Von Zöllnern und Heiligen

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Ach wie gut,...

Seien wir doch mal ganz kurz ehrlich zu uns selbst. Es ist doch ein herrliches Gefühl, wenn man ein Geschäft zu seinen eigenen Gunsten abschließt. Wenn man bei EBay Kleinanzeigen etwas für mehr verkauft bekommt, als es eigentlich noch wert war. Wenn ich das Finanzamt wieder mal ausgetrickst habe und die Steuerrückerstattung somit etwas höher ausgefallen ist, als sie es eigentlich wäre. Herrlich kann so ein Gefühl sein. Denn wie soll schon Papst Paul IV (476-1559) und andere gesagt haben: “Mundus vult decipi, ergo decipiatur.” “Die Welt will betrogen sein, also werde sie betrogen.”
Und mal ehrlich, so hin und wieder tut das gut. Jedoch, was, wenn der Bogen überspannt wird. Oder man aufgrund seiner Tätigkeit in Gesellschaftlichen Verruch gerät. Über so einen Fall denkt unser heutiger Predigttext nach.
Lukas 19,1–10 LU
1 Und er ging nach Jericho hinein und zog hindurch. 2 Und siehe, da war ein Mann mit Namen Zachäus, der war ein Oberer der Zöllner und war reich. 3 Und er begehrte, Jesus zu sehen, wer er wäre, und konnte es nicht wegen der Menge; denn er war klein von Gestalt. 4 Und er lief voraus und stieg auf einen Maulbeerfeigenbaum, um ihn zu sehen; denn dort sollte er durchkommen. 5 Und als Jesus an die Stelle kam, sah er auf und sprach zu ihm: Zachäus, steig eilend herunter; denn ich muss heute in deinem Haus einkehren. 6 Und er stieg eilend herunter und nahm ihn auf mit Freuden. 7 Da sie das sahen, murrten sie alle und sprachen: Bei einem Sünder ist er eingekehrt. 8 Zachäus aber trat herzu und sprach zu dem Herrn: Siehe, Herr, die Hälfte von meinem Besitz gebe ich den Armen, und wenn ich jemanden betrogen habe, so gebe ich es vierfach zurück. 9 Jesus aber sprach zu ihm: Heute ist diesem Hause Heil widerfahren, denn auch er ist ein Sohn Abrahams. 10 Denn der Menschensohn ist gekommen, zu suchen und selig zu machen, was verloren ist.
Tja, liebe Geschwister, da ist einer der in gesellschaftlichen Verruch gekommen ist. Zachäus. Zöllner, so wie es vor ihm schon bestimmt sein Vater war und davor sein Großvater. Ein harter Job, denn für teuer Geld musste das Zollpacht Gebiet erkauft werden und in der Zeit wo die Pacht läuft, muss sich das Geschäft rentieren. Mal Hand auf Herz, wer würde von uns nicht auch auf die Idee kommen, die ein oder andere Münze mehr von den vorbeikommenden abzuzwacken, damit sich das Geschäft auf jeden Fall rentiert. Getreu dem Motto: Die Welt will betrogen sein, daher werde sie betrogen.

Von Gewinnsucht und Egomanie

Klar, ich weiß, viele von Ihnen werden jetzt innerlich sofort Protest anmelden und sagen: “Ich bin ein ehrlicher Bürger, ich würde so etwas nie machen.” Aber ich bin da etwas Kulturpessimistischer. Ich glaube, dass der Hang zu einem übervorteilten Geschäft tief in unseren kapitalistischen Herzen steckt. Denn schauen wir uns doch mal an, wo unser Finger hin wandert, wenn wir uns auf die Seite stellen, die sehen, wie Jesus zu dem Zöllner ins Haus geht. Wer wäre es denn, wo wir brüskiert wären und sagen würden: “Bei einem Sünder ist er eingekehrt.” Wären es die Politiker, die ja alle korrupt sind und von der Wirtschaft oder gar Bill Gates gekauft wurde? Wäre es die Mainstreampresse, die ja alles nur noch Lügenpresse ist, wie so viele sagen? Wären es die Corona-Skeptiker*innen? Bei wem würde es uns brüskieren, wenn Jesus dort eingehen würde. Ich denke Ihnen fällt da so manch einer ein und manch einer sogar aus dem nächsten Umfeld.
Ich glaube sogar, dass es egal ist, bei wem von uns Jesus eingehen würde. Egal ob er bei mir oder bei dir eingehen würde. Irgendeinen im Umkreis gibt es garantiert, der sagen würde: Mensch, Mensch, Mensch, dass Jesus ausgerechnet bei dem oder der reingeht, die hat doch eh nur dreck am stecken.”
Und ja es stimmt. Jeder von uns hat so seine Leiche im Keller, die ihn oder sie zum Sünder oder zur Sünderin macht. Denn schon Augustin stellte fest, dass es von uns aus unmöglich ist, nicht zu sündigen.

Jesus nimmt die Sünder an.

Und hier kommt zu tragen, dass Jesus zu den Sündern geht. Indem er zu Zachäus geht, geht er auch zu dir und mir. Er geht zu jedem Menschen ein, denn Menschen sind nicht nur Schwarz oder nur weiß. Wir Menschen haben alle unsere Sündige anteile, als auch unsere Heiligen anteile. Hin und wieder ist es aber nötig, dass wir darauf gestoßen werden, dass wir etwas falsches machen oder zur Zeit auf dem absoluten Holzweg wandeln.
Meist spüren wir das, auch in uns, wie es auch Zachäus sicherlich gemerkt hat. Jedoch ist es auch eine Frage der Kommunikation, wie wir darauf hingewiesen werden.
Es bringt nichts, wenn wir mit dem moralisch erhobenen Zeigefinger darauf hingewiesen werden. Es bringt vielmehr etwas, wenn wir an unsere Menschlichkeit und an unseren Wert erinnert werden.
Jesus ermahnt Zachäus nicht. Jesus schimpft Zachäus nicht. Nein, Jesus ehrt Zachäus, indem er sagt: Ich möchte dein Gast sein. Zachäus spürt, dass er nicht ausgegrenzt ist, sondern, dass er angenommen wird von Jesus. Dieses Gefühl des Angenommen seins, hilft ihm den Weg der Umkehr einzuschlagen.

Jesus nimmt auch uns an

Und vielleicht ist es das, was uns auch helfen kann, dass wir jeden Tag uns vorstellen, Jesus würde in unser reiches Haus kommen. Vielleicht würde das uns helfen unsere Augen zu öffnen, dass auch wir etwas tun können. Das wir uns wandeln können. Wir als das reiche Europa. Wir als das reiche Deutschland. Wir als das reiche Idstein. Wir als die mal besser, mal weniger besser gestellten in unseren Häusern. Vielleicht würde uns der Gedanke, dass Jesus gerade hier mitten unter uns die Augen öffnen um zu sagen: Wir sollten nicht fordern, dass Hygienemaßnahmen gelockert werden, sondern wir sollten fordern, dass die Flüchtlinge aus dem brennenden Moria zu uns aufgenommen werden.
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