Tagesgedanken 18.04.2020

Tagesgedanken in Zeiten von Corona  •  Sermon  •  Submitted
0 ratings
· 11 views
Notes
Transcript

Die Glücksbohne

Liebe Geschwister,
ich weiß nicht wie es Euch geht, aber an manchen Tagen fällt es mir schwer glücklich zu sein. Das sind Tage, da läuft scheinbar alles schief. Die Dusche will morgens nicht richtig heiß werden. Der Kaffee ist aufgebraucht und Brot habe ich auch vergessen zu kaufen, so dass das Frühstück ausfällt. Kurzum ein Tag wie Jürgen von der Lippe in “Guten Morgen liebe Sorgen” besingt.
Wenn ich so einen Tag habe, dann kann es mir passieren, dass ich abends zornig bin. Zornig über den Tag und zornig darüber, dass nichts Glückliches passiert. Wenn ich die Nachrichten anschalte, dann laufen keine guten Nachrichten. Es wird nicht darüber berichtet, dass heute in der Welt was Schönes geschehen ist. Nein, stattdessen höre ich von Leid und Tod und anderen traurigen und schrecklichen Dingen. Dann bin ich zurzeit von der ständigen Schleife über Covid-19 gnadenlos genervt. Das Psalmwort: „Die auf ihn sehen, werden strahlen vor Freude und ihr Angesicht soll nicht schamrot werden“ aus dem 34. Psalm erscheint mir in diesen Momenten wie Hohn. Denn wenn ich an Gott denke, dann erfreue ich mich gar nicht über ihn. Ich bin stinkwütend auf ihn. Ich frage ihn, wie er so etwas zulassen kann. Nein, Freude an Gott ist da nicht. Sondern heftiger Streit mit ihm.
Wenn sich mein Zorn etwas legt und ich wieder klarer denken kann, kommt mir oft die Frage: Gab es nicht vielleicht doch Gutes, was ich nur nicht gesehen habe, weil ich die Augen nicht weit offen halte? Geht es nicht vielen Menschen so, dass sie einfach nur nicht genau genug hingucken? Vor einiger Zeit hat mir eine Freundin eine alte Geschichte erzählt, die ich Ihnen mitgeben will. Sie erzählt von der Weisheit eines alten Mannes aus Sizilien:
Es wird sich erzählt, dass in dem sizilianischen Ort Corleone in den 60er Jahren ein sehr alter Mann lebte. Wie alt er war, das wusste er selbst nicht. Weit über die 70, das wusste er so gerade noch. Auch wenn man ihn ansah, konnte man sein Alter nicht schätzen. Glücklich sah der alte Mann aus. Auf den Lippen hatte er, so sagt man sich, ein geheimnisvolles Lächeln. Eines Tages kam zu ihm eine Frau von der Presse und wollte wissen, warum er immer so glücklich wirkte und trotz seines doch hohen Alters noch so gut in Schuss sei. Der alte Mann schaute sie eine Weile an, lehnte sich zurück und fing an zu erzählen: „Mia Belissima! Das ist ein ganz einfaches Geheimnis. Mein Vater hat es mir anvertraut und dessen Vater ihm. Jeden Morgen bevor ich aus dem Haus gehe greife ich in mein Bohnenglas und nehme eine Handvoll Bohnen. Diese stecke ich in meine rechte Tasche. Jedes Mal wenn ich an dem Tag einen glücklichen Menschen sehe oder etwas Schönes, dann nehme ich eine Bohne aus meiner rechten Tasche und stecke sie in meine linke Tasche. So verbringe ich den Tag. Abends wenn ich zuhause bin, greife ich in meine linke Tasche und hole die Glücksbohnen hervor. Ich betrachte jede einzelne und erinnere mich an den Moment als ich sie in die Tasche steckte. Dann tauchen die Ereignisse vor meinem Auge wieder auf. Das junge Mädchen, das lachend mit ihrem Hund spielte. Der alte Mann der mir eine Orange aus seinem Garten schenkte. Das verliebte Paar, das turtelnd auf der Bank saß. All diese Momente führe ich mir vor Augen und danke Gott, dass er so viel Glück in dieser Welt geschaffen hat.“ Die Reporterin war erstaunt und fragte nach, ob es nicht auch Tage gab, wo er keine Bohne in seiner linken Tasche fand. Der alte Mann überlegte einen Moment und sagte dann: „Nein. Selbst in den Jahren der Kriege, als ich schlimme Sachen erleben und ansehen musste gab es doch immer auch Momente wo ich was Glückliches gesehen habe. Und wenn es nur eine einzige Sache war. Wissen Sie. Es kommt nicht darauf an, wie viele Dinge man sieht. Es reicht schon ein glücklicher Moment.“
Das Gespräch ging noch einen Moment weiter und als die Reporterin mit ihrem Interview fertig war, nahm sie ihre Sachen und wurde von dem alten Mann zur Tür begleitet. Als sie an der Tür waren, griff der alte Mann ins Glas mit den Bohnen und gab ihr eine Handvoll mit dem Rat es doch selbst zu probieren. Da strahlte die Reporterin und der alte Mann nahm eine der Bohnen und lies sie in seine linke Tasche wandern.
Liebe Geschwister,
was mich an dieser Geschichte so fasziniert ist die Weisheit, dass es scheinbar immer was Schönes zu entdecken gibt. Man muss nur genau hinschauen. Ich denke, dass wir alle uns immer mal wieder die Zeit nehmen sollten um zu schauen, wo Gott uns an dem heutigen Tag etwas Gutes und schönes hat erleben lassen. Egal wie klein es auch war.
Related Media
See more
Related Sermons
See more