Der Schutzraum von der Ehe
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Einleitung
Einleitung
Es ist schon bemerkenswert: Die Bibel beginnt und endet mit einer Hochzeit. Gleich auf den ersten Seiten der Bibel, in 1. Mose 2, wird erzählt, wie Gott für Adam, den Menschen, ein Gegenüber, die Frau, findet, und die beiden zusammenkommen. Jedenfalls erinnert der Verlauf der Erzählung stark an eine Hochzeitszeremonie.[1]Gott führt die Braut ihrem Bräutigam zu, er selbst ist der Trauzeuge und Adam sagt, was einem Ehegelübde gleichkommt: «Diese endlich ist Gebein von meinem Gebein und Fleisch von meinem Fleisch» (1. Mose 2,23a ZÜ). Dann wird Hochzeit gefeiert, die beiden werden «ein Fleisch» (1. Mose 2,24).
Das also ist der Auftakt der Bibel: Der Mensch wird nicht nur geschaffen als männlich und weiblich; Mann und Frau werden auch miteinander verbunden im rechtsgültigen Bund der Ehe, der auch sonst in vielen Texten der Bibel gepriesen wird.
Dem biblischen Lobpreis der Ehe steht die Realität in den westlichen Staaten gegenüber. Der Anteil der nichtehelichen Partnerschaften ist seit den 1970er Jahren deutlich gestiegen, ebenso der Anteil von Kindern, die außerhalb der Ehe geboren werden. Wird die Ehe eingegangen, dann tendenziell später, statistisch erst um das dreißigste Lebensjahr herum.
Zugenommen hat in den vergangenen Jahrzehnten auch die Zahl der Ehescheidungen; dass sie seit einigen Jahren stagniert, hat hauptsächlich damit zu tun, dass weniger Ehen geschlossen werden, die geschieden werden könnten. Für eine Paarbeziehung ist heute das Empfinden der Anziehung sehr wichtig, die Ehe als äußerer Bund dafür jedoch nachrangig.
Doch warum ist die Ehe der von Gott vorgesehene Schutzraum für das Leben in der Beziehung der Geschlechter und der Generationen? Welche biblischen Leitlinien und welche soziologischen Belege gibt es dafür? Schauen wir uns diese Verhältnisbestimmungen genauer an.
[1]Vgl. dazu White, Joel 2021. Was sich Gott dabei gedacht hat: Die biblische Basis einer christlichen Sexualethik, Holzgerlingen: SCM R. Brockhaus.
Die Ehe als Schutzraum für Mann und Frau
Die Ehe als Schutzraum für Mann und Frau
Zu den bekanntesten Geschichten der Bibel dürfte diejenige des Ehebruchs des Königs David mit Batseba, der Ehefrau eines seiner Heerführer, gehören (2 Sam 11). Die Geschichte wirft ein bezeichnendes Licht auf die destruktiven Dynamiken von außerhalb der Ehe gelebter Sexualität. Dabei erweist sich dieser alte Text als hochaktuell.
Alles beginnt damit, dass Davids Blick auf dem attraktiven Körper der nackt badenden Batseba ruht. Er wäre gut beraten gewesen, seinen Blick schleunigst abzuwenden, nicht nur, weil er in dieser Situation die Intimsphäre dieser Frau verletzt und sie zum Sexobjekt degradiert, sondern auch zum Selbstschutz, um sein Ehegelübde zu halten. Doch so erliegt er den Reizen der Frau. Er lässt sie zu sich rufen und schläft mit ihr. David nutzt dabei das zwischen ihm als König und Batseba bestehende Machtgefälle aus. Auch darin erweist sich unser Text als hochaktuell, berichten doch in jüngerer Zeit immer wieder z.T. sogar prominente Frauen, dass sie von «mächtigen Männern» zu sexuellen Handlungen genötigt, z.T. sogar vergewaltigt wurden. Die Davids-Geschichte ist realistisch genug, nicht die Frage zu stellen, ob Batseba dem Sex zugestimmt hat. David bringt sie schlicht in eine Situation, in der es darauf nicht ankommt, und so erleben es Frauen auch heute noch.
