Die liebevolle göttliche Mutter

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Die liebevolle göttliche Mutter

Bibeltext

Jes
Jesaja 66,10–14 LU
10 Freuet euch mit Jerusalem und seid fröhlich über die Stadt, alle, die ihr sie lieb habt! Freuet euch mit ihr, alle, die ihr über sie traurig gewesen seid. 11 Denn nun dürft ihr saugen und euch satt trinken an den Brüsten ihres Trostes; denn nun dürft ihr reichlich trinken und euch erfreuen an ihrer vollen Mutterbrust. 12 Denn so spricht der Herr: Siehe, ich breite aus bei ihr den Frieden wie einen Strom und den Reichtum der Völker wie einen überströmenden Bach. Da werdet ihr saugen, auf dem Arm wird man euch tragen und auf den Knien euch liebkosen. 13 Ich will euch trösten, wie einen seine Mutter tröstet; ja, ihr sollt an Jerusalem getröstet werden. 14 Ihr werdet’s sehen und euer Herz wird sich freuen, und euer Gebein soll grünen wie Gras. Dann wird man erkennen die Hand des Herrn an seinen Knechten und den Zorn an seinen Feinden.

Freude die im Hals stecken bleibt.

Liebe Schwestern und Brüder,
“die schönste Freude ist, die Freude eines Anderen zu sehen.” So pflege ich es gerne zu sagen. An einem Geburtstag freue ich mich diebisch, wenn das Geburtstagskind seine Geschenke auspackt und sich freut. Ich freue mich riesig, wenn jemand eine Prüfung besteht, oder eine neue Liebe gefunden hat. Wenn jemand aber sich wieder freuen kann, nachdem er lange sehr traurig war, dann ist auch meine innere Freude kaum aufzuhalten. Da kann es passieren, dass mir die ein oder andere Träne heimlich entfleucht. Ich vermute mal, dass viele von euch auch diese Momente der Freude über jemand anderes kennen.
In den heutigen Tagen scheint uns aber die Freude im Hals stecken zu bleiben. Wir würden uns gerne freuen, aber unsere Unsicherheit, unsere Sorge, unsere Zweifel hindern uns daran uns ausgelassen zu freuen. Die Frage wie wird das alles? Wird ein von mir geliebter Mensch an COVID-19 erkranken oder gar sterben, hat bestimmt schon der ein oder andere im Kopf gehabt. Ich persönlich kann dies auf jeden Fall für mich bejahen.
Ich vermute mal, dass viele von euch auch diese Momente der Freude über jemand anderes kennen.
Ich denke, dass wir mit diesem Gefühl der unsicheren Freude ganz nah bei den Menschen sind, die diese Worte Jesajas vor vielen Jahren gehört haben. Denn Jerusalem, das Symbol der Eigenständigkeit, der Sicherheit, war damals keine freie Stadt. Jerusalem war von Krieg, Zerstörung und Tod gezeichnet. Und in diese Situation hinein ruft der Prophet: “Freut euch mit Jerusalem.” Wie irritierend! Zeitgleich aber auch: “Wie wohltuend!” Denn der Satz kann auch Hoffnung machen. Denn der Prophet erinnert uns daran, dass wir in unseren Gleichungen etwas nicht vergessen dürfen: Gott!

