Ostersuche nach einer besseren Welt

Die Ostersuche  •  Sermon  •  Submitted   •  Presented
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Eine bessere Welt

Wer wünscht sich eine bessere Welt? Wer möchte, dass diese Welt ein besserer Ort ist? In Anbetracht der ganzen Krisen, die wir wahrnehmen, kämpfen viele Menschen in dieser Welt, dass es irgendwie besser wird. Sie wollen Werte etablieren; sie wollen Veränderungen erreichen, dass Krisen sich nicht verschlimmern; sie setzen sich dafür ein, dass die Ressourcen global gleichmäßiger verteilt werden; sie erstreben mehr Gleichberechtigung in der Gesellschaft; und vieles, vieles mehr.
Der Autor und Philosoph Richard Precht sagte vor einiger Zeit: „In der heutigen Zeit gibt es eine krassere Moral als im Katholizismus. Jeder beobachtet jeden. Ein Fehler, und du bist raus. Und: es gibt keine Vergebung.“ In dem Versuch, die Welt besser zu machen, werden wir immer intoleranter, obwohl wir Toleranz anstreben. Wir suchen Gleichberechtigung und schaffen Ungleichheiten. Und wir spüren, trotz aller Freiheiten, die sich die moderne Gesellschaft errungen hat, eine Enge und Schwere.
Es ist gar nicht so leicht aus eigener Kraft, die Welt zu einem besseren Ort zu machen. Obwohl sich viele Menschen darum bemühen und wir vielleicht auch mit dabei sind, ist es eine ziemlich bittere Erkenntnis, dass die Welt kein perfekter Ort geworden ist – egal wie große Anstrengungen man bisher investiert hat.
Es gibt aber eine gute Nachricht, die in Jesus beruht. Hier erklingt das Versprechen einer besseren Welt. In seiner Antrittspredigt liest Jesus zunächst folgenden alttestamentlichen Text vor.

Textlesung: Lukas 4,18+19

„Der Geist des Herrn ruht auf mir, denn der Herr hat mich gesalbt. Er hat mich gesandt, den Armen gute Nachricht zu verkünden. Den Gefangenen soll ich zurufen, dass sie frei sind, und den Blinden, dass sie sehen werden. Den Unterdrückten soll ich die Freiheit bringen. Ich soll verkünden: Jetzt beginnt das Jahr, in dem der Herr Gnade schenkt.“

Die kürzeste Predigt, die jemals gehalten wurde

Wir sind es gewohnt, dass nach einer Textlesung, dann die Auslegung folgt – also die Predigt. Und es ist wahrscheinlich die kürzeste Predigt, die jemals gehalten wurde. Jesus hält eine Ein-Satz-Predigt: „Heute ist diese Stelle in der Heiligen Schrift in eurer Gegenwart in Erfüllung gegangen.“ Und er wählt diese Ein-Satz-Predigt, weil er weiß, dass jedes weitere Wort ein Wort zu viel wäre. Denn jede weitere Auslegung, jeder weitere Kommentar würde die Wirkung seiner Schriftlesung nur wieder abschwächen.
Jesus weiß, dass mit der Schriftlesung aus Jesaja 61 alles gesagt und getan ist. Denn just in dem Moment, als Jesus die Jesajastelle vorliest, ist ihre Botschaft bereits in Erfüllung gegangen. Mit seiner Gegenwart, mit seiner Anwesenheit, mit seiner Präsenz hat sich diese Verheißung erfüllt. Denn Jesus ist nicht nur der Bote dieser Worte, er selbst ist diese Botschaft. Diese traumhafte Vorstellung, von der Jesus hier spricht, ist mit ihm Realität geworden. Dieses Versprechen hat Jesus mit seiner Person und seinem Leben eingelöst. Und zwar heute. Jetzt. Auch für uns.

