Dem Schicksal ausgeliefert (Esther 1-2)
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Zu den Zeiten des Ahasveros, der König war vom Indus bis zum Nil über hundertundsiebenundzwanzig Länder, als er auf seinem königlichen Thron saß in der Festung Susa, im dritten Jahr seiner Herrschaft, machte er ein Festmahl für alle seine Fürsten und Großen, die Heerführer von Persien und Medien, die Edlen und Obersten in seinen Ländern, damit er sehen ließe den herrlichen Reichtum seines Königtums und die köstliche Pracht seiner Majestät viele Tage lang, hundertundachtzig Tage.
Und als die Tage um waren, machte der König ein Festmahl für alles Volk, das in der Festung Susa war, vom Größten bis zum Kleinsten, sieben Tage lang im Hofe des Gartens beim königlichen Palast. Da hingen weiße, rote und blaue Tücher, mit leinenen und scharlachroten Schnüren eingefasst, in silbernen Ringen an Marmorsäulen. Da waren Polster, golden und silbern, auf grünem, weißem, gelbem und schwarzem Marmor. Und die Getränke trug man auf in goldenen Gefäßen, von denen keins wie das andere war, königlichen Wein in Menge nach königlicher Weise. Und man schrieb niemand vor, was er trinken sollte; denn der König hatte allen Vorstehern in seinem Palast befohlen, dass jeder tun sollte, wie es ihm wohlgefiele. Und die Königin Waschti machte auch ein Festmahl für die Frauen im königlichen Palast des Königs Ahasveros.
Und am siebenten Tage, als der König guter Dinge war vom Wein, befahl er Mehuman, Biseta, Harbona, Bigta, Abagta, Setar und Karkas, den sieben Kämmerern, die vor dem König Ahasveros dienten, dass sie die Königin Waschti mit ihrer königlichen Krone holen sollten vor den König, um dem Volk und den Fürsten ihre Schönheit zu zeigen; denn sie war schön. Aber die Königin Waschti wollte nicht kommen, wie der König durch seine Kämmerer geboten hatte.
Da wurde der König sehr zornig, und sein Grimm entbrannte in ihm. Und der König sprach zu den Weisen, die sich auf die Gesetze verstanden – denn des Königs Sachen mussten vor alle kommen, die sich auf Recht und Gesetz verstanden; unter ihnen aber waren ihm am nächsten Karschena, Schetar, Admata, Tarsis, Meres, Marsena und Memuchan, die sieben Fürsten der Perser und Meder, die das Angesicht des Königs sehen durften und obenan saßen im Königreich –: Was soll man nach dem Gesetz mit der Königin Waschti tun, weil sie nicht getan hat, wie der König durch seine Kämmerer geboten hatte?
Da sprach Memuchan vor dem König und den Fürsten: Die Königin Waschti hat sich nicht allein an dem König verfehlt, sondern auch an allen Fürsten und an allen Völkern in allen Ländern des Königs Ahasveros. Denn es wird diese Tat der Königin allen Frauen bekannt werden, sodass sie ihre Männer verachten und sagen: Der König Ahasveros gebot der Königin Waschti, vor ihn zu kommen; aber sie wollte nicht. Dann werden die Fürstinnen in Persien und Medien auch so sagen zu allen Fürsten des Königs, wenn sie von dieser Tat der Königin hören; und es wird Verachtung und Zorn genug geben. Gefällt es dem König, so lasse man ein königliches Gebot von ihm ausgehen und unter die Gesetze der Perser und Meder aufnehmen, sodass man es nicht aufheben darf, dass Waschti nicht mehr vor den König Ahasveros kommen dürfe und der König ihre königliche Würde einer andern geben solle, die besser ist als sie. Und wenn dieser Erlass des Königs, den er geben wird, bekannt würde in seinem ganzen Reich, welches groß ist, so würden alle Frauen ihre Männer in Ehren halten bei Hoch und Niedrig.
