Drittletzter Sonntag Reihe II (1. Thess 5)
Predigtreihe II • Sermon • Submitted
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Was darf ich hoffen?
Was darf ich hoffen?
Liebe Gemeinde,
was darf ich hoffen? Diese Frage begleitet und bewegt Menschen ein Leben lang. Da schwingt alles mit, was wir manchmal sehnsüchtig erwarten, was wir wünschen, worum wir bitten – für uns oder für uns nahestehende Menschen. Was darf ich hoffen? Es ist keine leichte Frage. Wir merken, wie wenig wir selbst in der Hand haben. Wir sind auf so vieles angewiesen: auf Gesundheit, auf Frieden, auf Sicherheit, auf Zuneigung.
Was darf ich hoffen? Diese Frage trifft uns mitten in unserem Leben. Niemand bleibt davon unberührt: das heranwachsende Kind, das auf die bedingungslose Zuneigung von Mutter und Vater hofft; Jugendliche, die auf die große Liebe hoffen. Der Aufbruch ins Leben, in den Beruf, in eine Familiengründung, an einen anderen Ort – alles ist mit der Hoffnung verbunden, es möge gut werden und einen Sinn haben. Wir hoffen mit Kindern und Enkelkindern, mit Freunden, dass sie behütet durch das Leben gehen können. Wir hoffen im mittleren Alter, dass wir mit Arbeit und Freizeit die Balance halten können und uns physisch oder psychisch nicht kaputt machen. Im Alter hoffen wir, dass uns lange die Kräfte geschenkt sind, durch die wir selbständig bleiben können.
Was darf ich hoffen? Christen sind keine Hellseher, aber sie erwarten eine Zukunft mit Jesus Christus. Wir nennen das den Tag des Herrn. Darüber schreibt Paulus im Ersten Brief an die Gemeinde in Thessaloniki.
1 Nun zu der Frage nach den Zeiten und Fristen, wann das geschieht: Brüder und Schwestern, eigentlich brauche ich euch dazu nichts zu schreiben. 2 Denn ihr wisst selbst ganz genau: Der Tag des Herrn kommt unerwartet wie ein Dieb in der Nacht. 3 Gerade sagen die Leute noch: »Wir leben in Frieden und Sicherheit!« Da wird das Verderben ganz plötzlich über sie hereinbrechen – so wie bei einer schwangeren Frau plötzlich die Wehen einsetzen. Dann gibt es kein Entkommen. 4 Brüder und Schwestern! Ihr lebt nicht im Dunkel. Deshalb wird der Tag des Herrn euch nicht überraschen wie ein Dieb. 5 Denn ihr seid alle Kinder des Lichts und Kinder des Tages. Wir gehören nicht zum Bereich der Nacht oder der Dunkelheit. 6 Wir wollen also nicht schlafen wie die anderen. Wir wollen vielmehr wach und nüchtern sein!
Liebe Gemeinde,
Glauben wir das eigentlich, was wir hier hören? "Der Tag des Herrn wird kommen wie ein Dieb in der Nacht." Gehen wir wirklich noch davon aus, dass Jesus und sein Tag zu unserer Lebenszeit erscheint? Und schließlich: Sind wir da so sicher, dass "wir alle Kinder des Lichtes und des Tages sind", wie es hier heißt?
Martin, der Schuster
Martin, der Schuster
Vielleicht kennen Sie die Erzählung von Martin dem Schuster. Sie spielt in Russland, vor vielen, vielen Jahren. Der alte Schuhmacher Martin wurde dreimal von Jesus besucht, und er hat es gar nicht gemerkt. Weil Jesus eben nicht kam wie erwartet, sondern als erschöpfter Straßenkehrer, als arme, junge Mutter mit Kind und als kleiner Junge, der einer Bäuerin einen Apfel stiehlt. Martin - obwohl er nicht wusste, wer da zu ihm gekommen war - hat sich aller dieser Menschen in guter und christlicher Weise angenommen.
Anders die Frau, deren Geschichte sich wie eine Gegenerzählung dazu anhört: Sie hatte im Traum von Jesus selbst versprochen bekommen, dass er sie aufsuchen wird. Sie jagt am nächsten Tag drei arme Leute von ihrer Haustür, weil sie "auf ihren lieben Herrn wartet", wie sie sagt. Am Abend dann träumt sie wieder, und Jesus lässt sie wissen, dass er in der Gestalt der drei Bettelleute zu ihr gekommen ist und sie ihn abgewiesen hat.
