Lk 7,29f geführt, und Matth hätte das Logion nach 21,32 umgestellt, dafür aber — aus dem Zusammenhang von Lk 16,16 — Mt 11,12f hierhergesetzt? Tatsächlich läßt sich zeigen, daß Luk Lk 16,16 an seiner Stelle in der Vorlage gelesen hat (s. dort), und ebenso deutlich ist es, daß Matth Mt 21,28–31 in die Mk-Akoluthie einfügte; aller Wahrscheinlichkeit nach verlegte er erst Mt 21,32 als Kommentar dazu dorthin. Zudem hat Matth an 21,32 deutlich geändert, um das Logion dem Kontext einzupassen. ἐδικαίωσαν Lk 7,29 verbindet zudem mit V 35 δικαιώθη. Und wenn 7,31–35 schon vorluk Q angehört, was nicht zu bezweifeln ist, war dort schon eine distinguierende Überleitung (s.o.) wie 7,29f gefordert.
2. In der vorliegenden Form zeigt Lk 7,29f Spuren der vorluk Redaktion, die es hier in den Q-Zusammenhang einfügte: Nicht nur daß τὸ βάπτισμα Ἰωάννου späteren kirchlichen Sprachgebrauch zeigt. Wie oben gezeigt, sind VV 29–30 auf VV 31–35 hin erzählt, wobei V 30 die Aussage von VV 31–34 einschränkt und V 29 in Hinblick auf V 35 formuliert ist. Dabei übernimmt der Redaktor die syn nicht häufige Vokabel δικαιόω offensichtlich aus V 35. Die τέκνα σοφίας V 35 waren πᾶς ὁ λαὸς καὶ οἱ τελῶναι, wird vorweggesagt, wobei in Rückblick der gleiche Redaktor formuliert, der Lk 3,21 und 3,10ff seine Form gegeben hatte. Ein „Sitz“ in der lebendigen Verkündigung Jesu und der frühen Kirche ist für ein derartig isoliert tradiertes Logion, das einen „Situationsbericht“ gibt, schwerlich auszumachen108.
31ff Das nun folgende Gleichnis V 32 — es ist ein nur leicht ausgebauter Vergleich — wird V 31 durch eine Doppelfrage eingeleitet; VV 33ff folgt dann eine Anwendung.
31 Die eindringliche Doppelfrage (diff Mt)110 holt den Hörer mit hinein in die Findung eines geeigneten Bildes, um ihn aufzuschließen für den gemeinten Sachverhalt. Dabei darf man nicht — wie der griechische Wortlaut nahelegt — die „Menschen dieses Geschlechts“ mit den zum Spiel auffordernden Kindern in Vergleich setzen, sondern nur mit den unlustig ablehnenden Kindern.
32 Denn Jesus vergleicht seine Zeitgenossen — schon der Terminus „dieses Geschlecht“ ist abwertend113 — mit einer Schar Kinder auf dem Markt einer Ortschaft, denen keine Spielaufforderung recht kommt, mag nun auf der Flöte zur Hochzeit aufgespielt oder heulend die Totenklage angestimmt werden. Sie bleiben inaktiv auf ihren Plätzen sitzen116 und haben zu nichts Lust. — Das an sich mehrdeutige Gleichnisbild will im Zusammenhang von der angefügten Anwendung VV 33f her verstanden sein. In dieser aber wird über die „Menschen dieses Geschlechts“ geklagt, die durch nichts — weder durch den Bußruf des Täufers noch durch die Frohbotschaft Jesu — in Bewegung zu bringen waren, die vielmehr jedesmal ablehnend reagierten117.