Noch zwei weitere Facetten hat der Text. Zum einen: Batseba wird schwanger. Die Folgen dieser leidenschaftlichen sexuellen Begegnung trägt wie üblich die Frau. Das Kind wächst in ihr heran, sie erlebt und durchlebt die mit der Schwangerschaft verbundenen Beschwernisse, sie gibt, nicht zuletzt in der Geburt, etwas von ihrer Lebenskraft, damit das Kind das Licht der Welt erblicken kann.
Zum anderen zieht der Ehebruch Davids eine Lügenkaskade nach sich. Wer seinem Ehepartner bzw. seiner Ehepartnerin nicht treu bleibt, bleibt meist auch nicht bei der Wahrheit. Jedenfalls so lange nicht, als irgendeine Chance besteht, den Seitensprung zu verheimlichen. Genau darum geht es im Großteil des Textes dann auch. David unternimmt alles, um den Ehemann der Batseba als Vater des Kindes erscheinen zu lassen. Am Ende der Geschichte ist der Ehemann Batsebas auf eine Intrige Davids hin im Kampf gefallen, das gemeinsame Kind stirbt und David erkennt – immerhin –, dass er gegen Gott gesündigt hat.
Die Bibel zeigt: Sexualität ist durch die Jahrhunderte hindurch auch außerhalb der Ehe praktiziert worden. Wurde dies, z.B. durch eine Schwangerschaft, offensichtlich, wurde vor allem die Frau sozial geächtet. Doch erst mit der Zulassung und massenweisen Verbreitung der «Pille» als Verhütungsmittel ab den 1960er Jahren ist die systematische Entkoppelung von Ehe und Sexualität möglich geworden. Damit brach der Damm, der bis dato der Frau Zurückhaltung auferlegte, vor oder neben der Ehe mit einem Mann zu verkehren. Mit der Einführung der Pille stieg die Zahl der außerehelichen Sexualkontakte steil an, doch weil keine Verhütung hundertprozentig verlässlich ist und sie nicht immer verlässlich angewendet wird, ist seitdem auch die Zahl der Abtreibungen deutlich angestiegen.
Die Bibel erzählt uns solche und ähnliche Geschichten, weil sie vom Menschen erzählt, wie er seit der Vertreibung aus dem Paradies ist: Immer auf der Suche danach, die Leerstelle in seinem Herzen zu füllen, die sich mit der Abwendung von Gott aufgetan hat. Doch die Fülle, nach der sich der Mensch sehnt, kann nur Gott geben, kein irdisches Gut, auch nicht die Sexualität.
Die Davids-Geschichte legt nahe, was die Forschung bestätigt, dass nämlich Männer eine stärkere Tendenz als Frauen haben, sich auf sexuelle Kontakte auch ohne tiefere emotionale Bindung einzulassen. Dieser Geschlechterunterschied hat mit der ungleich höheren Investition von Frauen zu tun, die eine – auch ungewollte – Schwangerschaft nach sich zieht. Er ist aber auch bedingt durch die komplexere Struktur des sexuellen Erlebens bei Frauen, zu der der weibliche Zyklus und die stärkere emotionale Einbettung der sexuellen Erlebnisfähigkeit gehört, während die männliche Sexualität stark auf das Erleben des Orgasmus konzentriert ist, der auch beim Sex mit Frauen erreicht wird, zu denen keine tiefere emotionale Beziehung besteht. Zu erwähnen sind ferner die Unterschiede zwischen den Geschlechtern bei Körpergröße und Muskelmasse, die für Frauen in der sexuellen Begegnung mit einer
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körperlichen Unterlegenheit und entsprechend größeren Verletzbarkeit einhergeht.