Das gefiel dem König und den Fürsten und der König tat nach dem Wort Memuchans. Da wurden Schreiben ausgesandt in alle Länder des Königs, in jedes Land nach seiner Schrift und zu jedem Volk nach seiner Sprache, dass ein jeder Mann der Herr in seinem Hause sei.
Dem Schicksal ausgeliefert (Esther 1-2)
Einleitende Gedanken
Wir befinden uns im Endspurt zu unserem diesjährigen Weihnachtsmusical. Ein Projekt, an dem seit zwei Jahren gearbeitet wird. Das Musical erzählt die Geschichte der jungen und ausserordentlich schönen Frau, die Königin des mächtigsten Königreichs der damaligen Zeit wurde. Nur weil sie Königin war, konnte sie unter Lebensgefahr das jüdische Volk vor dem sicheren Genozid retten. Eine spannende Geschichte, die mit einer interessanten Parallele zu Weihnachten überrascht. Du kannst dich immer noch anmelden, wenn du bei diesem faszinierenden Musical mitmachen willst. Die Geschichte steht im Alten Testament. Die Bibel besteht aus zwei grossen Teilen. Das Altes Testament beinhaltet die Ereignisse bevor Jesus geboren wurde und das Neue Testament beginnt mit der Geburt von Jesus. Das Buch Esther, in dem diese Geschichte niedergeschrieben wurde, finden wir also im Alten Testament. Schauplatz der Ereignisse ist Susa, dort stand einer der grossen Paläste der persischen Könige. Damit wir die Geschichte zeitlich einordnen können, möchte einen kurzen Überblick über die geschichtliche Entwicklung geben. Wir beginnen mit dem ägyptischen Reich. Wir können das mit unserer Zeit vergleichen. Heute gilt der amerikanische Präsident als mächtigster Mann der Welt. Diese Macht wird durch verschiedene Faktoren gestützt. Einer der wichtigsten Faktoren ist die Schlagkraft der Armee. So galt damals der ägyptische Pharao als der mächtigste Mann der Welt. Den Assyrern gelang es, die Macht Ägyptens zu brechen. Aber auch die Zeit der Assyrer war begrenzt. Nebukadnezar, der babylonische König, eroberte Assyrien. Dem babylonischen Reich folgte das Perserreich. In diesem Reich ereignete sich die Geschichte mit Esther. Damals war Xerxes der mächtigste Mann der Welt. Aber dazu kommen wir gleich. Etwa 333 v.Chr. gelang es Alexander dem Grossen, das mächtige Perserreich in kürzester Zeit zu erobern. So entstand das Reich Alexanders des Grossen, das aber nach seinem frühen Tod in vier Reiche zerfiel. Zur Zeit als Jesu lebte, hatten die Römer die Welt erobert und der mächtigste Mann regierte in Rom. Esther lebte im persischen Reich in der Stadt namens Susa, in der der König einen seiner Paläste hatte. Die Ereignisse umfassen die Zeit von ungefähr 483 – 478 v.Chr. „Es war in der Zeit, als König Xerxes über das Perserreich herrschte, ein Reich aus 127 Provinzen, das von Indien bis Äthiopien reichte; sein Königsthron stand in der Stadt Susa.“ Est.1,1-2. Ein riesiges Reich und auf dieser Karte sehen wir, welche Länder heute in dieser Region sind. Übrigens wird Xerxes im hebräischen Text, das Alte Testament ist hauptsächlich in hebräischer Sprache überliefert, Ahasveros genannt. Xerxes ist die griechische Version seines Namens. Das sorgt immer wieder für Verwirrung. Nun ich werde in dieser Predigtreihe die griechische Variante seines Namens verwenden, schlicht und ergreifend, weil ich Xerxes leichter aussprechen kann.
