Andacht: Jesu Kreuzigung (Karfreitag)
Die Kreuzigung Jesu in erinnerung bringen mit überwiegend Zitaten von EGW aud LJ
Karfreitag /Sabbatanfang
Über allem lag eine bedrückende Finsternis. Doch es war nicht die Angst vor dem Tod, die auf ihm lastete. Es war weder der Schmerz noch die Schande des Kreuzes, die ihm so unbeschreibliche Qualen bereiteten. Christus war der Fürst der Leidenden, doch sein Schmerz wurde durch das Bewusstsein von der Bösartigkeit der Sünde verursacht, von dem Wissen, dass durch den Umgang mit der Sünde der Mensch für deren Abscheulichkeit blind geworden war. Christus sah, wie tief das Böse im menschlichen Herzen verwurzelt ist und wie wenige bereit sind, mit dessen teuflischer Macht zu brechen. Er wusste, dass die Menschheit ohne Gottes Hilfe untergehen wird, und er sah zahllose Menschen umkommen, obwohl sie ausreichend Hilfe hätten haben können
Niedergedrückt jedoch von der schrecklichen Last der Schuld, konnte er das versöhnende Antlitz seines Vaters nicht sehen. Kein Mensch kann den Schmerz nachempfinden, der sein Herz durchdrang, als sich Gottes Angesicht in dieser Stunde höchster Not vom Erlöser abwandte. Diese Qual war so groß, dass er die körperlichen Schmerzen kaum wahrnahm.
Satan bedrückte das Herz von Jesus, indem er ihn heftig versuchte. Der Blick des Erlösers konnte die Pforten des Grabes nicht durchdringen. Nichts ließ ihn darauf hoffen, dass er als Sieger aus dem Grab hervorgehen und der Vater sein Opfer annehmen werde. Er befürchtete, die Sünde sei für Gott so abscheulich, dass sie auf ewig getrennt sein würden. Christus fühlte die Seelenqual, die der Sünder einmal verspüren wird, wenn die erlösende Gnade nicht mehr länger für die schuldige Menschheit eintritt. Es war die auf ihm ruhende Sündenlast, die den Zorn des Vaters über ihn als den Stellvertreter der Menschheit brachte und die den Leidenskelch so bitter machte, dass das Herz des Sohnes Gottes brach.
Vollständige Dunkelheit umhüllte – einem Leichentuch gleich – das Kreuz. »Von der sechsten Stunde an kam eine Finsternis über das ganze Land bis zur neunten Stunde.« (Matthäus 27,45) Es war keine Sonnenfinsternis oder irgendeine andere Naturerscheinung, welche diese Dunkelheit verursachte, die so schwarz war wie die Mitternacht, ohne Mond und ohne Sterne. Es war ein wunderbares Zeugnis, das Gott gegeben hatte, um den Glauben der nachfolgenden Generationen zu stärken.
In dieser undurchdringlichen Dunkelheit verbarg sich Gottes Gegenwart. Er machte die Finsternis zu seinem Zelt (vgl. Psalm 18,12) und verhüllte seine Herrlichkeit vor den Augen der Menschen. Gott und seine heiligen Engel waren neben dem Kreuz. Der Vater war bei seinem Sohn. Doch seine Gegenwart wurde nicht offenbar. Hätte seine Herrlichkeit aus der Wolke hervorgeleuchtet, wäre jeder Augenzeuge vernichtet worden. In dieser schrecklichen Stunde durfte Christus nicht durch die Gegenwart des Vaters getröstet werden. Er trat die Kelter allein, und »niemand aus den Völkern war mit ihm (vgl. Jesaja 63,3).
In dieser dichten Finsternis verhüllte Gott den letzten menschlichen Leidenskampf seines Sohnes.
