Predigt 7. Sonntag nach Trinitatis

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Die vier Eckpfeiler der Gemeinde

Liebe Gemeinde,
ein Pfarrer geht beim Einkauf im Supermarkt den Gang entlang. Da stürzt auf einmal eine Frau direkt auf ihn zu. Sie bleibt kreischend vor ihm stehen und streckt den Finger aus und sagt „Ich habe deine Kirchengemeinde verlassen.“
Darauf antwortet der Pfarrer: „Nun, wenn es meine Kirchengemeinde ist, dann denke ich, ist es eine sehr weise Entscheidung, die du getroffen hast. Wenn es meine Kirchengemeinde ist, denke ich, da würde ich sie auch verlassen.“
Sie sagte darauf: „Willst du nicht wissen, warum ich gegangen bin?“
Er sagte: „Nein, nicht unbedingt, aber ich denke ich werde es gleich erfahren.“ Er hatte damit Recht.
Denn sie sagte: „Du hast meine Bedürfnisse nicht erfüllt.“
Darauf der Pfarrer: Ich kann mich nicht erinnern, dich jemals in der Kirchengemeinde gesehen zu haben, geschweige denn mit dir ein Wort gewechselt zu haben. Wie kann ich da deine Bedürfnisse kennen? Hast Du jemals jemand gesagt, was Du für Bedürfnisse du hast?
Sie konnte sich nicht daran erinnern, es je getan zu haben.
Und schon stellt sich uns die Frage: Was ist Gemeinde? Das Erfüllen von Ansprüchen und Wünschen des Einzelnen, der in die Gemeinde kommt? Oder was erwartet man von Gemeinde? Was erwartet ihr von Gemeinde?
Stellen euch einmal vor, wir würden heute hier in … eine Umfrage unter den Einwohnern machen: Was fällt ihnen ein, wenn sie das Wort „christliche Gemeinde“ hören?
Was würden da unsere Mitmenschen wohl antworten?
Vielleicht das:
· Intolerant
· Altmodisch
· Rechthaberisch
· Vielleicht auch mal gutgläubige Leute
Aber es wird kaum die Aussage kommen „Ich werde dort geliebt und angenommen!“
Dabei geht es doch gerade genau darum bei uns Christen. Ist das nicht auch im Grunde ihres Herzens das, was die Leute von einer christlichen Gemeinde erwarten?
Aber leider werden sie sehr oft enttäuscht!
Und wie geht es mit uns selbst? Wir leben doch heute in einer Gesellschaft, wo es um das Selbst geht. Da müssen wir uns doch auch nach unserem Selbst fragen.
Geht es nicht um die Selbstverwirklichung und um die Selbstdarstellung und um die Selbstfindung, - leider auch in mancher christlichen Gemeinde.
Wir leben in einer Kultur, die nur mit sich selbst zu tun hat und mit sich selbst beschäftigt. Denn wir leben in einer narzisstischen Gesellschaft. Darum hat es auch unsere Gesellschaft heute so schwer mit Migranten und Flüchtlingen.
Und wir hier als Menschen in unseren Orten und auch als Christen in unseren Gemeinden sind Teil dieser Gesellschaft, die uns bestimmt. Auch wenn wir das manchmal nicht wahrhaben wollen.
Dennoch ist in uns die Sehnsucht nach einem anderen Sein. Und wir können in einer christlichen Gemeinde es finden.
Doch dazu sind vier Eckpfeiler wichtig, die in einer Gemeinde gepflegt und gefördert werden müssen:
1. Die gegenseitige Ermahnung und Ermutigung
2. Der Trost der Liebe
3. Die Gemeinschaft im Heiligen Geist
4. Zuneigung und Mitgefühl
Und genau davon spricht der Apostel Paulus in seinem Brief an die Christen in Philippi: 2,1-4:
1 Nicht wahr, es ist euch wichtig, einander im Namen von Christus zu ermutigen? Es ist euch wichtig, euch gegenseitig mit seiner Liebe zu trösten, durch den Heiligen Geist Gemeinschaft miteinander zu haben und einander tiefes Mitgefühl und Erbarmen entgegenzubringen?
2 Nun, dann macht meine Freude vollkommen und haltet entschlossen zusammen! Lasst nicht zu, dass euch etwas gegeneinander aufbringt, sondern begegnet allen mit der gleichen Liebe und richtet euch ganz auf das gemeinsame Ziel aus.
3 Rechthaberei und Überheblichkeit dürfen keinen Platz bei euch haben. Vielmehr sollt ihr demütig genug sein, von euren Geschwistern höher zu denken als von euch selbst.
4 Jeder soll auch auf das Wohl der anderen bedacht sein, nicht nur auf das eigene Wohl.
Ihr Lieben,
wenn wir heute von Gemeinde sprechen, was stellen wir uns darunter vor? Ich meine jetzt nicht Kommunalgemeinde, sondern die christliche Gemeinde. Jede und jeder von uns hat da so seine Vorstellungen und Erwartungen an sie.