I. Die Selbstherrlichkeit und Arroganz der Macht
I. Die Selbstherrlichkeit und Arroganz der Macht
Der griechische Geschichtsscheiber Herodot berichtet, dass der Vater von Xerxes, Darius I, bei Marathon die Schlacht gegen die Griechen verloren hatte. So beabsichtigte er, einen nächsten Feldzug gegen Griechenland zu planen. Davon wurde er aber durch einen Aufstand in Ägypten abgehalten. Zuerst musste er diesen Aufstand niederschlagen, um zu verhindern, dass Ägypten sich von seinem Reich löst. Bevor er den Aufstand niederschlagen konnte, starb er. Hier sehen wir bei diesem Relief den König Darius I auf dem Thron sitzen und hinter ihm stehend sein Sohn Xerxes. 586 v.Chr. trat Xerxes die Nachfolge seines Vaters an und musste als erstes den Aufstand in Ägypten bekämpfen, was ihm auch gelang. Ein grosser Erfolg zu Beginn seiner Herrschaft, der sein Ansehen und seine Autorität im Reich stärkte. Drei Jahre nach seinem Regierungsantritt schien ihm die Zeit gekommen, seine Macht zu demonstrieren. „In seinem dritten Regierungsjahr gab er ein Fest für alle führenden Männer des gesamten Reiches. Die hochrangigen Offiziere aus Persien und Medien, der hohe Adel und die Statthalter aller Provinzen nahmen daran teil.“ Est.1,3. Das ist vermutlich eines der grössten und längsten Feste der Menschheitsgeschichte: 180 Tage dauerte das Fest – 6 Monate – ein halbes Jahr! Was wollte Xerxes mit diesem Fest erreichen? Natürlich - er wollte sich selbst feiern lassen. „Volle sechs Monate stellte der König seine Macht und seinen unermesslichen Reichtum vor ihnen zur Schau.“ Est.1,4. Ich vermute, dass er gleichzeitig seine hochrangigen Offiziere aus Persien und Medien, den hohen Adel und die Statthalter aller Provinzen für seinen nächsten Kriegszug nach Griechenland gewinnen und motivieren wollte. Er liess bereits über den Bosporus eine Brücke bauen, damit seine Armee – die grösste der damaligen Zeit – auf dem Landweg nach Griechenland ziehen konnte. Doch zuerst wird tüchtig gefeiert. Zuerst sollen seine Untertanen seine Macht und Herrlichkeit bewundern. Nach diesen 180 Tagen setzte Xerxes noch einen obendrauf. Er verlängerte das Fest um eine Woche und lud dazu alle Bewohner die Vornehmsten und die Geringsten, die in der Festung Susa lebten, zum Fest ein. Sieben Tage wurde der Schlosspark für das normale Volk geöffnet. „Im Schlosspark waren zwischen den Alabastersäulen weisse und blaue Vorhänge aus kostbaren Stoffen aufgehängt, befestigt mit weissen und purpurroten Schnüren und silbernen Ringen. Polsterbetten mit goldenen und silbernen Füssen standen auf dem kostbaren Fussboden aus verschiedenfarbigen Steinplatten.“ Est.1,6. Die Leute sollen seinen Reichtum bewundern. Sie sollen sehen wie reich und mächtig er ist. „Getrunken wurde aus goldenen Bechern, von denen keiner dem andern glich.“ Est.1,7. Keine Pappbecher! Keine Massenware! Alles Unikate! Spezialanfertigungen aus Gold! Wein gab es in Hülle und Fülle und selbstverständlich von bester Qualität. Wasti, die König, veranstaltete gleichzeitig im Palast des Königs ein Fest für die Frauen. Am letzten Tag des Festes, Xerxes war leicht bis schwer angeheitert, liess er seine Frau rufen. Sie soll sich mit ihrer Krone geschmückt vor diesen betrunkenen Männern präsentieren. „Alle Gäste von Xerxes, die führenden Männer seines Reiches ebenso wie die Bewohner des Palastbezirks, sollten ihre ausserordentliche Schönheit bewundern.“ Est.1,11. Wasti – was wir gut verstehen können – hatte überhaupt keine Lust, zur Begutachtung vor diesen betrunkenen und lüsternen Männern zu erscheinen. Der König bestellte sie ja nicht, damit er mit ihr zusammen sein könnte, sondern nur deshalb, dass die Männer sehen, was für eine schöne Frau er besitzt. Wasti wollte diese Demütigung nicht über sich ergehen lassen. Sie blieb im Palast! Xerxes war bestürzt, dass seine Frau es wagte, sich dem Befehl des mächtigsten Mannes der Welt zu widersetzen. „Da packte den König der Zorn.