Lieben Sie Überraschungen

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Notes
Transcript
## Lieben Sie Überraschungen?
Wie haben wir es so mit den Überraschungen? Also - ich meine jetzt nicht primär die Überraschung sprich Bescherung unter dem Weihnachtsbaum, … sondern sonst so.
Wenn wir Überraschungen nicht lieben, dann habe ich jetzt eine schlechte Nachricht. Überraschungen gehören im Handeln Gottes immer wieder zum Standart. Es ist eben nicht überraschend, dass Gott überraschend handelt. Er hält sich nicht so generell an die Vorstellung, wie alles vor sich gehen sollte. Die sogenannte Normalität ist nicht so sein Ding, zumindest wenn wir uns in die Bibel vertiefen. Die Stories der Menschen in der Bibel sind voller Überraschungen, gute und weniger schöne, mit vielen Zickzackstichen im Lebensmuster. Eigentlich ist es ja interessant, dass die Kirche der Inbegriff für Sicherheit, Tradition und Stabilität und Langeweile geworden ist, in ihrem Ursprung eher eine atemberaubende Bewegung mit Umwälzung der Weltsicht der damaligen Zeit war.
Gut Ding will Weile haben, darum weilt die Kirche, weil sie gut ist.😉
Über unseren heutigen Text möchte ich eine Grundaussage stellen, der es sich wirklich lohnt heute nachzugehen!
Gott macht die Dinge trotzdem!
Gott macht die Dinge anderst!
Denn was an Stories rund um Advent und Weihnachten antreffen, hat mit logischer, berechenbarer Konsequenz nicht viel gemeinsam. Kein mit uhrenmacherischer Präzision durchgetimtes Weihnachten!
Gott macht die Dinge trotzdem!
Gott macht die Dinge anderst!
Selbstverständlich versucht man die Dinge zu erklären, vielleicht gerade dort, wo sie nicht nach Schema F ablaufen.
## Heilige Gegensätze
Diese Begegnung der beiden schwangeren Frauen, Marias und Elisabets, Thema eines Ikonen-Typs, hat die typologische Auslegung immer gereizt. Denn diese Begegnung ist voll von »heiligen« Gegensätzen.
Hat doch Jesus den Täufer später als den grössten und bedeutendsten Menschen bezeichnet ().
Die beiden Frauen hier reihen sich ein in die lange Liste typologisch gegenübergestellter Frauen wie Hagar und Sara, Maria und Marta, die Hure Babylon und die Braut des Lammes, Ekklesia und Synagoge.
In der Philosophie wurden Königtum und Tyrannei als zwei Frauen konfrontiert. Sie sind jeweils anschauliche Prototypen und verkörpern jeweils gegensätzliche Richtungen oder Zeiten.
Bei Lukas stellen sie Johannes den Täufer und Jesus in ihrer Ähnlichkeit und Gegensätzlichkeit dar.
Denn es begegnen sich die erst durch Gottes Wundertat Gebärfähige und die vom Heiligen Geist Schwangere.
Man wird in Elisabeth die letzte Verkörperung des alten, in Maria die erste Verkörperung des neuen Bundes sehen. »Die Jüngere besucht die Ältere, die Jungfrau begrüßt die Ehefrau.
Denn je keuscher, desto demütiger...
Die Demut der Großen ist die Erhebung der Geringen« (Beda). »Die höherstehende Person (Maria) kommt zur niedrigeren, um ihr zu helfen, so kam denn auch später der Herr Jesus zur Taufe, um die Taufe des Johannes zu heiligen« (Kirchenvater Ambrosius).
Denn nicht das ehrwürdige Alter zählt, sondern das jüngere Kind ist der »Herr« des älteren, ja noch mehr, das jüngere Kind ist der »Herr« der älteren Frau. So sind alle Rangverhältnisse auf den Kopf gestellt.
Das ist schon Theologie des Magnificat. Gott macht die Dinge anderst. Er stellt die Dinge auf den Kopf.
Das ist ja ganz Interessant, das Typologische, doch bevor wir hier ganz ins die kognitive Welt abgleiten, steigen wir doch herauf aus dem emotionalen Tiefkühlkeller der rationalen heilgeschichtlichen Dimension in das Leben dieser beiden Frauen.
Denn gleichzeitig geht es hier um Freude, um Leben, um Erfüllung der Sehnsucht, um Liebe, um Hoffnung und Zukunft. Heilsgeschichte ist in der Bibel im auch eine Story Gottes mit den Menschen.
## Story - Tupperparty
Denn es ist auch - oder vielleicht sogar zuerst - eine Story zweier Frauen, zweier schwangerer Frauen, die ausserordentliches erlebt haben.
Aktuell läuft eine englische Serie der BBC „Call the midwife“ - Ruf des Lebens. Darin wird das Leben einer Hebamme in der Nachkriegszeit und den 50er Jahren im verarmten East-End von London geschildert. Eingebettet in einen Schwesternorden leistet ein Team von Hebammen in diesem Arbeiterviertel Geburtshilfe und medizinische Versorgung. Vieles läuft auch dort überraschend ab, wenn zum Beispiel ein dunkelhäutiges Baby auf die Welt kommt, obwohl der Vater und die Mutter Weisse sind. Oder wenn das 16. Kind für eine Mutter einfach zuviel ist und sie es einfach nicht mehr annehmen. Tod und Leben sind in dieser Zeit noch sehr nach beieinander. Die chirurgischen Mittel noch sehr eingeschränkt und was heute schon normalerweise gehandhabt werden kann, war noch lebensbedrohend.
