Gottes Geist macht lebendig
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Gottes Geist macht lebendig
Gottes Geist macht lebendig
Liebe Gemeinde,
sicher kennt ihr auch den Spruch über Pfingsten: “An Pfingsten sind die Geschenke am geringsten!” Dabei geht es gerade an Pfingsten um ein ganz besonderes Geschenk, das Gott uns macht. Ohne dieses Geschenk könnten wir nicht glauben. Ohne dieses Geschenk wären wir keine Christen. Ja wir würden sogar nicht leben und hätten keine Hoffnung auf eine Zukunft, auf jeden Fall keine Zukunft mit Gott. Dieses Geschenk ist Gottes Geist, der in uns wirkt. Er ist die Kraft, die Dynamis, die unter und in uns wirkt, damit wir sind und leben.
Und wie notwendig dieser Geist Gottes für uns und unser Leben ist, wird uns heute ein Bibelwort aus dem Propheten Hesekiel deutlich machen. Es steht in Kapitel 37:
Ezechiel 37,1–14 (BB)
1 Die Hand des Herrn ergriff mich und ich hatte eine Vision: Der Herr führte mich durch seinen Geist hinaus und brachte mich mitten in eine Ebene. Dort lagen überall Knochen. 2 Gott führte mich an den Knochen vorbei und in der Ebene umher. Die ganze Ebene lag voller Knochen, die völlig ausgetrocknet waren. 3 Gott sagte zu mir: »Du Mensch, können diese Knochen wieder lebendig werden?« Ich antwortete ihm: »Herr, mein Gott, du weißt es!« 4 Da sagte er zu mir: »Rede als Prophet zu diesen Knochen und sag zu ihnen: Ihr vertrockneten Knochen, hört das Wort des Herrn! 5 So spricht Gott, der Herr zu diesen Knochen: Ich selbst gebe meinen Geist in euch und ihr werdet wieder lebendig! 6 Ich verbinde euch mit Sehnen und lasse Fleisch darüber wachsen. Ich überziehe euch mit Haut und gebe euch Lebensgeist. So werdet ihr wieder lebendig. Dann werdet ihr erkennen, dass ich der Herr bin.« 7 Ich redete als Prophet, wie er mir befohlen hatte. Noch während ich redete, wurde es laut und die Erde bebte. Die Knochen rückten zueinander, jeder Knochen an seinen Platz. 8 Ich sah, wie sie mit Sehnen verbunden wurden und wie Fleisch darüber wuchs. Dann wurden sie mit Haut überzogen, aber Lebensgeist war noch nicht in ihnen. 9 Da sagte Gott zu mir: »Rede als Prophet zu diesem Lebensgeist! Ja, du Mensch, rede als Prophet zum Geist und sag: So spricht Gott, der Herr! Geist, komm herbei aus den vier Himmelsrichtungen! Hauch diese Toten an, damit sie wieder lebendig werden.« 10 Ich redete als Prophet, wie er mir befohlen hatte. Da kam Lebensgeist in sie und sie wurden wieder lebendig. Sie standen auf – es war eine sehr große Menschenmenge. 11 Gott sagte zu mir: Du Mensch, diese Knochen stehen für die Israeliten. Sie sagen: »Unsere Knochen sind vertrocknet. Unsere Hoffnung ist dahin, wir haben keine Zukunft mehr!« 12 Darum rede als Prophet und sag zu ihnen: »So spricht Gott, der Herr! Ich öffne eure Gräber und lasse euch herauskommen, denn ihr seid mein Volk. Dann bringe ich euch in das Land Israels. 13 So werdet ihr erkennen, dass ich der Herr bin: Ich öffne eure Gräber und lasse euch herauskommen, denn ihr seid mein Volk. 14 Ich gebe meinen Geist in euch und ihr werdet wieder lebendig. Dann bringe ich euch in euer Land. So werdet ihr erkennen, dass ich der Herr bin: Ich habe es angekündigt und werde es tun!« – So lautet der Ausspruch von Gott, dem Herrn.