“ Est.1,12. Diesen öffentlichen Widerstand gegen seine Person konnte er nicht auf sich sitzen lassen. Das ist eine Respektlosigkeit seiner Autorität gegenüber. Niemand soll es wagen, sich seinen Anweisungen und Befehlen zu widersetzen. Vorbei war die Festlaune. „Sofort besprach er sich mit seinen Ratgebern, weisen Männern, die sich auf den Lauf der Gestirne verstanden und über das Recht Bescheid wussten.“ Est.1,13. Natürlich waren diese weisen Männer genauso über das Verhalten der Königin bestürzt. Hier muss ein Zeichen gesetzt werden! Würde der König diesen Ungehorsam nicht ahnden, befürchten sie einen Aufstand der Frauen im persischen Reich. Deshalb schlagen sie vor, dass Xerxes Wasti als Königin absetzt und eine andere Frau zur Königin macht. Sie meinen: „Wenn dieser Beschluss des Königs in seinem ganzen Reich bekannt wird, werden alle Frauen, von den vornehmsten bis zu den einfachsten Familien, ihren Männern den schuldigen Respekt erweisen.“ Est.1,20. Xerxes folgte ihrem Rat. Damit wurde eine der ersten Emanzipationsversuche der Frau im Keim erstickt. Was für ein Schicksal, wenn ein Volk einem solchen Herrscher unterworfen ist. Was für eine Tragik, wenn Menschen selbstherrlichen und arroganten Menschen ausgeliefert sind. Natürlich könnten wir jetzt vieles über Xerxes und insbesondere über seinen Charakter sagen. Wir könnten uns über seine Ungerechtigkeit und Selbstherrlichkeit empören. Leicht liesse sich eine Brücke zu den Mächtigen unserer Tage schlagen. Wir würden viele Parallelen entdecken. Die Versuchung ist gross, schnell und vernichtend über solche Menschen zu urteilen. Doch wenn wir etwas vertiefter über Xerxes und seine Verhaltensweisen nachdenken, werden wir entdecken, dass mehr als uns lieb ist von Xerxes in uns selbst steckt. Wie würden wir uns verhalten, wenn uns unermesslicher Reichtum und diese absolute Macht zur Verfügung stehen würden? Sind wir so sicher, dass wir uns wesentlich anders und besser als Xerxes verhalten würden? Leben wir in unserer kleinen Welt nicht genauso egozentrisch wie Xerxes? Könnte es nicht sein, dass wir uns manchmal genauso selbstherrlich und arrogant verhalten wie Xerxes – einfach auf viel tieferem Niveau? Sind wir nicht auch stolz auf das, was wir erreicht haben? Suchen wir nicht auch die Anerkennung der Leute um uns herum? Wollen wir sie nicht auch ein bisschen beeindrucken, mit dem was wir sind und haben? Verschiedene Altersgruppen haben verschiedene Statussymbole, mit denen sie sich Bedeutung verschaffen. Bei den Teens ist es vielleicht das iPhone und die angesagten Kleidermarken, die man tragen muss, um dazuzugehören. Bei den Erwachsenen ist es vielleicht das Haus, das Auto, die berufliche Stellung usw. Ich glaube wir sind nicht so gut, wie wir uns das manchmal einbilden. Paulus schrieb das in seinem Brief nach Rom einmal so: „Keiner ist gerecht, auch nicht einer.“ Röm.3,10. Marcus Tullius Cicero (107-44 v.Chr.), ein bekannter Politiker, Anwalt, Schriftsteller und Philosoph im römischen Reich, schrieb lange vor Paulus in seiner Schrift „Über den Staat“: „Das Recht hat also keine natürliche Grundlage, woraus sich ergibt, dass wir von Natur aus auch nicht gerecht sind.“[1] Wir sollten uns in einer ruhigen Minute darüber Gedanken machen, was unser Leben eigentlich ausmacht. Mit welchen Werten und Überzeugungen lebe ich und sind das wirklich die Werte und die Überzeugungen, denen ich folgen möchte?
