Herr, ich will dich sehen!

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Möhnesee - 08.03.20211
Täter habe gestohlenen Korpus zurückgebracht und Reue gezeigt
Um mit ihr über Glaubenszweifel zu sprechen: Mann stiehlt Jesus-Figur
Weil er mit ihr über seine Glaubenszweifel sprechen wollte, hat ein Mann in einer katholischen Kirche im nordrhein-westfälischen Möhnesee (Kreis Soest) die Jesus-Figur vom Altarkreuz abgerissen und entwendet. Der Dieb, der den Korpus vor gut einer Woche mitgenommen hatte, sei wenige Tage später zum Pfarrhaus gekommen und habe sie zurückgebracht, sagte Ludger Eilenbrecht, der Pfarrer der Kirchengemeinde "Zum guten Hirten", der Bild am Sonntag. Er habe gebeichtet und den Diebstahl damit begründet, dass er mit Jesus über das Leid von Kindern sprechen wollte.
Der Mann habe gegenüber der Figur seine Fragen, Zweifel und Vorwürfe leichter vorbringen können, so Pfarrer Eilenbrecht weiter.
Manchmal gibt es so Momente, da braucht man Jesus so ganz sichtbar und zum Anfassen. In der evangelischen Kirche gibt es allerdings seltener Kreuze mit Korpus.
In unserem heutigen Predigttext kamen griechische Männer zu Philippus, um nach Jesus zu fragen. Es ist kurz vor dem Passahfest. Pessach gehört zu den wichtigsten Festen des Judentums. Das Fest erinnert an den Auszug aus Ägypten, also die Befreiung der Israeliten aus der Sklaverei.
Einige Fromme aus Griechenland waren in der Stadt. Proselyten - zum Glauben Hinzugekommene. Menschen aus anderen Völkern, die sich dem Judentum und damit dem Gott Israels zugewandt haben.
Sie haben den weiten Weg auf sich genommen, um im Tempel den Gott Israels anzubeten. Sie haben in ihrem Glauben erkannt, dass dieser Gott ein Gott für die ganze Menschheit ist.
Und diese Männer möchten nun Jesus sehen, von dem sie gehört haben. Direkt vor diesem Text ist die Begebenheit geschildert, wie Jesus auf einem Esel prachtvoll in Jerusalem eingeritten ist. Sie wollen ihn nun sehen und mit ihm sprechen.
Es gibt ein schönes Lied:
Herr, öffne du mir die Augen.
Herr, öffne du mir das Herz.
Ich will dich sehen.
Im Gottesdienst kommen wir zusammen, um nach Jesus zu fragen. Mit unseren Fragen, unserem Zweifel und unseren Vorwürfen. Vielleicht ist für manche von euch die Fastenzeit auch eine Zeit des auf den Weg Machens zu dem Gott Israels und mit dem Wunsch, Jesus wieder zu begegnen.
Und ich möchte Jesus beim Wort nehmen. So wie er triumphal in Jerusalem eingeritten ist, möchte ich ihn in Anspruch nehmen, sich für Gerechtigkeit und Heil einzusetzen. Ich möchte nicht, dass Jesus einfach als tote Holzfigur an der Wand hängen bleibt. Ich möchte ihn spürbar erleben und ihn in die Verantwortung nehmen können. Wem nutzt ein toter Holzkorpus in einer toten Kirche?
Die beiden Jünger, Philippus und Andreas bringen diese Bitte vor Jesus. Um sie herum steht das Volk. Und Jesus antwortet ihnen. Er sagt: Jetzt ist es so weit! Der Menschensohn wird nun verherrlicht werden! Und er erzählt ihnen ein Gleichnis, wie dies geschehen wird.
Johannes 12, 23–24 Jesus aber antwortete ihnen und sprach: Die Stunde ist gekommen, dass der Menschensohn verherrlicht werde. Wahrlich, wahrlich, ich sage euch: Wenn das Weizenkorn nicht in die Erde fällt und erstirbt, bleibt es allein; wenn es aber erstirbt, bringt es viel Frucht.
Die Antwort auf die Frage, Jesus zu sehen ist dieses Gleichnis von einem Weizenkorn, das in die Erde fällt und sterben muss. Seine Antwort ist: Ihr werdet mich nicht sehen. Ich werde wie das das Weizenkorn verborgen sein. Und ich werde sterben.
Und er sagt auch: Schau nicht auf den sterbenden Jesus. Der Jesus, der triumphal in Jerusalem in das Leben der Menschen eingeritten ist, wird sterben. Er wird in die Erde, in das Grab fallen. Aber er ist gleichzeitig auch der Samen des Glaubens, der Samen der vielen Früchte.