Ehe ich mit euch über die Bedeutung dieses Textes für uns heute nachdenke, möchte ich etwas über diese Bedeutung dieses Textes für das Volk Israel sagen, denn er ist eines der Kerntexte für das Volk Israel seit über 2000 Jahren und ganz besonders auch in den letzten 80 Jahren. Seit der Schoah ist den Menschen in Israel ganz neu bewusst, welche Bedeutung diese Worte von der Wiederbelebung der Toten aus dem Buch des Propheten Ezechiel haben. Darum finden wir sie auch als Abbildung in der großen Knesset-Menora vor dem Parlament in Jerusalem und auch als einer vor der Knesset angebrachten Plastik.
Ja und seit dem Angriff der Hamas am 07. Oktober 2023 mit 1139 ermordeten Menschen und 240 Geiseln hat dieses Wort noch einmal eine tiefere Bedeutung.
Ja und die Nationalhymne Israels, die haTikwa, bringt genau das, was unser Text sagt, zum Ausdruck:
haTikwa
Solange noch im Herzen
eine jüdische Seele wohnt
und nach Osten hin, vorwärts,
ein Auge nach Zion blickt,
solange ist unsere Hoffnung nicht verloren,
die Hoffnung, zweitausend Jahre alt,
zu sein ein freies Volk, in unserem Land,
im Lande Zion und in Jerusalem!
Von sich aus haben die Menschen in Israel keine Hoffnung. Sie fühlen sich wie ausgetrocknete Knochen. Doch der lebendige Gott, der ihnen Hoffnung und Zukunft gibt, auch trotz aller schlimmen Schicksalsschläge, die sie erfahren. Sie wissen gerade um diese Zusage Gottes. Es ist ihre Hoffnung. Genau das ist das Besondere an Israel.
Aber auch in unserer christlichen Kunst finden wir diese Worte von Wiederbelebung der Toten wieder. Auf dem Gottesdienst-Flyer habe ich einmal ein Bild mit dem Titel Belebung des christlichen Künstlers Sieger Köder abgedruckt. Wir finden es in der Katholischen Heilig- Geist-Kirche in Ellwangen. Sieger Köder ist, sowie so einer der Künstler, die mich persönlich mit seinen Bildern beeindrucken.
Mit unserem Bibeltext finden wir vielleicht eine Begründung, warum das Schlimmste in der Schoah für die Juden die Verbrennung des menschlichen Körpers in den Gasöfen war, warum im Christentum lange Zeit die Erdbestattung die einzige Form der Bestattung war und warum es in Bayern und auch in vielen anderen Ländern sogenannte Beinhäuser gibt. Der menschliche Körper kann vergehen. Er kann wieder zu Humus und Erde werden. Doch die Totengebeine, die Knochen bleiben länger. Selbst wenn sie verdorrt sind, kann Gott neues Leben einhauchen.
Schauen wir uns den Text einmal an: In einer eindrucksvollen Schau führt Gott, den Propheten in ein Tal. Dort offenbart er ihm das Schicksal von Jerusalem und seine Bewohner. Er sieht dort das Bild der toten Menschengebeine im Tal liegen. In der Fläche zerstreut. Lauter Knochen. Total ausgedörrt. Ein Bild der totalen Hoffnungslosigkeit. Da wird nun die Frage laut: Kann Gott so etwas noch wieder neu zum Leben erwecken? Es ist die Frage, die Gott an Hesekiel richtet? Der Prophet traut Gott das Wunder zu. Nach menschlichem Ermessen ist es unmöglich, aber in Gottes Allmacht ja!
Nun kommt die Zusage Gottes: Gott will sie mit Sehnen, Fleisch und Haut überziehen, bekleiden, und dann רוּחַ (ruach) in sie geben. (ruach) רוּחַ ist der Lebensgeist oder Odem Gottes. Da werden wir auch gleich an die Schöpfungsgeschichte erinnert, als Gott dem Adam den ruach - den Lebensodem einblies.