Damit ist ein wichtiges Stichwort benannt: Verletzlichkeit. Die Ehe ist der beste Schutzraum für die zwischen Mann und Frau geteilte Sexualität, weil Menschen sich in der Intimbegegnung füreinander öffnen und verletzlich machen. Sind Mann und Frau den Bund der Ehe eingegangen, dann schenken sie damit einander das Vertrauen, das ihnen ermöglicht, «ungeschützt» einander zu begegnen. Außerhalb der Ehe ist dieses Vertrauen zumindest nicht so tief, dass die Partner sich im öffentlichen Eheversprechen zu diesem Vertrauen und der damit verbundenen Verantwortung bekennen wollen.
Doch dieses Vertrauen zueinander braucht es, wenn Mann und Frau «ein Leib» werden. Zugleich bedeutet es, diese Einheit zu missachten, wenn die Sexualität nicht in die Bundesbeziehung der Ehe eingebettet ist, die Gott unter seine Verheißung und sein Gebot stellt.
Dies ist sicherlich der stärkste Grund für Männer und Frauen, das Wagnis der Ehe einzugehen. Aber auch die Sozialwissenschaften liefern uns Gründe. So ist aus Untersuchungen bekannt, dass Männer in einer stabilen Beziehung – und die Ehe ist die im Vergleich stabilste Partnerschaftsform – weniger zu risikobehaftetem Verhalten neigen als «ungebundene» Männer. Die emotionale – und rechtliche – Bindung an eine Partnerin sowie das Vorhandensein gemeinsamer Kinder sind für Männer ein starkes Motiv, ihr Sozialverhalten am Wohl ihrer Familie auszurichten. Verheirate Männer weisen eine bessere physische und psychische Gesundheit sowie geringere Raten an Suiziden, Suchtverhalten und Gewalttätigkeit auf.[1]Umgekehrt korreliert eine Konzentration vaterloser Familien in einem Wohnquartier mit einer höheren Kriminalitätsrate. Dass Männer – als Ehemänner und Väter – Verantwortung übernehmen, ist also nicht nur gut für sie selbst, sondern für die Gesellschaft insgesamt.
Weil Männer Sex weniger stark als Frauen mit emotionaler Bindung verknüpfen, tendieren sie auch stärker zu der Überzeugung, vor der Ehe sexuelle Erfahrungen sammeln zu müssen. Feministinnen ermutigen Frauen stark darin, es in der Entkoppelung von emotionaler Verbundenheit und Sex den Männern nachzutun, obwohl dies ihrer biologischen Anlage widerspricht (s.o.). Laut der Bibel ist die Ehe von Mann und Frau der einzige von Gott für eine sexuelle Beziehung vorgesehene Ort. Die Sexualität ist ein Aspekt der vorbehaltlosen Hingabe an den Partner und kein Erprobungsfeld im Blick auf die Eignung des anderen dafür, mir sexuelle Erfüllung zu geben.
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Auch in dieser Hinsicht bestätigt die Forschung, dass es Ehen stabilisiert, wenn die Partner ohne vorangehende sexuelle Erfahrungen in die Ehe gehen. Die Zufriedenheit mit der Beziehung ist höher, die Wahrscheinlichkeit einer Trennung oder Scheidung geringer als in der Vergleichsgruppe derjenigen Ehepartner, die schon mit sexuellen Erfahrungen die Ehe eingehen.[2]Damit ist der landläufigen Behauptung widersprochen, dass die Beziehung stabiler sein werde, wenn man zunächst auf Probe zusammengelebt hat. Das Gegenteil ist wahr.
Man könnte also sagen: Warten lohnt sich. Die sexuelle Vereinigung legt nicht den Grundstein für die dann einzugehende Ehe, sondern sie krönt das öffentlich eingegangene Versprechen lebenslanger Treue.