Vor Gott

In seiner Schriftlesung spricht Jesus vier Personengruppen an. Er spricht zu den Armen, den Gefangenen, den Blinden und den Unterdrückten. Das sind vier Personengruppen, die am Rand der Gesellschaft stehen – und irgendwie zeigt Jesus eine gewisse Vorliebe für diese Menschen. Es sind vier Personengruppen, über die wir schnell denken können, dass wir nichts mit ihnen zu tun haben. Denn die meisten von uns sind nicht arm, auch nicht gefangen oder blind und ebenso wenig unterdrückt.
Aber was wäre, wenn Jesus mit seinen Worten eine Aussage darüber trifft, wer wir alle vor Gott sind? Was wäre, wenn Gott uns tatsächlich als arme, gefangene, blinde und unterdrückte Menschen ansieht? Ja, was wäre dann? Dann würde der Bibeltext aus Jesaja nicht nur eine Aussage darüber treffen, wer wir vor Gott sind. Sondern dann würde Jesus auch etwas darüber aussagen, wer wir sein werden. Denn mit seinen Worten nimmt Jesus das, was noch nicht ist, als das, als ob es schon wäre, damit es wird: er verkündigt den Armen gute Nachricht; den Gefangenen Freiheit; den Blinden, dass sie sehen sollen; und den Unterdrückten verheißt er frei zu sein. Also nochmal: Jesus nimmt das, was noch nicht ist, als das, als ob es schon wäre, damit es wird. Und genau das möchte ich auch jetzt mit meiner Predigt tun. Ich möchte in die Fußstapfen von Jesus treten und ein farbenfrohes Bild von der Zukunft malen. Einer Zukunft, die heute beginnt. Einer Zukunft, die mit Gottes Hilfe in unserer Gegenwart anfängt und sie zu einer besseren, gerechteren Welt macht.

Das Gute an der guten Nachricht für Arme

„Der Geist des Herrn ruht auf mir […]. Er hat mich gesandt, den Armen gute Nachricht zu verkünden…“ Was mich an dieser Aussage bewegt, ist die Frage, was eigentlich das Gute an der guten Nachricht für arme Menschen ist. Ist es, dass sie reich sein sollen? Ist es, dass sie ihre Armut ertragen können? Ist es, dass sie nicht verlernen zu lachen, trotz ihrer Armut?
Ja, was ist das Gute an der guten Nachricht für Arme?
Die Armut, von der Jesus hier spricht, meint nicht nur einen Mangel an Besitz. Sie meint den völlig Besitzlosen, den Bettelarmen. Und diesen völlig Besitzlosen, diesen Bettelarmen spricht Jesus die gute Nachricht zu: „Glücklich seid ihr, die ihr völlig besitzlos und bettelarm seid. Denn euch gehört das Reich Gottes.“ (nach Lukas 6,20). Das Gute also, an der guten Nachricht für Arme, ist die Zusage: „Euch gehört das Reich Gottes“ – oder: „Ihr gehört zu Gott.“
Will mit dieser Zusage nicht jede und jeder von uns arm sein? Wenn die Armen zu Gott gehören und wenn die Armen die glücklichen Erben seines Reiches sind, dann will auch ich arm werden.
Im Wort „Armut“ klingt für mich ein Dreiklang an, der drei Dinge in mir räsonieren lässt.
(1) Da ist zum einen der Klang der geistlichen Armut: Die Einsicht, dass ich Gott nichts, aber auch gar nichts vorzuweisen habe und ganz auf sein Erbarmen angewiesen bin. Denn vor Gott bin ich arm: arm an Liebe, arm an Freundlichkeit, arm an Treue… Und weil ich arm bin, bin ich jeden Tag neu auf Gottes reiche Gnade angewiesen. Das zu erkennen, macht mich zu einem Menschen, in dem Gottes Gnade reichlich am Wirken ist. Die Einsicht meiner geistlichen Armut lässt mich zu Gottes Reich dazugehören.
(2) Zum anderen erklingt für mich hier der Klang einer sich demütigenden Armut: Es ist Gottes Aufforderung an mich, arm zu werden. Arm an Stolz, arm an Überheblichkeit, arm an Lüge, arm an Streit, arm an Jähzorn… Arm zu werden bedeutet also, dass ich mir selbst eingestehe und Gott bekenne, dass ich reich an Sünde bin und arm an Sünde werden will. Ein Bekenntnis, das mich zu einem Erben von Gottes Reich macht.
(3) Zu guter Letzt ertönt hier aber auch der Klang der leiblichen Armut: Der Freudenton, dass bedürftige Menschen einen besonderen Platz im Herzen Gottes haben. Es sind Menschen ohne Geld, Essen und Zuhause, Verstoßene, Geflüchtete, Fremde… Und die gute Nachricht für all diese Menschen lautet: „Gott hat euer Elend gesehen, er ist euch nah und nimmt sich eurer an.“