Um drei Uhr wich die Finsternis von den Versammelten und hüllte nur noch den Erlöser ein. Sie war ein Zeichen für das Grauen und die Qual, die auf seinem Herzen lasteten. Kein Auge konnte durch die Dunkelheit schauen, die das Kreuz umgab, und niemand vermochte die noch tiefer liegende Finsternis zu durchdringen, welche die leidende Seele von Christus umhüllte. Die zornigen Blitze schienen auf ihn, der am Kreuz hing, geschleudert zu werden. Dann »schrie Jesus laut: Eli, Eli, lama asabtani? Das heißt: Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?« (Matthäus 27,46b)
Plötzlich lichtete sich das Dunkel um das Kreuz, und mit heller, klarer Stimme, die durch die ganze Schöpfung zu hallen schien, rief Jesus aus: »Es ist vollbracht!« (Johannes 19,30b) »Vater, ich befehle meinen Geist in deine Hände!« (Lukas 23,46a) Ein Licht umstrahlte das Kreuz, und das Angesicht des Erlösers leuchtete im Glanz der Herrlichkeit auf, hell wie die Sonne. Dann neigte er sein Haupt auf die Brust und verschied.
Als der laute Schrei »Es ist vollbracht!« (Johannes 19,30b) über die Lippen von Christus kam, wurde im Tempel gerade das Abendopfer dargebracht. Das Opferlamm, das den Messias darstellte, wurde hereingeführt, um geschlachtet zu werden.
Mit durchdringendem Geräusch wurde der innere Vorhang des Tempels von einer unsichtbaren Hand von oben bis unten zerrissen (vgl. Matthäus 27,51), und das Allerheiligste, das einst von der Gegenwart Gottes erfüllt gewesen war, lag offen da, frei für die Blicke der Menge. Hier hatte die Schechina geweilt und hier hatte Gott seine Macht über dem Gnadenthron offenbart. Allein der Hohepriester durfte den Vorhang beiseiteschieben, der diesen Raum vom übrigen Tempel trennte. Einmal im Jahr ging er dort hinein, um die Sünden des Volkes zu sühnen. Doch nun war dieser Vorhang in zwei Teile zerrissen! Das Allerheiligste des irdischen Heiligtums war nicht mehr länger heilig.
Überall herrschte Entsetzen und Verwirrung. Der Priester wollte gerade das Opferlamm töten, da fiel ihm das Messer aus seiner kraftlosen Hand, und das Opferlamm entkam. Das Symbol und die Wirklichkeit trafen im Tod des Sohnes Gottes zusammen. Das große Opfer war nun vollbracht. Der Weg ins Allerheiligste stand offen. Ein neuer und lebendiger Weg war nun allen erschlossen. Sündige und sorgenvolle Menschen mussten nicht länger auf den Hohenpriester warten. Von nun an würde der Erlöser selbst als Priester und Fürsprecher der Menschen im höchsten Himmel dienen. Es war, als hätte eine lebendige Stimme den Anbetenden gesagt: All die Opfer und Gaben für die Sünde haben nun ein Ende. Der Sohn Gottes kam, wie er versprochen hatte: »Siehe, ich komme – im Buch steht von mir geschrieben –, dass ich tue, Gott, deinen Willen.« (Hebräer 10,7) Er ist »mit seinem eigenen Blut ein für alle Mal in das Heiligtum hineingegangen und hat uns eine ewige Erlösung erworben.« (Hebräer 9,12b Elb.)
Der Sohn Gottes, unbescholten und makellos, hing am Kreuz. Sein Körper war mit vielen Striemen bedeckt. Die Hände, die er so oft segnend ausgestreckt hatte, waren ans Holz genagelt. Die Füße, die unermüdlich Wege der Liebe gegangen waren, hatte man ans Kreuz geheftet. Das königliche Haupt war von der Dornenkrone verwundet, und die bebenden Lippen waren vor Schmerz verzogen. Die von seinem Haupt, seinen Händen und Füßen fallenden Blutstropfen, die Schmerzen, die seinen Körper quälten, und die unaussprechliche Seelenqual, als der Vater sein Antlitz vor ihm verbarg – alles, was er ertrug, spricht zu jedem Menschen und sagt: Für dich war der Sohn Gottes bereit, jene Schuldenlast zu tragen. Für dich durchbricht er die Macht des Todes und öffnet die Tore zum Paradies. Er, der den wütenden Wellen Einhalt gebot und über schäumende Wogen schritt, der Teufel erzittern ließ und Krankheiten verbannte, der den Blinden die Augen öffnete und den Toten neues Leben schenkte, opferte sich selbst am Kreuz, weil er dich liebt!