Wenn aber der Vergleichspunkt zwischen jenen Kindern und diesen „Menschen“ das ablehnend-unlustige Verhalten auf jede Art von Aufforderung ist, darf man das reziproke ἀλλήλοις V 32 nicht pressen und die beiden verschiedenen Spielaufforderungen119 nicht auf zwei Gruppen der Kinder verteilen121, die
sich dann gegenseitig für gegensätzliche Spiele zu gewinnen suchen würden. Man sollte sich das Durcheinander in der Kinderschar nicht so eindeutig in zwei gleiche Parteien gedrängt denken. Das ἀλλήλοις malt wohl nur das Sich-gegenseitig-Anschreien (προφονοῦσιν), wobei nur die Vorwürfe der einen Gruppe wiedergegeben werden, weil allein das für den gemeinten Sachverhalt wichtig ist. Es soll auch nicht gemalt werden, daß die Kinderschar unter lauter Zank nicht zum Spiel kam (und die verglichenen Zeitgenossen so die Entscheidung verpaßten). Es soll vielmehr deutlich werden, daß die Masse der Kinder von einigen Spielfreudigen weder auf die eine noch auf die andere Weise zum Mitspielen zu gewinnen war. Es sind die gleichen Kinder, die dem großen Haufen den doppelten Vorwurf V 32b entgegenschreien: „Erst haben wir euch aufgefordert … danach haben wir …“ Was die anderen nicht weniger lautstark darauf geantwortet haben, ist uninteressant und nicht notiert.
Die folgende Anwendung wird die zu nichts zu bewegenden „Menschen dieses Geschlechts“ mit des Spielens unlustigen Kindern in Vergleich setzen (s.u.). Da wird es nun aber schwierig, dem besonders seit A. Jülicher126 geltenden Veto Gehorsam zu zollen, das es nicht erlaubt, das doppelte Heilsangebot der „Weisheit Gottes“ (vgl. V 35) in seiner Unterschiedlichkeit im Wirken des Täufers und Jesu schon in der Bildhälfte angedeutet zu finden — aus Angst vor Allegorisierung und mit der Voraussetzung, Jesus könne nur „reine“ Gleichnisse gesprochen haben. Es kann nicht Zufall sein, daß den Kindern in der Bildhälfte Hochzeitspielen und Totenklage angeboten wird, den Zeitgenossen Jesu aber das Bußleben des Täufers und das Mahlhalten Jesu mißfällt. In lockerer Weise wird man im Gleichnisbild schon metaphorisch auf den gemeinten Sachverhalt hingewiesen.
1. Die Meinung, Jesus habe hier ein gängiges Sprichwort aufgenommen, verweist auf Spr 29,9: „Vertritt sein Recht ein Weiser vor dem Toren, so tobt und spottet dieser pausenlos“, das dann zweiseitig weiterentwickelt sein soll in dem von Rab Papa (gest. 376) zitierten Sprichwort: „Das ist es, was die Leute sagen: Ob man einem etwas vorweint, der nichts versteht, oder ob man einem zulacht, der nichts versteht, wehe dem, der nicht zu unterscheiden weiß zwischen Gut und Böse.“ Der Rückschluß auf ein Sprichwort der Zeit Jesu bleibt aber auch dann noch ungesichert, wenn man auf Röm 12,15 verweist und Einfluß von griechischen Sprichwörtern wie Herodot I, 141 und Aesop, Fab. 27b (Halm) zu Hilfe ruft. Mehr, als daß menschlich naheliegende Bilder und Vergleiche auch in der palästinensischen Umwelt Jesu möglich waren und in der Sprache Jesu lebendig sein konnten, ist nicht bewiesen.
2. Da eine gewisse Diskrepanz zwischen Gleichnis VV 31f und Anwendung VV 33ff, die immer neu zu den unterschiedlichsten Auslegungen geführt hat, unverkennbar ist, darf gefragt werden, ob das Gleichnis nicht zumindest in der vorösterlichen Situation auch isoliert tradierbar und aus der Verkündigungssituation Jesu und der von ihm ausgesandten Jünger allein schon verständlich war130. Das scheint der Fall gewesen zu sein. Bei solchem „Sitz im Leben“ ist es verständlich als ein anklagendes Mahnwort in letzter Stunde, gegen eine sich versteifende Haltung im Volke, die in keiner Weise mehr von Gott her ansprechbar war — weder durch die einladende Frohbotschaft noch durch den Bußruf Jesu. Die Vorordnung des Hochzeitsspieles könnte von der gemeinten Sache her ein Indiz sein, daß das Gleichnis ursprünglich die Verkündigung Jesu in diesen ihren beiden Formen allein im Auge hatte (und daß die Verkündigung des Täufers höchstens nebenher mitgedacht war).
