Die Freiheit des Betens

Perikopenreihe II  •  Sermon  •  Submitted
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Wo wird gebetet?

Matthäus 6,5–15 LU
5 Und wenn ihr betet, sollt ihr nicht sein wie die Heuchler, die gern in den Synagogen und an den Straßenecken stehen und beten, um sich vor den Leuten zu zeigen. Wahrlich, ich sage euch: Sie haben ihren Lohn schon gehabt. 6 Wenn du aber betest, so geh in dein Kämmerlein und schließ die Tür zu und bete zu deinem Vater, der im Verborgenen ist; und dein Vater, der in das Verborgene sieht, wird dir’s vergelten. 7 Und wenn ihr betet, sollt ihr nicht viel plappern wie die Heiden; denn sie meinen, sie werden erhört, wenn sie viele Worte machen. 8 Darum sollt ihr ihnen nicht gleichen. Denn euer Vater weiß, was ihr bedürft, bevor ihr ihn bittet. 9 Darum sollt ihr so beten: Unser Vater im Himmel! Dein Name werde geheiligt. 10 Dein Reich komme. Dein Wille geschehe wie im Himmel so auf Erden. 11 Unser tägliches Brot gib uns heute. 12 Und vergib uns unsere Schuld, wie auch wir vergeben unsern Schuldigern. 13 Und führe uns nicht in Versuchung, sondern erlöse uns von dem Bösen. [Denn dein ist das Reich und die Kraft und die Herrlichkeit in Ewigkeit. Amen.] 14 Denn wenn ihr den Menschen ihre Verfehlungen vergebt, so wird euch euer himmlischer Vater auch vergeben. 15 Wenn ihr aber den Menschen nicht vergebt, so wird euch euer Vater eure Verfehlungen auch nicht vergeben.
Harte Worte Jesu. Da werden Leute die öffentlich beten als Heuchler dargestellt. Da werden Leute die beim Beten viele Worte verlieren, als Heiden tituliert. Stattdessen, soll das Beten ganz anders stattfinden. Beten, so sagt Jesus, soll im Kämmerlein oder präziser gesagt in der Vorratskammer stattfinden.
Es soll also dort passieren, wo es kaum einer bis niemand mitbekommt. Denn das Vorratskämmerlein, war selbst in den ärmsten Häusern der damaligen Zeit ein separater Raum. Also ein Ort, wo jemand ganz für sich sein konnte.
Gebet, so scheint es mir, wird von Jesus als ein intimer Akt gesehen. Mein Schöpfer und ich im Gebet. Der Schöpfer schaut in mein Herz und ich lege ihm alles offen, ganz ohne Geheimnisse. Da bedarf es dann gar nicht vieler Worte, sondern einfach nur Offenheit und Ehrlichkeit zu sich selbst. Eine Ehrlichkeit die schmerzhaft sein kann, weil ich mir eingestehen muss, dass nicht alles in meiner Hand liegt, sondern ich auch Hilfe brauche.
Beten als privater Akt. Als Intimer Akt. Als Handlung die nicht in Gotteshäusern oder auf der Straße stattfinden soll. Das ist wohltuend und irritierend. Es ist wohltuend, weil es mich frei von den Blicken anderer macht. Kein Mensch bekommt es mit und kein Mensch kann es kritisieren. Beten wird dann zum Hände halten mit Gott. Zärtlich und intim. Etwas was nicht vieler Worte bedarf, sondern ganz vertraut passiert.
Beten kann dann zum hinsetzen und schweigen werden. Schweigen mit den Lippen und Schweigen mit dem Kopf, so dass nur noch das Herz spricht. Beten kann dann Raum für das bieten was wirklich wichtig ist. Raum für meine Seele die verletzt und traurig, fröhlich und springend, geängstigt und besorgt oder was auch immer ist.
und dennoch bin ich beim Beten nicht alleine. Beten verbindet. Selbst wenn es getrennt in den Vorratskämmerlein stattfindet. Denn auch wenn Jesus zunächst mahnt und sagt, dass wir nicht viel Reden sollen oder unser Beten nicht öffentlich zur Schau stellen sollen, gibt er uns ein Gebet für Gemeinschaft an die Hand. Das Vaterunser. Ein Gemeinschaftsgebet im Plurals geschrieben.
Ein Gebet, dass uns alle unter wichtigen grundlegenden Bedürfnissen versammelt, die uns Gott zur Verfügung stellen soll. Genügend zu essen, Vergebung von unseren Fehlern und Vergehen. Kurzum die Grundbedürfnisse zu stillen, die uns helfen frei zu leben. Ein Gebet, dass in meinem Vorratskämmerlein mir die Gewissheit geben kann, dass ich nicht alleine bin, weil in einem anderen Vorratskämmerlein auf der Welt ein anderer Mensch dieses Gebet gerade gemeinsam mit mir betet. Ein Gebet, das trotz Abstand verbindet. Nur drängt sich dann die Frage auf, warum beten wir in Kirchen? Widersprechen wir damit nicht sogar in gewisser Weise dem Evangelium?
Wie so oft, gibt es darauf keine leichte Antwort. Ich glaube aber nicht, dass Jesus diese Aussage als Dogma verstanden wissen wollte. Von daher ist es gut, dass in Kirchen gebetet wird. Ich glaube sogar, dass es sich in Kirchen leichter beten lässt. Mir hilft der Gedanke, dass in diesen Räumen schon seit hunderten von Jahren Menschen ihr Gebete gesprochen haben. Aber am liebsten bete ich in unserer Kirche, wenn niemand da ist. Wenn ich fast die Don Camillo in Ruhe und alleine mit ihm reden kann. Wenn ich auch mal mit ihm schimpfen und streiten kann.
Anderen mag aber dieser Raum helfen, wenn viele andere Leute da sind. Wenn in Gemeinschaft gebetet wird. Wenn gemeinsam das Vaterunser gesprochen wird und ich die Nähe des Anderen spüren kann. Wenn sich sein ausgesprochener Atem mit meinem ausgesprochenen Atem zu einem Klangteppich des Gebets verbindet. Wenn er oder sie somit nicht in der Isolation der Vorratskammer ist, sondern das pulsieren des Lebens spürt.
Und Beten im Gottesdienst? Nun ist Beten ja nichts anderes als Gottesdienst. Gottesdienst der in meiner Vorratskammer passiert. Denn im Gebet dient Gott uns, denn er schaut ins Verborgene. Er schaut in unsere Herzen rein egal wo wir sind. Wenn wir also sagen, wir brauchen Gottesdienste, damit wir gemeinsam beten können, vertun wir uns. Gottesdienste als Versammlung der Gemeinde brauchen wir um das Evangelium ordentlich zu predigen und die Sakramente ordentlich zu verteilen. Aber nicht für das Gebet. Das Gebet ist nämlich der ständige Gottesdienst den Jede und Jeder für sich vollführen kann. Das Gebet ist der Ort, wo sich die Fülle Gottes ganz frei zur Verfügung stellt, da Gott keine Mittler braucht um mit seinen Kindern in Kontakt zu kommen, sondern nur seine Kinder die ihn ansprechen und sagen: “Vater, ich möchte, dass du mir zuhörst.” So dass der Vater sich hinsetzt und ganz ohne Vorurteile zuhört und genau in das Herz seines Kindes reinhört.
Daher lasst uns beten. Beten in unseren Vorratskammern, ganz für uns, weil dann wird es zum echten vertrauten Gespräch mit Gott. Zu einem Gespräch, aus dem wir gestärkt und befreit hervorgehen können, weil nur er unsere tiefsten und innersten Sorgen mitbekommt.
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