Wen sehen wir da in ihr zuerst? Die Hauptamtlichen, die leider fast nicht mehr da sind und immer weniger werden? Die Ehrenamtlichen, die immer mehr gefordert und überfordert werden? Einige wenige Engagierte, die alles noch versuchen aufrecht zu erhalten. Oder sehen wir uns alle, die wir heute hier sitzen und auch die anderen, die nicht da sind und die alle dazugehören und durch die Botschaft des Evangeliums ergriffen wurden.
Gemeinde geht uns alle an. Das macht uns der Apostel Paulus deutlich, wenn er als ersten Eckpfeiler schreibt, wir sollen uns im Namen Jesu Christi einander ermutigen. Nun die Übersetzung, aus der ich es vorgelesen habe, hat es sogar recht freundlich ausgedrückt. In der Lutherübersetzung steht sogar das Wort ermahnen. Es geht um die gegenseitige Ermutigung im Glauben in der Verbundenheit mit Jesus Christus. Doch wer ist Jesus Christus überhaupt für manchen. Nur eine Art Feuermelder, den man braucht, wenn man in der Not ist, oder ist er mehr. Das mehr macht der Apostel deutlich in seinem berühmten Christuspsalm wenige Worte nach unserem Predigttext heute:
Ich lese ihn einmal:
5 Seid so unter euch gesinnt, wie es der Gemeinschaft in Christus Jesus entspricht:
6 Er, der in göttlicher Gestalt war,
hielt es nicht für einen Raub,
Gott gleich zu sein,
7 sondern entäußerte sich selbst
und nahm Knechtsgestalt an,
ward den Menschen gleich
und der Erscheinung nach
als Mensch erkannt.
8 Er erniedrigte sich selbst
und ward gehorsam bis zum Tode,
ja zum Tode am Kreuz.
9 Darum hat ihn auch Gott erhöht
und hat ihm den Namen gegeben,
der über alle Namen ist,
10 dass in dem Namen Jesu
sich beugen sollen aller derer Knie,
die im Himmel und auf Erden
und unter der Erde sind,
11 und alle Zungen bekennen sollen,
dass Jesus Christus der Herr ist,
zur Ehre Gottes, des Vaters.
Um diese Gesinnung geht es in der Gemeinde, dass man sich gegenseitig im Namen Jesu ermutigt. Eben dem anderen zur Hilfe kommt, durch Rat Trost und vielleicht auch durch Ermahnung. Dennoch nicht von oben. Man spricht vom „brüderlichen“ Rat – aber leider kann auch mancher brüderliche Rat von oben kommen.
Weil wir selber die Gnade durch Jesus erfahren haben, dürfen wir jetzt den anderen ermutigen. Wir dürfen barmherzig sein – ein Herz haben für die Armen. Der barmherzige Samariter wird uns zum Vorbild.
Der zweite Eckpfeiler, den der Apostel Paulus setzt, wir werden ermutigt zum Trost der Liebe. Für den Apostel hat die Liebe einen sehr hohen Stellenwert. Das wissen wir aus dem 1. Korintherbrief. Dort und hier geht es um die göttliche Liebe, die sich uns Menschen zuwendet. Sie findet aber auch Ausdruck in der menschenschlichen Liebe. Auch in der Liebe in der Gemeinde, und damit im Miteinander in der Gemeinde. Wie gehen wir miteinander um? Haben wir ein Auge füreinander?
Die Liebe, die wir durch Jesus Christus erfahren haben, sollte für uns Anreiz sein, diese in der Gemeinde zu leben und auch in schweren Situationen gegenseitig zum Trost zu werden.
Das war damals gerade in der Zeit der ersten Christenverfolgen und der Anfeindungen besonders wichtig, aber es ging auch um persönliche Leiderfahrungen.
Der dritte Eckpfeiler einer Gemeinde ist die Gemeinschaft im Heiligen Geist. Der Heilige Geist bewirkt es erst, dass diese Gemeinschaft mit so vielen Menschen mit den unterschiedlichsten Charakteren entstehen kann. Das griechische Wort für Gemeinschaft heißt Koinonia und bedeutet Zusammenhalt und Teilhabe.
Im Vereinswesen werden, ja, auch die verschiedensten Menschen über ihre Interessen in den Vereinen zusammengehalten:
- Die Imker über die Bienen
- Die Sportler über den Sport
- Die Kleintierzüchter über die Tiere
- Die Kleingärtner über ihre Gärten
- Usw.
Doch in der christlichen Gemeinde geht es um ein mehr. Hier wirkt der Heilige Geist den Zusammenhalt, dass man sich in der Liebe begegnet und füreinander da ist, sich nicht von jemanden auseinanderbringt, und auf ein gemeinsames Ziel zugeht, nämlich um es einmal im Lutherdeutsch zusagen, auf der Seelen Seligkeit, auf die Gemeinschaft mit Gott.