Ja und dann geschah dieses Wunder Gottes, den Knochen wuchsen Sehnen und Fleisch und durch die Haut wurden wieder Menschen geformt. Scheinbar mit recht lautem Getöse. Aber noch waren sie tot. Es fehlte noch das Wichtigste und Entscheidende. Sie waren zwar als Menschen wieder hergestellt, aber sie waren noch tot. Es fehlte noch der ruach - der Lebensodem. Erst bei der zweiten Prophezeiung bläst Gott den ruach - den Lebensodem in den Menschen ein, so dass dieser wieder ein lebendiges Wesen wird. Der Lebensodem kommt aus allen vier Himmelsrichtungen.
Das Volk Israel im Exil fühlt sich wie die Totengebeine von Erschlagenen nach einer verlorenen Kriegsschlacht, ausgebreitet im Tal. Da tauchen bei uns heute die Bilder aus der Ukraine, besonders das Massaker von Butscha und auch das Massaker vom 07. Oktober 2023 in Israel vor Augen auf. Aber auch alle anderen Kriege und Terror-Bilder.
Israel fühlt sich als Volk Gottes erschlagen, ohne Hoffnung auf Wiederbelebung und Auferstehung zu neuem Leben. Es weiß aber auch, dass das eine Folge seiner eigenen Entfremdung von Gott ist. So sind sie erfüllt mit großer Traurigkeit. Doch mit dieser Vision kündigt der Prophet an, dass Israel zu neuer Hoffnung erwachen und wieder ins Leben der Geschichte zurückkehren wird.
12 Darum rede als Prophet und sag zu ihnen: »So spricht Gott, der Herr! Ich öffne eure Gräber und lasse euch herauskommen, denn ihr seid mein Volk. Dann bringe ich euch in das Land Israels.
Es wird also sogar ins verheißene Land, nach Israel und nach Jerusalem zurückkehren.
Die Vision soll die Exilsgemeinde damals aus ihrer Resignation herausreißen. Gott spricht so den zu Tode Verzweifelten Leben zu, eine „Auferstehung“ aus den Gräbern des Exils, einen neuen Exodus.
Wie kann man auch heute tot sein, obwohl man lebt?
Wie kann man auch heute tot sein, obwohl man lebt?
Nach israelitischer Weltsicht kann der Tod bereits mitten im Leben als real erlebt werden, ehe er physisch eingetreten ist. Die Sphäre des Todes wird wirksam in Erfahrungen von Einsamkeit, Gefangenschaft, Rechtlosigkeit, Ausweglosigkeit, Gottverlassenheit. Das kann uns auch heute ganz real passieren. Vielleicht erleben wir das gerade selbst, obwohl wir heute hier im Gottesdienst sitzen?
Das ist eine Erfahrung, die auch dem modernen Menschen nach den zermürbenden Corona-Lockdowns der vergangenen Jahre mit der damit einhergehenden sozialen Isolation, der Handlungsunfähigkeit und des Ausgeliefertseins vertraut sein dürfte. Viele spüren deren Nachwirkungen noch heute. Und im Landgericht Gera ist ja noch eine Gerichtsverhandlung gegen eine ehemalige Richterin diesbezüglich anhängig, die mit ihrem Vater, einem Pfarrer, während der Corona-Zeit dagegen etwas unternommen hatte und leider dabei ein paar juristische Fehler gemacht hatte, obwohl der Sachverhalt rechtens war.
Der Geist Gottes, der Heilige Geist, um den es uns heute besonders an diesem Pfingstsonntag geht, ist vor allem Schöpfergeist und Lebensatem. Sogleich wird hier bei diesem Text deutlich, dass der Geist Gottes mehr und anderes als nur „Lebensatem“ ist, er ist sogleich Israels Antenne für Gott: er ist Gesprächspartner.