33f Die Anwendung VV 33ff ist bei Luk nicht nur ein Klageruf, sondern darüber hinaus eine anredende Anklage (λέγετε). Schwerlich soll man sich aber die „Pharisäer und Gesetzeslehrer” nach VV 29f unter der zuhörenden Menge (vgl. V 24) denken — Luk läßt Jesus gewissermaßen aus dem Fenster heraus reden. Es handelt sich nicht mehr um einen mahnenden Weckruf, der gewinnen will — eher um ein Anathema an die, die — von allen „Kindern der Weisheit“ geschieden — Gott nicht recht gegeben haben (V 35; vgl. V 30). Gott hat sein Volk „heimgesucht“ (V 16) — nicht nur zur „Auferstehung“, sondern auch „zum Fall vieler in Israel“ (vgl. 2,34).
Die Anwendung redet nicht vom Bußruf des Täufers und der Frohbotschaft, der Mahleinladung des Menschensohnes134, sondern — veranlaßt durch das Bild vom Spiel — vom aszetischen Bußleben des Johannes und dem unaszetischen, Gastmahlveranstaltungen (und Tischgemeinschaften mit „Sündern“)136 nicht ausschlagenden Jesus. Beide waren so bei ihrer unterschiedlichen Verkündigung in eigener Person engagiert, gewissermaßen „vorspielend“: der eine bei der endzeitlichen Buße (vgl. auch Joh 3,29), der andere Festmale mitfeiernd bei der anhebenden „Heilshochzeit“ (vgl. Mk 2,19; vgl. jedoch auch Mk 1,15). Dabei zeigt der Chiasmus, daß es recht eigentlich um das Verhalten und die Frohbotschaft Jesu geht: Im Bilde steht das Hochzeitspielen betont voran — in der Anwendung Jesu das Mahlhalten ebenso betont am Ende. Es geht hier nicht um „das allerletzte Warnungssignal Gottes“, sondern um die Öffnung des Blickes dafür, „daß … die messianische Heilszeit angebrochen ist“. Vom Täufer wird eigentlich nur geredet, um zu verdeutlichen: Man würde Jesus auch nicht angenommen haben, wenn er, umgekehrt, wie der Täufer büßend und Buße predigend aufgetreten wäre.
Johannes wird abgetan als (dämonisch beeinflußt) „verrückt“, Jesus — als „Schlemmer und Säufer“141, was aber wohl noch schlimmer ist: als Freund von Zöllnern und Sündern (was auf V 29 zurück- und auf 7,36–50 vorverweist); vgl. auch 5,30 par Mk; Lk 15,2; 19,7. Wenn solch anstößiglästerliche Urteile hier in der Tradition nachgesprochen werden, dann nur, damit die abgründige Verworfenheit dieser Unbekehrbaren deutlich werde. Sie sind ganz „draußen“ und gänzlich geschieden von den „Kindern der Weisheit“. Was V 30 noch undeutlich blieb, spricht sich hier aus: Daß Jesus die Vergebung Gottes den Sündern bringt, macht sie verschlossen für die Gnade. Die mögliche Aversion des Menschenherzens gegenüber dem nahenden Gott — komme er so oder so — wird hier erschreckend entlarvt.
35 Aber wir wissen schon aus VV 29f, daß nicht alle zu jenen „Menschen dieses Geschlechtes“ gehören und sich verschlossen haben. Als Urheber des heilsgeschichtlichen Offenbarungsgeschehens143 im Auftreten des Täufers und Jesu wird (wie 11,49ff) die göttliche Weisheit gesehen. Gottes transzendentale Welt spricht sich im Auftreten des Täufers und Jesu aus. Die „Kinder144 der Weisheit“ (vgl. Sir 4,11; Spr 8,32f) — gnadenhaft geöffnet für deren Offenbarungen — verstehen Gottes Heilshandeln, anerkennen145 es als „gerecht“ (vgl. V 29) und gehorchen ihm. So sind die Christusgläubigen als Verstehende herausgehoben aus den „Menschen dieses Geschlechts“147. Freilich ist die Gabe der göttlichen Weisheit notwendig, um im Auftreten des Täufers und Jesu Gottes Offenbarungshandeln, Gottes Weisheit, zu erkennen; Gottes Transzendenz eröffnet sich nicht nur im äußeren Geschehen, sondern auch in Menschenherzen, die in Transzendenzerfahrung offen werden für die Offenheit Gottes. Solche Weisheit wird Menschen aus dem „Volk“ zuteil, selbst „Zöllnern“ (V 29) und „Sündern“ (vgl. 7,36–50), die einst „Kleinsten“, die nun über alles hochgestellt sind „im Gottesreich“ (V 28). Von diesen „Kindern der Weisheit“ aber, die Gottes Gnade erleuchtet hat, bleibt keines abseits.