II. Die Willkür und Unbarmherzigkeit der Macht
II. Die Willkür und Unbarmherzigkeit der Macht
Nun, als sich der Zorn Xerxes langsam legte, begann er über das Geschehene nachzudenken. Sein Problem war nicht, dass er keine Frauen für sich hätte. Sein Harem war voller schöner Frauen. Er sollte aber wieder eine Königin haben. Die Diener machten Xerxes folgenden Vorschlag. „Man sollte für den König schöne junge Mädchen suchen, die noch kein Mann berührt hat! Der König könnte in den Provinzen seines Reiches Beamte damit beauftragen, alle besonders schönen Mädchen, die noch unberührt sind, in seinen Harem nach Susa zu bringen. Der königliche Eunuch Hegai, der die Aufsicht im Frauenhaus führt, soll sich um sie kümmern und dafür sorgen, dass ihre Schönheit mit allen Mitteln gepflegt wird. Das Mädchen, das dem König am besten gefällt, soll dann an Wastis Stelle Königin werden.“ Est.2,2-4. Natürlich gefiel dieser Vorschlag dem König und er erteilte die entsprechenden Befehle. Nun suchte man die schönsten jungen Mädchen im persischen Reich. Wenn von jedem Land nur ein Mädchen nach Susa gebracht wurde, waren das bereits 127 Frauen. Die Schätzungen der Ausleger bewegen sich zwischen 400 – 1400 Frauen. Hier zeigt sich, dass Schönheit nicht nur Vorteile mit sich bringt. Die Mädchen mussten mitgehen. Widerstand war sinnlos, wollten sie ihre Familien nicht gefährden. Den Befehlen von Xerxes konnte man sich nur unter Lebensgefahr widersetzen. Ein schweres Los für diese Mädchen! Der Harem war eine Art Schönheitssalon – eine Beautyfarm. „Jedes Mädchen wurde ein Jahr lang auf die Begegnung mit dem König vorbereitet. Sechs Monate dauerte die vorgeschriebene Behandlung mit Myrrhenöl und weitere sechs die mit Balsamöl und anderen Pflegemitteln. Dann konnte das Mädchen zum König gebracht werden.“ Est.2,12. Wenn es soweit war, durften sich diese Mädchen schminken und kleiden, wie sie wollten. Dann wurden sie zum König gebracht, um mit ihm die Nacht zu verbringen. „Sie ging am Abend in den Palast und kehrte am nächsten Morgen in den zweiten Harem zurück. Dieser war für die Nebenfrauen des Königs bestimmt und stand unter der Aufsicht des königlichen Eunuchen Schaaschgas. Keine durfte ein zweites Mal zum König kommen, ausser wenn sie ihm besonders gefallen hatte und er sie namentlich rufen liess.“ Est.2,14. Was für eine schreckliche Perspektive für diese jungen Mädchen. Sie werden im Harem gefangen, für den Rest ihres Lebens. Ich glaube auch nicht, dass die Aussicht eine weitere Nacht mit dem König verbringen zu können für diese Frauen anstrebenswert war. Wer will schon nur benutzt werden? Esther, ein jüdisches Mädchen, lebte in der Festung Susa und war eine ausserordentlich schöne junge Frau. Ihre Eltern starben früh und so wurde sie von ihrem Cousin Mordechai erzogen, der für sie wie ein Vater war. Auch sie wurden in den Harem gebracht. Mordechai sagte Esther noch, sie soll ihre jüdische Herkunft für sich behalten. Der Eunuche Hegai leitete diesen Harem. Er fand an Esther besonderen Gefallen und schenkte ihr deshalb besondere Aufmerksamkeit. „Er gab ihr die schönsten Räume im Harem und sieben ausgewählte Dienerinnen aus dem Königspalast.