Schreit es von den Dächern

Der Geist des Herrn ruht auf mir […]. Er hat mich gesandt, den Gefangenen zuzurufen, dass sie frei sind…“Überall dort, wo Menschen Jesus begegnen, werden sie von Gefangenen zu Freien. Die Bibel ist voll mit diesen Geschichten und dieses göttliche Prinzip zieht sich bis in unser Heute. Eine Jesus-Begegnung ist ohne dieses Frei-Werden gar nicht zu denken. Denn in der Begegnung mit ihm, nimmt mich Jesus mit auf einen Weg: auf den Weg von der Wüste ins verheißene Land; auf den Weg vom Exil zurück in die Heimat; auf den Weg von meinen Gefängnissen und Kerkern in die himmlischen Paläste Gottes.
Doch worin sind wir überhaupt gefangen? Was ist unser Kerker?
(1) Einige sprechen vom Gefängnis ihrer Selbst. Sie sind gefangen im falschen Körper, gefangen in Minderwertigkeit, gefangen in Selbstablehnung. Sie sehnen sich nach Annahme. Nach Annahme ihrer selbst und nach Annahme anderer. Das ist ihr Weg in die Freiheit.
(2) Andere reden vom Gefängnis ihrer Zeit. Das, was der Zeitgeist ihnen vorgaukelt, wie ein gelungenes Leben auszusehen hat, setzt sie unter Druck. Sie kommen auf die Ideale ihrer Gesellschaft nicht klar und doch wollen sie dazugehören. In der Zugehörigkeit sehen sie ihren Weg in die Freiheit.
(3) Und wieder andere sprechen vom Gefängnis ihres Glaubens: Die ungesagten Regeln, die das Miteinander ihres Glaubens bestimmen, können sie so nicht mehr akzeptieren. Der Machtmissbrauch, den sie erfahren haben, bringt sie an ihre Grenzen. Und die ganzen leeren Versprechungen haben sie ebenfalls satt. Und doch sehnen sie sich nach etwas Beständigem, nach einem Halt. Denn darin sehen sie ihren Weg in die Freiheit.
Was wäre, wenn an die Person von Jesus Annahme, Zugehörigkeit und Halt geknüpft sind? Dann wäre in Jesus der Weg in die Freiheit, der Weg aus diesen Gefängnissen zu finden. Für mich und für andere. Und genau das gilt es zu verkündigen. Das gilt es von unseren Dächern zu schreien. Das gilt es zu den Menschen zu bringen, die diese Freiheit noch nicht kennen: Jesus macht unseren Gefängnissen und Kerkern ein Ende und er versetzt uns in wahre Freiheit.

