Bibelstunde
Einführung in den Philipperbrief
An antiken Maßstäben gemessen, ist Philippi keineswegs eine große Stadt gewesen. Man konnte sie ohne Mühe in zehn Minuten vom Neapolistor zum Amphipolistor durchwandern. Auf der Via Egnatia hatte man von Tor zu Tor kaum einen Kilometer zurückzulegen. Nach vorsichtigen Schätzungen kann man die Vermutung wagen, daß im ersten und zweiten Jahrhundert 5000 bis 10000 Menschen in der Stadt lebten (Pilhofer I 76). Die literarischen Zeugnisse verraten uns wenig über die Menschen in dieser Stadt. Grundlegend ist die Frage, welche Sprache innerhalb der Stadtmauern Philippis im alltäglichen Zusammenleben gesprochen wurde. Die offiziellen Dokumente sind lateinisch verfaßt, Handwerker wie Maurer oder andere Bauhandwerker sprachen griechisch, wie die gefundenen Steinmetzzeichen beweisen. Die Thraker, die das Land bebauten, werden sich ihres thrakischen Idioms bedient haben. Die allen gemeinsame Basis der Kommunikation wird aber wohl das Griechische gewesen sein (Pilhofer I 85f.).
Auch was die offiziellen Baulichkeiten angeht, wirkte die Stadt römisch: »Wer – wie Paulus – aus dem Osten nach Philippi kam, kam in eine andere Welt. Römische Kolonien konnte man auch in Kleinasien besuchen, aber keine war auch nur annähernd so ›römisch‹ wie Philippi. Gewiß waren die Römer zahlenmäßig nicht in der Mehrheit, wie es das römische Gepräge der Stadt vermuten lassen könnte, aber das Lebensgefühl war durch und durch römisch …« (Pilhofer I, 92).
Den römischen Charakter läßt auch die Darstellung von Apg. 16,11–40 erkennen. Dazu gehört die erwähnte Häufung von Bezeichnungen für Beamte in römischen Kolonien, besonders aber die Erläuterung über den politischen Status der Stadt und ihre Geschichte in Apg. 16,12. Die dortige Kennzeichnung wirkt »wie eine Zusammenraffung ihrer Geschichte, die von der Makedonia Prima bis zur Colonia Julia reicht«. Denn der wahrscheinlich ursprüngliche Text von Apg. 16,12, der zwar nur eine Konjektur darstellt, lautet: Paulus und seine Begleiter kommen nach Philippi, »welches eine Stadt des ersten Bezirks von Mazedonien ist, eine Kolonie«. Nicht
Als Paulus mit Silas zum ersten Mal nach Philippi kommt, trifft er auf eine jüdische Gebetsstätte draußen vor dem dritten Stadttor im Westen der Stadt nahe am Fluß (Apg. 16,13). Archäologische oder inschriftliche Hinweise auf eine Synagoge in Philippi sind nicht gefunden worden, auch nicht die Erwähnung jüdischer Einwohner. Allerdings ist der Bericht in Apg. 16,13 nicht ganz eindeutig. Paulus findet dort eine προσευχή. Das Wort ist »bis in die frühe Kaiserzeit in der griechischsprachigen Diaspora … die vorherrschende offizielle Bezeichnung für das Synagogengebäude«. Doch paßt zum Synagogengebäude nicht, daß nur Frauen genannt werden, was den Schluß nahelegt, daß nur eine behelfsmäßige Gebetsstätte existiert, an der kein regulärer Synagogengottesdienst stattfindet, an dem mindestens zehn Männer versammelt sein müssen.7 Allerdings könnte die Erwähnung der Frauen auch lukanische Redaktion sein, insofern Frauen im lukanischen Schrifttum eine besondere Rolle spielen. Apg. 16,14 erwähnt dabei nur eine Anhängerin jüdischen Glaubens mit Namen, nämlich Lydia, »eine Purpurhändlerin aus der Stadt Thyatira, eine Gottesfürchtige«. Als solche ist sie eigentlich Heidin, die sich zu der jüdischen Gemeinde hingezogen fühlt und am Gottesdienst teilnimmt. Sie wird zur ersten Christin auf europäischem Boden. Ähnlich ist Philippi die erste christliche Gemeinde in Europa, die Paulus gegründet hat.