Auch für Frauen bergen diese Einsichten eine befreiende Botschaft, wenngleich der Feminismus ihnen sagt, dass der Freiheitsgewinn gerade im Verzicht auf die Ehe und auf Kinder liege, v.a. wenn man sie selbst betreuen muss. Beides gilt aus Ausweis selbstbestimmter Lebensführung. Die Wirklichkeit ist jedoch komplexer als der Appell an die Selbstbestimmung es nahelegt. So hatte eine Frau bis zur allgemeinen Einführung der Pille gute Gründe, Sex mit einem Unbekannten, jedenfalls einem ihr emotional nicht verbundenen Mann, abzulehnen. Mit der breiten Verfügbarkeit hormoneller Kontrazeption ist es für (junge) Frauen deutlich schwieriger geworden, sexuelle Avancen abzuwehren. Die Pille stärkt die Selbstbestimmung von Frauen nicht, sondern untergräbt sie, insofern die Pille dafür steht, dass eine Frau dem Mann jederzeit sexuell verfügbar ist, weil sie die unerwünschte Folge einer Schwangerschaft nicht mehr fürchten muss.
Allerdings birgt dieser Ansatz für Frauen auch weiterhin Gefahren,[3]wie die im Zuge der «MeToo»-Bewegung bekannt gewordenen Berichte von Frauen zeigen. Sich mit einem Mann, zu dem keine emotionale Bindung besteht, einzulassen, mit ihm allein zu sein, macht die Frau aufgrund der durchschnittlich größeren Körperkraft von Männern verletzbar für Sex auch gegen ihren Willen.
Berichte betroffener Frauen legen nahe, dass viele Frauen ihre intuitive Barriere gegen Sex ohne emotionale Bindung aufgeben, weil sie durch endlosen Konsum von Serien und Filmen davon ausgehen, dass Sex nach dem ersten Date normal ist. Sie meinen, dass es unhöflich sei, dem Mann, mit dem sie gemeinsam essen waren, anschließend den Sex zu verweigern. Sie denken auch: Alle anderen (Frauen) verhalten sich ebenso. Frauen unterschätzen zudem, was es bedeutet, in einer durchpornographisierten Gesellschaft einen Mann kennenzulernen. Männer sind durch Pornokonsum daran gewöhnt worden, dass Sex nichts mit emotionaler Bindung zum Sexualpartner zu tun hat und dass Frauen nichts anderes wollen, als den Vorlieben des Mannes zu entsprechen, seien die sexuellen Praktiken auch noch so entwürdigend für die Frau.
So gibt es auch, ja gerade nach der «sexuellen Revolution» für Frauen gute Gründe, für eine sexuelle Beziehung den Rahmen der monogamen Ehe zu wählen. Wenn es sexuelle Gewalt auch in Ehen gibt, so ist doch das Risiko, sie in diesem Kontext zu erfahren, deutlich geringer, verglichen mit sexuellen Kontakten außerhalb der Ehe. Eine Frau ist gut beraten, einem Mann, der auf dem Weg des Kennenlernens seine sexuellen Impulse unter Kontrolle hält, eher zuzutrauen, dass er auch in einer Partnerbeziehung Verantwortung übernimmt, als einem Mann, der ihr sofort an die Wäsche geht. Romantische Avancen sollte sie zurückweisen, wenn sie sich ihr Gegenüber grundsätzlich nicht als Vater ihrer Kinder vorstellen kann.
Obwohl das Risiko der Scheidung einer Ehe nach 25 Jahren bei ca. 37 % und damit relativ hoch liegt, ist das Trennungsrisiko nichtehelicher Lebenspartnerschaften ungleich höher. Rüdiger Peuckert spricht von einem dreifach höheren Risiko.[4]Rosemarie Nave-Herz ermittelt, dass 20% der nichtehelichen Lebensgemeinschaften sich bereits nach ca. zwei Jahren trennen, nach sechs Jahren gehen sogar die Hälfte der Paare wieder getrennte Wege.[5]Die Ehe von Mann und Frau bietet somit die anderen Paarbeziehungen gegenüber besten Aussichten darauf, wirtschaftlich abgesichert durchs Leben zu gehen und Kindern ein verlässliches Heim bieten zu können. Damit sind wir an dem Punkt, nach dem Gut der Ehe im Verhältnis der Generationen zu fragen.
[1] Vgl. Morgan, Patricia 2014. The Marriage Files: The Purpose, Limits and Fate of Marriage, London: Wilberforce Publications, 60ff.