Den Blinden geht ein Licht auf

Der Geist des Herrn ruht auf mir […]. Er hat mich gesandt, den Blinden zu sagen, dass sie sehen werden…“ In eine Zeit hinein, in der Blindheit ein Massenphänomen war, erhält diese Verheißung nochmal mehr Gewicht. Wegen mangelhafter Ernährung und schlechter Wasserqualität sind zur Zeit von Jesus viel mehr Menschen blind als heute. Und in der Antike war eine übernatürliche Wunderheilung der einzige Ausweg aus dieser Blindheit. Wahrscheinlich gehören Blindenheilungen auch deshalb zu den häufigsten Wundern, die Jesus getan hat. Aber in vielen dieser Berichte hat die Rede von den Blinden, deren Augen aufgetan werden, nicht nur eine körperliche, sondern auch eine geistliche Komponente. Jesus spricht neben körperlichen, äußeren Augen auch von geistlichen, inneren Augen, die Heilung brauchen. Das geistliche Auge, der blinde Fleck der Menschen braucht Heilung. Der blinde Fleck zu meinen, ohne Gott auskommen zu können. Der blinde Fleck, Gott für tot erklärt zu haben. Dieser blinde Fleck braucht Heilung. Er braucht Heilung, damit die Menschen Gott als ihren Schöpfer, Erhalter und Erlöser erkennen.
Diese Heilung geschieht durch Jesus, der Licht in meine Finsternis bringt. In die Finsternis meiner Schuld, meiner Scham, meiner Angst, meiner Sorgen und Nöte. Denn Jesus ist das Licht, das mir blindem Menschen aufgeht, mein Leben erhellt, die Schatten vertreibt und Farbe ins triste grau meines Lebens bringt. Sich nicht von irgendetwas, sondern von Gottes Liebe blenden lassen – das soll das Ziel meines Glaubenslebens sein. Damit ich wie der Mond, der von der Sonne angestrahlt wird, Gottes Licht in das Dunkel dieser Welt weitergeben kann.

Der Geist des Herrn ruft auf uns

Der Geist des Herrn ruht auf mir […]. Er hat mich gesandt, den Unterdrückten Freiheit zu bringen…“ – Momentmal, hatten wir das nicht schon? Vorhin war doch auch schon die Rede von Freiheit, von der Freiheit für Gefangene? In der Tat: Meiner Meinung nach wählt Jesus diese Wiederholung absichtlich. Denn von der Freiheit für Unterdrückte ist im ursprünglichen Schriftzitat von Jesaja 61 gar nicht die Rede. Vielmehr fügt Jesus hier (spontan) etwas aus Jesaja 58,6 an, wo Gott sein Volk und seine Kirche auffordert: „Löst die Fesseln der zu Unrecht Gefangenen, bindet ihr drückendes Joch los! Lasst die Misshandelten frei und macht jeder Unterdrückung ein Ende!“ In diesen Worten spitzt sich etwas zu, was in dieser Predigt bereits mehrfach angeklungen ist: Der Geist des Herrn ruht nicht nur auf Jesus. Er ruht auch auf uns. Wir sind Geistträger Gottes. Und dieser Geist sendet uns zu den Unterdrückten, um ihrer Unterdrückung – ihrer Armut, ihrer Gefangenschaft, ihrer Blindheit oder was es sonst noch ist – ein Ende zu machen. Die Unterdrückten fassen für mich all die Menschen zusammen, von denen bereits die Rede war. Die Unterdrückten sind im eigentlichen Sinn nicht eine vierte Personengruppe. Sie sind die Zusammenfassung all derer, für die Jesus auf diese Erde gekommen ist. Und für die er dich und mich in diese Welt sendet.

Eine bessere Welt

Aus eigener Kraft, die Welt besser zu machen, geht nicht. Wir werden daran scheitern! Gott weiß, dass wir Menschen mehr als Ideale und Gesetze brauchen, um den Traum der besseren Welt wahr werden zu lassen. Wir brauchen einen, der uns dabei hilft. Einen, der uns Menschen erlöst! In Jesus Christus finden wir die Verkörperung der Hoffnung auf eine bessere Welt. Er eröffnet uns die Sicht auf eine Realität, in der die Armen die Freuden des Himmelreichs erben, die Gefangenen in die Freiheit entlassen werden, die Blinden das Licht sehen und die Unterdrückten von ihren Ketten befreit werden. Diese Verheißung wird durch seine Präsenz und seine Taten lebendig.
Ostern, das Fest der Auferstehung, ist der Höhepunkt dieser Hoffnung. Denn in Jesu Auferstehung liegt die Gewissheit, dass Gottes Liebe und Macht stärker sind als jede Dunkelheit, jede Fessel und jede Hoffnungslosigkeit. Ostern erinnert uns daran, dass das, was Jesus verkündigt hat, nicht nur Worte waren, sondern eine Wirklichkeit, die uns heute und jeden Tag erfasst. Amen.
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