Das einzelne Weizenkorn reicht nicht aus, um die Menschen satt zu machen. Es braucht schon einen Sack voll Körner, um daraus Nahrung zu machen. Und so ist Jesus das erste Korn, das stirbt, um viel Frucht zu bringen.
Die Bewegung um Jesus wäre vorbei gewesen, würde sich der Glaube allein um den Körper Jesu drehen. Sie wäre mit seiner Kreuzigung vorbei gewesen, wenn Jesus nur ein netter Gelehrter, ein Philosoph und Ratgeber des Lebens gewesen wäre. Die haben wir auch heute noch genug - bis hin zu Irrlehren, denen sogenannte Querdenker angehören.
Jesus war nicht nur ein Wandergelehrter und er war auch kein König, der für einen irdisch begrenzten Zeitraum damals in Jerusalem vor knapp 2000 Jahren für ein paar Jahre ein kleines Reich aufbauen wollte, das dann wieder in Vergessenheit gerät.
Hier geht es um nicht weniger als das Reich Gottes. Gottes Herrschaft auf dem gesamten Zeitstrahl der Menschheit und davor und darüber hinaus.
In Jesus hat Gott sich und seinen Willen, seinen Anspruch und seinen rettenden Zuspruch bekannt gemacht. Jesus ist Gottes lebendiges Sprachrohr. Aber wir sollten Jesus nicht mit einem beliebigen Lehrer verwechseln, der nur gute und schöne Kalenderworte gesprochen hat.
Jesus hat die Herrscher und Menschen damals in ihrer und uns heute in unserer Macht herausgefordert. Und wer ihm begegnet und ernsthaft danach fragt ihn zu sehen, wird über seinen Herrschaftsanspruch über das Leben erschüttert sein. Wenn Gott nicht nur ein guter Mensch und Ratgeber war, sondern Gottes lebendiges Wort, dann verändert es den dreh- und Angelpunkt unseres Lebens.
Johannes 12, 24–26 Wenn das Weizenkorn nicht in die Erde fällt und erstirbt, bleibt es allein; wenn es aber erstirbt, bringt es viel Frucht. Wer sein Leben lieb hat, der verliert es; und wer sein Leben auf dieser Welt hasst, der wird's bewahren zum ewigen Leben. Wer mir dienen will, der folge mir nach; und wo ich bin, da soll mein Diener auch sein. Und wer mir dienen wird, den wird mein Vater ehren.
Der Glaube, den Jesus uns in der Begegnung mit ihm schenkt, ist ein Glaube, der auf den jeweils anderen gerichtet ist. Es ist ein Glaube für den anderen, für die Welt, für meinen Nachbarn, für meinen Arbeitskollegen, für meine Familie. Die Glaubensfrucht ist, dass durch das Mitsterben und Unterwerfen im Glauben unter die Herrschaft Gottes ein Glaube entsteht, der die Welt nachhaltig verändert.
Jesus bat vor seinem Tod, dass er diesen schweren Weg nicht gehen muss. Dass dieser bittere Kelch an ihm vorüber gehen solle.
Wir beten im Vaterunser: Nicht mein, sondern Dein Wille geschehe!
Durch das Hineinsterben wird es aber ein Glaube, der zu einem neuen Miteinander wird. Das Weizenkorn bleibt nicht allein. Es gibt viele Früchte an den Ähren des toten Samens, der zu einer neuen Pflanze gewachsen ist.
Jesus wäre allein, ohne Nachfolger. Sein Tod erzeugt durch Auferstehung eine vielfältige Frucht. Wer diesem Jesus dienen will, folge ihm nach heißt es hier.
Es ist die ewige Entscheidung: Wem diene ich letztendlich mit meinem Leben? Mir selbst, meinem Portemonaie, meinem Ruhm, meiner Ehre, meinem Ehrgeiz, meinem Lebensabend, meinen Enkeln, meiner Selbstsucht, meinem Ego, … oder diene ich in erster Instanz Gott selbst, wie er sich in Jesus bekannt gemacht hat?
Was verändert diese Aufforderung? Dieses Mitsterben des eigenen Egos in Gott hinein führt zu einer Auferstehung mit Früchten. Wer sein um sich selbst drehen aufgibt, sterben lässt, um Gott anzuhängen, wird die Früchte des Glaubens kennenlernen.
Galater 5, 22–23 Die Frucht aber des Geistes ist Liebe, Freude, Friede, Geduld, Freundlichkeit, Güte, Treue, Sanftmut, Keuschheit; gegen all dies steht kein Gesetz.
Nur wenig später nach unserem Predigttext spricht Jesus vom Weinstock und den Reben. Er sagt: „Wer in mir bleibt und ich in ihm, der bringt viel Frucht; denn ohne mich könnt ihr nichts tun“ (Johannes 15,5).