[2] Vgl. Willoughby, Brian J. u.a. 2023. The Myth of Sexual Experience Brian J. Willoughby: Why Sexually Inexperienced Dating Couples Actually Go On to Have Stronger Marriages, Provo (Utah): Wheatley Institute.
[3] Vgl. Perry, Louise 2022. The Case Against the Sexual Revolution. A New Guide to Sex in the 21th Century, Cambridge: Polity Press.
[4]Vgl. Peuckert, Rüdiger 2015. Das Leben der Geschlechter: Mythen und Fakten zu Ehe, Partnerschaft und Familie, Frankfurt am Main / New York, 20.
[5]Nave-Herz, Rosemarie 2010. Die nichteheliche Lebensgemeinschaft – eine soziologische Analyse; https://www.familienhandbuch.de/familie-leben/partnerschaft/herausforderung-konflikte/dienichtehelichelebensgemeinschaftsoziol.php(zuletzt aufgerufen am 14.06.2023).
Die Ehe als Schutzraum für Kinder
Die Ehe als Schutzraum für Kinder
Unter den Zehn Geboten hat das vierte Gebot, seine Eltern zu ehren, ein Alleinstellungsmerkmal, woran Paulus uns erinnert: Es ist das erste Gebot, das eine Verheißung enthält (Eph 6,2). (Erwachsene) Kinder sollen also ihre Eltern ehren, während die Eltern (Paulus spricht ausdrücklich die Väter an), mit den Worten ermahnt werden: «Reizt eure Kinder nicht zum Zorn, sondern erzieht sie in der Zucht und Ermahnung des Herrn» (Eph 6,3 Luth 2017). Die Ehe gibt somit nicht nur dem Miteinander der Geschlechter einen Rahmen, sondern auch dem Miteinander der Generationen.
Die Bibel geht davon aus, dass die Ehe sich natürlicherweise zur Familie erweitert, weshalb im Alten Testament der Umstand beklagt wird, dass aufgrund von Unfruchtbarkeit die Kinder ausbleiben. In den eigenen Kindern erhält die Ehe eine Sinnrichtung, die über die (sexuelle) Beziehung der Ehepartner hinausweist. Es ist richtig: In der sexuellen Vereinigung wird die Ehe vollzogen, die Partner erfahren die ihnen von Gott verheißene Einheit, sie erfreuen sich lustvoll aneinander und wachsen stärker zusammen. Insbesondere der Aspekt der lustvollen Begegnung mag in der Tradition vieler Gemeinden unterbetont (gewesen) sein, in der sexualisierten Gesellschaft ist es aber wichtig, ihn nicht von den anderen Elementen der Sexualität zu isolieren. Die Ehe schließt die grundsätzliche Offenheit für Kinder ein, auch wenn nicht jeder einzelne Sexualakt Kinder hervorbringen muss.
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Empirisch betrachtet ist die Zahl der Kinder pro Frau in der Ehe von Mann und Frau höher als in jeder anderen Partnerschaftsform. Unbestritten ist auch, dass Kinder, die in einer intakten Ehe ihrer (biologischen) Eltern aufwachsen, unter allen Vergleichsgruppen die stärkste Tendenz aufweisen, nicht missbraucht, selbst kriminell oder wohnungslos zu werden und psychische Probleme zu haben. Im Blick auf Bildungs- und Berufserfolg schneiden sie besser ab als die Vergleichsgruppen. Jungen, die nicht in einer intakten Ehe aufwachsen, haben eine höhere Wahrscheinlichkeit, Straftaten zu begehen, Mädchen eine höhere Wahrscheinlichkeit, früh schwanger zu werden und alleinerziehend zu sein.[1]
Auch wenn die Medienberichterstattung anderes vermuten lässt: Die intakte Ehe bietet den stärksten Schutz gegen (sexuellen) Missbrauch von Kindern. Leider gibt es kaum Studien, die bei der Missbrauchsthematik unterscheiden nach Kindern, die bei ihren biologischen Eltern wohnen, und solchen, die bei mindestens einem Stiefelternteil aufwachsen. Insofern ist hier Vorsicht angebracht und zu betonen, dass statistische Aussagen keine Rückschlüsse auf das Verhalten einzelner Personen zulassen.