“ Est.2,9. Vier Jahre nach dem grossen Fest war es soweit. Esther musste zum König. In der Zwischenzeit war Xerxes auf dem Feldzug in Griechenland. Doch auch er war, wie sein Vater, gescheitert und musste aufgeben und wegen Aufständen in seinem Reich schnell zurückkehren. Esther musste also zum König. Sie liess sich von Hegai beraten, welche Kleider sie tragen und wie sie sich schminken sollte. Sie war hinreissend schön. „Alle, die sie sahen, waren voller Bewunderung.“ Est.2,15. Das fiel auch dem König auf. So kam es, wie es kommen musste. „Der König fand an Esther mehr Gefallen als an allen andern Frauen und sie übertraf in seinen Augen bei weitem die anderen Mädchen. Deshalb setzte er ihr die Krone auf und machte sie an Wastis Stelle zur Königin.“ Est.2,17. Nun wurde sie tatsächlich Königin! „Xerxes gab ihr zu Ehren ein grosses Festmahl und lud alle führenden Männer seines Reiches dazu ein. Er gewährte den Provinzen seines Reiches einen Steuernachlass und verteilte königliche Geschenke.“ Est.2,18. Es klingt wie ein Märchen aus tausend und einer Nacht. Doch lassen wir uns nicht täuschen. Die Hauptfrau eines solchen Königs zu sein, ist nicht sonderlich attraktiv. Es ist einfach wesentlich angenehmer, als im Harem der Nebenfrauen zu laden. Esther hatte mit Xerxes keinen liebenden Mann an ihre Seite bekommen. Sie war einfach ein Schmuckstück des Königs, das sein Ansehen und seine Macht steigern sollte. Keine Königin konnte wissen, wann sich das Blatt wendet und sie beim König in Ungnade fallen wird. Die Menschen waren der Willkür von Xerxes total ausgeliefert. Für Xerxes waren diese Mädchen offensichtlich keine zu respektierende Persönlichkeiten. Sie waren einfach Objekte, Spielzeuge, mit denen er seine Lust befriedigte und die Zeit vertrieb. Er handelte unbarmherzig und hatte nur sein eigenes Wohlbefinden im Blick. Wisst ihr, das tragische an dieser Geschichte ist, dass diese Willkür und Unbarmherzigkeit bis heute weltweit verbreitet ist. Amnesty International schreibt: „Jährlich werden weltweit rund zweieinhalb Millionen Menschen Opfer von Menschenhandel. 80 Prozent davon sind Frauen, 40 bis 50 Prozent Kinder.“ Das Bundesamt für Polizei geht allein in der Schweiz von jährlich 1500 – 3000 betroffenen Frauen aus. Das im 21. Jahrhundert! Das weltweite Elend und die Respektlosigkeit gegenüber Menschen haben auch in der aufgeklärten Gesellschaft nicht aufgehört. Wir könnten noch viele weitere Aspekte von Menschenhandel ansprechen. Auch Männer sind davon betroffen. Ja – wir leben auch im 21. Jahrhundert in einer ungerechten Welt. Natürlich wäre es das Einfachste, die Schuld für diese Zustände Gott zu geben. Aber ich kann euch sagen: Gott hat diese Ungerechtigkeit nicht verursacht. Die Ungerechtigkeit wird von Menschen verursacht. Es sind Männer und Frauen, die z.B. Sex einkaufen in welcher Form auch immer und damit Menschen zu Objekten werden lassen und sie entwürdigen. Im Buch Esther werden wir sehen, wie Gott in dieser ungerechten Welt die Voraussetzungen für eine gerechte Welt schafft. Eine Gerechtigkeit, die nicht von dieser Welt ist, sondern eine Gerechtigkeit, die in der neuen Welt Gottes aufgerichtet werden wird. Die Voraussetzungen dazu hat Gott geschaffen. Wie Paulus in seinem Brief nach Rom schreibt: „Es ist eine Gerechtigkeit, deren Grundlage der Glaube an Jesus Christus ist und die allen zugute kommt, die glauben. Dabei macht es keinen Unterschied, ob jemand Jude oder Nichtjude ist, denn alle haben gesündigt, und in ihrem Leben kommt Gottes Herrlichkeit nicht mehr zum Ausdruck.“ Röm.3,22-23.