1. Die matth Änderung τῶν ἔργων150 αὐτῆς wird auf Mt 11,2.5 zurückschauen; sie wurde nötig, nachdem Matth Lk 7,29f weggebrochen hatte. — Die weitgehenden Gemeinsamkeiten mit der Mt-Fassung (11,16–19) setzen — besonders nach Abzug der erkennbaren Lk-Redaktion — eine gemeinsame schriftliche, griechische Vorlage voraus, so daß der seit de Lagarde häufig wiederholte Vorschlag, die Differenz τέκνων — ἔργων auf verschieden punktiertes abdeh zurückzuführen (abdeh = „ihre Knechte“ oder abadeh = „ihre Werke“) gerade so unwahrscheinlich wird wie die Annahme einer Übersetzungsvariante für ἐκόψασθε — ἐκλαύσατε152.
2. Mit V 35 quillt die Anwendung über das Gleichnisbild hinaus. Zudem schaut V 35 (ἡ σοφία) auf VV 29f (τὴν βουλήν τοῦ θεοῦ) zurück. So könnte man zu dem Urteil kommen, der V 35 sei redaktionell. Und solche Redaktion würde besonders verständlich, wenn man V 35 als gängiges Sprichwort (ohne πάντων; δικαιώθη als gnomischen Aorist) nachweisen könnte. Aber eher sollte man umgekehrt die Einfügung von VV 29f im Hinblick auf V 35 für redaktionell halten (s. dort). Und wenn man nach dem „Sitz“ in der Verkündigungssituation Palästinas fragt, kann das Gleichnis mit der Anwendung 7,31–32.33–34 nicht gut gedacht werden, weil es alle Türen zuschlägt und keine missionarische Werbekraft mehr hätte, weil es keine Bekehrungschancen mehr gibt. Eine solche eröffnet aber V 35, und darum ist dieser Abschluß gewiß so alt wie die Anwendung überhaupt.
3. In der nachösterlichen Verkündigungssituation ist das in sich mehrdeutige Gleichnis wohl nie ohne eine Anwendung tradiert worden, und im nachösterlichen Rückblick lag es in der Palästinamission sehr nahe, das Versagen Israels gegenüber dem Täufer und Jesus in einer Anklage zusammenzufassen. Dabei zeigt sich ein gewisser Abstand; Die Masse des Volkes hat wie Jesus, so auch den Täufer bereits abgetan. Die Gewinnung Gesamtisraels scheint bereits aussichtslos, und die Bemühung geht nur noch darum, einzelne „Kinder der Weisheit“ zu gewinnen. Jedoch gehört die Anwendung noch in ältere Zeit: Jesus ist hier Johannes neben-, nicht (wie später) untergeordnet, und die Aufnahme des harten Vorwurfs gegen Jesus157 war so nur noch Zeitgenossen und Landsleuten Jesu möglich, später kaum mehr. Die hoheitliche Verwendung des Titels „Menschensohn“ für das Ich Jesu ist nicht hellenistisch, sondern palästinensisch, und die Parataxen VV 32.33.34 „stehen unter semitischem Einfluß“.
Wenn man so die Anwendung aus der Verkündigungssituation der frühen Palästinamission verständlich macht, wird man zugeben dürfen, daß kirchlicher Sprachgebrauch irgendwie an ihr mitgeformt hat. Daß die Anwendung die im Gleichnis ursprünglich gemeinte Aussage — in etwas anderer Situation — richtig ins Wort hebt, ist oben deutlich geworden.