Gedanken zur Mitte der Woche

Tagesgedanken in Zeiten von Corona  •  Sermon  •  Submitted
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Die zwei Igel

Liebe Schwestern und Brüder,
wie küssen sich zwei Igel? Antwort: Ganz vorsichtig, damit sie sich nicht verletzen. Dieser schlechte Witz geht mir die letzten Tage immer wieder durch den Kopf. Er beschreibt nämlich gut was gerade passiert. Nachdem sich Anfang März die Ereignisse überschlagen haben, üben wir jetzt wieder das näher kommen an so etwas wie Normalität.
Nach und nach machen die Geschäfte wieder auf und sogar Versammlungen zum Gottesdienst dürfen wieder stattfinden. Und wie das so ist, jede und jeder hat da so seine eigene Vorstellung wie schnell es gehen darf.
Da gibt es dann diejenigen, denen es nicht zu schnell gehen kann. Ihr liebster Bibelvers dazu in den letzten Tagen: „Gott hat uns nicht gegeben den Geist der Furcht, sondern der Kraft und der Liebe und der Besonnenheit.“ (2. Tim 1,7) Da ist auch gar nichts gegen einzuwenden. Furcht war für den Glauben noch nie gut. Glaube soll uns ermutigen. Glaube soll uns frei machen und ermutigen das Leben zu genießen und zu leben. Jedoch besteht auch immer die Gefahr, dass ein Igel, der zu schnell sich küssen will, sich verletzt. Es besteht die nicht zu unterschätzende Gefahr, dass das gewünschte wieder in weiter Ferne rückt.
Auf der Anderen Seite gibt es dann diejenigen, denen es nicht langsam genug gehen kann. Ihr liebster Bibelvers ist: „Aber viele, die die Ersten sind, werden die Letzten und die Letzten werden die Ersten sein.“ (Mt 19,30) Auch gegen diese Ansicht ist nichts zu sagen. Gerade in der jetzigen Situation, wo es um Gesundheit und auch Lebensbewahrung geht, ist ein hohes Maß an Vorsicht geboten. Jedoch besteht auch hier die Gefahr, dass der Igel, der zu langsam küssen will, nie zum Küssen kommt. Er geht zu vorsichtig vor und bis er zum nächsten Schritt bereit ist, ist die Kusspartnerin schon weg.
Es kommt also am Ende, so denke ich, auf das richtige Tempo an. Das ist gar nicht so einfach. Ich denke, dass kennen sie auch. Ein richtiges Tempo, gerade wenn viele Menschen daran beteiligt sind, ist wahnsinnig schwer. Aber das gemeinsam herauszufinden ist für Gemeinschaft wichtig. Denn nur wenn alle mitgenommen werden, kann Gemeinschaft im wahren Kompromiss und Konsens stattfinden. Das erfordert aber von allen Beteiligten etwas. Die, die schnell voranschreiten wollen, müssen bereit sein etwas vom Tempo runterzugehen. Die, die sehr langsam und bedächtig voranschreiten wollen, müssen bereit sein etwas Tempo und Wagnis zuzulassen. Beide müssen bereit sein, den jeweils anderen zu hören. Beide müssen ihr Herz daran legen Raum zu schaffen. Nicht Raum für ihre eigenen Ideen, sondern für das was Gott in ihre Ideen reingelegt hat. Beide Seiten müssen entdecken, wie ihre Ideen gemeinsam den göttlichen Weg durch diese ungewöhnliche Zeit hindurch bereiten.
Ich bin der Überzeugung, wenn beide Seiten sich mit Gelassenheit und Raum für Gott auf ein Tempo einigen, welches für beide gut ist, dann werden sich am Ende beide Igel küssen.
Amen!
Gott, gib mir die Gelassenheit, Dinge hinzunehmen, die ich nicht ändern kann, den Mut, Dinge zu ändern, die ich ändern kann, und die Weisheit, das eine vom anderen zu unterscheiden. Einen Tag nach dem anderen zu leben, einen Moment nach dem anderen zu genießen. Entbehrung als einen Weg zum Frieden zu akzeptieren, sie anzunehmen, wie Jesus es tat: diese sündige Welt, wie sie ist, und nicht, wie ich sie gern hätte, zu vertrauen, dass Du alles richtig machen wirst, wenn ich mich Deinem Willen hingebe, sodass ich in diesem Leben ziemlich glücklich sein möge und im nächsten Leben für immer überglücklich. Amen.
(Reinhold Niebuhr 1892-1971)
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