Pfingsten und Sprache

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Sprache verbindet Sprache trennt

Das Dilemma der Sprache

Wir sprechen viel übereinander und viel zu wenig miteinander. Selbst wenn wir miteinander sprechen, dann ist die Chance, dass wir uns missverstehen sehr groß. Obwohl sprechen etwas selbstverständliches ist, ist es nicht selbstverständlich den anderen zu verstehen. Eine winzige Veränderung in der Stimme und aus einer liebevollen Redeweise, wird ein ernstes Wort.
Und genau das führt uns immer wieder ins Dilemma. Es ist schon schwer genug einen Menschen zu verstehen, der die gleiche Muttersprache spricht. Noch schwerer wird es, wenn man sich mit Menschen unterhält, die eine andere Sprache sprechen. Denn Sprache und Worte tragen immer auch Kultur und Mentalität mit sich. Sprache ist immer ein Spiegel einer Gesellschaft und ihrer Einstellung. Sprache liebe Gemeinde ist ein ernsthaftes Dilemma. Oder wie es ein Professor für Predigtlehre mal gesagt hat: Seien sie sich sicher, dass die Hörer Ihrer Predigt etwas anderes hören werden, als das was sie gesagt haben.

Sprachverwirrung

Und so kann Sprache verwirren. Es ist verwirrend, dass Sprache so vielfältig ist. Es ist ein Rätsel, warum wir so viele Sprachen sprechen. Nach aktueller Zählung gehen Sprachforscher von 7000 verschiedene Sprachen aus, wovon gerade einmal 6% von mehr als einer Million Menschen gesprochen werden.
Es verwundert mich daher nicht, dass sich die Verfasser der Bibeltexte auch darum Gedanken gemacht haben und in der Geschichte vom Turmbau zu Babel einen Erklärungsversuch erzählt haben, warum der Mensch angefangen hat in verschiedenen Sprachen zu sprechen und kommen zu der harten Aussage Gottes:
Die Bibel nach Martin Luthers Übersetzung, revidiert 2017 mit Lemmatisierung Kapitel 11

Wohlauf, lasst uns herniederfahren und dort ihre Sprache verwirren, dass keiner des andern Sprache verstehe!

Sie kamen somit zu der Erkenntnis, dass das Gegenseitige Verstehen eine Herausforderung ist und einem göttlichen Kraftakt gleichkommen kann. Und wer schon einmal versucht hat eine Fremdsprache zu meistern, so dass sie wie die eigene Muttersprache wird, der weiß, was für ein Kraftakt dies ist und wie sehr in andere Sprach- und Gedankenbilder eingetaucht werden muss. Und manch einer erlebt dann auch das, was Herbert Grönemeyer so schön besungen hat mit den Worten:
“Herkese ikinci yol Ikinci yuva gerek Ruhuna bir şans ver Kendine iyi bak güzel gönül
In jedem schlägt ein Doppelherz Einmal hier und dann da zuhause Der Kopf fliegt schon mal voraus Der Atem bekommt seine Pause” (Herbert Grönemeyer - iki gönlüm)

Doppelherzen

Es sind also Doppelherzen die wir erleben, wenn wir mit anderen Sprechen ein Einlassen auf eine andere Welt. Egal, ob mein gegenüber eine Fremdsprache spricht oder die scheinbar gemeinsame Muttersprache. Jedesmal muss ich mich auf mein Gegenüber, auf seine Bilder, seine Worte, Betonungen und Gedanken einlassen. Dafür muss ich zuhören und nachfragen. Ich muss mein Gegenüber Kennenlernen um zu verstehen, warum er spricht, wie er spricht und denkt, wie er denkt. Dafür muss ich offen und frei sein. Frei sein von dem menschlichen Gedanken, dass ich selbst der Mittelpunkt bin. Ich muss zu der Erkenntnis kommen, dass es etwas größeres, wichtigeres gibt, dass uns alle verbindet. Wenn Menschen zu diesem Punkt kommt, dann ist es als wenn sich flammende Zunge auf sie setzen.

Verbindende Zungen

Und so verwundert es mich nicht, dass von den ersten Jüngerinnen und Jüngern erzählt wird, dass sie vom Heiligen Geist erfüllt waren und als einfache Menschen so gesprochen haben, dass gesagt wird, dass sie von allen Verstanden wurden, als wenn sie in der jeweiligen Muttersprache gesprochen hätten.
Es verwundert mich nicht, dass daher ein Sprachwunder der Anfang der Gemeinde Christi bildet. Denn die Botschaft Jesu war zeitlebens auch der Versuch den Anderen und die Andere in Ängsten und Nöten; in Gedanken und Worten; in Gesten und Handlungen zu verstehen. Ihn anzunehmen als das, was er ist. Ein von Gott geschaffenes Wesen. Was würde sich da nicht mehr anbieten, als die von Gott geschaffene Sprachenverwirrung in dieser Gründungsurkunde der Gemeinde im Namen Christi aufzuheben. Für einen Moment wird somit der Bogen zurückgeschlagen in die Zeit, als alle Menschen sich verstanden. Wie wichtig wäre es daher nicht auch, dass wir Menschen uns verstehen.

Den anderen verstehen

Wie schön wäre es daher, wenn dieses Ereignis bis heute angehalten hätte. Aber gerade in diesen Tagen merken wir wieder, wie schwer es ist untereinander Verständnis zu haben. Was am Anfang der Corona-Krise scheinbar gut ging, wird von Tag zu Tag schwerer. Da mangelt es manchmal an Verständnis, dass ganz langsam Stück für Stück geöffnet wird. Da wird die Angst und Sorge manch eines runtergespielt und derjenige, der Fragen stellt, schnell in die Ecke des Verleugners gestellt.
Es ist, so finde ich, derzeit ein Klima des Unverständnisses stärker im Gange als es sonst schon der Fall ist. Dabei hat Jesus es uns doch schon vorgemacht, wie Verständnis entstehen kann. Dem oder der Anderen zuhören. Ohne Vorurteile. Ihn oder sie als von Gott geliebtes Wesen wahrnehmen. Barmherzig und mit Nächstenliebe bei ihm oder ihr sein, auch wenn er oder sie eine andere Meinung hat. Mit Liebe und Zeit sich gegenseitig zeigen, wie man die Welt sieht und versteht, so dass nach und nach eine gemeinsame Sprache gesprochen werden kann. Und wenn die gemeinsam gesprochen wird, dann wäre es doch schön, wenn dies auch so sichtbar würde, dass sie sich gegenseitig stützen und tragen und stärken.
Oder um es mit den Worten von Ernst Festl zu sagen:
Wie rund doch die Ecken und Kanten eines Menschen werden können, wenn man sie mit Verständnis und Einfühlungsvermögen entschärft – und sie einem dann vertraut und liebenswürdig erscheinen.
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