Viele Stiefeltern bieten ihren Kindern ein liebevolles Zuhause. Dennoch gibt es plausible Hinweise darauf, dass z.B. Mädchen, die nicht bei ihrem biologischen Vater, sondern beim Partner ihrer Mutter aufwachsen, der nicht mit ihnen verwandt ist, mit größerer Wahrscheinlichkeit Missbrauch erleben als Kinder, die mit ihrem biologischen Vater zusammenleben. Eine US-amerikanische Studie gibt an, dass dies in der erstgenannten Gruppe auf 17 %, verglichen mit lediglich 2 % in der zweitgenannten Gruppe zutrifft.[2]Eine australische Studie stellt den Fokus weiter und fragt nicht nur nach vorsätzlich zugefügten, sondern auch nach unbeabsichtigten Verletzungen infolge mangelnder Aufsicht durch die Eltern. Auch hier ist das Ergebnis, dass Stiefeltern statistisch gesehen weniger achtsam hinsichtlich ihrer Kinder sind und diese daher häufiger Unfälle erleiden.[3]Wissenschaftler deuten die Befunde so, dass die biologische Abstammung eine Inzestbarriere darstellt und das Interesse am Wohlergehen des Nachwuchses erhöht.
Deutlich ist, dass die Folgen der Trennung resp. Scheidung der Eltern für die Kinder gravierend sind. Auch wenn zumindest die Trennung in manchen Fällen notwendig ist, um z.B. eine oder mehrere Personen zu schützen, hat jede Scheidung nachhaltige Auswirkungen auf die Kinder, die sich fortan zwischen zwei Welten bewegen (müssen), wenn sie mit Mutter und Vater in Kontakt bleiben wollen.[4]Das ist besonders dramatisch, weil die Zahl der Scheidungen weit über den Kreis der Ehen mit hoher Konfliktintensität hinausgeht. Wie Paul Amato gezeigt hat, stellen Ehepaare mit geringer Konfliktintensität gut die Hälfte aller Scheidungen. Anders gesagt: Hier trennen sich Paare (resp. Eltern), deren Ehen zwar nicht perfekt, aber auch nicht schlecht waren. Doch das scheint vielen Paaren nicht zu genügen und sie beschreiten den für alle Beteiligten schmerzhaften Weg der Scheidung.[5]Die Ehe erweist sich somit als der im Vergleich beste Schutzraum auch für das Aufwachsen von Kindern.
Wenn Jesus die Ehe für unauflöslich erklärt (Mk 10,1-9), dann deshalb, weil Gott es ist, der Mann und Frau zusammenfügt hat und weil Gottes Lebensordnungen dem Menschen zum Guten dienen. Dabei ist wichtig: Die Ehe hängt nicht an unserer Fähigkeit, sie in moralischer Perfektion zu leben, sondern an der Verheißung Gottes für diese Lebensgestalt. Diese Verheißung wollen wir im letzten Abschnitt genauer anschauen.
[1] Vgl. Morgan, Patricia 2014. 58.
[2] Russell, D.E. H. 1984, Prevalence and Seriousness of Incestuous Abuse: Stepfathers vs. Biological Fathers, in: Child Abuse and Neglect 8/1. 15-22.
[3] Tooley, G. / Karakis, M. / Stokes, M. / Ozannesmith, J. 2006. Generalising the Cinderella Effect to unintentional childhood fatalities. In: Evolution and Human Behavior 27/3, 224–230.
[4] Vgl. Marquardt, Elisabeth 2005. Between Two Worlds: The Inner Lives of Children of Divorce, New York: Three Rivers Press.
[5] Zit. in: Harrington, Mary 2023. Feminism Against Progress, London: Swift Press, 2023, 186.