Die liebevolle Mutter

Und so zeichnet er Gott als wohl eines der tröstendsten Bilder, die ich mir vorstellen kann. Gott als eine stillende Mutter. Das irritiert. Gott wird doch normalerweise als patriarchale Herrscherfigur gezeichnet. Aber Gott ist wie Karl Barth mal so schön auf den Punkt brachte: Ganz anders. Und so malt Jesaja dieses beruhigende Bild einer Mutter, die ihr Baby an der Brust stillt. Es liebevoll birgt und es aus sich heraus nährt. Und eine Mutter gibt. Sie gibt, wenn sie ihr Kind liebt, so viel sie kann. Sie ist nahezu bereit ihr eigenes Leben für das Kind zu lassen. Hauptsache das Kind kann wachsen und gedeihen. Die Mutter sitzt dort mit Augenringen und Erschöpfung. Aber wenn das Kind nur einmal freudig aufgluckst, dann sind alle Entbehrungen, alle Anstrengungen so gut wie vergessen. Denn dieses Glucksen geht tief in das Herz der Mutter hinein.
Und wer das Glück einer glücklichen Mutter je gesehen hat, der oder die kann nicht anders als sich mitfreuen. Wer das Glück eines glücklichen Neugeborenen gesehen hat, der oder die kann nicht anders als sich mitfreuen, dass dieses Kind, den Segen einer liebevollen Mutter hat.
Jesaja sieht Gott, als so eine liebevolle Mutter. Eine liebevolle Mutter, die trösten will. Die aber auch manchmal streng sein muss. Aber am Ende immer eine Mutter ist, deren Herz gerührt vor Freude ist, wenn das Kind sich freut. Die dadurch auch immer wieder bereit ist ihren Zorn zu vergessen und zu verzeihen. Denn diese enge Bindung, die eine Mutter zu ihrem Kind hat, ist schwer zu durchbrechen.

Der Trost der Mutter

Da dies so schwer zu durchbrechen ist, gibt es immer auch eine Gewissheit. Gott will uns trösten. Gott will an unserer Seite stehen, wenn wir leiden. Wie eine liebevolle gute Mutter.
Zugegeben, das ist ein schweres Bild für diejenigen von uns, die nicht das Glück hatten von einer liebevollen Mutter großgezogen zu werden. Es ist ein schweres Bild für diejenigen die Gewalt und Leid in ihrer Kindheit erfahren mussten. Aber es kann ein Bild sein, dass die, die dies durchleiden mussten, zum Träumen einlädt. Zum Träumen, wie eine für sie liebevolle Mutter aussehen kann, die sie in den Arm nimmt. Die ihnen sagt: “Ich liebe dich und ich will nicht, dass du leidest.”
Der Trost der Mutter, kann aber - so glaube ich - uns allen in diesen Tagen auch helfen. Denn jeder von uns hat Unsicherheiten und Sorgen. Jeder von uns wünscht sich, dass alles einfach gut wird. Manch einer wünscht sich vielleicht, dass Gott einfach mit den Finger schnippt und alles wieder gut ist. Manch einer fragt sich vielleicht auch, ob Gott uns damit Strafen will.
Ich denke, dass Gott weder einfach mit den Finger schnippen wird, noch dass er uns einfach so strafen will. Beides wäre zu einfach. Beides würde für mich dagegen sprechen, dass Gott mit der Welt einen Freiraum geschaffen hat, indem wir uns entwickeln können.
Ich denke vielmehr, dass Gott uns als tröstende Mutter beiseite stehen will. Gott will uns den Raum geben, dass wir im Gebet zu ihr kommen können und wir uns anlehnen können. Nein, Gott wird nicht einfach machen, dass das Geschehene und Geschehende nicht schlimm wird. Das wäre ein zu einfacher Kinderglauben. Aber Gott wird uns zuhören. Gott wird uns ermutigen. Gott wird uns Zuversicht geben, dass wir auch dieses schaffen werden.
Ja, es werden Tränen fließen. Ja, es wird schmerzhaftes geschehen. Ja, wir werden auf Gott auch wütend sein. Das wird alles passieren. Das darf alles passieren. Denn dadurch kann auch der Glaube wachsen.
Wir dürfen uns aber immer wieder gewiss sein, dass Gott uns trösten will, wenn wir Trost von ihm empfangen wollen. Bei ihm dürfen wir uns immer wieder klein und zerbrechlich zeigen, wie ein Neugeborenes, dass auf den Arm genommen und genährt werden will. Gott wird uns in den Momenten, wo wir uns dann so schwach und zerbrechlich zeigen in den Arm nehmen und hüten, wie es eine liebevolle Mutter macht.
Amen!
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