Schlussgedanke
Es ist unerträglich, wenn wir einem schlimmen Schicksal ausgeliefert sind. Jeder Mensch ist dem Schicksal ausgeliefert. Die meisten von uns haben jedoch das Privileg, ein gutes Schicksal zu haben. Wir leben in einem Land, in dem Rechtssicherheit, Friede und Freiheit hohe Werte darstellen. Aber wir hätten genauso gut z.B. in Syrien geboren werden können. Dann würde unser Schicksal ganz anders aussehen. Vielleicht wären wir dann auch auf der Flucht. Xerxes war ein mächtiger und selbstherrlicher Herrscher. In einer Inschrift lässt er die Menschheit wissen: „Ich bin Xerxes, der Grosskönig, König der Könige, König der Länder vieler Völker, König dieser grossen Erde auch fernhin, Sohn des Darius, ein Achämenide.“ Mittlerweile ist sein Reich versunken. König aller Könige zu sein war eine masslose Überschätzung seiner selbst. Niemand von uns, davon gehe ich aus, wollte unter der Herrschaft des Xerxes leben. Die Menschheitsgeschichte hat es aber immer wieder gezeigt, dass wir in uns eine tiefe Sehnsucht nach einem guten König in uns tragen. Jemand, der es gut mit uns meint und an dem wir uns wirklich orientieren können. Jemand, der nicht willkürlich und unbarmherzig herrscht. Die gute Nachricht ist, dass es diesen König gibt. Im letzten Buch der Bibel wird eine Gestalt beschrieben, die ein Kleid mit der Aufschrift trägt: „König über alle Könige und Herr über alle Herren.“ Offb.19,16. Dieser König ist Jesus Christus, der alle, die ihm in dieser ungerechten Welt vertrauen, egal welchem Schicksal sie ausgeliefert sind, an ein gutes Ziel bringen wird. Er zwingt niemanden, ihm zu folgen. Er lädt uns einfach ein. Wer kommen möchte, der darf kommen und ist willkommen. Einmal sagte Jesus: „Kommt zu mir, ihr alle, die ihr euch plagt und von eurer Last fast erdrückt werdet; ich werde sie euch abnehmen.“ Mt.11,28. Diese Einladung gilt bis heute und das ist der König, dem ich mein Vertrauen schenke. Dieser König war sogar bereit für mich zu leiden. Er ist ein guter – der beste König. Wer ihm vertraut, den wird er in und durch diese ungerechte Welt hindurchbegleiten und in die gerechte Welt hineinführen. Er ist ein König der Gnade und Barmherzigkeit. Gottes Motiv ist nicht Selbstsucht und Selbstverherrlichung. Sein Motiv ist die Liebe zu uns Menschen. So lesen wir im Johannesevangelium: „Gott hat der Welt seine Liebe dadurch gezeigt, dass er seinen einzigen Sohn für sie hergab, damit jeder, der an ihn glaubt, das ewige Leben hat und nicht verloren geht.“ Joh.3,16. Gott will, dass wir das Beste bekommen und nicht verloren gehen.
[1] Cicero: Über den Staat, III,11 (18).