Die Ehe als Schutzraum für Gottes verheissung
Die Ehe als Schutzraum für Gottes verheissung
Das christliche Verständnis von Ehe zeichnet diese in den Horizont des Gottesverhältnisses ein. Die Ehe, so schreiben Timothy und Kathy Keller, ist dazu da, «dass beide, der Mann und die Frau, einander helfen, zu den herrlichen Menschen zu werden, der neuen Schöpfung, die Gott uns versprochen hat».[1]Die Ehe verweist die Partner also aneinander sowie an Gott. Sie haben die Aufgabe, wahrzunehmen, was Gott am anderen tut, sich daran zu freuen und ihn bzw. sie darin zu unterstützen, immer tiefer in Gottes Geschichte verwurzelt zu werden.
Die Ehe ist die tiefste von Menschen lebbare Form der Freundschaft auf dem Weg in die Herrlichkeit bei Gott. Auf diesem gemeinsamen Weg darf kein anderer Mensch «mehr von Ihrer Liebe und Kraft, Ihrem Fleiß und Ihrer Hingabe bekommen als Ihr Mann oder Ihre Frau».[2]Denn die Ehe ist nicht ein Projekt neben anderen Aufgaben, sondern «der erste und exemplarische Ort, an dem sich die Bestimmung des Menschen zur Mitmenschlichkeit bewähren kann und soll».[3]
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So steht die Lebensordnung der Ehe für den Anspruch des Evangeliums, uns aus der Selbstzentrierung zu befreien. Denn unser Zentrum finden wir in einem anderen: zunächst dem Ehepartner resp. den gemeinsamen Kindern, zuletzt aber in Gott, der die Ehe gestiftet hat.
In der Bibel wird die Ehe von Mann und Frau als Gleichnis für die Bundestreue Gottes verstanden (Mal 2,14f.; Eph 5,21-33). So wie sich im Bund von Christus und seiner Gemeinde die beiden Bundespartner voneinander unterscheiden, so sollen sich in der Ehe die beiden Partner als Mann und Frau voneinander unterscheiden. So exklusiv, wie das Gottesvolk seinen Herrn ehrt, so exklusiv soll die sexuelle Beziehung der Ehe sein. So unverbrüchlich wie Gottes Treue ist, so unverbrüchlich soll auch das Treueverhältnis der Ehepartner zueinander sein.
Seinen konkretesten Ausdruck findet der Ehebund im öffentlichen Eheversprechen. Zwei Menschen versprechen einander, lebenslang füreinander einzustehen und einander treu zu sein. Das ist etwas anderes, als einander zu versprechen, sich nicht zu ändern – denn ändern werden sie sich. Das Eheversprechen hat seine Bedeutung vielmehr darin, durch alle Veränderungen hindurch immer mehr zu dem Menschen zu werden, der einmal ein Versprechen gegeben hat und der ihm treu bleibt, was auch immer sich ändern mag: Umstände, Empfindungen, Interessen.
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So wird die Ehe zu einem Raum, in dem Mann und Frau gemeinsam aus Gottes Verheißungen leben, sich auf Gottes Herrlichkeit ausrichten und in Freude wie im Leid Jesus Christus gleichgestaltet werden.Und deshalb endet die Bibel auch mit einer Hochzeit, an der dann aber nicht nur diejenigen teilhaben, die auf der Erde den Bund der Ehe eingegangen sind, sondern bei der alle Glaubenden, ob nun treu in der Ehe oder enthaltsam als Singles, als Gottes Volk mit Christus, dem Haupt der Gemeinde, vereinigt werden.
[1]Keller, Timothy und Kathy 2013. Ehe: Gottes Idee für das größte Versprechen des Lebens, Gießen: Brunnen, 120.
[2]Ebd., 127.
[3]Kirchhof, Ernst. Das Verständnis der Ehe nach der Heiligen Schrift, in: Haubeck, Wilfried / Heinrichs, Wolfgang / Schröder, Michael (Hg.) 2000. Ehe und Sexualität, 42.