Und noch etwas weiter heißt es:
Johannes 15, 16 Nicht ihr habt mich erwählt, sondern ich habe euch erwählt und bestimmt, dass ihr hingeht und Frucht bringt und eure Frucht bleibt, auf dass, worum ihr den Vater bittet in meinem Namen, er's euch gebe. 17 Das gebiete ich euch, dass ihr euch untereinander liebt.
Gott hat die Welt geliebt, dass er in Jesus seinen Sohn geschenkt hat (Johannes 3,16). Damit wir durch ihn ein Leben haben, welches im Glauben an und durch ihn gegründet ist. Damit wir leben sollen.
Manche denken, dass die Lebensübergabe an Jesus eine Lebensaufgabe ist. Ein Aufgeben von allem, was Spaß und Freude macht. → Aber diese Liebe zu einem Leben ohne die Herrschaft Gottes ist ein Leben, das schlussendlich nur auf den Tod hinausläuft.
Es ist keine Lebensaufgabe, sondern ein Lebensstart. Ein Leben mit Gott als Herrscher ist ein Leben der Fülle und des inneren Friedens. Ein Leben mit Sinn und Hoffnung.
Diese Hoffnung glaubt, dass es neben allen leidvollen Erfahrungen des Lebens und allen Herausforderungen eine Zeit der Fülle gibt; dass Gott hindurch trägt, so wie er Jesus aus dem Tod hat auferstehen lassen. Er ist der mächtigste Gott - er kann Leben schaffen und er kann dich zum Leben rufen.
Und als Jesus den Jüngern und Menschen um sich herum dieses Gleichnis erzählte, merken wir, wie ihm diese Dimension bewusst wird.
Johannes 12, 27–29 Jetzt ist meine Seele voll Unruhe. Und was soll ich sagen? Vater, hilf mir aus dieser Stunde? Doch darum bin ich in diese Stunde gekommen. Vater, verherrliche deinen Namen! Da kam eine Stimme vom Himmel: Ich habe ihn verherrlicht und will ihn abermals verherrlichen. Da sprach das Volk, das dabeistand und zuhörte: Es hat gedonnert. Andere sprachen: Ein Engel hat mit ihm geredet.
Jesus ist erschüttert und unruhig über die Dimension seiner Worte. Und doch sagt er: Nicht mein, sondern Gottes Wille geschehe. Und in diesem Ringen mit seinem Glauben erfährt er den Zuspruch Gottes für diejenigen, die um ihn herum stehen:
Johannes 12, 30–31 Jesus antwortete und sprach: Diese Stimme ist nicht um meinetwillen geschehen, sondern um euretwillen. Jetzt ergeht das Gericht über diese Welt; jetzt wird der Fürst dieser Welt hinausgestoßen werden.
Dieser Zuspruch ist an die Menschen damals wie heute: So, wie es Jesus erzählt, ist der Weg von Gott getragen und Gottes Wille selbst ist es, der die Menschen zu einem vertrauensvollen Glauben an ihn aufruft.
Am Ende stehen wir vor dieser Szene wie die Menschen damals. Wie die Griechen kommen wir zusammen, um den Gott Israels anzubeten, und von Jesus zu erhoffen, dass er unser Leben und das unserer Umwelt zum Guten verändert.
Und Jesus ruft uns durch die Zeiten hindurch zu, ihm zu vertrauen, unser Leben in seins hineinzugeben und seiner Verheißung zu vertrauen:
Johannes 12, 36 Glaubt an das Licht, solange ihr's habt, auf dass ihr des Lichtes Kinder werdet. Das redete Jesus und ging weg und verbarg sich vor ihnen.
Am Anfang kamen sie herzu, um Jesus zu sehen. Jesus, ich will dich sehen in deiner Pracht, leuchtend, erhaben und herrlich. Doch das Kreuz, welches wir anschauen, verweist durch seine Leere auf den gestorbenen und auferstandenen Jesus.
Wie der Mann, der am Anfang das Kreuz mit dem Korpus in der Kirche geklaut hat, um gegenüber der Figur seine Fragen, Zweifel und Vorwürfe leichter vorbringen können, habe auch ich Sehnsucht danach. Aber unser Kreuz verweist auf den Auferstandenen Gott, der nicht tot und weit weg ist, sondern zu jeder Zeit und überall im Heiligen Geist ansprechbar ist.
Am Ende heißt es hier: Er ging weg und Verbarg sich vor ihnen. Nur weil er sich verbarg und wie das Weizenkorn starb, gibt es heute die vielfältige, lebensverändernde Glaubensfrucht der Vielen, die ihm nachfolgen.
Jesus ist greifbar und nahbar und doch ist er der verborgene, unbegreifliche Gott.
Amen
1 https://www.katholisch.de/artikel/28998-um-mit-ihr-ueber-glaubenszweifel-zu-sprechen-mann-stiehlt-jesus-figur
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