Die Besonderheit der paulinischen Mission in Philippi und damit in Makedonien stellt die Apostelgeschichte betont heraus, wenn sie die dortige Mission des Apostels als einen großen Einschnitt in seiner Missionstätigkeit beschreibt (16,6–10). Einerseits heißt es, daß der heilige Geist Paulus hindert, in den römischen Provinzen Asia und Bithynien zu missionieren, andererseits bemüht der Verfasser sogar ein göttliches Traumgesicht, das Paulus direkt auffordert, auf europäischem Boden das Wort Gottes zu verkündigen: »Ein Mazedonier stand da, bat ihn und rief: Komm herüber nach Mazedonien und hilf uns!« (Apg. 16,9). Dem entspricht die eigene Darstellung des Paulus insofern, als erst durch das Apostelkonzil (48 n. Chr.) seine Sendung zu den Heiden von Jerusalem ausdrücklich anerkannt ist (Gal. 2,8) und nach dem Zwischenfall in Antiochien die selbständige Mission des Apostels beginnt (Gal. 2,11ff.), der nicht mehr (neben Barnabas) Missionar der antiochenischen Gemeinde ist. Zeitlich schließt sich die Mission im Westen (49 n. Chr.) eng an Apostelkonzil und Weggang von Antiochien an. Paulus verläßt das antiochenische Missionsfeld in Syrien und Kilikien (Gal. 1,21) und »denkt fortan in römischen Provinzen und sucht vor allem deren Hauptstädte und Zentren auf«.
Paulus treibt in Philippi Heidenmission. Apg. 16 erwähnt die gottesfürchtige Heidin Lydia, eine Sklavin als heidnische Wahrsagerin (16,16.19f.) und den römischen Gefängnisbeamten (16,27.31f.). Abgesehen von Lydia, die als Erstbekehrte für die frühen Gemeinden wichtig ist und deren Erwähnung in Apg. 16 deshalb historisch sein wird, haben die anderen Daten eher legendarischen Charakter. Doch bestätigen die Angaben des Philipperbriefes die heidenchristliche Zusammensetzung der Gemeinde: Epaphroditus, Euodia, Syntyche und Clemens sind römisch-hellenistische Namen. Die Argumentation mit seiner eigenen jüdischen Vergangenheit führt Paulus jedenfalls so, wie es ehemaligen Heiden gegenüber zu erwarten ist (Phil. 3,2ff.). Ein gewisses judenchristliches Element könnte man allerdings deshalb vermuten, weil schwer vorstellbar erscheint, daß Judaisten die Gemeinde als Agitationsziel ausgesucht hätten, wenn sie dort keinen judenchristlichen Rückhalt erhofft haben.
Über die Dauer des Missionsaufenthaltes des Paulus in Philippi ist aus Apg. 16,11–40 nichts Sicheres zu erfahren. Der lukanische Bericht ist legendenhaft geprägt. Nach der Austreibung des Wahrsagegeistes einer Sklavin, deren Wahrsagen ihren Herren Gewinn einbringt, kommt es zum Zusammenstoß des Paulus mit den städtischen Behörden, zur Auspeitschung, Einkerkerung und anschließenden wunderbaren Befreiung aus dem Gefängnis. Historisch wird sein, daß die begonnene Mission durch den Konflikt mit den Behörden jäh unterbrochen wird und Paulus die Stadt mit dem Ziel Thessalonich verlassen hat (Apg. 16,40 und 17,1). Paulus mußte Mißhandlungen, etwa die römische Form der Auspeitschung, erdulden (16,22–24), was die Selbstaussagen des Paulus über seine Leiden in Philippi bestätigen (1. Thess. 2,2; vgl. 2. Kor. 11,25). In seinem Brief erinnert er die Gemeinde an seine früheren Bedrängnisse in der Stadt, die er mit seinen gegenwärtigen Leiden am Gefangenschaftsort vergleicht (Phil. 1,30).