Was mich aber immer wieder faszinierte war die Hingabe an das Leben. Vielleicht ist man nirgends im Leben näher dran am Leben wie bei der Geburt eines Menschen. Ruf des Lebens! Und dieser Ruf des Leben macht auch nicht vor den schwierigsten Situationen halt. Für mich auch ein symbolträchtiger Ruf des Evangeliums.
> “Und siehe, Elisabeth, deine Verwandte, ist auch schwanger mit einem Sohn, in ihrem Alter, und ist jetzt im sechsten Monat, von der man sagt, dass sie unfruchtbar sei. Denn bei Gott ist kein Ding unmöglich.” (, LU 84)
Als Maria die Botschaft bekommt, kann sie nichts mehr halten. Sie - σπουδή, ῆς f Eifer, Fleiß; Eile, Hast - sputet zu Elisabet ins Bergland von Judäa, wahrscheinlich nach Hebron. Das wollte sie sich nun nicht entgehen lassen. Da muss etwas ganz Wunderbares geschehen sein.
> “Und sie hatten kein Kind; denn Elisabeth war unfruchtbar und beide waren hochbetagt.” (, LU 84)
Denn es begegnen sich die durch Gottes Wundertat Gebärfähige und die vom Heiligen Geist Schwangere.
Ihr Leben hatte in beiden Fällen eine überraschende Wendung genommen.
> “Da sprach Maria zu dem Engel: Wie soll das zugehen, da ich doch von keinem Mann weiß? Der Engel antwortete und sprach zu ihr: Der Heilige Geist wird über dich kommen, und die Kraft des Höchsten wird dich überschatten; darum wird auch das Heilige, das geboren wird, Gottes Sohn genannt werden.” (, LU 84)
Bei Maria und Elisabeth tut es Gott trotzdem und ganz anders.
Schon bei der Begrüssung hüpft Johannes im Bauch der Elisabeth herum. Im jüdischen Denken klar ein Hinweis dafür, dass die beiden werdenden Kinder in einer Beziehung zueinander stehen.
Obwohl beider Leben total umgekrempelt wurden, waren sie überglücklich, voller Jubel. Elisabeth wird vom Geist Gottes erfüllt und ruft laut, also im Griechischen heisst es da schon eher Megageschrei.
Nun gibt es viel zu erzählen. Details berichtet uns die Bibel nicht. Die Babyparty bleibt unprotokolliert.
Wie wir aber sehen, nehmen beide die Überraschung an, Elisabeth, die alternde Mutter und Maria, welche noch nicht einmal wirklich in einer stabilen Situation lebte. Über beides würde man heute die Nase rümpfen. Ist das denn verantwortungsvoll?
Gott macht die Dinge trotzdem!
Gott macht die Dinge anderst!
## Das Trotzdem und das Andere ist das Gesegnete
Sie wünschen sie einander Segen und Glückseligkeit. Welch ein Wärme, das tut gut. Es ist der tiefe Wunsch des Guten für den anderen, gerade auch in einer überraschenden Situation.
Ausgesucht haben sich Maria und Elisabeth ihr Leben so nicht. Wir wissen, dass dieser freudige Moment nicht ewig dauern wird. Denn welche Mutter möchte ihr Kind nach etwas über 30 Jahren bei der Hinrichtung begleiten.
Welche Mutter möchte schon die Nachricht aus dem Palast erhalten, dass ihr Junge nach einer internen Verschwörung hingerichtet wurde. Die Mütter sehen nicht die heroische Seite. Sie tragen den Schmerz. Auch wenn die Kinder ein ganz spezielle Rolle spielen, wird auch auf ihren speziellen Wegen ein Mutter sein, deren Herz dabei leidet, selbst wenn damit Heilsgeschichte geschrieben wird.
Auch hier mussten sie dann auch sagen, Gott macht die Dinge trotzdem und Gott macht die Dinge anderst.
Wie habens wir so mit den Überraschungen, das war meine anfängliche Frage?
Meine anfängliche Feststellung - Gott macht die Dinge trotzdem und Gott macht die Dinge anders.
Meine Lebens- und Glaubensstory haben viel damit zu tun, nach welchem Grundkonzept ich lebe. Lebe ich primär sicherheitsbedacht, vermeide jegliches Risko, oder sind für mich auch Überraschungen o.k.?
Es gibt einen sehr zielorientierten Weg unglücklich zu werden, indem wir erwarten, dass alles genau nach meinem Plan laufen soll. Sich zu versteifen, dass es so und nicht anders sein kann ist ein elementares Problem. Selbst dann wenn alles nach meiner Nase und meinem Willen läuft, werden wahrscheinlich dann andere um mich herum unglücklich und das wird wiederum meine Stimmung nicht deutlich heben.
Viel besser ist es wie Maria zu glauben, dass der von Gott eingeschlagene Weg ein guter Weg ist.
Denn du hast geglaubt, dass in Erfüllung geht, was dir der Herr versprochen hat.
Gift für Erfüllung ist Selbsterfüllung. Wer sich alles selbst erfüllt, kann nichts mehr geschenkt bekommen.
So bleibt mir am Schluss dieser Predigt auf Weihnachten hin der Segenwunsch an euch alle:
Lass dich von Gott überraschen und erfülle dir nicht alles selbst.
Feiere diese Momente des Lebens trotzdem und vielleicht auch einmal anderst.
Denn vielleicht liegt der Segen gerade dort, wo du ihn nicht erwartest.
Amen
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