Der Prophet macht deutlich, dass Gott der Herr über Tod und Leben ist. Ja, dass es bei ihm die Hoffnung auf eine Auferstehung gibt. Es zeigt schon hier, dass es auch im Alten Testament eine Hoffnung gibt, die über den Tod hinausweist. Denn wenn Gott Tote auferwecken kann und wenn er mächtiger ist als der Tod, warum sollten dann glaubende Menschen für immer in Tod und Grab bleiben?
Seit Karfreitag und Ostern, seit dem Kreuz und der Auferstehung von Jesus Christus dürfen auch wir als Christen genau mit dieser Glaubenshoffnung leben. Und Gottes Heiliger Geist, der als Lebensodem auch in uns wirkt, macht uns der Sache gewiss. Auch wir dürfen heute mit der Zusage leben, die der Prophet Hesekiel damals im Namen Gottes seinem Volk Israel gegeben hat:
14 Und ich will meinen Odem in euch geben, dass ihr wieder leben sollt, und will euch in euer Land setzen, und ihr sollt erfahren, dass ich der Herr bin. Ich rede es und tue es auch, spricht der Herr.
Dieses Schlusswort des Abschnittes nimmt noch einmal Gedanken aus dem vorhergehenden Kapitel auf. Dort heiß es:
27 Ich will meinen Geist in euch geben und will solche Leute aus euch machen, die in meinen Geboten wandeln und meine Rechte halten und danach tun.
“Mein Geist” - ruach und Odem hat hier darum eine Doppelbedeutung. Es ist einerseits der Lebensodem und sogleich der Heilige Geist. Damit bekommt unser Text eine endzeitliche Perspektive. Israel wird äußerlich wiederhergestellt, aber in zukünftigen Zeiten auch den Heiligen Geist erhalten. An alledem wird es »erkennen, dass« Gott selbst »es geredet und getan« hat. Die Einheit von Reden und Tun und die Erfüllung aller seiner Worte sind Merkmale des lebendigen Gottes«. Er wohnt heute in den Gläubigen und bewirkt, dass sie mit ihrem Glauben und Leben als Nachfolge Jesu ihm immer ähnlicher werden.
Auch unsere Welt heute ist aus den Fugen geraten. Da hören wir die bedrückenden Nachrichten über den Klimawandel und die Folgen, von Kriegen und Anschlägen, von Energiekrise, Wirtschaftskrise, von Forderungen an uns alle. Die von der Bundesregierung ausgerufene und anvisierte Transformation tönt über die Medien. Sie funktioniert aber nicht. Da haben wir das Gefühl, dass unsere Gesellschaft dem Totenfeld Hesekiels gleicht. Geschlachtet für irgendwelche Ideologien oder Interessen. Ich will jetzt nicht über die Situation der Kirche und Kirchen sprechen. Da sehe ich vieles selbstverschuldet.
Doch dieser Text der Vision Hesekiels kann uns neue Hoffnung, Kraft und Mut manchen, welche wir für unsere Kirche und unsere Gesellschaft schöpfen können. Denn da, wo unsere menschlichen Möglichkeiten enden, wo wir tot und verdorrt sind, da kann Gottes Heiliger Geist bereitstehen und neu beginnen.
Zu Pfingsten feiern wir Gottes Geist, oder besser, genauer noch:
Wir bitten um ihn mit großer Dringlichkeit.
Wir rufen nach neuer Lebendigkeit.
Zum Beispiel mit den Worten unseres ältesten Pfingstliedes, das den Bogen schlägt von der Schöpfung der Welt zu Gottes wiederbelebender, neu schaffender Kraft: Veni creator spiritus!
Luther übersetzt:
Komm, Gott Schöpfer, Heiliger Geist,
besuch das Herz der Menschen dein,
mit Gnaden sie füll, denn du weißt,
dass sie dein Geschöpfe sein.
Wir sind Gottes Geschöpfe. Gott blickt uns gnädig an.
Darum wird es wieder geschehen: Gottes Geist kommt:
Da gibt es dann nichts zu erklären; wer es erlebt, der versteht.
Gottes Geist kommt und macht lebendig!
Amen.