Gerade, weil man den dritten Eckpfeiler Koinonia auch mit Teilhabe übersetzen kann, wird deutlich, was Gemeinde nicht ist. Sie ist kein Ort der Rechthaberei und der Überheblichkeit. Beide sollten einer Gemeinde keinen Platzfinden. Eine Gemeinde sollte auch nicht dem Eigennutz eines einzelnen dienen, damit er sich profilieren kann. Gemeinde steht gegen jede Gruppen- und Cliquenbildung, denn das kann für sie tödlich sein. Dass das so ist, finden wir schon in der Bibel in den Korintherbriefen des Apostel Paulus.
In einer Gemeinde geht es nicht zuerst um meine Bedürfnisse. Es geht nicht zuerst um die Frage: Was habe ich davon, dass ich zu dieser Gemeinde gehöre?
Diese Fragestellung ist tödlich für jede Gemeinde. Die richtige Frage ist: Was kann ich in diese Gemeinde, die dem Herrn Jesus gehört, einbringen?
Ihr Lieben,
noch etwas Gemeinschaft heißt Teilhabe, und das bedeutet heute übertragen Teamwork. Das ist wichtig. Denn wir können sonst die Bestens unseres Fachs sein, aber wenn wir nicht in der Lage sind mit anderen gemeinsam zu tun, dann sind wir die schlechtesten!
Und noch den vierten Eckpfeiler, und vielleicht fast die wichtigste Säule dessen, was eine Gemeinde ausmachen sollte: Zuneigung und Mitgefühl
Mitgefühl für den anderen haben – das wird in unserem Text mehrfach betont – und Jesus Christus wird uns da immer wieder als Vorbild genannt. Wir sollen den anderen zärtlich trösten, so wie Christus den Schwachen und Entmutigten stärken.
Die Aufforderungen des Apostels Paulus, damit Gemeinde funktioniert fordern uns heraus.
Er spricht von Demut – Mut haben zu dienen. Für den anderen da zu sein, sich für den anderen einzusetzen, auch wenn wir immer einen vollen Terminkalender haben. Das hat natürlich auch Außenwirkung, da merken die Leute, dass Gemeinde doch anders ist.
Watchman Nee, ein chinesischer Evangelist, erzählt von einem Christen, den er einst in China kannte.
Er war Reisbauer und seine Felder lagen hoch auf einem Berg. Jeden Tag pumpte er Wasser in die Reisfelder. Und jeden Morgen kehrte er zurück und stellte fest, dass ein ungläubiger Nachbar, der den Hügel hinunter lebte, die Deiche um das Feld des Christen geöffnet hatte, damit das Wasser sein eigenes füllte. Für eine Weile ignorierte der Christ die Ungerechtigkeit, aber schließlich verzweifelte er. Was sollte er tun? Sein eigener Reis würde sterben, wenn das so weitergeht. Wie lange könnte es noch so weitergehen?
Die Christen trafen sich, beteten und kamen auf die Lösung. Am nächsten Tag stand der christliche Bauer früh am Morgen auf und bewässerte zuerst die Felder seines Nachbars; dann kümmerte er sich um seine eigenen.
Watchman Nee erzählte dann weiter, dass der Nachbar durch das Wirken des Reisbauern Christ wurde.
Darum ermutigt uns auch der Apostel Paulus im Umgang miteinander, dass jeder höher von dem anderen denkt als von sich selber. Und jeder auch sich um das Wohl des anderen bemüht. Dabei wissen wir, dass wir immer im Umgang miteinander gnädig seine soll. Wir brauchen selber die Vergebung und sollten auch dem anderen vergeben, so wie uns Jesus vergeben hat.
Paulus schreibt seine Worte an die Gemeinde in Philippi, aber auch für die Gemeinde hier in … , also auch für uns gelten sie und nur so können wir Gemeinde bauen.
Zum Schluss noch zwei Zitate. Eins von Dietrich Bonhoeffer und eins von Bill Hybels.
Dietrich Bonhoeffer schreibt: Die Gemeinde braucht nicht glänzende Persönlichkeiten, sondern treue Diener Jesu und der Brüder.
Und Bill Hybels schreibt: Stellen Sie sich vor, wie eine Gemeinde aussehen würde, in der alle Menschen bedingungslos Christus hingegeben, umfassend einander verpflichtet und fest entschlossen sind, diejenigen mit der Guten Nachricht von Christus zu erreichen, die noch außerhalb der Familie Gottes stehen. Solch eine Gemeinde wäre ein unübersehbares Vorbild in ihrem Umfeld. Sie wäre eine Inspiration für Gemeinden in der ganzen Region und ein Zeichen für Gottes grenzenlose Gnade.
Amen.
Und der Friede Gottes, welcher höher ist als Alle Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus.
Amen
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