Der Zeitpunkt des Missionsaufenthaltes läßt sich in etwa bestimmen. Paulus gelangt gemäß Apg. 16–18 von Philippi über Thessalonich, Beröa und Athen nach Korinth. Allzu lange können die Etappen dieser Missionsreise nicht gedauert haben. Jedenfalls setzt die Darstellung der Apostelgeschichte kurze Fristen voraus (17,2; 17,14f.), auch wenn gerade die Missionsarbeit in Thessalonich wegen 1. Thess. 2,9 längere Zeit in Anspruch genommen hat, als die Angabe in Apg. 17,2 nahelegt, Paulus sei an drei Sabbattagen im Synagogengottesdienst aufgetreten. Auch das wohl missionarisch erfolglose Wirken in Athen hat längere Zeit gewährt, als Apg. 17,16ff. erkennen läßt. Nach dem Zusammensein mit Timotheus in Athen sendet er diesen von Athen nach Thessalonich, um eine neuerliche Begegnung mit der Gemeinde herzustellen. Er selbst bleibt allein in Athen, bis er, inzwischen nach Korinth gekommen, Timotheus dort wiedertrifft, der von Thessalonich zurückgekehrt ist (1. Thess. 3,11f.).
Die Apg berichtet von den Ereignissen in Philippi als Erstes über die Verkündigung an einem Sabbat bei einer proseuchē, wo die Missionare einige Frauen, unter ihnen Lydia, vorfinden. Nach Apg 16,13 ist die proseuchē an einem Fluss lokalisiert. Nach Pilhofer befand sich diese nicht bei einem der beiden Stadttore der Via Egnatia, sondern nahe bei dem dritten Stadttor, das ca. 300 Meter südlich des Amphipolistores und zum hier nahen Fluss Gangites hin lag. Wenn Hengel recht hat, dass es sich bei der proseuchē um eine Synagoge handelt, ist es erstaunlich, dass Paulus nur Frauen antraf (Apg 16,13). Er musste dann wohl erwartet haben, auch Männer zu treffen. Möglicherweise trafen sich Frauen und Männer auch zu unterschiedlichen Zeiten. Ob Paulus bei weiteren Besuchen der proseuchē auch Männer antraf, lässt der lukanische Bericht offen. Immerhin ist aufgrund der oftmaligen Belästigung durch eine Magd auf dem Weg zwischen dem Haus der Lydia und der proseuchē davon auszugehen, dass Paulus diesen Weg öfters und regelmäßig zurücklegte. Wenn aber Paulus regelmäßig an einem „Frauenkreis“ teilgenommen hätte, wäre dies zumindest ungewöhnlich gewesen. Die Bekehrung der Lydia wird ausführlich geschildert und als eine herausragende Szene gestaltet (Apg 16,14). Selten bietet Lukas so viele Detailinformationen über einen bekehrten Menschen. Lydia ist Purpurhändlerin, stammt aus Thyatira und ist gottesfürchtig (ist sie eine Proselytin?), ihr öffnet Gott das Herz, sie wird (offenbar ohne Zeitverzug) zusammen mit denen getauft, die zu ihrem Haus gehören, sie ist gut situiert und besitzt ein Haus, in das sie die Missionare einladen kann (Apg 16,15). Offenbar bietet dieses genügend Raum, auch für eine Versammlung der Geschwister (ἀδελφοί) bzw. der Hausgemeinde der ersten Christen in Philippi (Apg 16,40). Aufgrund des zu vermutenden Reichtums von Lydia als Unternehmerin erscheint Letzteres durchaus plausibel.