Was uns diese Geschichten sagen wollen: Dass wir vielleicht vergeblich auf Jesus warten, wenn wir nach ihm ausschauen, so, wie wir ihn uns vorstellen: Wie auf den Bildern vom guten Hirten etwa oder so wie am Ostermorgen mit den Wundmalen an der Seite und an Händen und Füßen oder gar als strahlende Lichtgestalt auf einer Wolke... Jesus kommt auch zu uns vielleicht ganz anders!? Und er kommt eben zu jedem für sich? Und eben nicht zu allen Menschen zu gleicher Zeit. Und dass es so ist, dafür gibt es ja viel mehr Beispiele, als die beiden Geschichten, die ich angesprochen habe.
Schon zu Paulus kam Jesus auf ganz besondere Weise. Er hat ihn mit Blindheit geschlagen und ihn gefragt, warum er ihn verfolgt. Paulus hat ihn erkannt und sein Leben von Grund auf geändert.
Ins Leben Martin Luthers ist Jesus sozusagen mit dem Evangelium in der Hand getreten. Er hat ihm eine Schriftstelle im Römerbrief vor die Augen gehalten und ihm darin neu die wunderbare Botschaft von Gottes Gnade und Liebe geschenkt. Und Luther hat diese Botschaft in seine Zeit hineingesagt, eine Zeit, die noch ganz verdunkelt war von der Ansicht, Gott könnte nur gerecht sein und er müsse jede Schuld heimsuchen. Und zu vielen anderen Christen ist Jesus schon gekommen, seit Menschen in dieser Welt an ihn glauben. Und jeden hat er einzeln angesprochen, zu seiner Zeit und auf seine Weise.
Lebens-Verändernde kommt unvorhersehbar
Lebens-Verändernde kommt unvorhersehbar
Was wir daran lernen, liebe Gemeinde: Das Lebens-Verändernde kommt unvorhersehbar. Das, was uns umwirft, was unsere Gewißheiten und Sicherheiten umstößt, kommt zu einem Zeitpunkt, den wir nicht wissen. Der Tag des Herrn, sein Erscheinen, das Ende der Welt: sie sind unberechenbar.
Macht uns das Angst? Singen wir die Liedzeile 'Wir warten dein, O Gottessohn, und lieben dein Erscheinen' - aber gleichzeitig erschaudern wir beim Gedanken daran, daß damit alles Gewohnte zuende ist, alle Sicherheit dahin?
Der christliche Liederdichter Manfred Siebald singt in einem seiner Lieder, von der Erwartung des Wiederkommens Christi folgendermaßen: “Wir haben es uns gut hier eingerichtet, der Tisch, das Bett, die Stühle steh`n; der Schrank mit guten Dingen vollgeschichtet: wir sitzen, alles zu besehn. Dann legen wir uns ruhig nieder und löschen müd‘ vom Tag das Licht und beten laut: HERR, KOMM DOCH WIEDER! und denken leise: jetzt noch nicht! – und beten laut: HERR, KOMM DOCH WIEDER! und denken leise: jetzt noch nicht!“
Wenn Gott kommt, so lesen wir es in der Bibel, dann wird alles neu. Dann wird das, was uns heute Sicherheit gibt, keinen Bestand haben. Dann werden viele Dinge, an denen jetzt unser Herz hängt, nicht mehr sein. Dann wird auf die Beziehungen, in denen wir heute leben, das Licht einer anderen Wahrheit – seiner Wahrheit - fallen. Und alles, was wir in unserem Leben leisten werden und geleistet haben, wird geprüft werden darauf, ob es in der neuen Welt Gottes Bestand hat – und da wird bestimmt vieles, was uns besonders wichtig ist nicht mehr dabei sein!
Das, liebe Gemeinde, ist die Spannung, in der wir als Christenmenschen leben! Paulus will uns nicht erschrecken. Er schreibt zwar einige Szenarien auf, die einem unbefangenen Leser oder Hörer tatsächlich Angst machen können: der Einbrecher in der Nacht, die Schwangere, die plötzlich von Wehen überfallen wird.
Aber Paulus weiß auch, daß wir keine Angst zu haben brauchen:
Brüder und Schwestern! Ihr lebt nicht im Dunkel. Deshalb wird der Tag des Herrn euch nicht überraschen wie ein Dieb. 5 Denn ihr seid alle Kinder des Lichts und Kinder des Tages. Wir gehören nicht zum Bereich der Nacht oder der Dunkelheit. 6 Wir wollen also nicht schlafen wie die anderen. Wir wollen vielmehr wach und nüchtern sein!
Seit Ostern wissen wir: Keine Macht der Welt kann uns trennen von Gottes Liebe, auch nicht der Tod. Wir leben im Licht des kommenden Tages. Wir leben aus der Zusage dessen, der uns seine Gegenwart und das Leben mit ihm verspricht, ob wir wachen oder schlafen. Darauf hoffen wir. Jeden Tag und jede Nacht. Amen.