Die zweite ausführlich geschilderte Begebenheit in Philippi beginnt damit, dass eine Magd mit einem Wahrsagegeist beharrlich die Missionare als Diener des höchsten Gottes (δοῦλοι τοῦ θεοῦ τοῦ ὑψίστου) bezeichnet (Apg 16,17). Nach Trebilco ist θεὸς ὕψιστος [theos hypsistos] im römischen Reich ein Name für pagane Gottheiten, ohne dass ein jüdischer Einfluss anzunehmen ist. Die Aussage der Magd musste von den (heidnischen) Hörern geradezu falsch verstanden werden. Indem Paulus den Dämon austrieb, beendet er zugleich auch die Gefahr dieses Missverständnisses. Außerhalb der Synagoge dürfte die Aussage der Sklavin ohnehin immer nur auf alle möglichen paganen Gottheiten gedeutet worden sein. Die Eigentümer der Frau verloren durch den Exorzismus eine lukrative Einnahmequelle und schleppten Paulus und Silas zum Forum (ἀγορά) vor die städtische Behörde (ἄρχοντες). Lukas nennt diese στρατηγοί [stratēgoi] (Apg 16,20.22.35), in Philippi war freilich die lateinische Bezeichnung duumviri (iure dicundo) gebräuchlich. Nach einer eher politisch gefärbten Anklage als jüdische Unruhestifter, die für römische Bürger ungesetzliche Bräuche (ἔθη [ethē]) einführen (Apg 16,20f), werden Paulus und Silas kurzerhand ausgepeitscht und in Untersuchungshaft genommen. Die Inhaftierung war eine übliche Maßnahme für kurzfristige Strafen, „jedoch in erster Linie Untersuchungshaft oder Verwahrung bis zur Vollstreckung der Strafe.“54 Möglicherweise nimmt Paulus in Phil 1,30 (sicher aber in 1Thess 2,2) auf diese Ereignisse Bezug. Nach einem Erdbeben, das Paulus und Silas die Flucht ermöglicht hätte, fragt der Gefängniswärter (δεσμοφύλαξ) typisch heidnisch, was er tun muss (Apg 16,30) – eventuell in der Absicht, die Götter der Gefangenen zu besänftigen. Die Missionare verweisen auf den rettenden Glauben und halten eine Missionspredigt (Apg 16,31f), woraufhin der Gefängniswärter und seine ganze Familie (οἱ αὐτοῦ πάντες) getauft werden. Das Verhalten des Gefängniswärters (Aufnahme von Paulus und Silas in sein Haus, Verköstigung usw.) dürfte sehr unüblich, wenn nicht illegal gewesen sein. Erst am Morgen, als die Gerichtsboten (ῥαβδοῦχοι, lat. lictores) eintreffen, beruft sich Paulus auf sein römisches Bürgerrecht. Den stratēgoi bleibt nichts anderes übrig, als Paulus (und Silas) zu beschwichtigen, denn Paulus hätte das Fehlverhalten der Behörden beim Gouverneur anzeigen können. Bevor die Missionare der Bitte der städtischen Magistrate nachkommen, die Stadt zu verlassen, wobei es sich freilich fast um eine Ausweisung handelt, besuchen sie noch die Gemeinde (ἀδελφοί) im Haus der Lydia (Apg 16,40).
Die genaue Zusammensetzung der philippischen Gemeinde lässt sich nicht klären. Der lukanische Bericht von der Gründung der Gemeinde (enger Kontakt zur jüdischen προσευχή) bzw. zur Synagoge) legt nahe, dass auch Juden zur Gemeinde gehörten. Da aber die Juden in Philippi damals nur eine verschwindend kleine Minderheit der Bevölkerung darstellten, dürfte die Gemeinde sehr bald, wahrscheinlich schon von Anfang an, stärker hellenistisch bzw. von Griechen geprägt gewesen sein. Dies ist aus den im Philipperbrief genannten Namen (Phil 2,25; 4,18: Epaphroditus; 4,2: Euodia, Syntyche) und aus den frühen christlichen Inschriften zu schließen. Klemens (Phil 4,3) ist ein lateinischer Name. Bei dem Gefängniswärter handelte es sich vermutlich um einen römischen Veteran. Auch seine Familie wird wohl römisch-lateinisch geprägt gewesen sein. Thraker dürften allenfalls in Einzelfällen zur Gemeinde gehört haben. Gegen 135 schrieb Polykarp, der Bischof von Smyrna, einen Brief an die Philipper, offenbar nach einem eigenen Besuch in Philippi (Polyc 14). Diesem Brief ist zu entnehmen, dass die Gemeinde von Philippi in der ersten Hälfte des zweiten Jahrhunderts in hohem Ansehen stand (Polyc 11,3).
2. Der Gedankengang des Briefes und das Problem der literarischen Einheitlichkeit
Paulus schreibt diesen Brief zunächst in einer Weise, die in sich folgerichtig und durchsichtig erscheint. Auf das Präskript 1,1–2 folgt das reich gestaltete Proömium 1,3–11. Dieses hat zwei inhaltliche Schwerpunkte, die wesentliche Themen des weiteren Briefes präludieren und auf sie anspielen. Zunächst erfolgt der Dank an Gott wegen des entschiedenen Einsatzes der Gemeinde für die Sache des Evangeliums (1,3–6), für den Apostel zuletzt sichtbar geworden an der Geldspende, die sie ihm in seiner Gefängnissituation geschickt hat. Dieser Aspekt wird wieder aufgenommen, wenn Paulus die Philipper wegen ihrer Gabe lobt (4,10–20). Das zweite Thema deutet Paulus in seiner Fürbitte an, wenn er sagt, die Gemeinde möge in ihrem Glaubensstand wachsen hin zur eschatologischen Vollendung (1,7–11). Dabei wird dieses Fürbittengebet zur indirekten Mahnung an die Gemeinde, sich entsprechend diesem Ziel zu verhalten. Seine besondere Entfaltung erfährt dieses Anliegen im paränetischen Hauptteil des Briefes 1,27–2,18. Das Proömium spielt also auf wesentliche Aspekte des vorliegenden Briefes an – mit einer entscheidenden Ausnahme allerdings: Die mit 3,2 einsetzende Auseinandersetzung mit Irrlehrern, die nach Meinung des Paulus statt der Gerechtigkeit aufgrund des Glaubens die Gerechtigkeit aus dem Gesetz propagieren (3,9), ist im Proömium nirgends erwähnt. Man gewinnt den Eindruck, daß der Verfasser des Proömiums 1,3–11 die Probleme des Abschnittes 3,2–4,1 nicht oder noch nicht im Blickfeld hat.
Abgesehen davon zeigen die Ausführungen des Briefes einen durchaus überlegten Verlauf. In der Geldspende, auf die das Proömium Bezug nimmt, kommt die Anteilnahme der Philipper am Geschick des Apostels zum Ausdruck. Diese Anteilnahme spielt als Hintergrund des Briefes weiterhin eine Rolle. Ausdrücklich geht Paulus in 1,12 auf das Interesse der Philipper ein, die wohl nach seiner persönlichen Lage als Gefangener gefragt haben. In seiner Antwort 1,12–26 zielt Paulus nicht primär darauf ab, wie es ihm im Augenblick persönlich geht, sondern darauf, daß der »Fortschritt des Evangeliums« trotz seiner schwierigen Lage als Gefangener keine Behinderung erfährt, ja daß Christus trotz der Leiden des Apostels in jedem Fall verherrlicht wird (1,18). Nur formal setzt der paränetische Hauptteil 1,27–2,18 unvermittelt ein, insofern 1,27 mit einem plötzlichen Imperativ beginnt. Inhaltlich knüpft die Paränese durchaus an den vorangehenden Abschnitt 1,12–26 an. Auf dem Hintergrund seines eigenen Leidensgeschicks will Paulus auf die Leiden der Gemeinde eingehen (1,29f.). Er will ihnen ihre Leiden als eine Dimension auch ihres Glaubensstandes, ihrer Christuszugehörigkeit verständlich machen. Am Ende der Paränese klingt dieses Thema noch einmal an, wenn das apostolische Leiden im Einsatz für das Evangelium als Grund gemeinsamer Freude für Apostel und Gemeinde erscheint (2,17f.).
Nach dem Abschluß seiner Ermahnungen in 1,27–2,18 läßt Paulus die Mitteilung von Reise- und Sendungsplänen folgen. Er spricht von seinem Wunsch, Timotheus nach Philippi zu schicken (2,19–24), und begründet die Rückkehr des Abgesandten der Gemeinde Epaphroditus, der wohl als Überbringer des Briefes fungiert (2,25–30). Die Mitteilung solcher Sendungs- und Reisepläne geschieht in der Regel am Schluß eines Paulusbriefes. Daß dies auch hier der ursprünglichen Briefabsicht entspricht, dürfte sich schon deshalb nahelegen, als sich die Ausführungen in 2,25–30 als eine Art Begleitschreiben für Epaphroditus erweisen, mit dem dieser nach Philippi zurückreist. Paulus möchte diesem eine offene Tür in seiner Heimatgemeinde sichern, wenn er nach Hause zurückkommt – ein Gedanke, der deutlich über den Horizont des Briefes hinausblickt und am Schluß desselben seinen guten Platz hat. Es würde deshalb kaum überraschen, wenn Paulus alsbald zum Abschluß seines Briefes käme. Der Ruf zur Freude (3,1), der die entsprechende Aufforderung aus 2,18 aufnimmt, kurze Schlußermahnungen und Grüße könnten den Brief beenden.